© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 071/14 Deckelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehältern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 2 Deckelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehältern Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 071/14 Abschluss der Arbeit: 19. März 2014 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 3 1. Einleitung Vorschläge zu einer Beschränkung von Vorstandsgehältern sind bereits in der Vergangenheit von unterschiedlichen Bundestagsfraktionen diskutiert worden. Dabei wurde in der 17. Wahlperiode von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN,1 SPD2 und DIE LINKE.3 primär bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern angesetzt, während die Regierungskoalition eine Ausweitung der Kompetenzen der Hauptversammlung zur Kontrolle der Vorstandsgehälter durch eine Novelle des Aktienrechts bevorzugte.4 Diese wurde zwar vom Deutschen Bundestag am 27. Juni 2013 verabschiedet, anschließend aber am 20. September 2013 durch den Bundesrat in den Vermittlungsausschuss verwiesen,5 welcher allerdings aufgrund des Ablaufs der Wahlperiode nicht mehr über den Entwurf befinden konnte. Der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungskoalition sieht allerdings vor, die inhaltliche Substanz des Gesetzentwurfs erneut aufzugreifen.6 Auf europäischer Ebene ist derzeit ein bisher unveröffentlichter Entwurf einer Änderungsrichtlinie zu der Aktionärsrechte-Richtline7 im Gespräch8, welcher mutmaßlich den Ansatz der Gesetzesinitiative der Regierungskoalition aus der 17. Wahlperiode aufgreift, der Hauptversammlung die Deckelung der Vorstandsgehälter zu ermöglichen. In Österreich wurde eine Deckelung inzwischen im Rahmen des Abgabenänderungsgesetz 2014 verabschiedet,9 obgleich verfassungsrechtliche Bedenken bestanden.10 Die Neuregelung betrifft 1 BT-Drs. 17/13239. 2 BT-Drs. 17/13472. 3 Siehe Website der Fraktion DIE LINKE, abrufbar unter: http://www.linksfraktion.de/themen/managergehaelter/ [Stand: 19. März 2014]. 4 Das „Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften“ (VorstKoG). Für eine Übersicht der geplanten Regelungen, siehe Jens Wagner, Das neue Mitspracherecht der Hauptversammlung bei der Vorstandsvergütung, Betriebs Berater 2013, 1731. 5 BR-Drs. 637/13. 6 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Wahlperiode, 2013, S.17, abrufbar unter: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17- koalitionsvertrag.pdf;jsessionid=7702186AFE9A1EB806366C8798CD48FF.s3t2?__blob=publicationFile&v=2 [Stand: 19. März 2014]. 7 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (ABl. L 184 vom 14. Juli 2007, S. 17) - Aktionärsrechterichtlinie . 8 Paschos, Nikolaos, Aktionäre sollen Managergehalt deckeln, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.03.2014. 9 Siehe das Österreichische Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 13/2014, abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2014_I_13 [Stand: 19. März 2014]. 10 Plott, Christoph, Managergehälter: Steuerdeckelung verfassungswidrig?, Die Presse, 22.12.2013. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 4 Lohn- und Gehaltszahlungen von über 500.000 Euro, und schließt den diesen Grenzwert überschreitenden Betrag von dem Betriebsausgabenabzug aus. 2. Deckelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern Vorab sei darauf hingewiesen, dass sich verfassungs-, aber gerade auch steuerrechtliche Fragen nur eingeschränkt auf abstrakter, theoretischer Grundlage darstellen lassen. Da der Anfrage kein konkreter Gesetzentwurf zugrunde liegt, ist der Sachstand im Wesentlichen auf eine Darstellung der vorhandenen Literaturmeinungen und Rechtsprechung beschränkt, weiterführende Probleme können nur angedeutet werden. In Deutschland werden Ausgaben durch Unternehmen, welche auf die Erzielung der Einnahmen gerichtet sind, im Einkommensteuerrecht (EStG) als Betriebsausgaben bezeichnet.11 Darunter fallen insbesondere auch die Gehälter der Beschäftigten und der Vorstände. Auf die Notwendigkeit oder Angemessenheit der getätigten Betriebsausgaben kommt es dabei regelmäßig nicht an.12 Grundsätzlich unterliegen gemäß § 2 Abs. 2 EStG nur die verbleibenden „Reineinkünfte“ (oder Nettoeinkünfte), also, vereinfacht dargestellt, die Einnahmen abzüglich der (Betriebs-)Ausgaben, der Einkommensteuer. 13 Dieses wird als sogenanntes „objektives Nettoprinzip“ bezeichnet. Über die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist dies auch für die Bestimmung der Steuerlast von Unternehmen maßgeblich.14 Es gilt als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht, welches die steuerliche Belastung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit knüpft, und im Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts seine Konkretisierung erfährt .15 Die Einführung einer pauschalen Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern , gleich ab welcher Höhe, ist daher problematisch, da eine solche Regelung das objektive Nettoprinzip durchbricht. Andererseits hat der Gesetzgeber das Nettoprinzip schon vielfach, ohne ersichtliche Systematik,16 zu Lenkungszwecken durchbrochen.17 11 Birk, Dieter/Desens, Marc/Tappe, Henning, Steuerrecht, 16. Auflage 2013, Rn. 615. 12 Heinicke, Wolfgang, in: Schmidt, Ludwig, Einkommenssteuergesetz – Kommentar, 32. Auflage 2013, § 4 Rn. 495; Frotscher, in: Frotscher, Einkommenssteuergesetz, Loseblattsammlung, Stand: 10.02.2011, § 4 EStG, Rz. 580 f. 13 Schwan, Tobias, Steuerliche Begrenzungsmöglichkeiten der Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten (2012), S.141 ff., 149; Hey (Fn. 14), § 8 EStG, Rz. 54. 14 Birk/Desens/Tappe (Fn. 11), Rn. 1232; Hey, Johanna, in: Tipke, Klaus/Lang, Joachim, Steuerrecht, 21.Auflage 2013, § 11 KStG, Rz. 36. 15 Birk/Desens/Tappe (Fn. 11), Rn. 188 f. 16 Birk/Desens/Tappe (Fn. 11), Rn. 621. 17 Für eine Übersicht siehe Fritz, Ulrike, Nicht abziehbare Betriebsausgaben – ein Überblick, Steuer und Studium 2009, 569. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 5 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern ist bisher nicht eindeutig geklärt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist das objektive Nettoprinzip wenigstens als gesetzgeberische Grundentscheidung zu verstehen,18 die Frage nach dem Verfassungsrang wurde aber offen gelassen.19 Durchbrechungen hält das BVerfG grundsätzlich für möglich,20 verlangt aber einen besonderen, sachlich rechtfertigenden Grund.21 Anerkannt wurden diesbezüglich bisher unter anderem Vereinfachungszwecke und außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls.22 Dagegen wurden rein fiskalische Erwägungen für eine Durchbrechung als unzureichend erachtet.23 In der Literatur werden solche Durchbrechungen mehrheitlich kritisch gesehen.24 Beachtenswert ist allerdings, dass die nur hälftige steuerliche Absetzbarkeit der Gehälter von Aufsichtsratsvertretern gemäß § 10 Nr. 4 KStG nicht durch das BVerfG beanstandet wurde.25 Laut BVerfG sei der Wille des historischen Gesetzgebers auf eine Abwendung überhöhter Aufsichtsratsvergütungen gerichtet und der Gleichheitssatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG) mangels einer erheblichen Ungleichbehandlung der Kapitalgesellschaft mit der Vergleichsgruppe der Personengesellschaften nicht verletzt. Überdies kenne das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht bei einer Gesamtschau der vorhandenen Regelungen kein striktes Nettoprinzip,26 vielmehr seien Abweichungen möglich. Allerdings stößt die Regelung, ob der als wenig überzeugend empfundenen historischen Begründung, und teilweise aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Gleichheitssatzes auf Kritik in der Literatur.27 18 BVerfG, 11.11.1998 - 2 BvL 10/9599, BVerfGE 280 (290), Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1999, 1457. 19 BVerfG, 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (234), NJW 2009, 48. 20 BVerfG, 07.11.1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, NJW 1973, 500. 21 BVerfG, 11.11.1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, NJW 1999, 1457; Wied, Edgar, in: Blümich, Walter, Einkommensteuergesetz , Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Loseblattsammlung, 121. Auflage 2014, Stand: August 2013, § 4 EStG, Rz. 674. 22 Hey (Fn. 14), § 8 EStG, Rz. 55. 23 BVerfG, 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (233), NJW 2009, 48. 24 Schwan (Fn. 13), S.150; Hey (Fn. 14), § 8 Rz.55; Lehner, Moris, Die verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips - Zum Vorlagebeschluss des BFH und zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungswidrigkeit der Entfernungspauschale, DStR 2009, 185 (189ff.). 25 BVerfG, 07.11.1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, NJW 1973, 500. 26 BVerfG, 07.11.1972 - 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, NJW 1973, 500. 27 Kästner, Karin, Abzugsfähigkeit von D&O-Prämien für Aufsichtsratsmitglieder als Betriebsausgaben, DStR 2001, 422 (424); Schwan (Fn. 13), S.150 ff.; Hey (Fn. 14), § 11 Rz.48 m.w.N.; Clemm, Hermann/Clemm, Thomas, Die körperschaftsteuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen ist sinn-, system- und verfassungswidrig, Betriebsberater (BB) 2001, 1873; nicht von einer Verfassungswidrigkeit geht hingegen Hofmeister, Ferdinand, in: Blümich, Walter, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Loseblattsammlung 121. Auflage 2014, Stand: April 2012, § 10 KStG, Rz. 80 aus. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 6 Einer zu der Beschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit von Vorstandsgehältern erfolgten Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zufolge, wäre ferner wohl eine gegen Vorstandsmitglieder, unter Ausnahme anderer Berufsgruppen wie etwa Sportlern, gerichtete Regelung mit Blick auf den Gleichheitssatz des Artikel 3 GG bedenklich.28 Zudem sei eine Vergleichbarkeit mit der Aufsichtsratsregelung nur schwerlich gegeben.29 Ob das eigentliche Ziel, eine Mäßigung der Vorstandsgehälter durch eine Deckelung der Absetzbarkeit erreicht werden kann, erscheint insgesamt fraglich. Diverse Versuche in ausländischen Rechtsordnungen mit dem Mittel des Steuerrechts die Vorstandsvergütung zu regulieren, waren bisher nicht erfolgreich. So führte das Vereinigte Königreich 2009 etwa die sogenannten bank payroll tax30 für Bankunternehmen ein. Diese sah eine zusätzliche, 50 %ige und nicht abzugsfähige Besteuerung der Bonuszahlungen von Bankmitarbeitern vor, sofern diese £ 25.000 überschritten.31 Doch anstatt den gewünschten Lenkungseffekt zu erreichen, zogen es die betroffenen Unternehmen vor die Bonuszahlungen der Mitarbeiter auf dem bestehenden Niveau zu belassen und die zusätzlichen Kosten auf sich zu nehmen. Dies mag allerdings auch auf die nur einmalige Anwendung der Steuer auf das Jahr 2009 zurückzuführen sein. Ähnlich Ergebnisse lieferten auch bereits länger bestehende Regelungen aus den USA.32 3. Zahl der Personen in Deutschland mit jährlichen Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit von 500.000 Euro und mehr Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes liegen derzeit bezüglich der Personen mit jährlichen Einkünften über 500.000 EUR aus nicht selbstständiger Tätigkeit nur aus den Jahren 2001- 2009 Erhebungen vor. Jahr Fälle 2001 6.740 2002 6.098 28 Stellungnahme Prof. Dr. Jens Koch an den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zur Aktienrechtsnovelle 2012, Protokoll der 136. Sitzung, 5. Juni 2013, S.29, 51; ebenso: Wied (Fn. 21), § 4 EStG, Rz. 674. 29 Koch, (Fn. 28), S.29. 30 Siehe Shedule 1 des Finance Act 2010, abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2010/13/pdfs/ukpga_20100013_en.pdf [Stand: 19. März 2014]. 31 Fleischer, Holger/Hupka, Jan, Zur Regulierung der Vorstandsvergütung durch das Steuerrecht, Der Betrieb 2010, 601 (602). 32 Siehe die Übersicht bei Schwan (Fn. 13), S.156 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 071/14 Seite 7 2003 5.293 2004 6.399 2005 8.238 2006 9.449 2007 10.693 2008 11.011 2009 9.591