© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 065/21 Differenzierte Mehrwertsteuersätze für Personenbeförderung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/21 Seite 2 Differenzierte Mehrwertsteuersätze für Personenbeförderung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 065/21 Abschluss der Arbeit: 6. Juli 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Mehrwertsteuersätze bei Umsätzen aus Personenbeförderung 4 3. Historie der Mehrwertsteuerermäßigung für den Nahverkehr in Deutschland 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/21 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags wurden mit der Begutachtung der Frage beauftragt, wann die bestehenden differenzierten Mehrwertsteuersätze auf Umsätze aus Personenbeförderungsleistungen in Deutschland eingeführt wurden. 2. Mehrwertsteuersätze bei Umsätzen aus Personenbeförderung Die Mehrwertsteuer bestimmt sich in Deutschland nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG). Nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen Umsätze grundsätzlich dem allgemeinen Steuersatz von 19%, der prinzipiell auch auf Beförderungsleistungen Anwendung findet. § 12 Abs. 2 UStG sieht für bestimmte Umsätze indes einen ermäßigten Steuersatz von 7% vor. Diese Ermäßigung erfasst auch bestimmte Formen der Personenbeförderung: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG gilt sie zunächst für alle Personenbeförderungen im Schienenbahnverkehr. Privilegiert ist zudem der Verkehr mit den in der Vorschrift abschließend aufgelisteten Wasser- und Landfahrzeugen, sofern die Beförderungsstrecke vollständig innerhalb einer Gemeinde liegt oder nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Daraus ergibt sich für das deutsche Mehrwertsteuerrecht – hinsichtlich der genannten Beförderungsmittel und mit Ausnahme des Schienenbahnverkehrs – eine Privilegierung des Nahverkehrs gegenüber dem Fernverkehr durch den ermäßigten Steuersatz. Hinsichtlich des Flugverkehrs eröffnet § 26 Abs. 3 UStG eine abweichende Differenzierung: Während es für inländische Personenbeförderungen bei dem allgemeinen Steuersatz von 19% bleibt, können Umsätze aus grenzüberschreitender Personenbeförderung herabgesetzt besteuert oder vollständig von der Mehrwertsteuer befreit werden. Dies setzt regelmäßig insbesondere voraus, dass sich der Sitz des Flugunternehmens in Deutschland oder einem Land befindet, welches seinerseits keine Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Personenbeförderungsleistungen deutscher Flugunternehmen erhebt (sog. Gegenseitigkeit).1 Diese Regelung führt zu einer weitgehenden Mehrwertsteuerfreiheit grenzüberschreitender Personenbeförderungsleistungen im Flugverkehr . 3. Historie der Mehrwertsteuerermäßigung für den Nahverkehr in Deutschland Eine Umsatzsteuer wird in Deutschland seit 1918 erhoben; damals wurden alle Umsätze mit einem Steuersatz von 0,5% belastet, ein erhöhter Satz von 10% bestand insbesondere für Luxusgüter .2 Die heutige Umsatzsteuer in Form einer Mehrwertsteuer mit allgemeinem und ermäßigtem 1 Vgl. dazu auch Abschn. 26.5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), Stand: 11. Mai 2021, abrufbar unter . Alle Internetlinks wurden zuletzt abgerufen am 6. Juli 2021. 2 Nieskens, 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland, Infoline 2 (2018), abrufbar unter . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/21 Seite 5 Steuersatz besteht seit dem 1. Januar 1968.3 Hinsichtlich der Umsätze aus Personenbeförderungsleistungen bestimmte § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG in der damaligen Fassung4 bereits eine Steuerermäßigung für Umsätze aus bestimmten Beförderungsformen an Land; diese Privilegierung war für alle diese Beförderungsformen auf Umsätze aus Beförderungsleistungen innerhalb einer Gemeinde oder mit einer Strecke von nicht mehr als 50 Kilometern beschränkt. Bereits bei Einführung der Mehrwertsteuer in ihrer heutigen Form bestand somit die oben dargestellte Differenzierung zwischen Nah- und Fernverkehr hinsichtlich des Steuersatzes, wenn auch in Bezug auf eine geringere Zahl an Verkehrsmitteln. Im Hinblick auf diese grundsätzliche mehrwertsteuerrechtliche Differenzierung wurden seitdem indes verschiedentlich Ausnahmen hinsichtlich bestimmter Verkehrsmittel eingeführt: So waren, bis zum 1. Januar 2012 auch insoweit eine Beschränkung auf den Nahverkehr in Kraft trat, zwischenzeitlich alle Umsätze aus Personenbeförderungsleistungen im Schiffverkehr ohne Rücksicht auf die Länge der Beförderungsstrecke privilegiert.5 Zum 1. Januar 2020 wurde die Beschränkung auf den Nahverkehr in Bezug auf den Schienenbahnverkehr durchbrochen: Dieser wurde in einem neuen § 12 Abs. 2 Nr. 10 lit. a UStG selbständig aufgeführt und seine Steuerermäßigung damit von der streckenmäßigen Beschränkung ausgenommen.6 *** 3 Hamster/Weymüller in: Weymüller (Hrsg.), BeckOK UStG, 29. Ed. (16. Mai 2021), § 12 Abs. 1 Rn. 15. 4 Die zum 1. Januar 1968 in Kraft getretene Fassung des UStG ist abrufbar unter . 5 Müller in: Weymüller (Hrsg.), § 12 Abs. 2 Rn. 30 ff. 6 Müller in: Weymüller (Hrsg.), § 12 Abs. 2 Rn. 32.