© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 069/17 Gemeinnützigkeit von Vereinen mit selektierter Mitgliederstruktur Freimaurerlogen, Schützenvereine und Chöre, die nur einem Geschlecht offen stehen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzgebung in § 52 Absatz 2 AO 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 069/17 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber möchte vor dem Hintergrund eines aktuellen Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Versagung der Gemeinnützigkeit für eine Freimaurerloge, die nur Männer als Mitglieder aufnimmt, geprüft wissen, ob diese Rechtsprechung auch auf andere Vereine, wie etwa Schützenvereine, Anwendung finden könnte. Zudem soll geprüft werden, ob eine Änderung des § 52 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO) verfassungsrechtlich zulässig wäre, die die Gemeinnützigkeit von Vereinen die nur ein Geschlecht aufnehmen, ausdrücklich bestätigen würde. 2. Auswirkungen der BFH-Entscheidung auf andere Vereine 2.1. Skizzierung der BFH-Entscheidung Mit Urteil vom 17.5.20171 hat der BFH die Ablehnung der Gemeinnützigkeit für eine Freimaurerloge bestätigt, die in ihrer Satzung die Mitgliedschaftsrechte nur Männern einräumte. Der BFH sah in dem Ausschluss von Frauen von der Mitgliedschaft in der Freimaurerloge das Kriterium der Allgemeinheit des § 52 Absatz 1 Satz 1 AO verletzt. Zur Begründung verwies der BFH auf das Kriterium der “Allgemeinheit“ im § 52 Absatz 1 Satz 1 AO: „Bei dem Tatbestandsmerkmal einer Förderung der “Allgemeinheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Gehalt wesentlich geprägt wird durch die objektive Werteordnung , wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt. Eine Tätigkeit, die mit diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine Förderung der Allgemeinheit.“2 „Als Förderung der Allgemeinheit sind daher solche Bestrebungen nicht anzuerkennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland oder gegen verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten richten. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Ein Verein, der entgegen Artikel 3 Absatz 3 GG die wesensmäßige Gleichheit aller Menschen in Abrede stellt, ist daher mangels Förderung der Allgemeinheit nicht als gemeinnützig einzustufen.“3 Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes für Mann und Frau gemäß Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz (GG) durch die Versagung der Mitgliedschaftsrechte für ein Geschlecht, führt somit zu dem Ergebnis, dass Vereine mit derartigen Satzungsregelungen nicht der Allgemeinheit dienen und damit nicht gemeinnützig im Sinne des § 52 AO sein können. Der BFH gibt in seiner Entscheidung zudem zu erkennen, dass es Fälle einer gerechtfertigten Ungleichbehandlung geben könnte. „An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen 1 BHF, Urteil vom 17.5.2017, Az: V R 52/15 2 BFH, ebenda, Rn. 21 (juris) m.w.Nw. 3 BFH, ebenda, Rn. 22 (juris) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 069/17 Seite 5 sind mit Art. 3 Absatz 3 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.“4 Dies lehnte der BFH im vorliegenden Fall für Freimaurerlogen ab. 2.2. Das Kriterium der “Allgemeinheit“ bei Schützenvereinen Die Entscheidung ist in ihren tragenden Gründen auf Schützenvereine übertragbar, denn es ist kein zwingender Grund im Interesse einer männerspezifischen Problemlösung erkennbar, der den Ausschluss von Frauen aus dem Mitgliederkreis von Schützenvereinen erfordern würde. Als weitere Rechtfertigungsmöglichkeit prüfte der BFH kollidierendes Verfassungsrecht das im Wege der Abwägung die Ungleichbehandlung legitimieren könne. Im zu entscheidenden Sachverhalt der Freimaurerloge sah der BFH die religiöse Vereinigungsfreiheit des Artikel 4 Absätze 1 und 2 GG, die sich auf Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 2 Weimarer Reichsverfassung bezögen, als spezielleres Grundrecht gegenüber der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Artikel 9 Absatz 1 GG an. Der BFH sieht jedoch keinen Eingriff in die (religiöse) Vereinigungsfreiheit durch die Versagung der Gemeinnützigkeit. „Es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass der Staat in das mitgliedschaftliche Selbstbestimmungsrecht eingreift, indem er es der Klägerin ganz oder teilweise verwehrt, nur Männer als Mitglieder oder Brüder auszuwählen und aufzunehmen. Streitgegenstand ist allein die staatliche Anerkennung als gemeinnütziger Verein zur Erlangung unmittelbarer (Steuerfreiheit) und mittelbarer (Spendenabzug) steuerlicher Vorteile. Insoweit hat das BVerfG bereits entschieden, dass die Umsatzsteuerfreiheit nicht in den Schutzbereich des durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften fällt (BVerfG-Beschluss vom 4. Oktober 1965, 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129, unter III.4.). Dasselbe gilt nach Auffassung des erkennenden Senats für die von der Klägerin begehrte Körperschaftsteuerfreiheit und die Anerkennung als gemeinnütziger Verein. Denn die Religionsfreiheit gewährleistet weder Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen5 noch auf Teilhabe an bestimmten steuerlichen Privilegien wie der Steuerfreiheit und des Spendenabzugs .“6 Überträgt man diese rechtlichen Erwägungen auf Schützenvereine, so wäre hier die allgemeine Vereinigungsfreiheit des Artikels 9 Absatz 1 GG als kollidierendes Verfassungsrecht zu prüfen. Im Ergebnis ergibt sich aber keine andere Einschätzung als bei der Freimaurerloge, da auch die Vereinigungsfreiheit nicht durch die Versagung der Gemeinnützigkeit beeinträchtigt wird. 4 BFH, Urteil vom 17.5.2017, Az: V R 52/15, Rn. 27 (juris) 5 BVerfGE-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148, unter C.I.1.b, sowie BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48, Rz. 47; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, Art. 4 Rz. 43a; zitiert nach BFH, Urteil vom 17.5.2017, Rn. 30 (juris) 6 BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741, Rz 35; zitiert nach BFH: ebenda, Rn. 30 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 069/17 Seite 6 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang die Regelungsstruktur des § 52 AO betont. Die in § 52 Absatz 2 AO genannten Katalogtätigkeiten sind nicht abschließend geregelt und begründen für sich genommen noch keinen Anspruch auf den Gemeinnützigkeitsstatus. „Der Zweckkatalog des § 52 Absatz 2 AO ist dabei nicht so zu verstehen, dass er konstitutiv wirkt, also Tätigkeiten die unter den Katalog fallen, quasi automatisch auch die Gemeinnützigkeit der Körperschaft herbeiführen. Vielmehr steht der Zweckkatalog ausdrücklich unter der Vorgabe , dass auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 52 Absatz 1 AO vorliegen. Andererseits lässt die Gesetzesfassung aber auch zu, dass Tätigkeiten, die nicht wortgetreu unter den Zweckkatalog fallen, aber die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos fördern, gleichwohl als gemeinnützig eingestuft werden können (§ 52 Absatz 2 Satz 2 AO).“7 Zwischenergebnis: Schützenvereine, die kraft Satzung Frauen als Mitglieder ausschließen, dürften ebenfalls das Kriterium der “Allgemeinheit zu dienen“ im Sinne des § 52 Absatz 1 AO verfehlen . 2.3. Das Kriterium der “Allgemeinheit“ bei Frauen-/Männerchören In Bezug auf reine Frauen- oder Männerchöre könnte ein sachlicher Grund für die Beschränkung der Mitgliedschaft auf ein bestimmtes Geschlecht darin liegen, dass bei einem Gesangsverein eine bestimmte Tonart, die nur beim jeweiligen Geschlecht gegeben ist, gefordert wird. Bruschke8 will hier jedoch danach differenzieren, ob die Mitgliedschaft von Frauen aus dem vorgenannten tatsächlichen Grund nicht erfolgt oder ob die Mitgliedschaft bereits nach der Satzung ausgeschlossen ist. Sei Letzteres der Fall, müsse die Gemeinnützigkeit auch hier bezweifelt werden. Zwischenergebnis: Die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen von Frauen und Männern bei der Tonlage des Singens ergeben einen objektiven Anknüpfungspunkt für Differenzierungen. Allerdings ist es fraglich, ob diese Unterschiede einen generellen Ausschluss vom Mitgliedschaftsrecht unter Beachtung des Gleichheitssatzes des Artikels 3 Absatz 3 GG legitimieren können . Das Mitgliedschaftsrecht im Verein ist nicht zwangsläufig mit dem Recht auf Singen im Chor verbunden. Es sind auch in derartigen Fällen anderweitige Unterstützungen der Vereinszwecke denkbar, die unabhängig vom Geschlecht des jeweiligen Mitglieds ausgeübt werden können . 3. Rechtskraft des Urteils und praktische Konsequenzen Das BFH-Urteil entfaltet unmittelbare Rechtskraft nur zwischen den am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligten, § 110 Absatz 1 Nummer 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) – hier der klagenden Freimaurerloge und dem beklagten Finanzamt. Allerdings enthält die Entscheidung grundsätzli- 7 Bruschke: „Gemeinnützigkeit: Förderung der Allgemeinheit bei reinen Männervereinen“ in: SteuK 2016, 171, (172) abgerufen unter: www.beck-online.de am 8.8.2017 8 Bruschke: ebenda Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 069/17 Seite 7 che Aussagen zur verfassungskonformen Auslegung des Merkmals der Allgemeinheit in § 52 Absatz 2 AO. Sie ist zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs (BFHE) vorgesehen, was dafür spricht, dass der erkennende Senat des BFH dem Urteil eine grundsätzliche Bedeutung zuspricht. Für die Finanzverwaltung sind BFH-Entscheidungen erst dann über den Einzelfall hinaus verbindlich anzuwenden, wenn sie im Bundessteuerblatt (Zweiter Teil) veröffentlicht worden sind.9 Diese Veröffentlichung wird vom Bundesfinanzministerium in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder vorgenommen. Im Feststellungsverfahren des zuständigen Finanzamts zur Gemeinnützigkeit kommt der Vereinssatzung eine besondere Bedeutung zu. Im hier zu beurteilenden BFH-Verfahren hatte die Freimaurerloge Frauen in der Vereinssatzung explizit vom Mitgliedschaftsrecht ausgeschlossen. Diese Satzungsregelung wurde vom Finanzamt zum Anlass für die Versagung der Gemeinnützigkeit genommen, was wiederum durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung in beiden Instanzen bestätigt wurde. Wie die Steuerverwaltung und die Finanzgerichte auf eine faktische Begrenzung der Mitgliedschaft auf ein Geschlecht ohne entsprechende Satzungsregelung reagieren würden, kann nur prognostisch beurteilt werden. Vorausgesetzt, eine derartige Praxis würde beispielsweise bei einer Betriebsprüfung auffallen, so wäre ein entsprechendes Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit auch hier grundsätzlich denkbar. Darauf weist auch § 60a Absatz 4 AO explizit hin: „Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist die Feststellung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.“ Die Pflicht zum satzungskonformen Verhalten gilt gemäß § 63 Absatz 1 AO auch für die faktische Geschäftsführung . "Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen , die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält.“ Ein (nachweisbares) Abweichen der Vereinspraxis von der - in der Satzung vorgesehenen - allgemein zugänglichen Vereinsmitgliedschaft, kann somit die nachträgliche Aufhebung des Feststellungsbescheids über die Gemeinnützigkeit zur Folge haben. Hüttemann10 verweist in seinem Standardwerk zum Gemeinnützigkeitsrecht jedoch auch darauf, dass die Rechtsprechung des BFH in der Vergangenheit nicht so restriktiv gewesen sei, dass generell satzungsmäßige Regelungen über die Voraussetzungen für die Aufnahme in einen Verein gefordert würden. Vielmehr könnten nach Ansicht des BFH Satzungsklauseln über die Aufnahme die Gemeinnützigkeit nur dann in Frage stellen, wenn sie „inhaltlich darauf gerichtet seien, die Allgemeinheit von der satzungsmäßigen Förderung auszuschließen und folglich eine Förderung der Allgemeinheit im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung nicht mehr gewährleistet werden kann.“11 9 So im Ergebnis auch der Erlass der OFD Hannover 26.10.07, S 0069 - 1 - StO 143 (juris) 10 Hüttemann: Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Auflage, § 3 Rn. 39 11 BFH vom 13.8.1997 – I R 19/96, BStBl II 1997, 794 zit. nach Hüttemann: ebenda § 3 Rn. 39 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 069/17 Seite 8 4. Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzgebung in § 52 Absatz 2 AO Fraglich ist, ob mittels einer Gesetzesänderung in § 52 Absatz 2 AO die Gemeinnützigkeit für Vereine, die nur ein Geschlecht aufnehmen, ermöglicht werden könnte. Der Gesetzgeber ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, Artikel 20 Absatz 3 GG. Eine Ergänzung des Gesetzeswortlauts in § 52 Absatz 2 AO um einen Passus, der Vereinen die Gemeinnützigkeit belässt, auch wenn sie ein Geschlecht vom Mitgliedschaftsrecht ausschließen, müsste u.a. einer verfassungsrechtlichen Überprüfung anhand der Grundrechtsbetroffenheit Stand halten. Es käme somit für diese Neuregelung ebenfalls der Gleichheitsgrundsatz zwischen Mann und Frau des Artikel 3 Absatz 3 GG zur Anwendung. Eine pauschale Gestattung des Ausschlusses eines Geschlechts vom Mitgliedschaftsrecht im Rahmen der Gemeinnützigkeitsanforderungen würde eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen darstellen. Diese gesetzliche Ungleichbehandlung wäre ebenfalls nur unter den strengen Kriterien, die der BFH bereits in seiner o.g. Entscheidung geprüft hat, gerechtfertigt: ein zwingender Grund zur geschlechtsspezifischen Problemlösung oder um einen schonenden Ausgleich mit kollidierendem Verfassungsrecht (praktische Konkordanz) zu erreichen. Auch für eine gesetzliche Ungleichbehandlung fehlt es an einem derartig zwingenden Grund. Die hier genannten Vereine können ihre bisherigen Tätigkeiten und Vereinszwecke in gleicher Güte und Umfang ausüben, wenn beide Geschlechter als Vereinsmitglieder aufgenommen werden würden. Das Mitgliedschaftsrecht kraft Satzung ist nicht gleichbedeutend mit einem Anrecht auf identische Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche im alltäglichen Vereinsleben. Dem steht auch kein kollidierendes Verfassungsrecht entgegen. Wie bereits unter Punkt 2. erwähnt , kann die allgemeine Vereinigungsfreiheit des Artikels 9 Absatz 1 GG nicht zur Legitimation einer gesetzlichen Regelung, die den Ausschluss eines Geschlechts von der Vereinsmitgliedschaft gestattet, genutzt werden. § 52 AO nennt nicht die Verbote einer vereinsrechtlichen Betätigung , sondern normiert nur die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Bevorzugung von bestimmten gemeinwohlorientierten Organisationen im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts. Jenseits des Rechtsstatus der Gemeinnützigkeit ist es den Organisationen weitgehend freigestellt, wen sie als Mitglied bei sich akzeptieren und wen nicht. Es liegt somit kein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit vor, wenn die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt wird. Fazit: Die Aufnahme einer allgemeinen Erlaubnis in § 52 Absatz 2 AO für den Ausschluss eines Geschlechts von der Mitgliedschaft in einer gemeinnützigen Organisation stünde im Wertungswiderspruch zum Erfordernis der Allgemeinheit in § 52 Absatz 1 AO. Eine derartige Regelung wäre zudem verfassungswidrig, da sie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Frauen und Männern darstellen würde.