© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 070/20 Möglichkeiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Bilanzkontrolle von Unternehmen vor Abschluss der Prüfung durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Prüfungsmöglichkeit der BaFin gem. § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG vor Abschluss der Prüfung durch die Prüfstelle 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 070/20 Seite 4 1. Einleitung Grundsätzlich hat gemäß § 106 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Kompetenz zur Prüfung von Unternehmensabschlüssen und ‑berichten. Diese Ermächtigung wird jedoch vom Gesetzgeber für den Fall der Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Einrichtung zur Prüfung von Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften gemäß § 342b Handelsgesetzbuch eingeschränkt. Dies ist mit Anerkennung der „Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V.“ (Prüfstelle) durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen am 30.3.2005 geschehen.1 Gegenstand der folgenden Erörterung ist, inwieweit noch Prüfungsbefugnisse der BaFin bestehen, wenn die Prüfstelle ihren Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommt. Insbesondere wird eine Einschätzung abgegeben, ob solche Prüfungsbefugnisse der BaFin schon während der Prüfung durch die Prüfstelle bestehen. 2. Eigene Prüfungen durch die BaFin Gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 WpHG finden stichprobenartige Prüfungen nur auf Anlass der Prüfstelle statt, die BaFin kann anlasslos somit keine Prüfungen durchführen. Darüber hinaus regelt § 108 Abs. 1 S. 2 bis S. 4 WpHG die Voraussetzungen für eine eigenständige Prüfung nach § 107 WpHG durch die BaFin. Neben den Fällen fehlender Mitwirkung der geprüften Unternehmen (§ 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) und dem fehlenden Einverständnis des Unternehmens mit dem Prüfungsergebnis (§ 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) regelt § 108 Abs. 1 S. 4 WpHG die Möglichkeit der BaFin, das Prüfverfahren an sich zu ziehen. § 108 Abs. 1 S. 4 WpHG dient aber lediglich der Vermeidung von Doppelprüfungen und ist beschränkt auf Prüfungen nach § 44 Abs. 1 S. 2 Kreditwesengesetz , § 14 S. 2 Kapitalanlagegesetzbuch oder § 306 Abs. 1 Nr. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz, im Rahmen derer der BaFin die Prüfungskompetenz ohnehin zusteht.2 Die BaFin hat allerdings auch eine Überwachungsaufgabe gegenüber der Prüfstelle, was durch § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG zum Ausdruck kommt.3 So heißt es: „Im Übrigen stehen der Bundesanstalt die Befugnisse nach § 107 WpHG erst zu, wenn (…) erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses der Prüfstelle oder an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung durch die Prüfstelle bestehen.“ Die Norm sieht somit zwei Alternativen vor, in denen die BaFin selbst anstelle der Prüfstelle tätig werden darf. Voraussetzung nach § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 WpHG sind „erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses“. 1 Hennrichs in Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar 5. Aufl. 2020, § 108 WpHG, Rn. 1. 2 Hennrichs in Schwark/Zimmer (Fußn. 1), § 108 WpHG, Rn. 3. 3 Vgl. Hönsch in Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht 7. Auflage 2019, § 108 WpHG, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 070/20 Seite 5 Alternativ sind nach § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG „erhebliche Zweifel (…) an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung durch die Prüfstelle“ erforderlich. Daraus folgt zum einen die Auslegungsfrage, ab wann „erhebliche Zweifel“ anzunehmen sind, und zum anderen, ob eine der beiden Tatbestandsalternativen bereits vor Abschluss der Prüfung durch die Prüfstelle vorliegen kann. 3. „Erhebliche Zweifel“ Der Wortlaut „erheblich“ lässt bereits erkennen, dass der Gesetzgeber gesteigerte Anforderungen an die Kontrolle der Prüfstelle durch die BaFin stellt. Einfache Zweifel reichen gerade nicht aus. Der Gesetzgeber hat mit der zweistufigen Gestaltung des Enforcement-Verfahrens die Bilanzkontrolle durch die Prüfstelle als unabhängige erste Stufe konzipiert.4 Die Akzeptanz der Prüfstelle soll nicht dadurch unterlaufen werden, dass die BaFin umfassend die Entscheidungen der Prüfstelle in Frage stellen kann.5 Der Prüfung auf erster Stufe würde drohen, zum rein formalen Akt zu werden, wenn sowieso die eigentliche Prüfung durch die BaFin stattfindet. „Erhebliche Zweifel “ können demnach nur ausnahmsweise vorliegen, somit in Fällen von offenkundigen, groben Fehlern oder unvertretbar erscheinenden Prüfergebnissen. Der gesetzgeberischen Gestaltung, welche grundsätzlich eine unabhängige Prüfung durch die Prüfstelle selbst vorsieht, darf nicht durch eine ausufernde Anwendbarkeit von § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG ausgehebelt werden. Im systematischen Zusammenhang zu § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG steht § 108 Abs. 1 S. 3 WpHG, wonach die BaFin von der Prüfstelle Erläuterungen zu Ergebnis und Durchführung der Prüfung, sowie die Vorlage eines Prüfberichtes verlangen kann. Hiermit soll die effektive Möglichkeit geschaffen werden, dass die BaFin erhebliche Zweifel bilden kann. Grundsätzlich steht es im Ermessen der Bundesanstalt, welche Auskünfte sie von der Prüfstelle verlangt, jedoch muss auch diese Norm entsprechend im Lichte des Enforcement-Verfahrens ausgelegt werden.6 Könnte die BaFin umfassend und ohne Anlass Berichte von der Prüfstelle einfordern, wäre diese in ihrer Unabhängigkeit effektiv eingeschränkt. Somit bedarf es einer vorherigen Indikation, die einen späteren Zweifel begründet.7 An diesen „Anfangszweifel“ müssen aber geringere Anforderungen als an den „erheblichen Zweifel“ gestellt werden, da ja nur Nachforschungen durch die BaFin ermöglicht werden, die wiederum zu erheblichen Zweifeln führen könnten.8 Ebenso ist der Eingriff in die Autonomie der Prüfstelle im Falle einer bloßen Auskunft deutlich geringer, als wenn eine eigenständige Prüfung durchgeführt wird. 4 Reinhardt in Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.) BeckOK HGB 28. Edition Stand: 15.04.2020, § 342b, Rn. 14- 19. 5 Hennrichs in Schwark/Zimmer (Fußn. 1), § 108 WpHG, Rn. 7. 6 Hennrichs in Schwark/Zimmer (Fußn. 1), § 108 WpHG, Rn. 8. 7 Hennrichs in Schwark/Zimmer (Fußn. 1), § 108 WpHG, Rn. 8. 8 BT-Drucks. 15/3421 v. 24.6.2004, 18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 070/20 Seite 6 Die Auskunft nach § 108 Abs. 1 S. 3 WpHG stellt nicht die einzige Quelle für den erheblichen Zweifel dar, sondern soll nur zu einer Erweiterung und keiner Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten durch die BaFin führen.9 Auch sonstige Quellen können einen erheblichen Zweifel begründen . 4. Prüfungsmöglichkeit der BaFin gem. § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG vor Abschluss der Prüfung durch die Prüfstelle Fraglich ist, ob, selbst beim Vorliegen erheblicher Zweifel der BaFin gegenüber der Prüfstelle, diese schon während der Prüfung auf erster Stufe ein eigenständiges Prüfungsrecht der BaFin nach § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG begründen können, oder erst der Abschluss der Bilanzkontrolle durch die Prüfstelle abgewartet werden muss. § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 WpHG setzt ein Prüfergebnis voraus. Bereits der Wortlaut der Norm indiziert, dass die Prüfung auf erster Stufe abgeschlossen sein muss, da es erst dann ein Ergebnis der Prüfung geben kann. Ein Ergebnis ist der letzte Schritt einer Prüfung. Eine vorherige Anwendbarkeit dieser Alternative scheint somit nicht denkbar. § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG hingegen fordert erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung. Hier lässt zumindest der Wortlaut auch einen noch laufenden Prüfungsprozess zu. Schon bei der Durchführung können Zweifel bestehen, ob diese gegenwärtig ordnungsgemäß geschieht . Auch systematisch zeigt der Vergleich zu der ersten Alternative, dass § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG nicht auf ein abgeschlossenes Prüfverfahren durch die Prüfstelle beschränkt sein sollte, denn ein Prüfergebnis wird dann fehlerhaft, wenn die Durchführung der Prüfung fehlerhaft ist. Das fehlerhafte Prüfergebnis ist das Resultat der fehlerhaften Durchführung. Würde man somit § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG auf bereits abgeschlossene Prüfverfahren beschränken, würde dieser Alternative kein eigener Anwendungsbereich gegenüber § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 WpHG verbleiben, denn ein fehlerhaftes Ergebnis setzt eine fehlerhafte Durchführung voraus . Es scheint daher gerade der gesetzgeberische Wille gewesen zu sein, die zweite Alternative für laufende Prüfverfahren zu schaffen. Im Hinblick auf den Regelungszweck, nämlich der Kontrolle der Prüfstelle durch die BaFin, scheint ebenso nicht ersichtlich wieso diese erst zeitlich nachgeschaltet stattfinden können soll. Zwar besteht die Gefahr, dass die Autonomie der Prüfstelle durch zu ausufernde Kontrolle durch die BaFin eingeschränkt wird. Dem wird aber bereits durch die materielle Hürde des Tatbestandsmerkmals „Erhebliche Zweifel“ genüge getan. Eine Einschränkung der Kontrolle durch die BaFin dahingehend, dass erst der Prüfungsabschluss der Prüfstelle abgewartet werden muss, scheint nicht geboten. In der Gesamtschau spricht daher vieles dafür, dass schon vor Abschluss der Prüfung durch die Prüfstelle eine eigenständige Prüfung durch die BaFin nach § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG möglich ist. *** 9 Hönsch in Assmann/Schneider/Mülbert (Fußn. 3) § 108 WpHG, Rn. 12.