© 2013 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 – 078/13 Überblick über die Austeritätsprogramme in europäischen Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 2 Überblick über die Austeritätsprogramme in europäischen Staaten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 078/13 Abschluss der Arbeit: 06. Juni 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 3 1. Frankreich 4 2. Griechenland 6 3. Irland 8 4. Italien 10 5. Spanien 11 6. Portugal 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 4 Angefragt ist eine Darstellung der Spar- und Reformprogramme in den europäischen Staaten. Fokussiert werden soll zum einen das Volumen der Einsparungen und zum anderen der Umfang der Einnahmeoptimierung anhand ausgewählter Staaten der Eurozone. 1. Frankreich Das Vorhaben der Haushaltskonsolidierung in Frankreich wurde durch die Vorgängerregierung (Sarkozy) im November 2011 konkretisiert. Das Konsolidierungsvolumen beträgt von 2011 bis 2015 4,2% des BIP (99,3 Mrd. Euro). Dabei wird der überwiegende Teil, 59%, durch Ausgabenkürzungen erwirtschaftet. 41% tragen Einnahmeverbesserungen zur Haushaltskonsolidierung bei.1 Der Konsolidierungsplan beinhaltet ein ganzes Set an Reformmaßnahmen, die von der Erhöhung bestimmter Steuern, hin zu Ausgabenkürzungen, bspw. für die lokalen Gliederungen, reichen. Ebenso werden Strukturreformen, z.B. im System der Altersversorgung, implementiert. Der Umfang der einzelnen Maßnahmen kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden, in der die finanziellen Volumina in absoluten Zahlen sowie gemessen an der Wirtschaftskraft dargestellt werden:2 1 Vgl. OECD: Fiscal Consolidation Survey 2012, Stand: 17. September 2012, S. 121. 2 OECD: Fiscal Consolidation Survey 2012, Stand: 17. September 2012, S. 122f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 6 2. Griechenland Zum Abbau des jährlichen Defizits und der Schulden hat Griechenland seit 2010 umfassende Konsolidierungsmaßnahmen verabschiedet, die sowohl aus Einnahmeerhöhungen und Ausgabenreduzierungen , aber auch aus strukturellen Maßnahmen bestehen. Laut der Botschaft Griechenlands in Deutschland wurden u.a. folgende Maßnahmen beschlossen: Neben Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor wurde auch die Gesamtbeschäftigung reduziert. Bei den Sozialausgaben wurden insbesondere Sparmaßnahmen bei Rente, Krankenversicherung und medizinischen Leistungen beschlossen. Die Mehrwertsteuer wurde von 19% auf 23% erhöht (die ermäßigten Sätze Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 7 von 11% auf 13% und 5,5% auf 6,5%). Im Steuerwesen wurde auch der Steuerfreibetrag deutlich gesenkt. Zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit wurden Reformpakete zur Rente und zum Arbeitsmarkt beschlossen. Auch die öffentliche Verwaltung wird reduziert (Reduzierung der Stadtbezirke von 1034 auf 325 sowie der gewählten Beamten von 30.795 auf 16.657). Trotz wirtschaftlich ungünstiger Entwicklungen konnte die Defizitquote sukzessive gesenkt werden . Die jüngst verabschiedeten Maßnahmen sind zudem nach Einschätzung der Troika geeignet, die Zieleinhaltung 2013 zu gewährleisten, soweit sie tatsächlich umgesetzt werden.3 Der finanzielle Umfang der einzelnen Maßnahmen wird im Fiscal Consolidation Survey 2012 der OECD beziffert:4 3 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Mai 2013, S. 64. 4 Vgl. OECD: Fiscal Consolidation Survey 2012, Stand: 17. September 2012, S. 130-136. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 8 3. Irland Das irische Haushaltsdefizit betrug 2010 inklusive Bankenrekapitalisierung 31,2% des BIP. Das Hilfsprogramm von Irland startete Ende 2010. Von den zugesagten 67,5 Mrd. Euro wurden bis Ende 2012 53 Mrd. Euro ausgezahlt. Die Defizitverringerung verlief planmäßig, und die Defizitquote lag 2012 mit 7,6% sogar 1% unter dem Ziel des Anpassungsprogramms.5 Bis 2015 soll das Defizit auf 2,9% gesenkt und somit die Maastricht-Kriterien wieder eingehalten werden. Das Konsolidierungsvolumen beträgt in diesem Zeitraum (2009-2015) 32,2 Mrd. Euro bzw. 17,9% des BIP. Angesichts der gravierenden Deckungslücke 2010 beschloss Irland Ende 2010 ein Sparpaket, das u.a. aus folgenden Maßnahmen besteht: Erhöhung der Einkommensteuer, Reduzierung des Kindergeldes um 10 Euro pro Kind und Monat, vier prozentige Reduzierung von Pensionen über 12.000 Euro, Reduzierung des Einstiegsgehalts im öffentlichen Dienst um zehn Prozent. Die Körperschaftssteuer von 12,5% bleibt konstant. Insgesamt sollen 2011 rund 6 Mrd. Euro eingespart 5 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Mai 2013, S. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 9 werden.6 Die finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen für den Zeitraum 2009-2015 können der angefügten Tabelle aus dem Fiscal Consolidation Survey 2012 der OECD entnommen werden :7 6 Vgl. Handelsblatt-Online: Wie Irland seine Schulden bekämpfen will, 08.12.2010, im Internet unter: http://www.handelsblatt.com/politik/international/eisernes-sparprogramm-wie-irland-seine-schuldenbekaempfen -will/3662434.html [29.05.2013]. 7 OECD: Fiscal Consolidation Survey 2012, Stand: 17. September 2012, S. 159. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 10 4. Italien Das Stabilitätsprogramm der italienischen Regierung für 2011 führte zu einer Reduzierung des Defizits um 2,7% des BIP. Die Regierung Monti konnte mit ihren Maßnahmen für 2012 das Defizit auf -1,7% des BIP senken. Für 2014 wird nur noch mit einem Defizit von -0,1% des BIP gerechnet .8 Die Konsolidierungsmaßnahmen fokussieren insbesondere das italienische Steuersystem . Durch eine breite Besteuerung von Kapital und Verbrauch sollen die Einnahmen optimiert werden. Die Mehrwertsteuer wurde mit „Decree Law No. 138/2011“ von 20% auf 21% erhöht. Von den Maßnahmen des „Decree Law No. 138/2011“ waren auch die Kommunen in Italien betroffen , für die die Transfers der Zentralregierung reduziert wurden. Einen Überblick über die Auswirkungen der Maßnahmen kann folgender Tabelle entnommen werden:9 8 Vgl. OECD: Fiscal Consilidation Survey 2012, S. 164. 9 OECD: Fiscal Consilidation Survey 2012, S. 165. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 11 5. Spanien Spanien führt derzeit umfangreiche Änderungen auf allen Ebenen durch, um seine öffentlichen Finanzen zu konsolidieren und seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Hierbei sind drei Hauptgruppen zu unterscheiden:10 1. Reform der Verfassung, die im September 2011 verabschiedet wurde und durch die eine Schuldenbremse ähnlich der deutschen festgelegt wurde. Diese Reform wurde 2012 durch das Organgesetz zur Haushaltsstabilität und Nachhaltigkeit der Finanzen umgesetzt. 2. Seit 2010 wurden konkrete Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung veranlasst: a. Auf der Einnahmeseite erfolgte eine Abschaffung von Abzugsmöglichkeiten bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, die kürzlich erfolgte Erhöhung der Mehrwertsteuer (allgemeiner Steuersatz: 21 %, ermäßigter Satz: 10 %), eine Erhöhung der Steuersätze auf Verbrauchsteuern und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. b. Auf der Ausgabenseite wurden die Bezüge der öffentlichen Bediensteten wie folgt reduziert : 5 % in 2011, keine Anpassung in 2012 und die Streichung des Weihnachtsgehalts in 2012. Allein Letztere entspricht einer durchschnittlichen Minderung von 7 % der Jahresbezüge. Zudem wurden Subventionen, Sozialleistungen und Investitionen gekürzt. 3. Strukturreformen, die auf mittlere Sicht zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen beitragen sollen, wie etwa die Arbeitsmarktreform (Flexibilisierung der Kündigungsbedingungen und Neuordnung der Tarifvereinbarungen), die Reform des Rentenversicherungssystems (das Eintrittsalter wurde von 65 auf 67 Jahre heraufgesetzt), die Reform der Sozialversicherung sowie der Verwaltungsstrukturen auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene, mit dem Ziel potentielle Doppel-Funktionen abzuschaffen und die Effizienz der Verwaltung insgesamt zu steigern , sowie Reformen im Bildungs- und Finanzsektor. Der Rat der Europäischen Union befindet, dass das makroökonomische Ausgangsszenario des „Nationalen Reformprogramm Spanien 2012“ für 2012 „plausibel und für die Zeit danach optimistisch ist.“11 Hinsichtlich der Anpassung des Defizits und damit einhergehend dem Abbau der Schulden kommt der Bericht zu dem Befund, dass erhebliche Unsicherheitsfaktoren bestehen.12 Der Umfang der Reformmaßnahmen für die Jahre 2011 bis 2013 kann folgender Tabelle entnommen werden: 10 Mitteilung der Botschaft des Königreichs Spanien in Deutschland vom 25.07.2012. 11 Europäische Kommission: Empfehlung des Rates zum Nationalen Reformprogramm Spaniens 2012 und Stellungnahme zum Stabilitätsprogramm Spaniens für die Jahre 2012-2015, Brüssel, 30.05.2012, S. 3. 12 Ebenda, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 13 Quelle: OECD: Fiscal Consolidation Survey 2012, Stand: 17. September 2012, S. 228f. 6. Portugal Portugal hat am 06.04.2011 Finanzhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) beantragt , da das Land nicht mehr in der Lage war, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Der Hilfe wurde durch die Finanzminister der EU am 17.05. zugestimmt. Über einen Zeitraum von drei Jahren verteilt erhält Portugal Kredite in Höhe von 78 Mrd. Euro. Der IWF steuert ein Drittel, d.h. 26 Mrd. Euro bei. Der europäische Anteil von 52 Mrd. Euro wird zu gleichen Teilen von den zwei europäischen Instrumenten, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Europäischen Finanzstabilisierungsfonds (EFSM) bereitgestellt.13 Die portugiesische Regierung will mit einem umfassenden Paket fiskalischer Konsolidierungsund Reformmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit steigern und das Land in eine Wachstumsphase bringen. Bei der Haushaltskonsolidierung erreicht Portugal 2013 die 3-Prozent-Defizitgrenze:14 13 Auswärtiges Amt: Portugal – Wirtschaft und Finanzen, Stand: Januar 2013, im Internet unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Portugal/Wirtschaft_node.html [30.05.2013]. 14 Vgl. OECD: Fiscal Consilidation Survey 2012, S. 206. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 14 Die Maßnahmen umfassen Kürzungen bei öffentlichen Gehältern, bei Renten und Sozialleistungen sowie Personalabbau und Kostensenkungen in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheitsund im Bildungssystem. Zudem werden Verbrauchs-, Einkommen- sowie Unternehmenssteuern weiter erhöht. Zudem soll Staatseigentum privatisiert werden. Mit einer Reihe von Strukturreformen soll die Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Wirtschaft verbessert werden und das Land schon 2013 wieder ein leichtes Wachstum verzeichnen. Bereits verabschiedet sind Reformen am Arbeitsmarkt (Lockerung des Kündigungsschutzes, niedrigere Abfindungszahlungen und Überstundenzuschläge sowie die Streichung von vier Feiertagen), die Änderung des Mietrechts, die Liberalisierung der Energie- und Telekommunikationsmärkte sowie die Reform der öffentlichen Verwaltung und der Justiz. Die Regierung hat im August 2011 ein Soziales Notprogramm (400 Mio. Euro) zur Abfederung der größten Härten aus dem Anpassungsprogramm v.a. für Kleinrentner, Arbeitslose und Familien verabschiedet. Das Programm setzt dabei stark auf die Beteiligung des Privatsektors (Unternehmen , private soziale Träger, Kirchen). Stabilisierung des Finanzsektors: Die Banken werden einer strengeren Aufsicht mit zusätzlichen Auflagen unterstellt, bestehende Garantieprogramme des Staates werden aufgestockt, um die Ka- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 15 pitalisierung der Banken zu gewährleisten. Die portugiesischen Banken haben inzwischen die Vorgaben zum Mindestkapital erreicht.15 15 Auswärtiges Amt: Portugal – Wirtschaft und Finanzen, Stand: Januar 2013, im Internet unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Portugal/Wirtschaft_node.html [30.05.2013]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 078/13 Seite 16