© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 062/19 Steuerliche Anreize gegen Lebensmittelverschwendung sowie zur Erhöhung der Bereitschaft von Lebensmittelspenden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/19 Seite 2 Steuerliche Anreize gegen Lebensmittelverschwendung sowie zur Erhöhung der Bereitschaft von Lebensmittelspenden Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 062/19 Abschluss der Arbeit: 30. April 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Steuerliche Behandlung 4 2.1. Gemeinnützigkeitsrecht 4 2.2. Mehrwertsteuersystemrichtlinie 4 3. Steuerliche Anreize 6 4. Bewertung der verschiedenen steuerpolitischen Instrumente 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/19 Seite 4 1. Einleitung Gefragt wird nach steuerlichen Anreizen, die es gibt bzw. geben könnte, um einerseits zu verhindern , dass unverdorbene, noch haltbare Lebensmittel die nicht in den Verkauf kommen sollen von Herstellern oder Händlern entsorgt werden, und um andererseits die Bereitschaft solche Lebensmittel zu spenden, zu erhöhen. 2. Steuerliche Behandlung 2.1. Gemeinnützigkeitsrecht Auf der Empfängerseite verfolgen Körperschaften, die eine Tafel unterhalten und in diesem Zusammenhang Lebensmittel kostenlos oder verbilligt an wirtschaftlich hilfebedürftige Menschen im Sinne des § 53 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) abgeben, damit regelmäßig gemeinnützige (§ 52 Absatz 2 Nummer 9 AO) bzw. mildtätige (§ 53 AO) Zwecke. Unter der Voraussetzung, dass ihre Satzung sowie tatsächliche Geschäftsführung den Vorgaben der §§ 51 bis 68 AO entsprechen , können diese Körperschaften als steuerbefreit im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes (= Status der Gemeinnützigkeit) anerkannt werden. Der Status der Gemeinnützigkeit vermittelt verschiedene steuerliche Privilegien sowie die Berechtigung zur Ausstellung steuerlich abzugsfähiger Zuwendungsbestätigungen nach § 50 Absatz 1 der Einkommensteuer -Durchführungsverordnung. Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21. März 2013 (BGBl I 2013 S. 556) wurden die Nachweismodalitäten der Tafeln erheblich vereinfacht. Während steuerbegünstigte Körperschaften, die mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 AO verfolgen oder einen Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege nach § 66 AO unterhalten, detaillierte Aufzeichnungen über den Kreis ihrer Leistungsempfänger vorhalten müssen, kann gemäß § 53 Nummer 2 Satz 8 AO auf Antrag der Körperschaft auf einen Nachweis der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit verzichtet werden, wenn aufgrund der besonderen Art der gewährten Unterstützungsleistung sichergestellt ist, dass nur wirtschaftlich hilfebedürftige Personen unterstützt werden. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung regelt in Nummer 12 Satz 4 zu § 53 AO, dass insbesondere auch Tafeln als Nutzer der Nachweiserleichterung in Betracht kommen.1 2.2. Mehrwertsteuersystemrichtlinie Gemäß der Richtlinie des Rates 2006/112/EG10 vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie)2 sind Lebensmittelspenden zu besteuern , wenn die Spende von einer steuerpflichtigen Person ausgeht und wenn die Mehrwertsteuer auf den Erwerb der Waren ganz oder teilweise absetzbar ist. Steuerbefreiungen für Lebensmittelspenden sind nicht vorgesehen. Die Steuerbemessungsgrundlage ist der Einkaufspreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die zum Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden. 1 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/134/1813431.pdf, S. 7, abgerufen am 29. April 2019. 2 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0112&from=DE, abgerufen am 23. April 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/19 Seite 5 Auf eine entsprechende Anfrage des Europäischen Parlaments erwiderte jedoch die Europäische Kommission, „dass das Spenden von Lebensmitteln an Lebensmittelbanken und andere Wohltätigkeitsorganisationen […] nicht durch steuerliche Barrieren behindert werden sollte. In Übereinstimmung mit den Leitlinien, die von dem MwSt-Ausschuss der EU vereinbart wurden, empfiehlt die Kommission, bei der Festlegung des Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittelspenden den Wert der Waren je nach Umständen und je nach ihrem Zustand zum Zeitpunkt der Spende anzupassen. Erfolgen die Lebensmittelspenden kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder Verbrauchsdatums oder sind die Waren zwar unbedenklich, aber für den Verkauf ungeeignet , so sollten die Mitgliedstaaten diesen Umständen bei der Festlegung der fälligen Mehrwertsteuer – die in Fällen, in denen die Lebensmittel tatsächlich keinen Wert haben, sogar null betragen könnte – Rechnung tragen.“3 Dass die meisten der EU-Mitgliedstaaten keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittelspenden an Lebensmittelbanken oder Wohltätigkeitsorganisationen erheben, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind, könnte laut der Studie „Gesetzliche Bestimmungen und die Verfahren der EU-Mitgliedstaaten bezüglich Lebensmittelspenden“4 darauf zurückzuführen sein, „dass sie die Mehrwertsteuerrichtlinie so auslegen, dass der Wert gespendeter Lebensmittel nahe am Ablaufdatum, entsprechend den Empfehlungen der Europäischen Kommission, gering oder gleich null ist. Vier Mitgliedstaaten (Griechenland, Polen, Belgien und Deutschland) haben kürzlich besondere Bestimmungen in ihr nationales Steuerrecht eingeführt, mit denen die Mehrwertsteuer auf Lebensmittelspenden abgeschafft wird. Ob dies als Befreiung von der Mehrwertsteuer angesehen wird oder nicht, ist eine Frage der Umsetzung und Auslegung der jeweiligen Rechtstexte.“ In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesministerium der Finanzen zusammen mit den obersten Finanzbehörden der Länder laut Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Hartmut Koschyk vom 5. Oktober 2012 folgende Billigkeitsregelung beschlossen: „Es wird nicht beanstandet, wenn bei der unentgeltlichen Abgabe von Lebensmitteln kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder der Verkaufsfähigkeit als Frischware von einer Umsatzbesteuerung abgesehen wird. Voraussetzung ist, dass die Abgabe aus mildtätigen Gründen erfolgt und hierfür keine Zuwendungsbestätigung für Spendenzwecke ausgestellt wird.“ Weiter wird ausgeführt : „In allen anderen Fällen ist nach den gesetzlichen Vorgaben eine Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Absatz 1b Nummer 1 UStG vorzunehmen. Wird diese gesetzliche Verpflichtung vorsätzlich ignoriert und kommt es dadurch zu einer Steuerverkürzung, so erfüllt dies regelmäßig den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 der Abgabenordnung (AO) und kann entsprechende strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.“5 Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn unversteuerte Lebensmittel gespendet werden, die nicht kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen. 3 https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/fw_eu-actions_food-donation_eu-guidelines_de.pdf, abgerufen am 23. April 2019. 4 https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/resources/docs/qe-05-14-069-de-n.pdf, abgerufen am 23. April 2019. 5 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/109/1710968.pdf, S. 24, abgerufen am 23. April 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/19 Seite 6 3. Steuerliche Anreize In den EU-Leitlinien für Lebensmittelspenden6 wird darauf hingewiesen, dass sich steuerliche Anreize für Unternehmen, wie es sie in einigen Mitgliedstaaten (z. B. Frankreich, Spanien und Portugal) gibt, nachweislich positiv auf das Spenden überschüssiger Lebensmittel durch die Industrie ausgewirkt haben. Diesbezüglich wird dort aufgeführt: „In Frankreich kann für 60 % (begrenzt auf 0,5 % des Umsatzes des Unternehmens) und in Spanien für 35 % des Nettobuchwerts eines gespendeten Lebensmittels eine Körperschaftsteuergutschrift in Anspruch genommen werden, d. h. die Lebensmittelspender können diesen Wertanteil des gespendeten Produkts von der Körperschaftsteuer auf ihre Einnahmen absetzen. Außerdem zeigt die vom EWSA [Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss] durchgeführte Vergleichsstudie , dass Lebensmittelspenden in den meisten anderen untersuchten Mitgliedstaaten als Ausgabe von der Steuer abgezogen werden können und den steuerpflichtigen Gewinn (je nach Mitgliedstaat innerhalb bestimmter Grenz- und Schwellenwerte) dadurch senken können. Der EWSA weist darauf hin, dass in Portugal eine höhere steuerliche Absetzung gilt, wonach die Spender bis zu 140 % des Produktwertes zum Zeitpunkt der Spende absetzen können, sofern die Lebensmittel für einen besonderen Zweck verwendet (etwa an eine Lebensmittelbank abgegeben) werden und in der Summe nicht mehr als 8/1000 des Umsatzes des Spenders ausmachen.“ 4. Bewertung der verschiedenen steuerpolitischen Instrumente Zur Frage, ob es sinnvoller sei, den Wert der gespendeten Lebensmittel auf null anzusetzen oder generell auf die Erhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten, äußert sich der EWSA wie folgt: „Obwohl die Möglichkeit besteht, den Wert geschenkter Lebensmittel aus Steuergründen als ziemlich gering bzw. als null einzustufen, könnte dies in Mitgliedstaaten, die Unternehmen auf den Wert der gespendeten Lebensmittel (prozentuale) Körperschaftsteuergutschriften gewähren, unattraktiv sein, da es die Steuergutschrift entwerten würde. Dementsprechend wird vorgeschlagen , eher auf die Mehrwertsteuer auf gespendete Lebensmittel zu verzichten als den Wert der gespendeten Lebensmittel auf null anzusetzen, da erstere Maßnahme aufgrund ihrer Vereinbarkeit mit anderen (und potenziell bedeutenderen) steuerpolitischen Anreizen, wie etwa der Steuergutschrift , als Anreiz wirksamer wäre.“7 6 https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/fw_eu-actions_food-donation_eu-guidelines_de.pdf, S. 37, abgerufen am 23. April 2019. 7 https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/resources/docs/qe-05-14-069-de-n.pdf, S. 11, abgerufen am 23. April 2019.