© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 075/17 Sollen Zentralbanken eigene Kryptowährungen ausgeben? Stand der Diskussion Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 2 Sollen Zentralbanken eigene Kryptowährungen ausgeben? Stand der Diskussion Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 075/17 Abschluss der Arbeit: 27. Oktober 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Konzept einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht- Banken 4 4. Vorteile einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht- Banken 6 4.1. Preisvolatilität 6 4.2. Erweiterte Möglichkeiten für die Geldpolitik 7 4.3. Anonymität 7 4.4. Kostengünstig und schnell 7 5. Nachteile einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht- Banken 8 5.1. Bank runs 8 5.2. Risiken für die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute 8 5.3. Anfälligkeit für Cyber-Angriffe 8 6. Ausblick – das e-krona-Projekt 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 4 1. Fragestellung Gewünscht ist eine umfassende Bewertung der Vor- und Nachteile (u.a. für Wirtschaftswachstum , Effizienz des Zahlungssystems, geldpolitische Transmission, Finanzstabilität, öffentliche Verschuldung) einer von der Zentralbank für den allgemeinen Zahlungsverkehr unter Nicht-Banken begebenen Kryptowährung. 2. Einleitung Fast täglich tauchen neue Kryptowährungen (Digitalwährungen) auf. Bisher werden diese Währungen ausschließlich von Privaten emittiert. Ihr erklärtes Ziel ist es, insbesondere Transaktionen unabhängig von Zentralbanken und Geschäftsbanken auf einer peer-to-peer-Basis durchzuführen. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich zunehmend auch die Zentralbanken mit der Frage, ob sie nicht selbst eine eigene Kryptowährung ausgeben sollten. Bei der Ausgestaltung einer Zentralbank -Kryptowährung bestehen verschiedene Optionen. Im Folgenden wird auftragsgemäß ausschließlich auf eine von der Zentralbank für den allgemeinen Zahlungsverkehr unter Nicht-Banken begebene Kryptowährung abgestellt. Welche Auswirkungen mit der Einführung von einer Retail-Zentralbank-Kryptowährung1 verbunden sind, wurde bisher noch nicht umfassend erforscht . Eine solche Analyse wird aber generell für unabdingbar gehalten, da die Einführung des neuen Geldes neben potenziellen Effizienzgewinnen auch Risiken zum Beispiel für die Stabilität des Finanzsystems und die Effizienz der Geldpolitik in sich bergen kann. In der Literatur wurden jedoch bereits punktuell potenzielle Vor- und Nachteile einer entsprechenden Währung dargestellt . 3. Konzept einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht-Banken Eine von einer Zentralbank herausgegebene Kryptowährung für Nicht-Banken gibt es bisher noch nicht. Allerdings wird ein solches Konzept seit einiger Zeit von Bloggern, Zentralbankern und Akademikern diskutiert. Der vielleicht am häufigsten diskutierte Vorschlag ist der sogenannte Fedcoin2. Diese Form der Kryptowährung würde vier Kriterien gleichzeitig erfüllen:3 – Für alle zugänglich, – elektronisch, 1 Bech, Morten; Garratt, Rodney: Central bank cryptocurrencies, in: Bank for International Settlements (BIS), Quarterly Review, September 2017, unter: https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1709.htm, abgerufen am 02. Oktober 2017. 2 Dieser Begriff wurde von JP Koning kreiert, vgl. Fedcoin, 19. October 2014, unter: http://jpkoning .blogspot.de/2014/10/fedcoin.html und Fedcoin: A Central Bank-issued Cryptocurrency, 15. November 2016, unter: https://static1.squarespace.com/static /55f73743e4b051cfcc0b02cf/t/58c7f80c2e69cf24220d335e/1489500174018/R3+Report-+Fedcoin.pdf, beides abgerufen am 23. Oktober 2017. 3 Trentin, Alexander: Kommt das Bitcoin der Zentralbanken?, in: Finanz und Wirtschaft, 17. September 2017, unter: https://www.fuw.ch/article/bitcoin-fuer-zentralbanken/, abgerufen am 5. Oktober 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 5 – von der Zentralbank herausgegeben, – Peer-to-Peer, kann also von einem Nutzer zu einem anderen direkt geschickt werden. Dies wird durch distributed ledger technology (DLT)4 ermöglicht. Es unterscheidet sich damit von anderen Beispielen von Geld aus der Vergangenheit und der Gegenwart , dargestellt in der sogenannten money flower:5 Die Federal Reserve soll nach dem Konzept eine Kryptowährung ähnlich wie Bitcoin schaffen. Im Gegensatz zu Bitcoin wäre aber nur die Federal Reserve in der Lage und berechtigt, Fedcoins zu schöpfen. Fedcoins würden nur geschaffen (zerstört), wenn gleichzeitig ein gleichwertiger Betrag (1:1-Konvertibilität) an Bargeld oder Reserven zerstört (erstellt) wurde. Wie Bargeld wäre Fedcoin dezentral bei Transaktionen und zentralisiert im Angebot. 4 Distributed-Ledger bedeutet wörtlich „Verteiltes Kontobuch“. Die gängigsten DLT-Anwendungen basieren auf der Blockchain-Technologie. Das Verteilte Kontenbuch besteht in diesem Fall aus einer Kette von chronologisch gereihten Blöcken, die eine oder mehrere Transaktionen beinhalten. Die private Kryptowährung Bitcoin verwendet diese Blockchain-Technologie, vgl. Deutsche Bundesbank: Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung: Potenziale und Risiken, in: Monatsbericht September 2017, Seite 37, unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte /2017/2017_09_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 23. Oktober 2017. 5 Trentin, Alexander: Kommt das Bitcoin der Zentralbanken?, in: Finanz und Wirtschaft, 17. September 2017, unter: https://www.fuw.ch/article/bitcoin-fuer-zentralbanken/, abgerufen am 5. Oktober 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 6 4. Vorteile einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht-Banken 4.1. Preisvolatilität Eine Zentralbank-Kryptowährung im Sinne von Fedcoin würde die hohe Preisvolatilität beseitigen , die den Kryptowährungen bisher gemeinsam ist.6 Die folgende Grafik stammt ebenfalls von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich:7 1 Ninety-day moving average, 2 Ratio of standard deviation to mean 6 Bech, Morten; Garratt, Rodney: Central bank cryptocurrencies, in: Bank for International Settlements (BIS), Quarterly Review, September 2017, Seite 63, unter: https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1709.htm, abgerufen am 02. Oktober 2017. 7 Bech, Morten; Garratt, Rodney: Central bank cryptocurrencies, in: Bank for International Settlements (BIS), Quarterly Review, September 2017, Seite 56, unter: https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1709.htm, abgerufen am 02. Oktober 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 7 4.2. Erweiterte Möglichkeiten für die Geldpolitik Darüber hinaus hat Fedcoin, wie Koning bemerkt, das Potenzial, die Beschränkung der Geldpolitik durch die Null-Zins-Grenze zu verringern. Wie bei anderen elektronischen Formen von Zentralbankgeld ist es technisch möglich, Zinsen auf eine DLT-basierte Zentralbankwährung zu zahlen . Wenn eine Zentralbank-Kryptowährung Bargeld vollständig ersetzen würde, wäre es den Einlegern im Gegensatz zur heutigen Situation nicht mehr möglich, negative Zinsen zu vermeiden , indem sie ihre Einlagen abheben.8 Negativzinsen auf Zentralbankgeld wurde in der Vergangenheit von einigen Ökonomen9 gefordert , um die Konjunktur in einer tiefen Rezession besser zu beleben. Es wird argumentiert, dass Unternehmen und Einzelpersonen bei Negativzinsen sogar Investitionen eingehen würden, die einige Zeit brauchen, um zu rentieren, da die Zinslast gering ist. Das Konzept ist aber umstritten. So wird unter anderem darauf hingewiesen, dass Investitionen nicht nur wegen zu hoher Zinsen, sondern wegen fehlender Wachstumserwartungen sowie aufgrund einer hohen politischen Verunsicherung unterbleiben können. 4.3. Anonymität Die Technologie hinter der Kryptowährung (DLT) würde es Zentralbanken ermöglichen, einen digitalen Bargeldersatz mit Anonymitäts-Eigenschaften anzubieten. Bürger könnten sich ohne Konto anonym oder zumindest pseudonym gegenseitig Geld zuschicken. Der Grad der Anonymität und damit auch die Akzeptanz der Kryptowährung richteten sich danach, ob die Zentralbank als Emittent die Kundendaten, also die wahre Identität hinter der öffentlichen Adresse, verlangt oder nicht. 4.4. Kostengünstig und schnell Transaktionen mit einer Zentralbank-Kryptowährung könnten gegenüber konventionellen Überweisungen den Vorteil mit sich bringen, dass sie vergleichsweise kostengünstig und schnell sind. Überweisungen mit der DLT sind derzeit in der Regel wesentlich schneller als konventionelle Überweisungen, die insbesondere ins Ausland viele Tage in Anspruch nehmen. Besonders zeitaufwändig sind dabei Transaktionen in Entwicklungsländer.10 Ein Kostenvorteil könnte daraus entstehen, dass von traditionellen Finanzintermediären erhobene Bearbeitungs- und Überweisungsgebühren bei einer Kryptowährung entfallen. 8 Siehe auch Trentin, Alexander: Kommt das Bitcoin der Zentralbanken?, in: Finanz und Wirtschaft, 17. September 2017, unter: https://www.fuw.ch/article/bitcoin-fuer-zentralbanken/, abgerufen am 5. Oktober 2017. 9 Agarwal, Ruchir; Kimball, Miles: Breaking Through the Zero Lower Bound, International Monetary Fund (IMF) Working Paper 15/224, Oktober 2015, unter: https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2016/12/31/Breaking -Through-the-Zero-Lower-Bound-43358, abgerufen am 25. Oktober 2017. 10 Hanl, Andreas; Michaelis, Jochen: Kryptowährungen - ein Problem für die Geldpolitik?, in: Wirtschaftsdienst Mai 2017, Seite 366. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 8 5. Nachteile einer Zentralbank-Kryptowährung für Nicht-Banken 5.1. Bank runs In wirtschaftlichen Krisensituationen besteht generell die Gefahr, dass die Bankkunden in großem Umfang ihre Guthaben abheben und damit das Finanzsystem gefährden. Diese sogenannten bank runs könnten bei einer Zentralbank-Kryptowährung schneller auftreten, wenn die Öffentlichkeit einfach per Knopfdruck in der Lage wäre, ihre Bankguthaben in risikofreie Zentralbankverbindlichkeiten umzutauschen.11 5.2. Risiken für die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute Wenn die Verbraucher beschließen würden, auf signifikante Teile ihrer Sichtguthaben zugunsten einer Zentralbank-Kryptowährung zu verzichten, würden diese Mittel den Kreditinstituten nicht mehr als unverzinsliche Refinanzierung zur Verfügung stehen. Diese könnte erhebliche Auswirkungen auf die Zinsmarge, das Ausmaß der Kreditgewährung sowie die Geschäftsmodelle im Bankensystem und ihre Struktur haben.12 5.3. Anfälligkeit für Cyber-Angriffe Die Sicherheitsrisiken von Kryptowährungen lassen sich theoretisch in zwei Gruppen einteilen: Risiken, die innerhalb des Netzwerks entstehen und Risiken, die an der Schnittstelle zwischen Netzwerk und konventionellen Finanzintermediären entstehen. Beide Risiken ließen sich nicht vollständig eliminieren.13 Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass traditionelle Zahlungssysteme und traditionelles Geld auch nie ohne Risiken und Sicherheitslücken existiert hätten (zum Beispiel Diebstahl, Falschgeld). Zudem seien die technischen Risiken mit zunehmender Digitalisierung des bestehenden Zahlungsverkehrs gestiegen. 6. Ausblick – das e-krona-Projekt Die Schwedische Reichsbank (Sveriges Riksbank) führt derzeit das so genannte e-krona-Projekt durch, um festzustellen, ob sie der Öffentlichkeit eine Zentralbank-Kryptowährung anbieten soll. 11 Bech, Morten; Garratt, Rodney: Central bank cryptocurrencies, in: Bank for International Settlements (BIS), Quarterly Review, September 2017, Seite 63, unter: https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1709.htm, abgerufen am 02. Oktober 2017. 12 Deutsche Bundesbank: Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung : Potenziale und Risiken, in: Monatsbericht September 2017, Seite 46, unter: https://www.bundesbank .de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2017/2017_09_monatsbericht .pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 23. Oktober 2017. 13 Hanl, Andreas; Michaelis, Jochen: Kryptowährungen - ein Problem für die Geldpolitik?, in: Wirtschaftsdienst Mai 2017, Seite 366f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 075/17 Seite 9 Hintergrund ist zum einem die Tatsache, dass die Nachfrage nach Bargeld in Schweden rapide abnimmt. Schon jetzt akzeptieren viele Geschäfte kein Bargeld mehr und einige Bankfilialen zahlen kein Bargeld mehr aus oder nehmen es an. Schweden hat zum anderen eine der höchsten Anwendungsraten moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in der Welt. Es verfügt auch über ein sehr effizientes Retail-Zahlungssystem . Ende 2016 hatten mehr als 5 Mio. Schweden (über 50 Prozent der Bevölkerung) die sogenannte Swish-App auf ihrem Smartphone installiert, die es ihnen ermöglicht, über mobile Geräte in Echtzeit Tag und Nacht Geld von ihrem Bankkonto zu transferieren.14 Das Projekt berücksichtigt verschiedene technische Lösungen, aber es wurde keine Entscheidung getroffen, ob man sich auf eine Kryptowährung nur für Finanzinstitute oder auch für Nicht-Banken konzentrieren sollte. Das Projekt, das im März 2017 begonnen wurde, wird voraussichtlich Ende 2019 abgeschlossen sein.15 Die Sveriges Riksbank hat im September 2017 ihren ersten Bericht vorgelegt. Darin kommt sie zu dem Schluss, dass bis jetzt noch nicht geklärt ist, welches Design die e-krona haben sollte, um die Umsetzung der Geldpolitik nicht zu erschweren. Hinsichtlich der Konsequenzen für den Zahlungsmarkt und die Finanzstabilität ist die aktuelle Einschätzung des Projekts, dass es keine wesentlichen Hindernisse für die Einführung einer e-krona gebe.16 * * * 14 Bech, Morten; Garratt, Rodney: Central bank cryptocurrencies, in: Bank for International Settlements (BIS), Quarterly Review, September 2017, Seite 64, unter: https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1709.htm, abgerufen am 02. Oktober 2017. 15 Sveriges Riksbank: Riksbankens e-krona, 14 March 17, Project plan, unter: http://www.riksbank .se/Documents/Avdelningar/AFS/2017/Projektplan%20e-kronan_170314_eng.pdf, abgerufen am 23. Oktober 2017. 16 Sveriges Riksbank: The Riksbank’s e-krona project, Report 1, September 2017, Seite 32, unter: http://www.riksbank .se/Documents/Rapporter/E-krona/2017/rapport_ekrona_170920_eng.pdf, abgerufen am 23. Oktober 2017.