Finanzmarktpolitische Reaktionen auf die Finanzkrise - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 067/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Finanzmarktpolitische Reaktionen auf die Finanzkrise Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/09 Abschluss der Arbeit: 27.04.2009 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Welche Finanzmarktgesetze wurden in der Folge der Finanzmarktkrise bisher verabschiedet bzw. eingeleitet? 3 2. Welchen Umfang haben die bisher international erfolgten finanzmarktpolitischen Maßnahmen in Relation zum BIP? 3 3. Welche finanzmarktpolitischen Maßnahmen sind in Folge der G 20 Beschlüsse von der Bundesregierung zu veranlassen? 6 4. Welche finanzmarktpolitischen Maßnahmen plant die Europäische Kommission? 7 - 3 - 1. Welche Finanzmarktgesetze wurden in der Folge der Finanzmarktkrise bisher verabschiedet bzw. eingeleitet? Als politische Reaktion auf die Finanzmarktkrise wurde ein Finanzmarktstabilisierungsgesetz 1 (FMStG) sowie ein Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz2 (FMStErgG) verabschiedet. Den Kern des Maßnahmenpakets aus dem FMSt-Gesetz bildet die Errichtung des sogenannten Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin). Dem mit 480 Milliarden Euro ausgestatteten Fonds stehen als Instrumente die Garantieabgabe für neu begebene Schuldtitel und sonstige Verbindlichkeiten von Finanzunternehmen, die Risikoübernahme des Fonds durch Erwerb von Risikopositionen (z.B. Forderungen und Wertpapieren) gegen einen Schuldtitel des Bundes sowie die Rekapitalisierung von Finanzunternehmen durch Erwerb von Anteilen oder stillen Beteiligungen seitens des Fonds zur Verfügung. Institute , die Leistungen des Fonds in Anspruch nehmen, müssen Auflagen erfüllen, zu denen eine Höchstgrenze für Vorstandsbezüge, ein Verzicht auf Bonuszahlungen sowie ein Verzicht auf Dividendenausschüttungen zählen.3 Als Ergänzung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetzes wurde das FMStErgG verabschiedet , das „dem Fonds eine flexiblere Handhabung der vorhandenen Stabilisierungsinstrumente und dem Bund eine erleichterte Übernahme zum Zweck der Stabilisierung “4 ermöglichen soll. Stabilisierungsmaßnahmen sollen dank des Gesetzes schnell und effektiv greifen können. Außerdem wird mit diesem Ergänzungsgesetz die zeitlich eng befristete Verstaatlichung von Anteilen von Unternehmen des Finanzsektors gegen angemessene Entschädigung ermöglicht.5 2. Welchen Umfang haben die bisher international erfolgten finanzmarktpolitischen Maßnahmen in Relation zum BIP? Die Erfassung der nationalen Maßnahmen im Bereich der Finanzmärkte ist mit Ungenauigkeiten verbunden, da Maßnahmen und Interventionen teilweise noch ausstehen oder zwar bereits durchgeführt worden sind, aber in ihrem Volumen nur geschätzt werden können – hierzu zählt beispielsweise die Übernahme von Risikopapieren der Kreditinstitute . Im Folgenden werden die im Herbst 2008 bzw. Frühjahr 2009 beschlosse- 1 Vgl. Drs.16/10651. 2 Vgl. Drs. 16/12343. 3 Vgl. Bundesminsterium der Finanzen, Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte, im Internet unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_69116/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Finanz__und __Wirtschaftspolitik/Finanzpolitik/schaubild/schaubild.html?__nnn=tru 4 Vgl. Drs. 16/12316, S.1. 5 Vgl. Drs. 16/12343, S.2. - 4 - nen finanzmarktpolitischen Maßnahmen einzelner Länder tabellarisch erfasst. Zu diesem quantitativen Vergleich der Maßnahmen liefert die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine separate Aufstellung von Garantieregelungen und Rekapitalisierungsregelungen der Mitgliedsstaaten der EG.6 Mitgliedsstaat Umfang der Garantien (in Mrd. EUR) Umfang der Garantien in % des BIP (2008) Umfang der Rekapitalisieru ng (in Mrd. EUR) Umfang der Rekapitalisier ungsregelunge n in % des BIP (2008) Umfang aller finanzmarktpol. Regelungen in % des BIP (2008)* Dänemark 580,00 259,27 13,50 6,03 265,3 Deutschland 400,00 16,30 80,00 3,26 19,56 Irland (Sonderregelung)7 Griechenland 15,00 6,56 5,00 2,19 8,75 Spanien 200,00 19,39 30-50 2,91-4,85 22,30-24,24 Frankreich 265,00 14,22 21,50 1,15 15,37 Italien (Sonderregelung) 8 15-20 1,00-1,33 - Lettland 4,24 20,00 - - 20,00 Ungarn 4,95 5,09 1,04 1,07 6,16 Niederlande 200,00 35,00 - - 35,00 Österreich 90,00 33,29 15,00 5,55 38,84 Portugal 20,00 12,92 12,92 6 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2009, Bericht der Kommission, Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, Anzeiger für staatliche Beihilfen , S. 19 – 22. 7 Irischen Banken wird eine Garantie für Verbindlichkeiten gewährt, die im Zeitraum zwischen dem 30. September 2008 und dem 29. September 2010 zu veranschlagen sind. Diese Regelung unterliegt diversen Einschränkungen und Ausnahmen. 8 Italienischen Banken wird eine staatliche Garantie für Verbindlichkeiten gewährt, die im Zeitraum zwischen dem 13. Oktober 2008 und dem 31. Dezember 2009 ausgegeben wurden bzw. werden. Für diese Regelung gelten diverse Ausnahmen und Einschränkungen. - 5 - Slowenien 12,00 20,67 12,00 20,67 41,34 Finnland 50,00 28,06 - - 28,06 Schweden 150,00 46,20 4,80 1,48 47,68 Großbritannien 294,26 15,75 63,00 3,37 19,12 Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2009, Bericht der Kommission, Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, Anzeiger für staatliche Beihilfen , S. 19 – 22; * Eigene Berechnung anhand vorhandener Daten. Ergänzend ist der Umfang der finanzmarktpolitischen Maßnahmen in Japan, China und den Vereinigten Staaten zu nennen. Aufgrund einer abweichenden Datenbasis wurden die Länder in einer gesonderten Tabelle erfasst. Land Umfang aller finanzmarktpolitischen Regelungen * Nominales BIP 2007, Wert in Mrd. USD** Umfang aller finanzmarktpolitischen Regelungen in % des BIP (2007) USA 1900 Mrd. USD9 13.811 13,75% Japan 217 Mrd. USD10 4.377 4,95% China Keine Garantien und Investitionen11 3.280 - Quelle: * Germany Trade and Invest, Konjunturprogramme weltweit – Chancen in der Krise, http://www.gtai.de/DE/Content/Standardbeitrag/chancen-in-der-krise.html (Abgerufen am 22.04.2009); ** Weltbank, Stand 2007. Inhaltlich setzen sich nationale Maßnahmen durch den Einsatz von Garantie- und Rekapitalisierungsregelungen in den meisten Fällen aus ähnlichen strukturellen Kom- 9 Diese Größe stellt die Summe aus Krediten, Garantien, Beteiligungskapital und anderer Unterstützungsmaßnahmen seitens des US-Finanzministeriums, der US-Notenbank und der Federal Deposit Insurance Corporation (Einlagensicherungsfonds) dar. 10 Die Unterstützung soll in Form von Rekapitalisierungsmaßnahmen durch Kauf von Unternehmensaktien im Bankbesitz stattfinden (Ankündigung vom 18.12.08; noch nicht vom Parlament genehmigt). 11 Geldpolitische Reaktionen umfassen eine mehrfache Senkung des Referenzzinssatzes der People’s Bank of China sowie die politische Anweisung an Institute, das Kreditvolumen auszudehnen um trotz steigender Quote uneinbringlicher Kredite vermehrt Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen zu vergeben. - 6 - ponenten zusammen.12 Abgesehen von ihren unterschiedlichen Volumen (siehe Tabellen ) weisen nationale Maßnahmen allerdings zum Teil unterschiedliche Konditionen (z.B. Zeitraum ihrer Gültigkeit, Konditionen für Garantieübernahmen) auf. 3. Welche finanzmarktpolitischen Maßnahmen sind in Folge der G 20 Beschlüsse von der Bundesregierung zu veranlassen? Mit dem gemeinsamen Ziel der Schaffung einer neuen Finanzmarktarchitektur wurden beim Gipfel der G 20 in London Beschlüsse - zur Regulierung und Aufsicht von Finanzinstituten, - zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, - zur Bilanzierung bei Finanzinstituten sowie - zu deren Manager-Vergütung getroffen.13 Aus den Beschlüssen des Gipfels ergeben sich soweit ersichtlich keine expliziten Veranlassungen für die Bundesregierung. In Reaktionen der Presse wird die Abschlusserklärung des G 20 Gipfels in London gar als eine unverbindliche Absichtserklärung bezeichnet 14, deren Umsetzung in Gesetze wohl lange dauern dürfte.15 - Die Regulierung und Aufsicht von Finanzinstituten soll auf alle systemisch relevanten Finanzinstitute, -instrumente und –märkte ausgedehnt werden, um systemische Risiken erkennen und darauf eingehen zu können. Insbesondere Hedgefonds und Ratingagenturen sollen in Zukunft dieser verbindlichen Regulierung und Aufsicht unterliegen. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen , nationale Regulierungsbehörden mit der nötigen Macht auszustatten, Zu- 12 Ein Vergleich der finanzmarktpolitischen Maßnahmen einzelner Länder findet sich in: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2009, Bericht der Kommission, Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, Anzeiger für staatliche Beihilfen, S. 17. 13 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Weltweite Reformen der Finanzarchitektur beschlossen, im Internet unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_3378/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Finanz__und_ _Wirtschaftspolitik/G20__London__Haupt.html?__nnn=tru . 14 Vgl. Fischermann, T., Gipfel im Test, in: Die Zeit, Nr. 16 vom 08.04.2009, S. 20. 15 Vgl. ebd., S. 20. - 7 - griff auf die relevanten Informationen aller Finanzeinrichtungen zu haben.17 Das neugegründete Financial Stability Board (FSB) soll für eine länderübergreifende Koordinierung sorgen, um Arbitrage auf Regulierungsebene entgegenzuwirken .18 - - Die Bilanzierung bei Finanzinstituten soll anhand global einheitlicher Standards erfolgen und dadurch mehr Transparenz ermöglichen. - Im Zusammenhang mit nachhaltigen Entlohnungsstrukturen wurden die vom Financial Stability Forum (FSF) entwickelten Prinzipien zu nachhaltigen Entlohnungsstrukturen von den G 20 Teilnehmern befürwortet. Sie sehen vor, die Manager-Vergütung künftig stärker am langfristigen Erfolg einer Bank auszurichten . Hierbei soll den Aufsichtsräten eine größere Verantwortung für Vergütungs - und Bonussysteme zukommen. Aktionären sollen zudem bessere Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die Überwachung dieser Vorgabe soll durch die Aufsichtsbehörden erfolgen. Als Vorgabe wurde festgehalten, dass die nationalen Aufsichtsorgane bis zur Lohnrunde von 2009 einen signifikanten Fortschritt bei der Implementierung der Prinzipien vorzuweisen hätten .20 4. Welche finanzmarktpolitischen Maßnahmen plant die Europäische Kommission? Abschließend sind Maßnahmen zu erwähnen, die auf europäischer Ebene bereits zur Diskussion stehen. Sollten die dort erwogenen Überlegungen in Beschlüsse münden, hätte dies auch Auswirkungen auf zu veranlassende Maßnahmen der Bundesregierung. Die Europäische Kommission hält „ein System für sinnvoll, in dem die Zusammenlegung bestimmter Zuständigkeiten auf der europäischen Ebene mit der Beibehaltung einer klaren Rolle für die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden kombiniert wird, die die engste Verbindung zum Alltagsgeschäft der Unternehmen aufweisen.“21 Ein entspre- 17 Vgl. Communiqué der G 20, Declaration on Strengthening the Financial System, S. 3, im Internet unter: http://www.g20.org/Documents/Fin_Deps_Fin_Reg_Annex_020409_-_1615_final.pdf, Stand: 14.04.2009. 18 Eine umfassende Auflistung zu den beschlossenen Maßnahmen in: Progress Report on the Actions of the Washington Action Plan 2 April 2009, S.3, im Internet unter: http://www.g20.org/Documents/FINAL_Annex_on_Action_Plan.pdf, Stand: 14.04.2009 20 Vgl. G 20, Declaration on Strengthening the Financial System, S.4 . 21 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2009, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, Impulse für den Aufschwung in Europa – Teil I, S. 7. - 8 - chendes Reformprogramm der Kommission enthält fünf ineinandergreifende Zielvorstellungen :22 - Das übergreifende Ziel ist ein europäisches System der Finanzaufsicht als Aufsichtsrahmen . Es soll mithilfe einer europäischen Einrichtung zur Überwachung des Finanzsystems im Ganzen sowie einer europäischen Finanzaufsicht zur Aufsicht über einzelne Unternehmen geschaffen werden. - Um die Lücken einzelstaatlicher Regulierung schliessen zu können, sollen entsprechende Rechtsakte und Maßnahmen verabschiedet werden. Hierzu zählen: - Ein Rechtsakt über gemeinsame Regulierungs- und Aufsichtsnormen für systemwichtige Marktteilnehmer, - ein Weißbuch über Instrumente der frühzeitigen Krisenprävention, - Maßnahmen für mehr Transparenz und finanzielle Stabilität bei komplexen Finanzprodukten , - Rechtsakte zur Stärkung des Eigenkapitals für Wertpapierhandelstätigkeiten, zur Kontrolle komplexer Verbriefungsmärkte und zur Einschränkung des Liquiditätsrisikos und einer übermäßigen Kreditvergabe - und Maßnahmen zur Vereinheitlichung von Aufsichtsregeln. - Um das Vertrauen von Anlegern, Verbrauchern und KMU zu stärken, werden als Maßnahmen vorgestellt: - Eine Mitteilung über Anlageprodukte für Kleinanleger, - Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes von Einlegern, Anlegern und Versicherungsnehmern - und Maßnahmen für verantwortungsvolles Kreditgebaren. - Um Risikomanagement und Vergütungsanreize in Finanzunternehmen aufzubessern , sollen Empfehlungen über die Vergütung ausgesprochen und anschließend Rechtsakte mit erweiterten Befugnissen der Aufsichtsorgane erlassen werden. - Schliesslich sollen wirkungsvollere Sanktionen gegen Fehlverhalten am Markt ermöglicht werden. 22 Vgl. ebd., S. 8f.