© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 062/16 Diskussionsstand zur Neuordnung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 2 Diskussionsstand zur Neuordnung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 062/16 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung und Konzepte zur Neuordnung 4 3. Der gemeinsame Vorschlag der Länder vom Dezember 2015 5 4. Haltung des Bundes zum Vorschlag der Länder 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 4 1. Fragestellung Es wurde kurzfristig ein Sachstand zur Diskussion über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erbeten. 2. Einleitung und Konzepte zur Neuordnung Die bestehenden Bund-Länder-Finanzbeziehungen, im Folgenden Finanzausgleich, sind an den Solidarpakt II gekoppelt und enden in dieser Form im Jahr 2019. Bisher beruht der Finanzausgleich auf vier Schritten: 1. Aufteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden, 2. Umsatzsteuer-Vorwegausgleich für finanzschwache Bundesländer und Verteilung der restlichen Umsatzsteuer, 3. direkte Ausgleichszahlungen unter den Ländern - bei Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft, - unter Berücksichtigung der besonderen Lasten der Stadtstaaten sowie von Brandenburg , Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und - Anwendung eines progressiven Stufentarifs. 4. direkte Ausgleichszahlungen vom Bund in Form von allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) und Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ).1 An diesem System werden besonders die Komplexität, die Intransparenz und die mangelnde Anreizwirkung für die Länder, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen, kritisiert. Bund und Länder verhandeln seit längerem über eine Neuordnung, dabei sind zwei Konzepte erkennbar : – Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs (sogenannter Scholz-Schäuble-Ansatz). Danach würde die Umsatzsteuer ausschließlich nach Einwohnerzahl auf die Länder verteilt. Die Länder erhielten im Gegenzug einen höheren Anteil an den Umsatzsteuereinnahmen. Dieser Vorschlag bedeutete, unter Berücksichtigung weiterer Anpassung aufgrund der Wirkungen auf die Finanzkraft der Länder, die Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel in Höhe von 8,5 Mrd. Euro. – Abschaffung der direkten Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern. In diesem Fall müsste der Bund noch höhere Mittel als im obigen Konzept zum Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft bereitstellen. 1 Bundesministerium der Finanzen: Der bundesstaatliche Finanzausgleich, unter: https://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Foederale_Finanzbeziehungen/Laenderfinanzausgleich /DEr-Bundestaatliche-FAG.pdf?__blob=publicationFile&v=1, abgerufen am 24. Mai 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 5 Beide Konzepte, so die Kritik, bedeuteten zwar einen fiskalischen Gewinn für alle Länder und erhöhten die Transparenz, es fehle aber weiterhin die Anreizwirkung.2 3. Der gemeinsame Vorschlag der Länder vom Dezember 2015 Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf ihrer Konferenz am 3. Dezember 2015 auf eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen verständigt.3 Die Kernelemente sind dabei: – Der Umsatzsteuer-Vorwegabzug wird abgeschafft. – Es finden keine direkten Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern mehr statt. Die Umsatzsteuer wird nach Einwohnern verteilt, jedoch modifiziert durch Zu- und Abschläge entsprechend der Finanzkraft. Im Ergebnis erfolgt ein Ausgleich der Finanzkraft zukünftig im Wesentlichen bereits im Rahmen der Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer . Im Ergebnis werde, so die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), der Finanzausgleich einfacher, transparenter und gerechter gestaltet. Die Reglungen sollen unbefristet gelten, nach zehn Jahren bestehe die Möglichkeit der Aufkündigung der Vereinbarung durch die Länder. Der Vorschlag der Ministerpräsidenten enthält im Weiteren insbesondere folgende Elemente: – Die Länder erhalten zusätzliche Umsatzsteuerpunkte im Gegenwert von 4,02 Mrd. Euro. – Bestehende Umsatzsteuer-Festbeträge werden in Umsatzsteuerpunkte umgewandelt. – Der Angleichungsgrad und der Tarif der allgemeinen BEZ werden erhöht. – Der Tarif zur Berechnung der Zu- und Abschlagsbeträge bei der Umsatzsteuerverteilung wird linear gestaltet. – Die besonderen Lasten der Stadtstaaten und der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt werden wie bisher berücksichtigt. – Die kommunale Finanzkraft wird zur Berechnung der Finanzkraft eines Landes zu 75 Prozent einbezogen (bisher 64 Prozent). 2 Hentze, Tobias: Länderfinanzausgleich – Eine Bewertung aktueller Vorschläge zur Neuordnung der Bund-Länder -Finanzen, Institut der deutschen Wirtschaft, IW policy paper 29/2015, unter: http://www.iwkoeln.de/studien /iw-policy-papers/beitrag/tobias-hentze-laenderfinanzausgleich-245540, abgerufen am 24. Mai 2016. 3 Freie Hansestadt Bremen (Vorsitz MPK) – Senatskanzlei: MPK fasst Beschluss zur Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, unter: http://www.rathaus.bremen.de/mpk/konferenzen_waehrend_des_bremer_vorsitzjahres /pressemitteilung_zur_ministerpraesidentenkonferenz_am_3__dezember_2015-31168#MPK, abgerufen am 24. Mai 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 6 – Es werden Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede auf Gemeindeebene in verfassungsrechtlich abgesicherter Form in Höhe von ca. 1,54 Mrd. Euro gewährt. – Die bisherigen SoBEZ werden fortgeführt. Brandenburg erhält zusätzliche SoBEZ für Kosten der politischen Führung in Höhe von 11 Mio. Euro. – Es wird eine BEZ für Forschungsförderung (Forschungs-BEZ) zusätzlich zu den bisherigen Forschungsausgaben des Bundes eingeführt. – Es werden dem Saarland und der Freien Hansestadt Bremen Sanierungshilfen in Höhe von insgesamt 800 Mio. Euro gewährt. – Das Bundesprogramm Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) wird dauerhaft fortgeführt . In seiner Bewertung des Vorschlags der Länder kommt das Institut der deutschen Wirtschaft zu dem Ergebnis, dass die Länder, bezogen auf das Jahr 2019, 9,65 Mrd. Euro mehr für sich forderten . Eine Anreizwirkung fehle weiterhin, weil nur ein kleiner Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen im Landeshaushalt verbleibe. Dieser positive Effekt sei bei den Geberländern stärker.4 4. Haltung des Bundes zum Vorschlag der Länder – Der Bund stimmt der Mehrbeteiligung in Höhe von 9,7 Mrd. Euro zu, allerdings müssten die Länder auf mögliche Ansprüche aus dem Fond deutsche Einheit verzichten. – Der Bund ist gegen die Streichung der direkten Ausgleichzahlungen zwischen den Ländern. – Der Bund lehnt neue Bundeszuschüsse ab, käme den Ländern aber gegebenenfalls bei den Entflechtungsmitteln entgegen.5 Auch in der Debatte des Deutschen Bundestages am 13. Mai 2016 zu einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern am 13. Mai 2016 kritisierten die Redner der Koalitionsfraktionen, dass der Vorschlag der MPK einseitig zu Lasten des Bundes gehe. Insbesondere wurde bemängelt, dass es bisher an einer Befassung der Parlamente fehle und die bisherige Diskussion nicht in einer formalisierten Weise zwischen Bund, Ländern und Kommunen geführt worden sei. Der Vorschlag der Länder - Abschaffung der Ausgleichszahlung unterei- 4 Hentze, Tobias: Reform des Länderfinanzausgleichs – Eine Bewertung des Vorschlags der Bundesländer, Institut der deutschen Wirtschaft, IW policy paper 38/2015, unter: http://www.iwkoeln.de/studien/iw-policy-papers /beitrag/tobias-hentze-reform-des-laenderfinanzausgleichs-256524, abgerufen am 24. Mai 2016. 5 Dehlhaes, Daniel; Hildebrand, Jan; Riedel, Donata: Letzte Chance für die große Finanzreform, Handelsblatt 21. April 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 062/16 Seite 7 nander bei gleichzeitiger Erhöhung der Bundesbeteiligung - führe zu einer Unterhöhlung des Föderalismus und der Solidarität der Länder untereinander und zu einer weiteren Schwächung der finanzschwächeren Länder.6 - Ende der Bearbeitung - 6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung am 13. Mai 2016 zum Antrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen jetzt angehen, Bundestags-Drucksache 18/8079.