© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 065/20 Abgaberechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf Naturkatastrophen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/20 Seite 2 Abgaberechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf Naturkatastrophen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 065/20 Abschluss der Arbeit: 15. Juni 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Stundung bereits fälliger oder fällig werdender Steuern 4 3. Anpassung der Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer 4 4. Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen bei rückständigen Steuern 4 5. Erlass von Säumniszuschlägen 5 6. Erlass der Grundsteuer 5 7. Erlass der Gewerbesteuer 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/20 Seite 4 1. Einleitung Mit einem BMF-Schreiben vom 19.7.2005 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Rahmenkatalog steuerlicher Maßnahmen zur Berücksichtigung der durch Naturkatastrophen verursachten Schäden veröffentlicht. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Steuererleichterungen zählen die Anpassung von Steuervorauszahlungen, die Stundung fälliger Steuern sowie der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen und der Erlass von Säumniszuschlägen. BMF-Schreiben, die das BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder erlassen kann, stellen allgemeine Weisungen i.S.v. Art. 108 Abs. 3 S. 2, 85 Abs. 3 des Grundgesetz (GG) an ihre nachgeordneten Behörden dar und dienen der Verbesserung des Vollzugs von Steuergesetzen sowie dem Ziel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Bereich der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern. 2. Stundung bereits fälliger oder fällig werdender Steuern Die Steuerstundung ist in § 222 der Abgabenordnung (AO) gesetzlich geregelt. Danach können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Es handelt sich um zwei Voraussetzungen , die kumulativ vorliegen müssen. Eine erhebliche Härte für den Steuerschuldner kann angenommen werden, wenn die Naturkatastrophe zu rückläufigen Geschäften führt. Eine auf rückläufige Geschäfte zurückzuführende Minderung des Gewinns bzw. Vermögensverluste bedeutet für sich genommen keine erhebliche Härte. Wenn hierfür allerdings eine Naturkatastrophe ursächlich war, liegt regelmäßig eine Stundungsbedürftigkeit vor. Ob der Anspruch durch die Steuerstundung gefährdet erscheint, stellt eine Prognoseentscheidung der Finanzbehörden dar, die sie einzelfallbezogen zu treffen hat. Das Erheben von Stundungszinsen steht im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. 3. Anpassung der Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer Die Höhe der Vorauszahlungen auf die Körperschaftssteuer basiert auf Schätzungen seitens der Finanzbehörde und orientiert sich regelmäßig am Einkommen der Vergangenheit. Gemäß § 37 Abs. 3 S. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann die Festsetzung der Vorauszahlungen nachträglich angepasst werden, wenn die voraussichtliche Einkommensteuer von der Summe der bislang festgesetzten Vorauszahlungen abweicht, um auf diese Weise eine rasche Anpassung der Vorauszahlungen an veränderte Verhältnisse zu ermöglichen. Da im Falle einer Naturkatastrophe regelmäßig mit wirtschaftlichen Einbußen und einer damit einhergehenden geringeren Einkommensteuer zu rechnen ist, könnten die Vorauszahlungen auf diese Weise herabgesetzt werden, um den Steuerzahler nicht unnötig zu belasten. 4. Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen bei rückständigen Steuern Gemäß § 258 AO kann dem Steuerschuldner ein Vollstreckungsaufschub gewährt werden, wenn die Vollstreckung für den Schuldner unbillig wäre. Unbilligkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Vollstreckung (oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen) dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten vermieden Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 065/20 Seite 5 werden könnte. In der Regel ist die Leistungsfähigkeit des Vollstreckungsschuldners durch Naturkatastrophen und ähnliche unabwendbare Ereignisse derart beeinträchtigt, dass eine Vollstreckung unbillig erscheint. 5. Erlass von Säumniszuschlägen Das Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 258 AO führt nicht zu einem Erlöschen des zu vollstreckenden Anspruchs, sondern zu einem - der Stundung ähnlichen – Aufschub der Vollstreckung. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Fälligkeit der Forderung, wie im Falle der Stundung, aufgeschoben wird. Daraus folgt, dass durch den Vollstreckungsaufschub Säumniszuschläge entstehen können. Das Instrument des Säumniszuschlags stellt ein Druckmittel zur Verbesserung des zukünftigen Zahlungsverhaltens des Steuerpflichtigen dar. Sofern dem Steuerpflichtigen allerdings ein Vollstreckungsaufschub gewährt wurde, verfehlt die Erhebung von Säumniszuschlägen ihren Zweck, sodass ihre Erhebung unbillig erscheint und aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO erlassen wird. 6. Erlass der Grundsteuer Der Steuerschuldner kann einen Antrag auf Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung stellen, dem unter den Voraussetzungen von § 33 des Grundsteuergesetzes (GrStG) stattgegeben wird. Gemäß § 33 GrStG ist bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ein Grundsteuererlass zu gewähren, wenn der normale Reinertrag des Betriebs um mehr als 50% gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Reinertrages nicht zu vertreten hat. Die Minderung des Reinertrags muss auf atypische, außergewöhnliche Umstände vorübergehender Art zurückzuführen sein. Einen solchen Umstand stellen insbesondere Naturkatastrophen dar. 7. Erlass der Gewerbesteuer Gemäß § 227 AO kann die Steuerschuld auf Antrag des Steuerschuldners aus Billigkeitsgründen erlassen werden. Ein Billigkeitserlass setzt voraus, dass die Einziehung der Steuer nach Lage des Einzelfalls unbillig ist. An die Unbilligkeit sind höhere Anforderungen zu stellen als an die erhebliche Härte im Rahmen der Steuerstundung, da der Steuererlass im Gegensatz zur Steuerstundung zu einem endgültigen Verzicht auf die Steuerforderung führt. Gleichwohl kann im Einzelfall bei durch Naturkatastrophen eingetretenen finanziellen Engpässen eine Unbilligkeit angenommen werden, mit der Folge, dass die Gewerbesteuer erlassen wird. ***