© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 074/19 Einzelfrage zum Anwendungserlass zur Abgabenordnung bei der Gemeinnützigkeit Zur Gemeinnützigkeit bei privater Friedhofsverwaltung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 074/19 Seite 2 Einzelfrage des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung bei der Gemeinnützigkeit Zur Gemeinnützigkeit bei privater Friedhofsverwaltung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 074/19 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 074/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Änderungsmöglichkeiten auf der Ebene der Verwaltungsvorschriften 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 074/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erkundigt sich nach der rechtlichen Möglichkeit, die Gründe die zur Ablehnung der Gemeinnützigkeit von privaten Friedhofsvereinen geführt haben, durch eine bloße Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu beseitigen. Das Finanzgericht Münster hatte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines privaten Friedhofvereins durch das Finanzamt mit Urteil vom 19. Februar 20181 für rechtmäßig erklärt.2 2. Änderungsmöglichkeiten auf der Ebene der Verwaltungsvorschriften Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) ist ein gemeinsamer Erlass von Bund und Ländern zur einheitlichen Rechtsanwendung der Abgabenordnung (AO) in der Finanzverwaltung . Es handelt sich hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift. „Verwaltungsvorschriften binden grundsätzlich nur die nachgeordneten Behörden und Bediensteten kraft ihrer Gehorsamspflicht. Verwaltungsvorschriften binden grundsätzlich nicht die Steuerpflichtigen und die Gerichte. […] Norminterpretierende Vorschriften der Verwaltung haben für das Gericht prinzipiell kein größeres Gewicht als Äußerungen in der Literatur.“3 Zusätzlich stellt der Gesetzeswortlaut eine Begrenzung der Reichweite für norminterpretierende Verwaltungsvorschriften dar. Die Verwaltungsvorschrift darf nur Regelungen treffen, die mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar sind. Bei dem privaten Friedhofsverein hatten Finanzverwaltung und Finanzgericht4 im zugrunde liegenden Sachverhalt die Gemeinnützigkeit wegen der fehlenden Förderung von Religion und Kultur abgelehnt. Dabei wurde eine Satzungsregelung beanstandet, die als Vereinszweck lediglich die Unterhaltung der Trauerhalle festschrieb. Dass die Unterhaltung einer Trauerhalle nicht bereits eine Förderung der Religion darstellt, ergibt sich aus der Bedeutung der Terminologie „(wirtschaftliche) Unterhaltung“, die der Verein selbst in seiner Satzung gewählt hatte. Eine Einbeziehung derartiger rein wirtschaftlicher Tätigkeiten in das rechtliche Merkmal der „Förderung der Religion“ mittels einer Ergänzung der AEAO wäre mit dem Gesetzeswortlaut des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht zu vereinbaren. Ein weiterer problematischer Aspekt bestand für das Gericht in der Unmittelbarkeit der Ausübung der steuerbegünstigten Zwecke im Sinne der §§ 51 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AO. Der Verein hatte in seiner Satzung einen durch die Mitgliedschaft erworbenen Anspruch der Mitglieder auf Überlassung einer Grabstätte und auf Benutzung der Friedhofseinrichtungen vorgesehen. Aufgrund dieser Regelung ging das Finanzgericht davon aus, dass lediglich 1 FG Münster, Urteil vom 19. Februar 2018 – 13 K 3313/15 F 2 Hierzu wurde bereits der Sachstand 011/19: Gemeinnützigkeit bei privater Friedhofsverwaltung verfasst. https://www.bundestag.de/resource/blob/635532/d50670c0ba3ecd09e78ec976a5c1cb61/WD-4-011-19-pdfdata .pdf [zuletzt abgerufen am 27.5.2019] 3 Tipke/Lang/Englisch: Steuerrecht, § 5 Rn. 33 f. 4 FG Münster, siehe Fn. 1 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 074/19 Seite 5 eine mittelbare Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke durch die Vereinsmitglieder für den Verein vorliege. Dass das Finanzgericht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AO im fraglichen Fall verneinte, wurde nicht durch die Art und Weise der Gesetzesauslegung verursacht. Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist vielmehr im Gesetzeswortlaut des § 57 Abs. 1 AO enthalten. Problematisch war die konkrete Satzungsregelung, die die Beteiligung der Mitglieder am Vereinszweck der Förderung der Religion allein über den Anspruch auf Überlassung der Grabstätte sicherstellen wollte. Eine Einbeziehung derartig mittelbarer Beteiligungen in den Anwendungserlass wäre mit dem Gesetzeswortlaut „unmittelbar“ des § 57 Abs. 1 AO nicht zu vereinbaren, da ein Anspruch gegenüber dem Verein keine unmittelbare Beteiligung ist. Dieser Widerspruch lässt sich nicht auf der Ebene des Anwendungserlasses auflösen. Fazit: Eine Lösung der Problematik durch ausschließliche Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung ist nicht möglich. ***