© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 059/21 Zur rechtssicheren Ausgestaltung der Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 2 Zur rechtssicheren Ausgestaltung der Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 059/21 Abschluss der Arbeit: 16. Juni 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Folgen für die Handelsbilanz 5 3.1. Auseinanderfallen der Steuer- und Handelsbilanz 5 3.2. Stellungnahme des Institut der Wirtschaftsprüfer 6 4. Ausgestaltung als untergesetzliches BMF-Schreiben 7 5. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 4 1. Fragestellung Die Auftraggeberin bittet um rechtliche Einschätzung, ob zur rechtssicheren Ausgestaltung der Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung eine untergesetzliche Regelung, wie das BMF-Schreiben vom 26.2.2021, ausreicht oder ob eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf den Auswirkungen eines möglichen Auseinanderfallens der Steuer- und Handelsbilanz liegen. 2. Einleitung Anknüpfend an den Beschluss der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs1 der Länder vom 19.1.20212, veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 26.2.2021 ein Schreiben zur Abschreibung von Computerhardware sowie Betriebs- und Anwendungssoftware. Darin wird für diese – im Einzelnen genau definierten - Wirtschaftsgüter eine einheitliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, vgl. § 7 Absatz 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG), von einem Jahr zugrunde gelegt.3 Es handelt sich dabei faktisch um eine Sofortabschreibung, sodass Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betroffenen Wirtschaftsgüter direkt als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden können. Aus der Formulierung „kann“ wird überwiegend abgeleitet , dass es sich um ein steuerliches Wahlrecht im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG handeln soll.4 Anwendbarkeit soll die verkürzte Nutzungsdauer für Gewinnermittlungen in den Wirtschaftsjahren entfalten, die nach dem 31.12.2020 enden. Zudem sollen auch vorher angeschaffte Wirtschaftsgüter , für die bis dato eine längere Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde, entsprechend darunter fallen, sofern sie noch nicht vollständig abgeschrieben wurden. Für Wirtschaftsgüter, die dem Regelungsgehalt des Schreibens unterfallen, wird darauf hingewiesen, dass insoweit die 1 Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet. Die gewählte männliche Form bezieht sich auf männliche, weibliche und diverse Personen. 2 Beschluss v. 19.1.2021, Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, https://www.bundesregierung.de/resource /blob/997532/1840868/1c68fcd2008b53cf12691162bf20626f/2021-01-19-mpk-data.pdf?download=1. [zuletzt abgerufen am 9.6.2021]. 3 BMF, Schr. v. 26.2.2021, IV C 3-S 2190/21/10002, DStR 2021, 540. 4 Althoff, BMF-Schreiben zu Sofortabschreibungen von Computerhardware und Software in der Kritik, Betriebs Berater (BB) 2021, 1066 (1067); Endert, Zur Abschreibung „digitaler“ Wirtschaftsgüter, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2021, 591 (592); Hechtner, Anmerkungen zur Digital-AfA durch das BMF-Schreiben v. 26.2.2021, beck.digitax 2021, 78 (78-81); Jüttner, Neue Sofort-AfA für digitale Wirtschaftsgüter, Zeitschrift für Bilanzierung , Rechnungswesen und Controlling (BC) 2021, 180 (181); Schiffers, Geänderte steuerliche Rahmenbedingungen : Drittes Corona-Steuerhilfegesetz und Nutzungsdauer von Computerhardware und bestimmter Software, Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2021, 280 (284). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 5 AfA-Tabellen für die allgemein verwendbaren Anlagegüter5 und die Regelungen zur Bilanzierung von ERP-Software6 abgelöst werden. Eine zeitliche Befristung ist nicht enthalten.7 Während der Beschluss vom 19.1.2021 als Zielsetzung der geplanten Regelung noch die Stimulierung der Wirtschaft und Förderung der Digitalisierung benannte8, spricht das umsetzende BMF-Schreiben v. 26.2.2021 nur noch von einem Anpassungsbedarf an die tatsächlichen Verhältnisse aufgrund eines raschen technischen Fortschritts. Es wird außerdem darauf verwiesen, dass seit rund 20 Jahren keine solchen Anpassungen mehr erfolgt sind.9 3. Folgen für die Handelsbilanz Das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 wurde in der Literatur insbesondere im Kontext der Auswirkungen auf die Handelsbilanz diskutiert. Dabei stelle sich gerade die Frage des Auseinanderfallens der Steuer- und Handelsbilanz. 3.1. Auseinanderfallen der Steuer- und Handelsbilanz Nach dem sogenannten Maßgeblichkeitsgrundsatz bildet die Handelsbilanz „die Grundlage für die steuerrechtliche Gewinnermittlung“10. Hiervon gibt es zunehmend Abweichungen. Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe für die Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungsdauer könnten in einer Differenz zwischen der Abschreibung in der Handelsbilanz und derselben in der Steuerbilanz resultieren. Eine Leitlinie für die steuerliche Berechnung der Nutzungsdauer stellen die Weisungen der Finanzverwaltung, wie die, die technische Nutzungsdauer konkretisierenden , AfA-Tabellen, dar. Für die Handelsbilanz kann aber wiederum nicht pauschal darauf verwiesen werden. Für diese ist vielmehr auf die tatsächliche wirtschaftliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (vgl. § 5 Absatz 1 Satz 1 EStG) abzustellen.11 Sollte die steuerliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts danach nicht im Einklang mit der, nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung aufgestellten , handelsbilanziellen Nutzungsdauer stehen, ist zu klären, ob dieses Auseinanderfallen im Einzelfall möglich ist. Gesagtes muss bei eröffnetem Anwendungsbereich des BMF-Schreibens v. 26.2.2021 ebenso gelten, welches sodann an Stelle der AfA-Tabellen tritt oder diese ergänzt. 5 BMF, Schr. v. 15.12.2000, IV D 2-S 1551-188/00, BeckVerw 065687. 6 BMF, Schr. v. 18.11.2005, IV B 2-S 2172-37/05, DStR 2005, 2076. 7 BMF, Schr. v. 26.2.2021, DStR 2021, 540 (542). 8 Beschluss v. 19.1.2021, S. 6. 9 BMF, Schr. v. 26.2.2021, DStR 2021, 540 (540). 10 Beck Bil-Komm/Schmidt/Usinger HGB § 243 Rn. 111. 11 Ebenda; Beck Bil-Komm/Schubert/Andrejewski HGB § 253 Rn. 231; MüKoHGB/Ballwieser HGB § 253 Rn. 17 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 6 Die rechtliche Möglichkeit eines Auseinanderfallens der Steuer- und Handelsbilanz im vorliegenden Fall könnte sich daraus ergeben, dass das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 als Wahlrecht ausgestaltet ist. Ursprünglich waren steuerliche Wahlrechte in Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Bewertungen auszuüben (sogenannte umgekehrte Maßgeblichkeit). Vor dem Hintergrund der Neufassung des § 5 EStG durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.200912 hat sich dies geändert.13 Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG kann bei Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts14 die Steuer- von der Handelsbilanz abweichen. Es ist fraglich, ob angenommen werden kann, dass die handelsrechtliche Nutzungsdauer für Computerhardware sowie Betriebs- und Anwendungssoftware pauschal nur ein Jahr beträgt. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei eher um einen Ausnahmefall handeln wird. Für viele der bezeichneten Wirtschaftsgüter gäbe es entweder langfristige Pläne, in welchen Abständen diese erneuert werden, Garantien von mehreren Jahren oder es handelt sich um Güter, für die hohe Investitionen getätigt werden müssen. Es sei nicht praxisgerecht anzunehmen, dass sich eine jährliche Erneuerung der bezeichneten Wirtschaftsgüter grundsätzlich realisieren lässt. Die Literatur prognostiziert deshalb eine wirtschaftliche Nutzungsdauer, die in den meisten Fällen ein Jahr übersteigen wird.15 Das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 kann damit bei Vorliegen und Ausübung des Wahlrechts, je nach gesonderter Beurteilung im Einzelfall, auch vermehrt tatsächlich zu einem Auseinanderfallen der Steuer- und Handelsbilanz führen. 3.2. Stellungnahme des Institut der Wirtschaftsprüfer Zum Zwecke der praktischen Einordnung und Klarstellung wurde die Reaktion der Wirtschaftsprüfer zum BMF-Schreiben v. 26.2.2021 mit Interesse erwartet.16 Als Berufsorganisation versucht das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) stetig für die Praxis zu konkretisieren, indem es Fachgutachten , Stellungnahmen, Verlautbarungen, sowie die IDW Prüfungsgrundsätze und IDW Prüfungshinweise herausgibt. Darin kommt die sogenannte „Berufsauffassung“ zum Ausdruck. Zwar kommt dieser keine Rechtsnormqualität zu, aber sie bindet die Mitglieder17 des IDW (§ 4 Absatz 9 IDW-Satzung), womit sie für die Praxis einen wichtigen Anhaltspunkt liefert.18 Bereits vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens hatte sich das IDW in einer Stellungnahme gegenüber der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages geäußert. Schon in 12 BGBl. 2009 I S. 1120. 13 Beck Bil-Komm/Schmidt/Usinger HGB § 243 Rn. 112; Blümich/Krumm EStG § 5 Rn. 183. 14 Als steuerliches Wahlrecht gelten auch solche Regelungen, die sich aus Verwaltungsvorschriften, wie BMF- Schreiben, ergeben (BMF, Schr. v. 12.3.2010 IV C 6-S 2133/09/10001, DStR 2010, 601 (602). 15 Althoff, BB 2021, 1066 (1068); Endert, DStR 2021, 591 (593-594); Jüttner, BC 2021, 180 (182). 16 Vgl. Jüttner, BC 2021, 180 (180, 185); Witfeld, Aktuelle Steuerrechtsfragen in Krise und Insolvenz, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (NZI) 2021, 262 (262). 17 Nach Aussage des IDW sind ca. 81% aller Wirtschaftsprüfer in Deutschland Mitglied des IDW (https://www.idw.de/idw/ueber-uns/Kurzportrait [zuletzt abgerufen am 9.6.2021]). 18 MüKoHGB/Ebke HGB § 323 Rn. 27-32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 7 dem Schreiben vom 19.2.2021 spricht sich das IDW für eine Umsetzung in Form eines steuerlichen Wahlrechts aus.19 Das IDW hat schließlich am 6.4.2021 in einem Update zum fachlichen Hinweis „Zweifelsfragen zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung “20 auch zum BMF-Schreiben v. 26.2.2021 und dessen Auswirkungen auf die Handelsbilanz Stellung bezogen. Folgende Punkte sind hervorzuheben: (1) Die voraussichtliche handelsbilanzielle Nutzungsdauer muss sich an den betrieblichen Realitäten ausrichten. Mithin ist die Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von nur einem Jahr dafür regelmäßig nicht zulässig. (2) Es wird ein steuerliches Wahlrecht eingeräumt. Dieses kann nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG unabhängig von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ausgeübt werden. (3) Bei Auseinanderfallen der Steuer- und Handelsbilanz resultiert daraus das Erfordernis zum Ansatz passiver latenter Steuern, vgl. § 274 Absatz 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB).21 Damit schafft das IDW ein gewisses Maß an Anwendungssicherheit und ordnet die Auswirkungen auf die Handelsbilanz für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer ein. Es wird unterstrichen, dass die gewählte Ausgestaltung als steuerliches Wahlrecht ein Auseinanderfallen der Steuerund Handelsbilanz ermöglicht. Inhaltlich wird das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 mithin befürwortet . 4. Ausgestaltung als untergesetzliches BMF-Schreiben Bei den sog. BMF-Schreiben handelt es sich um allgemeine Weisungen im Sinne der Artikel 108 Absatz 3 Satz 2, 85 Absatz 3 Grundgesetz (GG), die der Vollzugsgleichheit im Bereich der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern dienen.22 Durch das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 wurde mithin eine Umsetzung über den Weg einer untergesetzlichen , allgemeinen Weisung gewählt. Eine untergesetzliche Ausgestaltung sah schon der 19 Stellungnahme des IDW an die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestags v. 19.2.2021, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz), https://www.idw.de/blob/128672/022a57e36f64693753d9ec667c380f6a/downcoronasteuerhilfeg 3-data.pdf [zuletzt abgerufen am 9.6.2021], S. 4. 20 Fachlicher Hinweis des IDW v. 6.4.2021, Zweifelsfragen zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 3, 5. Update, April 2021), https://www.idw.de/blob/124230/4d0cde868d61cb6ab0bead999861372e/down-corona-idw-fachlhinw-relepruefung -teil3-update5-data.pdf [zuletzt abgerufen am 9.6.2021]. 21 Fachlicher Hinweis des IDW v. 6.4.2021, S. 29 ff. 22 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Glossareintraege/B/018_BMF-Schreiben.html [zuletzt abgerufen am 9.6.2021]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 8 Beschluss zur Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin und Regierungschefs der Länder vom 19.1.2021 vor. Im Kontext der Corona Pandemie und der Arbeit im Home-Office sollte so eine schnelle Umsetzbarkeit gewährleistet sein.23 Untergesetzlich wäre allerdings auch eine Regelung in Form einer direkten Rechtsverordnung möglich gewesen. Dafür fehlt es im EStG aber wiederum an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Daher wurde in Anknüpfung an die existierenden BMF-Schreiben, wie die AfA-Tabellen, eine faktische Sofortabschreibung über den von der Finanzverwaltung zu konkretisierenden Begriff der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (vgl. § 7 Absatz 1 Satz 1 EStG) umgesetzt. Ein Gesetzgebungsverfahren war so nicht erforderlich und eine schnelle Umsetzung wurde gewährleistet.24 Diese Ausgestaltung ist vermehrt auf Kritik gestoßen, die auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verweist, wonach die als BMF-Schreiben umgesetzten AfA-Tabellen für die Gerichte nicht bindend sind.25 Bei diesen Tabellen handelt es sich um von der Finanzverwaltung, unter Beteiligung der Fachverbände der Wirtschaft, aufgestellte Leitlinien zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Diese beruhen auf Erfahrungen der steuerlichen Betriebsprüfung. Damit ist es das erklärte Ziel der AfA- Tabellen aus den tatsächlichen Verhältnissen einen Richtwert abzuleiten. Die angegebene Nutzungsdauer soll so der Besteuerungspraxis einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der steuerlichen AfA liefern.26 Zwar kommt den AfA-Tabellen vor Gericht zunächst die Vermutung der Richtigkeit zugute und sie sind „von den Steuergerichten unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu beachten. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Anwendung der AfA-Tabellen im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde.“27 Auf dieser Grundlage wird von der Literatur auf ein gewisses Risiko hingewiesen. Durch das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 typisiert die Finanzverwaltung die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der bezeichneten Computerhardware und Software zur Dateneingabe und –verarbeitung neu, das heißt ersetzt beziehungsweise ergänzt insoweit die AfA-Tabellen. Dies steht ihr grundsätzlich auch frei. Gerade aus den ursprünglich im Beschluss vom 19.1.2021 genannten Zielsetzungen wird aber deutlich, dass es sich im Ansatz um ein Instrument der Wirtschaftsförderung handeln soll(te). Dies spiegelt sich auch in der pauschal angeordnete Nutzungsdauer von einem Jahr wieder, welche gerade nicht28 als überwiegende Abbildung der Erfahrungen steuerlicher Be- 23 Beschluss v. 19.1.2021, S. 6. 24 Althoff, BB 2021, 1066 (1069). 25 BFH-Urteil v. 14.4.2011, IV R 46/09, DStR 2011, 1024; BFH-Urteil v. 26.7.1991, VI R 82/89, DStR 1991, 1651. 26 BMF-Schreiben v. 6.12.2001, IV D 2-S 1551-498/01, BeckVerw 067954. 27 BFH-Urteil v. 14.4.2011, DStR 2011, 1024 (1027). 28 Siehe Fußnote 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 059/21 Seite 9 triebsprüfung gewertet wird. Mithin ist unklar, ob die sich aus Kritikersicht eher an übergeordneten Zielsetzungen der Wirtschaftsförderung, als an der betrieblichen Realität orientierende verkürzte Nutzungsdauer, im Fall einer gerichtlichen Klärung unter dem Gesichtspunkt der „offensichtlich unzutreffenden Besteuerung“ standhält.29 Damit kann sich der Steuerpflichtige zwar gegenüber dem Finanzamt auf das BMF-Schreiben v. 26.2.2021 berufen, aber es besteht bei einer Klage die Gefahr, dass die verkürzte Nutzungsdauer unbeachtlich ist, sofern das Gericht feststellt, dass diese erkennbar nicht auf gewachsenem Erfahrungswissen beruht.30 Die Konsequenz davon ist, dass dem Steuerpflichtigen, zur Vermeidung von finanziellen Risiken, die Nutzung des steuerlichen Wahlrechts nicht umfassend empfohlen werden kann.31 Die Literatur hält eine gesetzliche Verankerung zur Vermeidung von (Rechts-)Unsicherheiten für den Steuerpflichtigen insgesamt für zweckmäßig.32 5. Fazit Das Auseinanderfallen der Steuer- und Handelsbilanz ist durch die allgemeine Einordnung der Regelung als steuerliches Wahlrecht nicht zu beanstanden, wohingegen die Kritik an der Umsetzung in Form eines BMF-Schreibens weitreichend und mithin beachtlich ist. In Anbetracht dessen , dass sich diese Kritik nicht auf die Verkürzung der Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter per se, sondern auf ungenügende Rechtssicherheit für den Anwender bezieht, erscheint eine gesetzliche Verankerung erstrebenswert. *** 29 Althoff, BB 2021, 1066 (1068); Endert, DStR 2021, 591 (594); Hechtner, beck.digitax 2021, 78 (79, 81); Schiffers, DStZ 2021, 280 (283). 30 Vgl. Schmidt/Kulosa EStG § 7 Rn. 166. 31 Vgl. Endert, DStR 2021, 591 (594). 32 Althoff, BB 2021, 1066 (1066); Schiffers, DStZ 2021, 280 (283); Witfeld, NZI 2021, 262 (262).