© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 076/19 Öffnungsklausel für abweichende Landesgesetzgebung bei einer reformierten Grundsteuer Die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten bzw. Vorgaben und Probleme einer „Öffnungsklausel“ im Rahmen einer zu reformierenden Grundsteuer Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Begriff und Bedeutung einer „Öffnungsklausel“ im Rahmen der Grundsteuererhebung 6 3. Möglichkeiten zur Einführung verschiedener Öffnungsklauseln ohne Verfassungsänderung 7 3.1. Möglichkeit zur Einführung einer kleinen Öffnungsklausel im Rahmen der Fortschreibungskompetenz 7 3.2. Möglichkeit zur Einführung einer großen Öffnungsklausel im Rahmen der Fortschreibungskompetenz 8 3.3. Möglichkeit zur Einführung von kleiner bzw. großer Öffnungsklausel unter der Annahme konkurrierender Gesetzgebungskompetenz des Bundes 9 3.4. Föderalisierung der Grundsteuer 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt ist nach den „verfassungsrechtlichen Möglichkeiten einer Öffnungsklausel für abweichende Landesgesetzgebung bei einer reformierten Grundsteuer“. 2. Vorbemerkungen 2.1. Das Grundsteuerurteil des BVerfG Am 10.04.2018 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinem Urteil 1 BvL 11/141 (Grundsteuer-Urteil), dass die aktuelle Erhebung der Grundsteuer auf Grundlage von Grundsteuergesetz (GrStG) und Bewertungsgesetz (BewG) verfassungswidrig ist. Die Erhebung auf der Grundlage völlig veralteter Einheitswerte führe zu einer unangemessenen, nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Steuerschuldner.2 Das Gericht gab „dem Gesetzgeber“ daher auf, bis zum 31.12.2019 eine Neufassung zu verabschieden.3 Ab diesem Zeitpunkt können die alten Regeln dann noch für fünf weitere Jahre angewandt werden, um in der Zwischenzeit die Umsetzung der neuen Gesetzesfassung vorzubereiten.4 Danach müssen also zwei Zeitpunkte auseinandergehalten werden, wenn es um Fragen der Gesetzgebungskompetenz oder auch um eine Öffnungsklausel in einem neuen Gesetz geht.5 Es wird davon ausgegangen, dass die Frage sich auf Gesetzesvorhaben bezieht, das vor Fristablauf in Kraft treten soll, so dass die Frage auch nur diesbezüglich beleuchtet wird. 2.2. Der Kompetenzstreit Bevor im Detail auf die Frage nach einer „Öffnungsklausel“ eingegangen werden kann, muss zunächst der Streit um die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer allgemein dargestellt werden , da er sich auf die hier zu beantwortende Fragestellung erheblich auswirkt. Ob Bund oder Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, ließ das BVerfG im Grundsteuerurteil ausdrücklich offen. Hintergrund des Streits ist der, dass zu dem Zeitpunkt als die ursprüngliche Fassung des Grundsteuersystems (also GrStG und BewG) in Kraft trat, der Bund wegen der alten Fassung des Art. 72 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in konkurrierender Gesetzgebung zuständig war.6 1 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14. 2 Vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – dritter Leitsatz. 3 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – Entscheidungsformel 2. 4 Vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – Entscheidungsformel 2. 5 Vgl. insoweit schon Ausarbeitung: Grundsteuerreform: Die Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern nach erfolglosem Verstreichen der Frist zum 31.12.2019, WD 4- 3000 – 024/19, https://www.bundestag.de/resource /blob/628266/43d2c8e9dd3a3aef58f40f17d60164ca/WD-4-024-19-pdf-data.pdf [zuletzt abgerufen am 17.06.2019] 6 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 104. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 5 Mit der Verfassungsreform im Jahre 1994 wurden die Voraussetzungen zur Annahme einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz allerdings verschärft. Insbesondere die Einführung einer Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 GG steigerte die Anforderungen.7 Ob damit eine umfassende Reform der Grundsteuer auch heute noch in die Kompetenz des Bundes fällt, ist umstritten .8 Dabei gilt es allerdings zu unterscheiden zwischen der Fortschreibungskompetenz und der originär (umfassenden) Gesetzgebungskompetenz. Anerkannt ist, dass der Bund im Rahmen seiner Fortschreibungskompetenz aus Art. 125a GG dazu ermächtigt ist, einzelne Änderungen an geltendem Bundesrecht vorzunehmen, selbst wenn er die entsprechende originäre Kompetenz mittlerweile verloren hätte. Art. 125a Abs. 2 GG besagt : „Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden , dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann.“ Hinsichtlich der Grundsteuer erklärt das BVerfG dazu im Grundsteuerurteil: „Erweist sich eine bundesgesetzliche Regelung der Grundsteuer und der Einheitsbewertung hingegen nach der seit dem 16. November 1994 geltenden Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG nicht als erforderlich […], gilt die bestehende Regelung nach Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG als Bundesrecht fort, solange sie nicht in wesentlichen Elementen geändert wird. Denn die Zuständigkeit zur Änderung solcher fortgeltender Vorschriften verbleibt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG beim Bundesgesetzgeber, soweit die Änderung die wesentlichen Elemente der in dem fortbestehenden Bundesgesetz enthaltenen Regelung beibehält und keine grundlegende Neukonzeption enthält (vgl. BVerfGE 111, 10 <28 ff.>; 112, 226 <250>). Danach kann sich das geltende Recht der für die Grundsteuer maßgeblichen Einheitsbewertung für Grundbesitz nach wie vor auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützen.“9 Die Kompetenz zu einer umfassenden Reform ist davon aber nicht gedeckt.10 Einzelne Stimmen in der Wissenschaft11, sowie die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für Finanzen (BMF) vertreten die Auffassung, der Bund sei noch immer zur Regelung der Grundsteuer nach Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art 72 Abs. 2 GG zuständig; insbesondere die strengen Anforderungen der Erforderlichkeitsklausel aus Art. 72 Abs. 2 GG seien gewahrt.12 Diese Auffassung brachte das Ministerium in der Begründung eines ersten Entwurfs zur Reform der Grundsteuer zum Ausdruck. Die überwiegenden Stimmen in der Literatur gehen allerdings davon aus, 7 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 104. 8 Siehe zum Kompetenzstreit im Einzelnen auch: Ausarbeitung: Grundsteuerreform: Die Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern nach erfolglosem Verstreichen der Frist zum 31.12.2019, WD 4- 3000 – 024/19. 9 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – Rn. 89. 10 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 106. 11 Tappe: „Gesetzgebungskompetenz für die Reform der Grundsteuer“ in der Ausschussdrucksache des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages 19(7) – 158, S. 9 ff. 12 Referentenentwurf vom 03.04.2019, S. 94-97. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 6 dass die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG für eine Gesetzgebung zur Neubestimmung der Bewertungsregelungen zur Grundsteuer nicht vorliegen.13 Es besteht größtenteils Einigkeit, dass es nach der Verfassungsreform von 1994 den Ländern obliegt, die Grundsteuer neu zu konzeptionieren, sollte dies erforderlich sein.14 Dies wird damit begründet , dass eine bundeseinheitliche Regelung der Grundsteuer nicht erforderlich sei, um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit zu gewährleisten, wie es Art. 72 Abs. 2 GG für eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes verlangt. Die Grundsteuer sei eine Objektsteuer mit örtlich begrenztem Wirkungskreis, an deren Ertrag der Bund nicht beteiligt ist.15 Außerdem gebe es schon heute regionale Unterschiede, durch die Anwendung der kommunalen Hebesätze, ohne dass bisher ein erkennbarer Hebesatzwettbewerb oder Ausweichbewegungen der Steuerpflichtigen zu beobachten gewesen wären, die eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich machen würden.16 Würde der Bund in einem Reformgesetz also nicht nur Anpassungen im Rahmen seiner Fortschreibungskompetenz aus Art. 125a Abs. 2 GG vornehmen, sondern wesentliche Elemente neu regeln, so wird – auf Grundlage der dargestellten Argumente und Stimmen - prognostiziert, dass ein solches Gesetz sehr schnell beim BVerfG überprüft werden würde, wobei ein hohes Risiko bestünde, dass es wieder für verfassungswidrig erklärt würde.17 2.3. Begriff und Bedeutung einer „Öffnungsklausel“ im Rahmen der Grundsteuererhebung Weiter wichtig für die Beantwortung der aufgebrachten Fragestellung ist es, den Terminus „Öffnungsklausel “ zu konkretisieren. Allgemein zielt der Begriff im Rahmen der Grundsteuer darauf ab, die Länder verstärkt am Erhebungsprozess zu beteiligen. Dabei gibt es aber verschiedene Möglichkeiten , die jeweils an verschiedenen Punkten im Erhebungsprozess der Grundsteuer ansetzen .18 Dieser Prozess besteht im Wesentlichen aus drei Schritten: zunächst erfolgt die Ermittlung des Grundstückswerts, dann die Multiplikation mit einer Steuermeßzahl und schlussendlich die Anwendung eines Hebesatzes durch die Gemeinden. Eine sog. „kleine Öffnungsklausel“ würde das Verfahren zur Wertermittlung von Grundstücken beim Bund belassen, die Länder würden aber die Steuermeßzahl und damit den Steuermeßbetrag festlegen und so Einfluss auf die Grundsteuer ausüben. Ferner möglich scheint auch eine sog. 13 Bspw. 16 Professoren mit steuerrechtlichem Hintergrund (2019), Stellungnahme, Offener Brief an Bundesfinanzminister Scholz, Verfassungskonforme Reform der Grundsteuer, abrufbar z.B. unter https://www.jura.uniaugsburg .de/lehrende/professoren/kirchhof/medienverzeichnis/offener_brief_zur_grundsteuer.pdf (zuletzt abgerufen am 17.06.2019); oder auch Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 61, Fn. 1 m.w.N. 14 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 109; Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 61. 15 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 105. 16 Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 63. 17 Schmidt, NVwZ 2019, 103, 108 f. 18 Vgl. dazu auch: Leisner-Egensperger, Anna: Die Länderöffnungsklausel bei der Grundsteuer – ein Zauberwort in der Verhandlungsarena des Föderalismus, VerfBlog, 2019/13, im Internet: https://verfassungsblog.de/die-laender -oeffnungsklausel-bei-der-grundsteuer-ein-zauberwort-in-der-verhandlungsarena-des-foederalismus/ (zuletzt abgerufen am 17.06.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 7 „große Öffnungsklausel“, wonach die Ermittlung des Grundstückswerts den Ländern übertragen würde. Die Länder würden also entscheiden, anhand welcher Faktoren der Wert des Bezugsobjekts ermittelt würde, insbesondere würden sie entscheiden, ob ein wertabhängiges (WAM) oder ein wertunabhängiges Verfahren (WUM) zum Ansatz kommen würde. Letztlich wäre es ebenfalls denkbar die Grundsteuer vollkommen zu föderalisieren, im Wege eines Freigabegesetzes nach Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG. Bei kleiner und großer Öffnungsklausel liegt der Unterschied zur vollständigen Föderalisierung insbesondere darin, dass die Länder die Öffnungsklauseln nutzen könnten, dies aber nicht müssten.19 Bei einem Freigabegesetz hingegen wären die Länder verpflichtet ihrer Kompetenz nachzukommen. 3. Möglichkeiten zur Einführung verschiedener Öffnungsklauseln ohne Verfassungsänderung 3.1. Möglichkeit zur Einführung einer kleinen Öffnungsklausel im Rahmen der Fortschreibungskompetenz Eine kleine Öffnungsklausel, wie oben beschrieben, würde den Kerngehalt des bisherigen Bundesrechts nicht berühren. Vielmehr würde das vom BVerfG aufgeworfene Hauptproblem, nämlich die Wertfestsetzung des Grund und Bodens davon unberührt bleiben. Sie würde lediglich zu regionalen Anpassungen der Steuermeßzahl führen. Derartige regionale Unterschiede beeinträchtigen aber die Grundzüge des Systems nicht, sondern passen es lediglich an. Dies wird insbesondere unter Hinweis darauf vertreten, dass auch schon im alten Grundsteuersystem zwischen alten und neuen Bundesländern differenziert wird und auch schon aktuell landesspezifisch unterschiedliche Steuersätze gelten.20 Entsprechend hätte der Bund aktuell die (Fortschreibungs-)Kompetenz aus Art. 125a GG ein Grundsteuerreformgesetz mit kleiner Öffnungsklausel zu verabschieden21, so dass die Länder die Möglichkeit hätten die Steuermeßzahl festzulegen. 19 Greve, NVwZ 2019, 701, 702. 20 Leisner-Egensperger, Anna: Die Länderöffnungsklausel bei der Grundsteuer – ein Zauberwort in der Verhandlungsarena des Föderalismus, VerfBlog, 2019/13, im Internet: https://verfassungsblog.de/die-laender-oeffnungsklausel -bei-der-grundsteuer-ein-zauberwort-in-der-verhandlungsarena-des-foederalismus/ (zuletzt abgerufen am 17.06.2019) 21 Unter dem Vorbehalt, dass sich das Gesetz auch in Bezug auf die restliche Regelungsmaterie im Rahmen der Fortschreibungskompetenz bewegt, also keine wesentlichen Elemente des bisher geltenden Rechts grundlegend verändert; bei dem aktuellen Referentenentwurf des BMF ist dies hoch fraglich, siehe dazu ausführlich: Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 8 3.2. Möglichkeit zur Einführung einer großen Öffnungsklausel im Rahmen der Fortschreibungskompetenz Eine große Öffnungsklausel würde den Ländern die Kompetenz geben, darüber zu entscheiden, wie die Bewertung der zu besteuernden Grundstücke zu erfolgen hätte. Die Länder würden individuell entscheiden können, ob wert- oder flächenorientierte Bewertungssysteme angewandt würden und wie diese im Einzelnen auszugestalten wären. Ob dies ohne eine Grundgesetzänderung möglich wäre, ist derzeit umstritten. Es wird angeführt, dass mit einer großen Öffnungsklausel eine erhebliche Neustrukturierung einhergehen werde, da einige Länder das bisherige Bewertungssystem vollständig umstellen würden (von einem wertabhängigen hin zu einem wertunabhängigen System); entsprechend sei auch keine Fortschreibungskompetenz gegeben.22 Ob der Modellwechsel durch Bund oder durch die Länder erfolge, sei unbeachtlich . Er würde jedenfalls eine Grundgesetzänderung erfordern.23 Andere Stimmen wiederum argumentieren mehr im Rahmen von Systematik und Sinn und Zweck des Art. 125a GG. Danach sei eine Grundgesetzänderung für eine große Öffnungsklausel gerade nicht nötig.24 Denn Art. 125a GG schränke die Kompetenz des Bundes nur zum Schutze der Länder ein.25 Eine große Öffnungsklausel reduziere aber den Eingriff durch den Bund in die Kompetenzen der Länder.26 Der Bund könne die Materie durch Freigabegesetz gemäß Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG auch vollständig auf die Länder übertragen. Dann müsse aber auch die Kompetenz des Bundes bestehen, die Gestaltungsspielräume der Länder zu erweitern, da darin eine bloße Minusmaßnahme zur Möglichkeit des Freigabegesetzes liege. 27 Das ifst stellt fest: „Eine Beteiligung der Länder an der Weiterentwicklung von Bundesrecht kann damit nicht zur Überschreitung der dem Bund im Rahmen von Art. 125a Abs. 2 S. 1 GG weiterhin zugestandenen Anpassungs - und Änderungskompetenz führen.“28 In diesem Zusammenhang muss aber zum einen beachtet werden, dass die Frage, ob Art. 125a Abs. 2 GG die Kompetenz für eine große Öffnungsklausel tatsächlich enthält final nur durch das 22 Leisner-Egensperger, Anna: Die Länderöffnungsklausel bei der Grundsteuer – ein Zauberwort in der Verhandlungsarena des Föderalismus, VerfBlog, 2019/13, im Internet: https://verfassungsblog.de/die-laender-oeffnungsklausel -bei-der-grundsteuer-ein-zauberwort-in-der-verhandlungsarena-des-foederalismus/ (zuletzt abgerufen am 17.06.2019) 23 Leisner-Egensperger, Anna: Die Länderöffnungsklausel bei der Grundsteuer – ein Zauberwort in der Verhandlungsarena des Föderalismus, VerfBlog, 2019/13, im Internet: https://verfassungsblog.de/die-laender-oeffnungsklausel -bei-der-grundsteuer-ein-zauberwort-in-der-verhandlungsarena-des-foederalismus/ (zuletzt abgerufen am 17.06.2019) 24 So bspw. Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 78 ff. oder auch Greve, NVwZ 2019, 701, 704. 25 Greve, NVwZ 2019, 701, 704. 26 Greve, NVwZ 2019, 701, 704. 27 Greve, NVwZ 2019, 701, 704. 28 Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 79. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 9 BVerfG entschieden werden kann. Ferner muss bedacht werden, dass die oben dargestellte Streitigkeit um die Kompetenz des Bundes sich nicht nur hinsichtlich einer großen Öffnungsklausel stellen würde, sondern in Bezug auf alle weiteren Regelungen, die das neue Bundesgesetz enthalten würde. Insbesondere muss bedacht werden, dass bei einer großen Öffnungsklausel die Länder nicht verpflichtet sind, eigene Regelungen zu treffen. Dies wiederum bedeutet, der Bund muss ein für sich genommen vollständiges und ohne Erweiterungen der Länder funktionierendes Gesetz verabschieden, das wiederum von seiner Kompetenz aus Art. 125a Abs. 2 GG gedeckt ist. Selbst die Rechtsauffassung, dass eine große Öffnungsklausel von der Fortschreibungskompetenz des Bundes gedeckt sei, führt nicht dazu, dass die Kompetenzfrage gelöst wäre. 3.3. Möglichkeit zur Einführung von kleiner bzw. großer Öffnungsklausel unter der Annahme konkurrierender Gesetzgebungskompetenz des Bundes Geht man – wie das BMF – davon aus, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Neukonzeption der Grundsteuer auch originär zusteht, so bleibe es dem Bund dennoch unbenommen sowohl kleine, oder auch eine große Öffnungsklausel in den neuen Gesetzesentwurf einzupflegen . Sowohl in Literatur, wie auch in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt , dass es dem Bundesgesetzgeber offensteht, Raum für Regelungen oder Regelungsvorbehalte der Länder durch Öffnungsklauseln zu schaffen.29 Dies wird als gängiges Mittel in der Gesetzgebungstechnik aufgefasst. Der Bund muss dann allerdings ein in sich geschlossenes Gesetz verabschieden, dass solange gilt, bis es an den dafür vorgesehenen Stellen durch abweichendes Landesrecht ersetzt wird.30 Dabei steht es dem Bundesgesetzgeber völlig frei zu entscheiden, wie weit er einzelne Befugnisse auf die Länder überträgt.31 Für die Länder ist es dann wiederum fakultativ, ob sie Gebrauch von der Möglichkeit zur abweichenden Regelung machen, oder nicht. 3.4. Föderalisierung der Grundsteuer Schlussendlich gibt das Grundgesetz die Möglichkeit einer Föderalisierung der Grundsteuer mit Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich her. Hierfür wäre ein förmliches Bundesgesetz notwendig , welches ohne Beteiligung des Bundesrates beschlossen werden könnte.32 29 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 22. 7. 1970 - 2 BvL 8/70, NJW 1970, 1838; Greve, NVwZ 2019, 701, 702, m.w.N. 30 Greve, NVwZ 2019, 701, 702. 31 Greve, NVwZ 2019, 701, 702. 32 Wittreck , in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2018, Rn. 24; Leisner-Egensperger, Anna: Die Länderöffnungsklausel bei der Grundsteuer – ein Zauberwort in der Verhandlungsarena des Föderalismus, VerfBlog, 2019/13, im Internet: https://verfassungsblog.de/die-laender-oeffnungsklausel-bei-der-grundsteuer-ein-zauberwort -in-der-verhandlungsarena-des-foederalismus/ (zuletzt abgerufen am 17.06.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 076/19 Seite 10 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich diese Variante kaum noch umsetzen lässt. Denn selbst wenn ein Freigabegesetz zeitnah auf den Weg gebracht würde, so erscheint es doch hoch fraglich, dass es den Ländern im Anschluss gelingt, bis Ende des Jahres Grundsteuergesetze auf den Weg zu bringen, so dass die Umsetzungsfrist des BVerfG gewahrt bleibt.33 Konsequenz dieses Weges könnte eine Erhebungslücke sein, bis die Länder entsprechende Gesetze erlassen haben und deren Verwaltungsaufwand auch umsetzen könnten.34 33 So auch: Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 81. 34 Dazu ausführlich: Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 79 ff.