© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 064/19 Betriebliche Altersversorgung: Reine Beitragszusage ohne Haftung des Arbeitgebers Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 064/19 Seite 2 Betriebliche Altersversorgung: Reine Beitragszusage ohne Haftung des Arbeitgebers Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 064/19 Abschluss der Arbeit: 18. April 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 064/19 Seite 3 1. Fragestellung Die Fragestellung nimmt Bezug auf den Sachstand „Betriebliche Altersversorgung: Haftung des Arbeitgebers und Besteuerung der Leistungen“ (WD 4 – 3000 – 120/16) vom Oktober 2016. In dem Sachstand werden unter anderem die wesentlichen Reformüberlegungen zur Arbeitgeberhaftung bei der betrieblichen Altersversorgung skizziert. Der Auftraggeber bittet um Information über den Umsetzungsstand der Reformen. 2. Begründung für eine Modifizierung der Arbeitgeberhaftung Der Gesetzgeber hat gesetzliche Maßnahmen für notwendig erachtet, um eine möglichst weite Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und damit verbunden ein höheres Versorgungsniveau der Beschäftigten durch kapitalgedeckte Zusatzrenten zu erreichen. Besonders in kleinen Unternehmen bestehe Verbreiterungspotential. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatten Gutachten in Auftrag gegeben, um Hemmnisse für die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung aufzuzeigen und Reformvorschläge zu erarbeiten (siehe auch obigen Sachstand). Als ein Hemmnis wurde die Haftung des Arbeitgebers für Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung identifiziert. So besagt § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG): „Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“ Diese Haftung gilt für die in Deutschland erlaubten Zusageformen „Leistungszusagen“, „beitragsorientierte Leistungszusagen“ und „Beitragszusagen mit Mindestleistung“. Damit entstünden nach Ansicht der Arbeitgeber häufig über viele Jahrzehnte andauernde Verpflichtungen, die nur schwer kalkulierbar seien.1 3. Die reine Beitragszusage Damit die Arbeitgeber beim weiteren Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung vollständige Kosten- und Planungssicherheit erhalten, hat der Gesetzgeber mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz 2 eine weitere Zusageform eingeführt, nämlich die reine Beitragszusage ohne Haftung des Arbeitgebers, auch Sozialpartnermodell genannt. Die Rechtsgrundlagen für die reine Beitragszusage finden sich in §§ 1 Abs. 2 Nr. 2a und 21 bis 25 BetrAVG. Die reine Beitragszusage bedeutet im Wesentlichen:3 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz), Bundestags-Drucksache 18/11286, Seiten 31 und 42. 2 Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz ), Bundesgesetzblatt (BGBl.) I vom 17. August 2017, Seite 3214. Das Gesetz trat in wesentlichen Teilen am 1. Januar 2018 in Kraft. 3 Baumeister, Frank: Betriebsrentenstärkungsgesetz: Das Wichtigste kompakt, 2 Reine Beitragszusage, Haufe Personal Office Premium (HI10985359,). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 064/19 Seite 4 – Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beiträge an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung zu zahlen. Diese Zahlung des Arbeitgebers hat schuldbefreiende Wirkung, er steht nicht für den Erhalt einer bestimmten Anwartschaft oder Leistung ein. Als Kompensation für den Wegfall der Arbeitgeberhaftung soll zur Absicherung der reinen Beitragszusage im Tarifvertrag (siehe unten) ein Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vereinbart werden. – Die reine Beitragszusage kann nur durch Tarifvertrag geregelt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind daran gebunden, wenn sie Mitglied des Arbeitgeberverbandes beziehungsweise der Gewerkschaft sind. Betriebsvereinbarungen (in privaten Unternehmen) oder Dienstvereinbarungen (im öffentlichen Dienst) können weitere Regelungen für alle Arbeitnehmer vorsehen, allerdings nur, wenn ein Tarifvertrag entsprechende Öffnungsklauseln enthält. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen vereinbaren, wenn auf einen „einschlägigen Tarifvertrag“ Bezug genommen wird. Einschlägig ist der Tarifvertrag, der bei der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im vertragschließenden Arbeitgeberverband gelten würde. – Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Versorgungsleistung richten sich bei der reinen Beitragszusage ausschließlich gegen die Versorgungseinrichtung. Im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und der Versorgungseinrichtung gilt das „Zielrentenkonzept“. Danach dürfen die Versorgungsträger weder die Höhe der erworbenen Anwartschaften noch die Höhe der Leistungen garantieren. Sie erbringen ihre laufenden Leistungen auf der Grundlage des planmäßig zuzurechnenden Versorgungskapitals (sogenannte Zielrente). Der Arbeitnehmer erhält mit der Beitragszahlung eine sofort unverfallbare Anwartschaft auf eine Altersrente, unabhängig davon, ob die Beiträge arbeitgeberfinanziert sind oder auf einer Entgeltumwandlung beruhen. 4. Weitere Entwicklung Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat in einem Gespräch im Februar 2019 die Sozialpartner ermuntert, das neue Angebot der reinen Beitragszusage im Sinne der Beschäftigten zu nutzen. Er kündigte an, für interessierte Sozialpartner ein Forum im Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzurichten, in dem bereichsübergreifende Fachfragen zum Sozialpartnermodell erörtert, bisherige Erfahrungen ausgetauscht und konkrete Probleme bei der Einführung gelöst werden sollen. Wegen der engen fachlichen Zusammenhänge würden auch Vertreter des Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 064/19 Seite 5 Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht demnächst zu einem ersten Gespräch ins Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingeladen.4 * * * 4 Sigmund, Thomas; Specht Frank; Waschinski Gregor: „Ein finanzieller Kraftakt“, Interview mit Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, Handelsblatt 22. Februar 2019. Bundesministerium für Arbeit und Soziales : Betriebsrente stärken, 20. Februar 2019, unter: https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2019/betriebsrente -staerken.html, abgerufen am 18. April 2019.