© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 068/13 Steuerrechtliche Aspekte der Ausflaggung von Handelsschiffen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 2 Steuerrechtliche Aspekte der Ausflaggung von Handelsschiffen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 068/13 Abschluss der Arbeit: 30. Mai 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Besteuerung von Seeleuten auf Handelsschiffen 5 2.1. Schiffe unter Bundesflagge 5 2.2. Ausgeflaggte Schiffe/ ausländische Schiffe 6 2.2.1. OECD-Musterabkommen 6 2.2.2. Sonstige Musterabkommen 7 2.2.3. Beispiel Liberia als Staat mit DBA 7 3. Ausflaggung als Steuerhinterziehung, Steuerflucht oder Kapitalexport? 8 3.1. Definition von Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Kapitalexport 8 3.1.1. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abgabenordnung 8 3.1.2. Kapitalflucht und Steuerflucht 9 3.2. Rechtliche Rahmenbedingungen der Ausflaggung seit Einführung des FlRG 10 3.3. Erteilung der Ausflaggungsgenehmigung 11 3.4. Maßnahmen zur Erhaltung und Steigerung der Attraktivität des Standorts Deutschland 13 3.4.1. Gewinnermittlung nach Tonnage 14 3.4.2. Lohnsteuereinbehalt § 41 a Abs. 4 EStG 15 3.4.3. Beihilfe zur Senkung der Lohnnebenkosten (Richtlinien vom 07. September 2011) 15 3.4.4. Beihilfe zur Förderung von Ausbildungsplätzen (Richtlinien vom 18.08.2011) 15 3.5. Schlussfolgerungen 16 3.5.1. keine Steuer- oder Kapitalflucht 16 3.5.2. keine Steuerhinterziehung 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 4 1. Einleitung § 1 Abs. 1 Flaggenrechtsgesetz (FlRG)1 bestimmt, dass alle Kauffahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt bestimmten Schiffe (Seeschiffe) die Bundesflagge führen müssen, wenn ihre Eigentümer Deutsche sind oder ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben. Gleiches gilt nach § 1 Abs. 2 FlRG, wenn die Eigentümer bestimmte Personengesellschaften und juristische Personen sind. Gem. § 6 Abs. 1 FlRG darf ein Schiff, das die Bundesflagge führen muss, eine andere Flagge nicht führen. Allerdings kann unter bestimmten Voraussetzungen gem. § 7 Abs. 1 FlRG von der Pflicht zum Führen der Bundesflagge zeitweilig abgesehen werden: Sofern ein Seeschiff einem Ausrüster, der nicht Deutscher ist oder keinen deutschen Wohnsitz oder Sitz hat, zur Bereederung im eigenen Namen überlassen wird, kann anstelle der Bundesflagge zeitweilig das Führen einer anderen Nationalflagge erlaubt werden, wenn die Führung nach ausländischem Recht erlaubt ist2. Die Ausflaggung erfolgt für mindestens ein Jahr und für maximal zwei Jahre3. Die Eintragung im deutschen Schiffsregister bleibt bestehen, jedoch ist anzumelden, wie lange das Recht zur Führung der Bundesflagge nicht ausgeübt werden darf. Von der zeitweiligen Ausflaggung zu unterscheiden ist die dauerhafte oder „große“ Ausflaggung. Im letzteren Fall wird ein Schiff an einen Eigentümer mit Sitz im Ausland veräußert oder der Sitz des Eigentümers in das Ausland verlegt. Eine Pflicht zur Bundesflagge besteht dann nicht, stattdessen kann eine ausländische Flagge geführt werden. Als Folge entfällt die Eintragung in das deutsche Schiffsregister4. Selbst bei einem ausländischen Eigentümer kann durch entsprechende Gestaltung wirtschaftlich weiterhin das Schiff deutschen Eigentümern zuzurechnen sein5. Diese flaggenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen die Frage, wie Arbeitnehmer auf Schiffen unter der Bundesflagge und auf Schiffen unter ausländischer Flagge besteuert werden (Gliederungspunkt 2.). Weiterhin wird gefragt, ob in der Ausflaggung von Handelsschiffen eine Art der Steuerhinterziehung, der Steuerflucht oder des Kapitalexports zu sehen ist (Gliederungspunkt 3.). 1 Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe vom 26.Oktober 1994, BGBl. I, 1994, 3140 zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterverordnung . 2 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.1. 3 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.1. 4 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.2. 5 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 5 2. Besteuerung von Seeleuten auf Handelsschiffen Schiffe auf hoher See gelten im Völkerrecht nach herrschender, wenn auch nicht unangefochtener Meinung als schwimmende Gebietsteile des Staates, dessen Flagge sie führen6. Die Flagge ist damit grundsätzlich der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Geltung des Steuerrechts als Sachnorm7. 2.1. Schiffe unter Bundesflagge Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Februar 1974 sind in ein inländisches Schiffsregister eingetragene und deutsche Flagge führende Kauffahrtei- und Seeschiffe auf hoher See als Inland anzusehen8. Schiffe unter Bundesflagge in deutschen Hoheitsgewässern sind selbstverständlich ebenfalls als inländisch anzusehen. Die Begründung der deutschen Einkommensteuerpflicht für Arbeitnehmer im Inland richtet sich zunächst nach § 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Gem. § 1 Abs. 1 S.1 EStG ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Unbeschränkte Steuerpflicht bedeutet, dass die jeweilige Person mit ihrem Welteinkommen der deutschen Einkommensteuerpflicht unterliegt. Der Begriff des Wohnsitzes ist im Einkommensteuergesetz nicht bestimmt. Insoweit ist deswegen § 8 Abgabenordnung (AO) maßgeblich9. Wohnsitz ist eine Wohnung, die nicht nur vorübergehend beibehalten und benutzt wird10. Eine Mindestzahl von Aufenthaltstagen ist nicht erforderlich , wenn der Aufenthalt nicht nur Besuchszwecken dient11. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist im EStG ebenfalls nicht bestimmt, maßgebend ist insoweit die Begriffsbestimmung des § 9 AO12. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen13. Ebenso ist ein Aufenthalt von weniger als sechs Monaten als „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Inland anzusehen, wenn ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den kürzeren Aufenthalten besteht und der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu bleiben14. 6 Bundesfinanzhof, Urteil v. 05.10.1977, I R 250/75, BStBl. II 1978, 50. 7 Herdegen in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 27 Rn.14. 8 Bundesfinanzhof, Urteil v. 13.02.1974, I R 218/71, BFHE 111, 416. 9 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 145. 10 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 147. 11 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 150. 12 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 160. 13 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 161. 14 Ebling in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl. § 1 EStG, Rn. 163. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 6 Verrichten also Seeleute unselbständige Arbeit auf Schiffen unter Bundesflagge, die mehr als ein halbes Jahr in Deutschland oder auf hoher See sich befinden (gewöhnlicher Aufenthalt), unterliegen die Seeleute der deutschen Einkommensteuerpflicht und müssen ihr gesamtes Einkommen in Deutschland versteuern. Dies gilt dann nicht mehr, wenn sich das Schiff in fremden Hoheitsgewässern befindet. Schiffe, die nicht hoheitlichen Zwecken dienen, sind in fremden Eigengewässern nicht exterritorial und grundsätzlich der Rechtsordnung des Aufenthaltsstaats unterworfen15. Seeleute, die sich mit einem deutschen Schiff mehr als 183 Tage, also ein halbes Jahr im Ausland befinden, haben in Deutschland damit keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Deswegen müssen sie dann nur anteilig Steuern zahlen für die Zeit, in der sie in deutschen Hoheitsgewässern und auf hoher See waren (beschränkte Steuerpflicht)16. Die Aufenthalte in fremden Gewässern dürften aber in der Regel unbedeutend sein17. 2.2. Ausgeflaggte Schiffe/ ausländische Schiffe Für Seeleute mit Wohnsitz in Deutschland, die auf einem ausgeflaggten Schiff arbeiten, kann es zur Doppelbesteuerung kommen. In Deutschland sind sie wegen des Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig. Die Arbeitseinkünfte auf dem ausgeflaggten Schiff unterliegen aber der Besteuerung des Flaggenstaats. Eine Vermeidung von Doppelbesteuerung herbeizuführen, ist Aufgabe des Wohnsitzstaates. Deshalb hat Deutschland zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit zahlreichen Staaten Abkommen (Doppelbesteuerungsabkommen - DBA) geschlossen. Sofern Deutschland kein DBA mit dem jeweils anderen Staat geschlossen hat, gelten die Vorschriften der Steueranrechnung und der Abzug ausländischer Steuern, die in § 34 c EStG geregelt sind18. 2.2.1. OECD-Musterabkommen Sofern die Vertragsstaaten, die der OECD angehören, keine eigenen Regelungen vereinbaren, richtet sich ein DBA nach dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA), das eine Empfehlung für die Vertragsgestaltung darstellt. Das aktuelle OECD-MA 2010 trifft in Art. 15 Regelungen zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit. Während in Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA grundsätzlich Regelungen für alle Arbeitnehmer trifft, stellt Art. 15 Abs. 3 OECD-MA eine Spezialregelung für die Schifffahrt dar19. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA sieht vor, dass Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes, das im internationalen Verkehr betrieben 15 Bundesfinanzhof, Urteil v. 05.10.1977, I R 250/75, BStBl. II 1978, 50. 16 http://www.deutsche-flagge.de/de/finanzen/besteuerung-von-seeleuten, abgerufen am 27.05.2013. 17 Fiedler, Claus, Vermeidung von Doppelbesteuerung bei Seeleuten, DB 1984, 2115. 18 Fiedler, Claus, Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Seeleuten, DB 1984, 2115. 19 Prokisch: in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008, OECD-MA Art. 15 Rn. 105. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 7 wird, oder an Bord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Der „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ ist dort, wo das Unternehmen sitzt, das die Schifffahrt betreibt20. Im Geltungsbereich des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA wird der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung als Quellenstaat bezeichnet. Er ist durch das Abkommen in seinem innerstaatlichen Besteuerungsrecht nicht beschränkt. Der Staat, in dem z.B. der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat, wird als Ansässigkeitsstaat bezeichnet, Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Die Besteuerung der Vergütungen im Ansässigkeitsstaat lässt der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA offen. Der Normtext lautet an dieser Stelle: „So können die […] bezogenen Vergütungen im anderen Staat [d.h. dem Ansässigkeitsstaat] besteuert werden“. Ob und in welchem Umfang sie zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen sind, bestimmt sich nach Art. 23 A (Befreiung) oder B (Anrechnung) OECD-MA. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA wurde beispielsweise in Art. XI Abs. 5 DBA Großbritannien, Art. 10 Abs. 3 DBA Niederlande, Art. 15 Abs. 3 DBA Spanien umgesetzt21. 2.2.2. Sonstige Musterabkommen Das Musterabkommen der OECD und der UN stimmen wörtlich überein. Das US-Musterabkommen weist die Besteuerung dem Staat zu, in dem das reguläre Besatzungsmitglied ansässig ist. Ihm folgt das niederländische Musterabkommen. Außerdem gilt das US-Musterabkommen ausschließlich für See- und Luftfahrzeuge, die im internationalen Verkehr tätig sind22. 2.2.3. Beispiel Liberia als Staat mit DBA Häufig werden ursprünglich unter Bundesflagge fahrende Schiffe zum Beispiel nach Liberia ausgeflaggt 23. Dieser Staat soll daher beispielhaft herausgegriffen werden. Mit Datum vom 25. November 1970 hat Deutschland mit Liberia ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen24. Art. 15 Abs. 3 OECD-Musterabkommen wurde in das DBA mit Liberia nicht übernommen. 20 Prokisch: in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008, OECD-MA Art. 15 Rn. 110. 21 Vgl. Schönfelder/ Plenker, Lexikon für das Lohnbüro 2013, 3.3 – Schiffe unter ausländischer Flagge/ Liberia. 22 Prokisch in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl. 2008, OECD-MA Art. 15 Rn. 101. 23 BT-Drs. 17/7750, S.2 (Kleine Anfrage zu Ausflaggung nach § 7 des Flaggenrechtsgesetzes). 24 abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales _Steuerrecht/Staatenbezogene_Informationen/Laender_A_Z/Liberia/001_1.pdf?__blob=publication- File&v=4, abgerufen am 27.05.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 8 Für einen deutschen Arbeitnehmer, der unter liberianischer Flagge fährt, ergibt sich Folgendes: Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Liberia können Vergütungen, die eine in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer für eine in Liberia ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in Deutschland besteuert werden, wenn der Arbeitnehmer sich in Liberia insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Zeitraums von 12 Monaten aufhält. Insoweit schränkt das Doppelbesteuerungsabkommen, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, das deutsche Besteuerungsrecht ein25. Nach liberianischem DBA hält sich ein Arbeitnehmer jedoch nur dann in Liberia auf, wenn das Schiff sich entweder auf hoher See und damit im internationalen Gewässer oder aber im Hoheitsgebiet von Liberia befindet. Befindet es sich im Hoheitsgebiet eines Drittstaates, kann es nicht gleichzeitig für Zwecke der Besteuerung (oder Steuervermeidung) im Hoheitsgebiet von Liberia sein26. Die Summe von 183 Tagen wird durch die Arbeitnehmer nicht immer erreicht. Dies kann sich z.B. durch Arbeitslosigkeit oder Hafentage ergeben27. 3. Ausflaggung als Steuerhinterziehung, Steuerflucht oder Kapitalexport? Es wird gefragt, ob Ausflaggungen als Steuerhinterziehung, Steuerflucht oder Kapitalexport angesehen werden können. 3.1. Definition von Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Kapitalexport Zunächst sollen die einzelnen Begriffe dargestellt werden. 3.1.1. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abgabenordnung Die Steuerhinterziehung ist in § 370 Abgabenordnung (AO) geregelt. Sie gehört zu den Steuerstraftaten , die in § 369 ff. AO normiert sind. Der Straftatbestand des § 370 Abs. 1 AO legt fest, welche Handlungen und Unterlassungen den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen 28. Die Tathandlung besteht darin, dass den zuständigen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder dass diese Behörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Daneben ist Tathandlung das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO). Ergänzungen des Grundtatbestands enthal- 25 Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil v. 16.01.2003, 16 K 10029/01, juris. 26 Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil v. 16.01.2003, 16 K 10029/01, juris. 27 Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil v. 16.01.2003, 16 K 10029/01, juris. 28 Jäger, Markus, in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 370 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 9 ten die Absätze § 370 Abs. 4 bis 7. Herauszuheben ist davon § 370 Absatz 4 AO, der eine Definition zum tatbestandsmäßigen Erfolg der Steuerhinterziehung enthält29. Ein Taterfolg liegt danach vor, wenn durch die in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Handlungen Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden. Die größte praktische Bedeutung besitzt der Erfolg der Steuerverkürzung. Ergänzende Vorschriften finden sich zudem in § 370 Abs. 6 AO sowie § 370 Abs. 4 S.3 AO30. Bei der Steuerhinterziehung wird also einer eindeutig bestehenden Steuerpflicht nicht nachgekommen 31. 3.1.2. Kapitalflucht und Steuerflucht Unter Steuerflucht versteht man nach Gablers Wirtschaftslexikon die Verlegung eines Wohn- oder Unternehmenssitzes ins Ausland mit dem Zweck der Steuerersparnis32. Die Brockhaus Enzyklopädie führt zusätzlich die Verlagerung von Einkommen und Vermögen in ein niedrig besteuerndes Land (Steueroasen) an33. Nach dem Brockhaus handelt es sich im ersten Fall um „persönliche “, im zweiten Fall um „sachliche“ Steuerflucht. Persönliche Steuerflucht bewirkt, dass das Wirtschaftssubjekt nur noch beschränkt steuerpflichtig ist. Sachliche Steuerflucht hebt die unbeschränkte Steuerpflicht nicht auf, sondern nutzt nur das internationale Steuergefälle aus34. Unter Kapitalflucht versteht man nach dem Brockhaus die Übertragung von Vermögen, insbesondere liquiden Mitteln ins Ausland beziehungsweise in eine ausländische Währung aus Gründen der Sicherheit, Rentabilität, Besteuerung (Steuerflucht) oder Spekulation.35. Die Steuerflucht ist damit ein Fall der Kapitalflucht, die steuerlich motiviert ist36. Steuerflucht ist kein neues Phänomen, sondern gesetzliche Maßnahmen gegen Steuerflucht in Deutschland wurden bereits durch die Reichsfluchtsteuer mit Notverordnung vom 08. Dezember 1931 getroffen37. Die Bundesrepublik erließ ebenfalls ein „Steuerfluchtgesetz“ namens Gesetz 29 Jäger, Markus, in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 370 Rn. 1. 30 Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, Kommentar, 9. Aufl. 2009, § 370 Rn. 20. 31 Brockhaus, Enzyklopädie, „Steuer: Steuerwirkungen und Inzidenz, Legale und illegale Ausweichreaktionen“. 32 Gabler Wirtschaftslexikon, das Wissen der Experten, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/80304/steuerflucht -v6.html, abgerufen am 29.05.2013. 33 Brockhaus, Enzyklopädie, „Steuerflucht“. 34 Brockhaus, Enzyklopädie, „Steuerflucht“. 35 Brockhaus, Enzyklopädie, „Kapitalflucht“. 36 Gabler Wirtschaftslexikon, das Wissen der Experten, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/80304/steuerflucht -v6.html, abgerufen am 29.05.2013. 37 Gabler Wirtschaftslexikon, das Wissen der Experten, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/80304/steuerflucht -v6.html, abgerufen am 29.05.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 10 über die Besteuerung bei Außenbeziehungen (Außensteuergesetz) mit Datum vom 08. September 1972. Gleichwohl sind die Begriffe Kapitalflucht und Steuerflucht im Gegensatz zur Steuerhinterziehung keine (steuer-)gesetzlich verankerten Begriffe. Deshalb kann eine juristische Verortung und Bewertung von Vorgängen hinsichtlich dieser Schlagwörter nicht klar getroffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass die grenzüberschreitende Mobilität von Personen und Kapital normaler geworden ist. Dies macht es schwerer, eine Abgrenzung zwischen „normalen“ Sachverhalten und missbräuchlichen Verhalten, das nur der Steuerminimierung dient, zu finden. Weiterhin werden Maßnahmen zur Abwehr von Steuerflucht heute nicht mehr allein durch den nationalen Gesetzgeber getroffen, da sie europäischen Maßstäben standhalten müssen38. 3.2. Rechtliche Rahmenbedingungen der Ausflaggung seit Einführung des FlRG Die Möglichkeit auszuflaggen gem. § 7 FlRG besteht schon seit Einführung des Gesetzes im Jahr 195139. 1951 war die wichtigste Neuregelung im Vergleich zu Vorgängergesetzen, dass § 11 FlRG geschaffen wurde. Danach kann Schiffen die Möglichkeit gewährt werden, die deutsche Flagge zu führen, die grundsätzlich40 dazu nicht berechtigt oder verpflichtet sind. Spiegelbildlich wurde schon damals § 7 FlRG aufgenommen, der es erlaubte, die Flaggenführungspflicht vorübergehend zu suspendieren. Ohne entsprechende Ausflaggungsmöglichkeiten wären damals aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten Einflaggungen nicht möglich gewesen41. Damals war die Vorschrift vollkommen unbedeutend42. Heute dagegen hat sie an enormer praktischer Relevanz gewonnen43. In der Literatur wird sogar vorgebracht, dass sie „das entscheidende Korrektiv einer Wettbewerbsnachteile auslösenden Flaggenführungspflicht“44 sei. Die deutsche Gesetzgebung und Verwaltung können die Position der Schiffe im internationalen Wettbewerb beeinflussen, soweit nicht internationales Einheitsrecht anwendbar ist45. Die steuerrechtlichen Bedingungen der Heuerverhältnisse der Seeleute sowie die Unternehmensbesteuerung sind bis heute national geprägt. Dies ändert sich auch nicht durch das Seeübereinkommen 38 Gabler Wirtschaftslexikon, das Wissen der Experten, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/80304/steuerflucht -v6.html, abgerufen am 29.05.2013. 39 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 92f.. 40 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 93. 41 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 93. 42 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 93. 43 Vgl. BT-Drs. 17/7750, S.1 f. (Kleine Anfrage zu Ausflaggung nach § 7 des Flaggenrechtsgesetzes). 44 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 93. 45 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 93. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 11 der internationalen Arbeitsorganisation von 2006, dessen Umsetzung der Bundestag am 16. Mai 2013 beschlossen hat46. Die Literatur trägt vor, dass soweit die flaggenbedingten Mehrbelastungen nach Bundesrecht im Vergleich zu anderen Staaten nicht durch die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen oder durch staatliche Subventionen ausgeglichen würden, den zum Führen der deutschen Flagge verpflichteten Schiffseigentümern nur der Weg bliebe, sich deren Geltungsanspruch durch Ausflaggung in Staaten mit günstigeren Rahmenbedingungen oder sogar durch Standortwechsel zu entziehen47. Das FlRG lässt den Flaggenführungspflichtigen drei Ausflaggungsoptionen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Standort. Am weitesten geht die Aufnahme oder die Verlegung des gesamten Schifffahrtsbetriebs in einen anderen Staat. Dann besteht weder eine deutsche Flaggenführungspflicht noch eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland48. Weniger gravierend ist die treuhänderische Übertragung des Eigentums durch inländische Schiffseigentümer auf Tochtergesellschaften im Ausland. Dann entfällt die deutsche Flaggenführungspflicht nach § 1 FlRG, die Steuerpflicht für die Einkünfte aus dem Betrieb der Schiffe bleibt aber bestehen49. Die schwächste Form der Ausflaggung ist die Überlassung der Schiffe an Tochtergesellschaften im Ausland (ausländische Ausrüstung zur Bereederung im eigenen Namen) für jeweils höchstens zwei Jahre. Die Flaggenführungspflicht kann dann gemäß § 7 Abs. 1 FlRG für die Dauer suspendiert werden. Diese Art der Ausflaggung berührt die unbeschränkte Steuerpflicht für die Einkünfte aus dem Betrieb der Schiffe nicht, weil sie weiter durch inländische Schiffseigentümer und nicht durch die ausländischen Ausrüster bezogen werden50. 3.3. Erteilung der Ausflaggungsgenehmigung Die beiden ersten Optionen kann der Schiffseigentümer frei wählen, bei der Dritten ist er darauf angewiesen, dass ihm das nach § 27 Flaggenrechtsverordnung (FlRV) zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eine in seinem Ermessen stehende Genehmigung erteilt51. 46 BT-Drs. 17/13059, „Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Seeübereinkommen 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Februar 2006“. 47 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 48 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 49 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 50 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 51 Vgl. Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 12 Im Grundsatz handelt es sich bei der Ausflaggungsgenehmigung um eine schifffahrts- und wirtschaftpolitische Entscheidung, bei der vor allem die Interessen des Staates an einer leistungsfähigen nationalen Handelsflotte und die Interessen des Schiffseigentümers, das Schiff unter einer für ihn günstigeren Flagge bereedern zu lassen, abzuwägen sind52. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) entscheidet als „Flaggenbehörde“, ob wirtschaftliche Gründe für eine Ausflaggung bestehen. So wird in der Literatur insbesondere vertreten , dass die Flaggenbehörde sich außerhalb des Normzwecks bewege, wenn sie die Genehmigung von Bedingungen abhängig macht, die dem Antragsteller das wirtschaftliche Interesse an einer vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit nehmen, sein Schiff unter fremder Flagge fahren und damit sein Kapital im Ausland arbeiten zu lassen53. Andererseits wird das Schiff bei einer Ausflaggung der deutschen Rechtsordnung zumindest in wichtigen Teilen entzogen54. Dies ist nach der Gesetzesbegründung zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung problematisch, da die deutsche Rechtsordnung im Interesse des Gemeinwohls einen Ausgleich der an der Seeschifffahrt beteiligten Interessen ermöglichen solle55. Eine Ausflaggung - zumindest nach § 7 FlRG - bedeute häufig lediglich einen teilweisen Wechsel der Rechtsordnung. Dies könne sich zum Beispiel daraus ergeben, dass der Reeder weiterhin seinen Sitz im Inland hat und das Schiff weiterhin im deutschen Schiffsregister eingetragen sei56. Dadurch entstand bis 2012 ein Ungleichgewicht, das mit dieser Gesetzesänderung behoben werden sollte. Deswegen wird seit 2013 nur dann eine Ausflaggung genehmigt, wenn ein Ausgleich durch den durch die Ausflaggung begünstigten Reeder geleistet wird. Dieser besteht in der Aufrechterhaltung des ausgeflaggten Schiffes als Ausbildungsplatz, da dies als unmittelbarer Nachteil der Ausflaggung für den maritimen Standort erkannt wurde. Ausnahmsweise kann ein Ablösebetrag statt der Aufrechterhaltung des Ausbildungsplatzes gezahlt werden, § 7 Abs. 2, 3 FlRG n.F.. Wer sein Schiff unter deutscher Flagge betreibe, leiste seinen Beitrag zum Schifffahrtsstandort Deutschland nach Auffassung der Regierungsfraktionen bereits durch die Einhaltung der Schiffsbesetzungsverordnung 57. 52 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.4. 53 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn.5. 54 BT-Drs. 17/10772, S.7 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. 55 BT-Drs. 17/10772, S.7 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. 56 BT-Drs. 17/10772, S.7 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. 57 BT-Drs. 17/10772, S.7 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 13 3.4. Maßnahmen zur Erhaltung und Steigerung der Attraktivität des Standorts Deutschland Der deutsche Gesetzgeber ist gleichwohl bemüht, den Reedern rechtliche Rahmenbedingungen, die wirtschaftlich attraktiv sind, anzubieten. Gleichzeitig sollen Nachteile wirtschaftsfreundlicher Regelungen im Flaggenrechtsgesetz für den maritimen Standort abgewendet werden58, da ein gesamtwirtschaftliches Interesse an einer einheitlichen Handelsflotte in Deutschland bestehe 59. In dem beschriebenen flaggenrechtlichen Rechtsrahmen hat der Gesetzgeber seit 1951 den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte durch verschiedene staatliche Beihilfen erheblich gefördert 60. Beihilfen, wie Schiffbauzuschüsse und Finanzbeiträge, dienten ebenso der Förderung der deutschen Werften und im Laufe der Zeit immer mehr zum Ausgleich der mit dem Betrieb von Schiffen unter deutscher Flagge verbundenen Wettbewerbsnachteilen, um der abnehmenden Beschäftigung von deutschen Seeleuten entgegenzuwirken61. Den Ausflaggungstrend sollte 1989 das „Gesetz zur Einführung eines zusätzlichen Registers unter der Bundesflagge im internationalen Verkehr (Internationales Seeschifffahrsregister – ISR)“62 umkehren 63. Weder die Beihilfen noch das ISR konnten den Rückgang der Handelsflotte unter deutscher Flagge aufhalten, sondern nur verzögern, obwohl die deutsche Handelsflotte und der deutsche Schifffahrtsstandort insgesamt expandieren64. Fast alle seit 1951 an Schifffahrtsunternehmen geleisteten Beihilfen setzten das Führen der deutschen Flagge voraus. Dies galt für Tarifermäßigungen bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer , die Halbierung der Gewerbesteuermessbeträge sowie den hälftigen Ansatz des Betriebsvermögens . Sonderabschreibungen (§ 82 f EStG) und der besondere Verlustausgleich gem. §§ 15 a, 52 Abs. 19 EStG konnten auch bei Schiffen in Anspruch genommen werden, die lediglich im deutschen Seeschiffsregister eingetragen waren65. 58 BT-Drs. 17/10772, S.1 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. 59 BT-Drs. 17/10772, S.7 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung “. 60 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 61 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 62 BGBl. I 1989, 550. 63 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 64 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 65 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94, Fn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 14 Alle vier aktuellen staatlichen Beihilfen sind grundsätzlich an das Führen der deutschen Flagge gebunden66. Bei den Beihilfen handelt es sich um die Gewinnermittlung nach Tonnage gem. § 5a EStG, der Lohnsteuereinbehalt, § 41 a Abs. 4 EStG, die Gewährung der Beihilfe aus dem Bundeshaushalt zur Senkung der Lohnnebenkosten sowie die Beihilfe zur Förderung von Ausbildungsplätzen. 3.4.1. Gewinnermittlung nach Tonnage Bei Einführung der Gewinnermittlung nach Tonnage bestand die Erwartung, damit werde die Chance verbessert, den Betrieb einer nationalen Handelsflotte unter deutscher Flagge auch mit deutschen Seeleuten fortzuführen67. Im Vordergrund stand jedoch eine langfristige Bindung des aktiven Schifffahrtsbetriebs an den Standort68. So sprechen allgemeine wirtschaftliche Gründe neben der Besteuerung von Arbeitnehmern und Unternehmen für eine deutsche Flotte. Dazu gehören z.B. Funktionen im Bereich Devisen, Beschäftigung, Regional- und Hafenentwicklung sowie der allgemeine Außenhandel69. Der Gesetzgeber machte deshalb das Führen der deutschen Flagge anders als bei der gleichzeitig abgeschafften Tarifermäßigung gemäß § 34 c Abs. 4 EStG nicht zur conditio sine qua non der Gewinnermittlung nach § 5a EStG, sondern beschritt einen nach FlRG möglichen Mittelweg. Die Schiffe müssen deshalb gemäß § 5a Abs. 2 S.1 EStG „überwiegend“ in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sein. Besteht eine Eintragungs- und damit Flaggenführungspflicht nach § 1 FlRG, ist ein Betrieb der Schiffe unter ausländischer Flaggen nur dann mit der Gewinnermittlung nach Tonnage vereinbar , wenn das BSH – eventuell auf Anweisung der Bundesregierung – die Flaggenführungspflicht durch eine in seinem Ermessen stehende Genehmigung gemäß § 7 FlRG temporär suspendiert70. In der Europäischen Union herrschen keine einheitlichen Regelungen im Recht der Flaggenführung unter steuerrechtlichen Aspekten. Die 17 EU-Staaten, die ebenfalls eine Gewinnermittlung nach Tonnage eingeführt haben, stellen unterschiedliche Anforderungen an Registrierung und Flaggenführung der begünstigten Schiffe71. Nur einige verlangen eine nationale Flagge (Griechenland , Italien, Polen). Andere machen keine ausdrücklichen Vorgaben (Finnland, Frankreich). Die 66 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95. 67 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95; Beschlussempfehlungen und Empfehlung des Ausschusses für Verkehr, BT-Drs. 13/10271, S.7. 68 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95; Beschlussempfehlungen und Empfehlung des Ausschusses für Verkehr, BT-Drs. 13/10271, S.8. 69 Wilde, Claus, Nachteile abbauen – Marktzugang regeln, Die deutsche Seeschifffahrt 1988, Hansa 1988, 9, 10. 70 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. 71 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 15 übrigen fordern, dass die begünstigten Schiffe die Flagge eines EU-Mitgliedstaates führen oder zumindest 60 % unter diesen Flaggen betrieben werden72. In der Literatur wird vorgebracht, dass die Gewinnermittlung nach Tonnage beihilferechtlich relevant sein könnte, da die Tonnagesteuerregelung als genehmigungspflichtige Beihilfe gesehen werden könnte. Der Tonnageanteil unter der Flagge der EU-Mitgliedstaaten sollte deswegen erhöht oder zumindest auf dem gleichen Stand gehalten werden. Die Bemühungen, eine Mindestzahl von Schiffen unter deutscher Bundesflagge zu halten, sei deswegen von besonderer Bedeutung 73. 3.4.2. Lohnsteuereinbehalt § 41 a Abs. 4 EStG Die Befugnis für Arbeitgeber, bei mehr als 183 Tage beschäftigten Seeleuten 40 % der an sich abzuführenden Lohnsteuer behalten zu dürfen, gilt für alle Seeleute während ihrer Tätigkeit auf Schiffen unter deutscher Flagge74. 3.4.3. Beihilfe zur Senkung der Lohnnebenkosten (Richtlinien vom 07. September 2011) Die Beihilfe aus dem Bundeshaushalt zur Senkung der Lohnnebenkosten wird nur Schiffen unter deutscher Flagge gewährt, die im Schiffsregister eingetragen sind. Schifffahrtsunternehmen, an denen Staatsangehörige von Gesellschaften aus nicht EU/EWR-Staaten beteiligt sind, können die Zuwendungen nach Nr. 2.2 der Richtlinie versagt werden75. 3.4.4. Beihilfe zur Förderung von Ausbildungsplätzen (Richtlinien vom 18.08.2011) Die Beihilfe wird Schifffahrtsunternehmen gewährt, die Plätze zur Ausbildung von Schiffsmechanikern und Offiziersassistenten an Bord anerkannter Schiffe bereitstellen. Nach Nr. 2.2 der Richtlinien müssen die Schiffe in einem deutschen Seeschiffsregister eingetragen sein und die deutsche Flagge oder eine Flagge eines EU-Mitgliedstaates führen76. Unter Flaggen von EU-Mitgliedstaaten kommt die Beihilfe nur in Betracht, wenn die Flaggenführung nach § 7 FlRG genehmigt worden ist77. 72 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 94 f.. 73 Ehlers, Peter, Flaggenrechtsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 7 Rn. 8. 74 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95. 75 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95. 76 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95. 77 Nöll, Hans-Heinrich, Hat Deutschland noch ein geeignetes Flaggenrecht?, TranspR 2012, 91, 95. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 068/13 Seite 16 3.5. Schlussfolgerungen 3.5.1. keine Steuer- oder Kapitalflucht Wie dargestellt, sind Steuer- und Kapitalflucht keine juristischen Begriffe, so dass eine steuerrechtliche Bewertung nicht möglich ist. Bei der vollständigen und dauerhaften Standortverlagerung ins Ausland, d.h. im untersuchten Fall bei der dauerhaften Ausflaggung, handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung in Zeiten globalisierter Märkte und vor dem Hintergrund, dass die Schifffahrt naturgemäß kaum ortsgebunden ist. Für die Entscheidung sind die steuerlichen Bedingungen ein wesentlicher Faktor . 3.5.2. keine Steuerhinterziehung Eine Form der strafbaren Steuerhinterziehung gem. § 370 AO liegt offenbar nicht vor. Erstens stellt die Ausflaggung selbst lediglich einen verwaltungsrechtlichen Vorgang zwischen den Unternehmen und dem BSH dar, der die Finanzverwaltung nicht direkt betrifft. Sowohl vor als auch nach der Ausflaggung müssen Erträge gesetzesgemäß angegeben werden, um eine Strafbarkeit nach § 370 AO zu vermeiden. Eine missbräuchliche Steuergestaltung liegt durch Ausflaggungen nicht vor. Vielmehr wählte der Gesetzgeber zum Beispiel bewusst die Regelung des § 5a Abs. 2 EStG, der lediglich an das deutsche Schiffsregister, nicht aber an die deutsche Flagge anknüpft. Die Reeder nutzen dabei also die rechtlichen Strukturen, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Flaggenrechtsgesetzes und seiner Änderung sowie bei Einführung des § 5a EStG im Blick hatte. Es werden keine Gesetzeslücken oder Unklarheiten ausgenutzt, wie es sonst üblicherweise bei missbräuchlichen Gestaltungen der Fall ist (vgl. § 42 AO).