© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Verschiedene Fragen zur Auflösung und Abwicklung der Stiftung Entsorgungsfonds Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Seite 2 Verschiedene Fragen zur Auflösung und Abwicklung der Stiftung Entsorgungsfonds Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Abschluss der Arbeit: 10. Mai 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen WD 3: Verfassung Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes 4 3. Aufhebung eines Zustimmungsgesetzes 5 4. Haushaltsrechtliche Aspekte 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Seite 4 1. Einleitung Der Sachstand widmet sich der Fragestellung, ob ein Aufhebungsgesetz zum „Gesetz zur Errichtung eines Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (Entsorgungsfondsgesetz – EntsorgFondsG) der Zustimmung des Bundesrates bedarf.1 Das Entsorgungsfondgesetz ist Teil des Artikelgesetzes: „Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung“ vom 27.01.2017. Das Gesetz wurde als Zustimmungsgesetz behandelt.2 Des Weiteren wird der Frage nach den haushaltsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der materiellen Abwicklung und Überführung des Stiftungsvermögens in den Bundeshaushalt im Falle der vorzeitigen Auflösung der Stiftung Entsorgungsfonds nachgegangen.3 2. Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes Die Differenzierung zwischen Zustimmungsgesetzen (Art. 77 Abs. 2a GG) und Einspruchsgesetzen (Art. 77 Abs. 3 und 4 GG) ist für die Art und Weise der Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren verfahrensrechtlich entscheidend.4 Bei Zustimmungsgesetzen ist nach Art. 78 Var. 1 GG das Zustandekommen des Gesetzes von einer ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates abhängig.5 Ein Gesetz bedarf nur dann der Zustimmung des Bundesrates, wenn dies im Grundgesetz ausdrücklich angeordnet ist.6 Die Verfassung zählt die Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen abschließend auf.7 Ausnahmen von diesem Enumerationsprinzip für zustimmungspflichtige Gesetze kennt das Grundgesetz nicht.8 Maßgeblich für die Zustimmungsbedürftigkeit ist allein die verfassungsrechtliche Einordnung des Gesetzes.9 Sinn und Zweck der Zustimmungsvorbehalte ist es, die Länder davor zu schützen, dass der Bund gegen den Willen der Bundesratsmehrheit Maßnahmen durchsetzt, die das föderale System zum 1 Beitrag des Fachbereichs WD 3 – Verfassung und Verwaltung. 2 BGBl. I S. 114, 1222. 3 Beitrag des Fachbereichs WD 4 – Haushalt und Finanzen. 4 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage, 2013, Art. 77 Rn. 19. 5 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage, 2013, Art. 77 Rn. 19. 6 Vgl. BVerfG Gutachten v. 22.11.1951 – BPvV 1/51; BVerfGE 37, 363 (381). 7 Eine Auflistung der Artikel, die gegenwärtig eine Zustimmung des Bundesrates vorsehen, findet sich bei: Kersten , in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 77 Rn. 95 f. 8 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 77 Rn. 96. 9 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage, 2013, Art. 77 Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Seite 5 Nachteil der Länder verändern.10 Das Bundesverfassungsgericht betont dabei jedoch, dass das Grundgesetz die Zustimmungsbedürftigkeit lediglich ausnahmsweise und nur für Fälle einer besonders gewichtigen Berührung der föderalen Ordnung und des Interessenbereichs der Länder vorsieht.11 Ist keine Zustimmung des Bundesrates ausdrücklich normiert, liegt ein Einspruchsgesetz vor.12 Bei Einspruchsgesetzen kommt das Gesetz zustande, wenn der Bundesrat keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG auf Einberufung eines Vermittlungsausschusses stellt, keinen fristgemäßen Einspruch einlegt, ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestag überstimmt wird (Art. 78 GG). 3. Aufhebung eines Zustimmungsgesetzes Die Aufhebung eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes ist nach einhelliger Auffassung in der Literatur grundsätzlich nicht zustimmungsbedürftig.13 Dieses ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck des Zustimmungsvorbehalts. Bedenken hinsichtlich einer föderalen Systemverschiebung sind im Fall einer Gesetzesaufhebung nicht ersichtlich.14 Eine Zustimmungspflicht könnte sich nur daraus ergeben, dass das Aufhebungsgesetz wiederum Teil eines Artikelgesetzes würde, das einen zustimmungsbedürftigen Teil hätte. In diesem Fall wäre das gesamte Gesetz zustimmungspflichtig.15 Der Gesetzgeber hätte jedoch die Möglichkeit, den nicht zustimmungspflichtigen Teil gesondert und damit zustimmungsfrei zu beschließen.16 Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei der Aufhebung eines Zustimmungsgesetzes beschränken sich damit grundsätzlich auf die Einspruchsmöglichkeit. 4. Haushaltsrechtliche Aspekte Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sind bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, die durch ein Gesetz bzw. aufgrund eines Gesetzes errichtet werden. Das Errichtungsgesetz enthält Regelungen zur Aufbringung und Verwendung des Stiftungsvermögens sowie zur Verbindung der Stiftung mit dem Bundeshaushalt, beispielsweise in Form von Zu- und 10 BVerfGE 37, 363 (379 f.). 11 BVerfGE 61, 149 (206). 12 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 77 Rn. 95 f. 13 Vgl. nur: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, 14. Aufl., 2018, Art. 78 Rn. 21; BVerfGE 10, 20 (48f.); BVerfGE 14, 197 (219 f.); Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, 15. Aufl. 2018, Art. 77 Rn. 5; Mann, in Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 77, Rn. 17. 14 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 77 Rn. 103. 15 Vgl. BVerfGE 105, 313 (341). 16 Vgl. BVerfGE 105, 313 (340 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 063/19 und WD 3 – 110/19 Seite 6 Abführungen von Mitteln. Spiegelbildlich sind entsprechende Regelungen in dem Auflösungsgesetz zu treffen, wenn eine öffentlich-rechtliche Stiftung vorzeitig aufgelöst werden soll. Hierzu enthält die Bundeshaushaltsordnung (BHO)17 keine haushaltsrechtlichen Vorgaben mit Ausnahme des allgemeinen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit (Art. 114 Abs. 2 GG i.V.m. § 7 BHO), der bei der Verwertung des Stiftungsvermögens zu beachten ist. Der Bundeshaushalt stellt eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung dar, in der illiquides Vermögen nicht erfasst wird. Vor diesem Hintergrund wären im Hinblick auf die materielle Liquidation und Überführung des Stiftungsvermögens in den Bundeshaushalt bei vorzeitiger Auflösung der Stiftung Entsorgungsfonds im Auflösungsgesetz insbesondere folgende Regelungen zu treffen: - Behandlung liquiden Vermögens: Das zum Zeitpunkt der Auflösung der Stiftung bestehende liquide Vermögen könnte - evtl. nach Abdeckung vorhandener Verbindlichkeiten - an den Bundeshaushalt abgeführt werden. Alternativ könnte die Bildung einer Rücklage „Entsorgungsfonds“ in Betracht kommen. Haushaltstechnisch wären die Mittelabführungen als Einnahmen bzw. Zuführungen an die Rücklage im Einzelplan 60 des Bundeshaushalts zu veranschlagen. - Verwaltung und Verwertung des illiquiden Geldvermögens: Erforderlich wäre die Übertragung der Verwaltung und Verwertung des illiquiden Geldvermögens auf die hierfür geeignete Institution, z. B. Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH18, Kreditanstalt für Wiederaufbau19 bzw. Deutsche Bundesbank20. Die Veräußerungserlöse wären an den Bundeshaushalt abzuführen. - Verwertung und Liquidation des Sachvermögens (insb. Immobilien): Das nicht benötigte Sachvermögen müsste ebenfalls von einer geeigneten Institution verwaltet und verwertet werden. In Betracht könnte evtl. die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kommen. Die Verwertungserlöse wären dem Bundeshaushalt zuzuführen. Schließlich müsste im Auflösungsgesetz festgelegt werden, welche Ressorts die Fach- und Rechtsaufsicht wahrnehmen sollen. *** 17 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 18 Zuständig für die Verwaltung und Abwicklung des Finanzmarktstabilisierungsfonds, vgl. FMSA-Neuordnungsgesetz , BGBl. I 2016 S. 3171. 19 Zuständig für das ERP-Sondervermögen, vgl. ERP-Wirtschaftsförderungsneuordnungsgesetz, BGBl. I 2007 S. 1160. 20 Zuständig für die Anlage der Mittel des Sondervermögens „Versorgungsrücklage des Bundes“, vgl. Gesetz vom 9.7.1998 BGBl. I S. 1800.