© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 058/18 Rechtliche Möglichkeiten der Kürzung bzw. Umschichtung von EU-Mitteln als Sanktionsmaßnahme im geltenden Mehrjährigen Finanzrahmen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 058/18 Seite 2 Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 058/18 Abschluss der Arbeit: 6. April 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 058/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtsgrundlagen der EU-Strukturförderung 4 Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 4 Programme der Mitgliedstaaten 5 3. Rechtswirkungen des MFR und der genehmigten Programme 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 058/18 Seite 4 1. Fragestellung Folgenden Ausführungen liegt die Fragestellung nach den rechtlichen Möglichkeiten zugrunde, EU-Fördermittel im Rahmen des geltenden Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2014 – 2020 als Sanktionsmaßnahme zulasten einzelner Mitgliedstaaten zu kürzen bzw. umzuschichten. Die Prüfung wird beispielhaft für die Kürzung der EU-Strukturförderung1 bzw. Umschichtung dieser Mittel zugunsten der Ausgaben der Asyl- und Migrationspolitik vorgenommen. Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für die Förderprogramme der anderen Politikbereiche. Die Frage zur Möglichkeit der Einführung eines rechtlichen Sanktionsmechanismus auf der EU- Ebene wird gesondert vom Fachbereich PE 6 bearbeitet. 2. Rechtsgrundlagen der EU-Strukturförderung Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) Nach Artikel 312 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erlässt der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren eine Verordnung zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens. Der Rat beschließt einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, die mit der Mehrheit seiner Mitglieder erteilt wird. Der MFR bestimmt die Ausgaben der EU, indem er die Ausgabenobergrenzen für die einzelnen Politikbereiche (Rubriken ) festlegt. Er bildet den vorrangigen Bezugsrahmen für die interinstitutionelle Haushaltsdisziplin 2 und ist bei der Aufstellung des jährlichen Haushaltsplans der Union einzuhalten (Art. 312 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV). Außerdem enthält er die Vorschriften und Verfahren für die Umsetzung des Finanzrahmens im Rahmen des jährlichen Haushaltsverfahrens (Art. 312 Abs. 3 UAbs. 1 AEUV). Rechtsgrundlagen für die jährliche Haushaltsplanung bilden aktuell die Verordnung3 (EU, EU- RATOM) Nr. 1311/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für 2014 – 2020 (MFR-Verordnung) sowie die Interinstitutionelle Vereinbarung4 vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung (Interinstitutionelle Vereinbarung). 1 Es handelt sich um Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem Europäischem Sozialfonds (ESF) und dem Kohäsionsfonds. 2 Vgl. Waldhoff in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4 Auflage 2011, Art. 312 Rn. 2. 3 ABl. L 347 S. 884. 4 ABl. C 373 S. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 058/18 Seite 5 Gemäß Anlage 1 der MFR-Verordnung sind die EU-Strukturmittel innerhalb des Politikbereichs „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ dem Teilbereich „wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt“ (Rubrik 1b) zugeordnet.5 Programme der Mitgliedstaaten Die EU-Strukturmittel werden gemäß Art. 26 der Verordnung6 (EU) Nr.1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 (sog. ESI-Verordnung) unter Einhaltung der von MFR vorgegebenen Obergrenze durch Programme der Mitgliedstaaten genutzt. Jeder Mitgliedstaat erstellt für den Zeitraum von 1.1.2014 bis zum 31.12.2020 Programme, die der Unionsstrategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum Rechnung tragen. Die von den Mitgliedstaaten erstellten Programme werden durch die Kommission geprüft und genehmigt. Die Genehmigung der Programme erfolgt durch einen Beschluss der Kommission. Nach den Artikeln 76ff., 91 der ESI-Verordnung stellt der Beschluss der Kommission zur Genehmigung der Programme der Mitgliedstaaten einen Finanzierungsbeschluss im Sinne von Artikel 84 der Haushaltsordnung dar und, sobald der betroffene Mitgliedstaat informiert ist, eine rechtliche Verpflichtung im Sinne der Haushaltsordnung. Mit dem Genehmigungsbeschluss der Kommission ist zugleich stets eine Finanzausstattung (Mittelbindung) für die gesamte Programmlaufzeit 2014- 2020 rechtsverbindlich festgelegt. 7 3. Rechtswirkungen des MFR und der genehmigten Programme Gem. Teil II Buchstabe B Nr. 17 der Interinstitutionellen Vereinbarung bildet die durch den Genehmigungsbeschluss der Kommission jeweils festgelegte Finanzausstattung der Programme der Mitgliedstaaten für das Europäische Parlament und den Rat im Rahmen des jährlichen Haushaltsverfahrens den rechtsverbindlichen Bezugsrahmen. Programmänderungen in Form von Kürzungen bzw. Umschichtungen von EU-Strukturmitteln zulasten einzelner Mitgliedstaaten sind daher unzulässig.8 Nach den Artikeln 17ff. der MFR-Verordnung kann der MFR u. a. bei unvorhergesehenen Umständen oder bei einer Überprüfung der Strukturfonds einer Revision unterzogen werden. Etwaige Änderungen der MFR-Verordnung im Ergebnis dieser Revision kommen allerdings nur im 5 Ausgaben im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik werden insbesondere aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds geleistet, der im Politikbereich „Europa und die Welt“ in der Rubrik 4 des MFR angesiedelt ist. 6 ABl. L 347 S. 327. 7 Gem. Art. 81 der ESI-Verordnung leistet die Kommission nach dem Beschluss zur Programmgenehmigung für den gesamten Programmplanungszeitraum eine erste Vorauszahlung. 8 Nach Art. 30 der ESI-Verordnung sind Programmänderungen ausschließlich auf Antragsersuchen der einzelnen Mitgliedstaaten möglich. Umschichtungen von Strukturmitteln zugunsten der Asyl- und Migrationspolitik sind darüber hinaus lediglich im Rahmen sog. operationeller Programme, die thematische Ziele der EU-Politikbereiche (darunter drei Ziele der Asyl- und Migrationspolitik) abbilden, zulässig. Die Antragsberechtigung liegt auch hier nur bei den Mitgliedstaaten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 058/18 Seite 6 Rahmen des besonderen Gesetzgebungsverfahrens nach Artikel 312 Absatz 2 AEUV durch entsprechenden Vorschlag der Kommission, den einstimmigen Beschluss des Rates und den Mehrheitsbeschluss des Europäischen Parlaments zustande. ****