© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 068/17 Zur Möglichkeit der finanziellen Beteiligung des Bundes an der Entschädigung für Hochwasseropfer Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 068/17 Seite 2 Zur Möglichkeit der finanziellen Beteiligung des Bundes an der Entschädigung für Hochwasseropfer Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 068/17 Abschluss der Arbeit: 7. August 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 068/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Finanzierungszuständigkeit von Bund und Ländern nach dem Konnexitätsgrundsatz 4 2.1. Gesamtstaatliche Repräsentation gemäß Art. 22 Abs. 1 Grundgesetz 4 2.2. Finanzhilfen für Investitionen nach Art. 104b Grundgesetz 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 068/17 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftrag zielt auf die Frage ab, ob sich der Bund an der Entschädigung der privaten Haushalte aufgrund des Hochwassers in Niedersachsen im Sommer 2017 finanziell beteiligen kann. 2. Finanzierungszuständigkeit von Bund und Ländern nach dem Konnexitätsgrundsatz Nach Art. 104a Grundgesetz tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Hiernach finanziert diejenige Gebietskörperschaft diejenigen Aufgaben, die sie in ihrer eigenen Verwaltungszuständigkeit wahrzunehmen hat. Die Ausgabenkompetenz folgt damit der Aufgabenzuständigkeit (Konnexitätsprinzip). Darüber hinaus kann sich der Bund an der Aufgabenerfüllung der Länder nur beteiligen, wenn ihn das Grundgesetz hierzu ermächtigt. Staatliche Soforthilfemaßnahmen und Aufbauhilfemaßnahmen nach außergewöhnlichen Naturereignissen wie z.B. Erdbeben, Hochwasser, Unwetter, Dürre, fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Eine ausnahmsweise Beteiligung des Bundes bedürfte nach dem Konnexitätsgrundsatz eines Kompetenztitels nach dem Grundgesetz. 2.1. Gesamtstaatliche Repräsentation gemäß Art. 22 Abs. 1 Grundgesetz Als Kompetenzgrundlage für eine finanzielle Beteiligung des Bundes könnte die gesamtstaatliche Repräsentation in Betracht kommen. Die gesamtstaatliche Repräsentation umfasst alle Tatbestände und Erscheinungsformen, in denen sich die Bundesrepublik Deutschland nach innen wie nach außen darstellt. Gesamtstaatliche Repräsentation bedeutet in diesem Sinne, dass die vom Bund ergriffenen Maßnahmen die Wirkung entfalten, die nationale und gesellschaftliche Integration wie Identifikation möglichst aller Bürger zu fördern.1 Die Voraussetzung der identifikationsstiftenden Innenwirkung würde vorliegend erfordern, dass das schädigende Naturereignis ein nationales Ausmaß angenommen hat. Dies würde eine Erheblichkeit und Überregionalität der Schäden sowie die Dringlichkeit ihrer Beseitigung voraussetzen . So konnte sich der Bund im Rahmen der gesamtstaatlichen Repräsentation u.a. nach dem Hochwasser 2013 finanziell an Maßnahmen für die betroffenen Privathaushalte und Unternehmen sowie an der Wiederherstellung der Infrastruktur von Ländern und Gemeinden beteiligen.2 Nach hiesiger Einschätzung dürfte es an dem nationalen Ausmaß bei den entstandenen Hochwasserschäden dieses Jahres fehlen. 1 vgl. Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 22 Rn. 35. 2 vgl. Einzelheiten hierzu: Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern, http://www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/agrarpolitik/dateien/anlage_2_soforthilfe_-_verwaltungsvereinbarung .pdf (abgerufen am 4. 8. 2017); BMEL, Soforthilfe bei Hochwasser, https://www.bmel.de/DE/Laendliche- Raeume/03_Foerderung/_texte/HochwasserKuestenschutz.html;jsessionid=3AABE4D55977D94D7BDF- DAB2424A68D3.2_cid385?docId=6081142 (abgerufen am 4. 8. 2017); Deutscher Bundestag, Entwurf Aufbauhilfegesetz , BT-Drs. 17/14078, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 068/17 Seite 5 2.2. Finanzhilfen für Investitionen nach Art. 104b Grundgesetz Nach Art. 104b Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz kann der Bund im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, auch ohne Gesetzgebungsbefugnisse Finanzhilfen gewähren . Die Gewährung der Finanzhilfen ist in diesen Fällen auf investive Zwecke und den Empfängerkreis der Länder beschränkt.3 Als Naturkatastrophen sind unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß anzusehen, die durch Naturereignisse ausgelöst werden (vgl. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG; z. B. Erdbeben, Hochwasser, Unwetter, Dürre, Massenerkrankungen).4 Dies ist vorliegend der Fall. Darüber hinaus müsste eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage des betroffenen Landes eingetreten sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Finanzbedarf zur Beseitigung der aus einer Naturkatastrophe resultierenden Schäden und als auch auf etwaige vorbeugende Maßnahmen.5 Aus den Folgen der Naturkatastrophe müsste sich demnach eine finanzielle Überforderung des Landes Niedersachsen ergeben. Am Vorliegen einer solchen, die finanziellen Ressourcen des Bundeslandes überfordernden Notlage dürften mit Blick auf die im Juli 2017 eingetretenen Schäden erhebliche Zweifel bestehen.6 *** 3 Diese Ausnahme von dem mit der Föderalismusreform 2006 eingeführten Konnexitätsprinzip soll sicherstellen, dass die zur Bewältigung derartiger Notsituationen erforderliche Programme zur Belebung der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand mit Unterstützung des Bundes in allen Investitionsbereichen durchgeführt werden können. Vgl. Deutscher Bundestag, Drs. 16/12410, S. 15. 4 Kube in: BeckOK, GG, Art. 104b Rn. 8. 5 Kube in: BeckOK, GG, Art. 104b Rn. 10. 6 Nach einer Pressemeldung hat das Land Niedersachsen insgesamt 25 Mio. Euro für finanzielle Hilfen an Geschädigte bereitgestellt. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/niedersachsen-millionen-euro-fuer-hochwasserhilfe -a-1161187.html (abgerufen am 7.8.2017).