Deutscher Bundestag Verfassungsrechtliche Grenzen einer Vermögensabgabe Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 057/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 2 Verfassungsrechtliche Grenzen einer Vermögensabgabe Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 057/12 Abschluss der Arbeit: 14. März 2012 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Historie 4 3. Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe 5 4. Mitwirkungsrechte des Bundesrates 6 5. Anforderungen an eine Vermögensabgabe 7 5.1. Einmaligkeit 7 5.2. Staatliche Ausnahmelage 8 5.3. Zweckbindung 8 6. Europäischer Vergleich 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 4 1. Einleitung Die folgende Ausarbeitung befasst sich mit den verfassungsrechtlichen Fragen im Hinblick auf eine erneute Einführung einer Vermögensabgabe. Nach einem kurzen Einblick in die Historie wird der Begriff der Vermögensabgabe rechtlich eingeordnet. Insbesondere werden die Mitwirkungsrechte des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren dargestellt. Anschließend werden die einzelnen Anforderungen an eine Vermögensabgabe näher untersucht. 2. Historie1 Der Wehrbeitrag, das Reichsnotopfer und der Lastenausgleich sind drei historische Beispiele für die Erhebung einer Vermögensabgabe. In diesen Fällen wurde jeweils ein Abgabensatz zu dem an einem bestimmten Stichtag bewerteten Vermögen festgelegt und dann einmalig erhoben. Der Wehrbeitrag von 1913 wurde als Gelegenheitssteuer erhoben, mit dem Ziel „neue Marineund Heeresvorlagen durch einmalige auf die großen Vermögen und Einkommen gelegten Kontributionen zu decken[…].“2 Das Gesetz über das Reichnotopfer, bei dem man ebenfalls einen einmalig zu entrichtenden Betrag festlegte, wurde am 31. Dezember 1919 verabschiedet und trat am 30. April 1920 in Kraft. Das Lastenausgleichsgesetz3 (LAG) vom 14. August 1952 – in Kraft seit dem 1. September 1952 – stellt die bisher einzige Vermögensabgabe im Geltungszeitraum des Grundgesetzes dar. Sinn und Zweck der Abgabe war eine Milderung der Folgen des Zweiten Weltkrieges. Die Abgabenschuld betrug 50 % des abgabepflichtigen Vermögens und war in einem Zeitraum von 30 Jahren zu tilgen und zu verzinsen. Diskutiert wurde die Einführung einer Vermögensabgabe auch im Rahmen des Entschädigungsund Ausgleichsgesetzes4 (EALG) zur Milderung der Folgen der Wiedervereinigung sowie erneut Ende der 90er Jahre von Teilen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen, von der PDS und von den Gewerkschaften. Eine entsprechende Gesetzesinitiative kam in beiden Fällen jedoch nicht zustande . Aktuell wird von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, eine sog. „Grüne Vermögensabgabe“ einzuführen, mit der die wahrscheinlichen Ausgaben des Bundes zur Bewältigung der Finanzund Bankenkrise finanziert werden sollen. Gestützt wird dieser Vorschlag auf ein entsprechendes 1 vgl. ausführlich Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe“, WD 4 – 3000 - 176/08. 2 F.K. Mann, Art. Wehrbeitrag, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. VIII. 1928, S. 951, 952. 3 Vertiefend hierzu: Kommentierung von Teilen des LAG von Horowski, Vermögensabgabe bis 1979, Zweite nach dem Stand vom März 1965 neubearbeitete Auflage. 4 Gesetz vom 27.09.1994, BGBL. I 1994, S. 2624. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 5 „Eckpunktepapier“5, eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung6 und schließlich auf ein aktuelles „Autorenpapier“ führender Köpfe der Partei.7 3. Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe Öffentliche Abgaben sind Geldleistungen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hat. Abgabe ist damit der Oberbegriff, unter den verschiedene Kategorien fallen. Hierbei werden Steuern von den sonstigen (nichtsteuerlichen) Abgaben wie Beiträgen, Gebühren und Sonderabgaben unterschieden.8 Art. 106 Abs. 1 GG legt fest, welches Steueraufkommen dem Bund allein zusteht. Steuern sind nach gängiger Definition des § 3 Abgabenordnung „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Ob es sich um laufende oder einmalige Geldleistungen handelt , macht danach keinen Unterschied. Da die Vermögensabgabe auch in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG ausdrücklich als Steuer aufgezählt ist, fällt sie jedenfalls in Deutschland unter den Steuerbegriff .9 Jedoch ist sie streng von der Vermögensteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG) zu trennen. Entscheidende Abgrenzungskriterien sind die einmalige Erhebung und der besondere Finanzierungszweck der Vermögensabgabe. Ebenfalls abzugrenzen ist die Vermögensabgabe von der Sonderabgabe. Einmalige Vermögensabgaben müssen nicht die für Sonderabgaben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen . Sie werden nicht von einer „homogenen“ Gruppe wegen einer besonderen Finanzierungsverantwortung erhoben, ihre Erträge müssen nicht für die entsprechende Aufgabe „gruppennützig “ verwendet werden. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden mit dem Ausnahmecharakter der Sonderabgaben begründet, die außerhalb der Finanzverfassung erhoben werden, zu den steuerlichen Regellasten treten und ein haushaltsflüchtiges Aufkommen begründen. 10 Sie 5 Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Eckpunkte einer Grünen Vermögensabgabe, Arbeitskreis 1 Wirtschaft und Soziales, März 2010, S. 1 (online abrufbar unter: www.gruene-bundestag.de/cms/steuern/dokbin /333/333054.eckpunkte_einer_gruenen_vermoegensabgabe.pdf; zuletzt abgerufen am 14.03.2012). 6 Bach/Beznoska/Steiner, Aufkommens- und Verteilungswirkung einer Grünen Vermögensabgabe. Forschungsprojekt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, DIW Berlin. Politikberatung kompakt 59,2010 (online abrufbar unter: www.gruene-bundestag.de/cms/finanzen/dokbin/367/367284.gutachtenaufkommens _und_verteilungswirk.pdf; zuletzt abgerufen am 14.03.2012). 7 L. Paus/J. Trittin/R. Künast/F. Kuhn/K. Andreae/Th. Gambke/Chr. Scheel/G. Schick, Die Grüne Vermögensabgabe . Autorenpapier, Januar 2011, S. 1 (online abrufbar unter: www.gruene-bundestag.de/cms/finanzen /dok/367/367285.die_gruene_vermoegensabgabe.html; zuletzt abgerufen am 14.03.2012). 8 vgl. hierzu allgemein: Birk, Steuerrecht, 14. Aufl. 2011, Rn. 110 ff.. 9 vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand „Probleme einer Vermögensabgabepflicht für Steuerausländer“ WD 4 - 3000 – 003/11. 10 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft 2011, S. 189, 193. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 6 greifen daher nicht, wenn das Grundgesetz eine Abgabe ausdrücklich vorsieht. Auch die Tatsache , dass Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG die einmalige Vermögensabgabe als Steuer bezeichnet, verdeutlicht den Unterschied zwischen einmaliger Vermögensabgabe und Sonderabgabe. Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG unterscheidet zwischen „einmaligen Vermögensabgaben“ und „zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“. Während die Ausgleichsabgaben die Kriegslasten kompensieren sollen, sind die einmaligen Vermögensabgaben hingegen wohl nicht auf diesen Finanzierungszweck beschränkt. Die Entstehungsgeschichte und auch ein obiter dictum des Bundesverfassungsgerichts11 deuten darauf hin, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz für einmalige Vermögensabgaben besitze, zu denen nicht nur die Lastenausgleichsabgaben von 1952 gehören. Vereinzelt wird aber auch vertreten, dass Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG mit „der Ausgabenverantwortung des Bundes [für die Kriegsfolgelasten] gemäß Art. 120 GG“ korrespondiert und „zukünftig einzuführende autonome einmalige Vermögensabgaben grundsätzlich ausschließt.“12 4. Mitwirkungsrechte des Bundesrates Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates während des Gesetzgebungsverfahrens bestimmen sich danach, ob es sich bei dem Gesetz um ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz handelt. Zustimmungsgesetze sind solche, die nach einer ausdrücklichen Vorschrift im Grundgesetz der Zustimmung durch den Bundesrat bedürfen. Einspruchsgesetze sind solche, gegen die der Bundesrat Einspruch erheben und dadurch eine erneute Beschlussfassung im Bundestag herbeiführen kann.13 Gemäß Art. 105 Abs. 3 GG bedürfen solche Bundesgesetze über Steuern der Zustimmung des Bundesrates, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt. Nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG steht das Aufkommen einer einmaligen Vermögensabgabe jedoch allein dem Bund zu. Eine Zustimmungspflicht des Bundesrates aus Art. 105 Abs. 3 GG scheidet demnach aus. Auch an anderer Stelle lassen sich keine Hinweise auf eine Zustimmungspflicht des Bundesrates entnehmen. Bei einem Gesetz zur Einführung einer Vermögensabgabe handelt es sich demnach um ein Einspruchsgesetz. Von besonderer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die Unterscheidung zwischen Vermögensabgabe und Vermögensteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG), da ein Gesetz zur Einführung einer Vermögensteuer nach Art. 105 Abs. 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG ein Zustimmungsgesetz darstellt. Es ist also stets genau zu untersuchen, ob es sich bei einem entsprechenden Gesetzesvorhaben um die Einführung einer Vermögensabgabe oder -steuer handelt. Denn die Mitwirkungsrechte des Bundesrates dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass ein Vermögensteuergesetz als Vermögensabgabe deklariert wird. 11 BVerfG vom 22.06.1995, Az.: 2 BvL 37/91, Neue Juristische Wochenschrift 1995, S. 2615, 2617. 12 Hidien in Beck‘scher Online-Kommentar (2002), Art. 106 Rz. 648, 1427. 13 Maunz/Düring: Grundgesetz-Kommentar, Art. 77 Rn. 6, 8. Auflage 1999, 63. Ergänzungslieferung 2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 7 5. Anforderungen an eine Vermögensabgabe Die Vermögensabgabe ist im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich normiert. Sie ist also grundsätzlich im Grundgesetz vorgesehen und demnach verfassungsrechtlich zulässig. Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG steht der Erhebung eine Vermögensabgabe nicht entgegen. Hiernach hat der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Steuerrecht wird dieser Grundsatz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip ergänzt: Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit müssen gleich, Steuerpflichtige mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit entsprechend unterschiedlich besteuert werden (horizontale und vertikale Steuergleichheit).14 Zwar werden bei einer Vermögensabgabe in der Regel nicht alle Vermögen besteuert, sondern nur solche, die eine bestimmte Vermögensgrenze überschreiten. Die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gibt aber auch nicht vor, jedes Vermögen zu besteuern. Der Gesetzgeber verlässt also seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er eine Abgabe erst ab einem hohen Maß an Leistungsfähigkeit erhebt.15 Jedoch muss eine Bemessung der Vermögensteuer derart vorgenommen werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm , unberührt lässt.16 Denn – wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat - garantiert Art. 14 GG, dass dem Steuerpflichtigen auch nach dem Zugriff die Verfügungsbefugnis über geschaffene vermögenswerte Rechtspositionen bzw. die Privatnützigkeit des Erworbenen im Kern erhalten bleibt.17 Weiterhin sind an die Zulässigkeit einer Vermögensabgabe strenge Anforderungen zu stellen. Hierbei sind drei Voraussetzungen zu nennen: 5.1. Einmaligkeit Zunächst darf die Vermögensabgabe ihrem Wortlaut nach nur einmalig und – im Unterschied zur Vermögensteuer – nicht laufend erhoben werden. Allerdings ist es zulässig, diese einmalige Abgabe über mehrere Jahre zu verteilen, wie es etwa bei den Lastenausgleichsabgaben nach dem LAG von 1952 praktiziert wurde (siehe oben unter 2.). Unzulässig wäre hingegen der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe kontinuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen, da dies dem verfassungsrechtlichen Postulat der Einmaligkeit zuwiderlaufen würde und zudem als falsch etikettierte Vermögensteuer die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG umgehen würde.18 14 vgl. ausführlich: Birk, Steuerrecht, 14. Aufl. 2011, Rn. 33 ff. 15 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft 2011, S. 189, 197. 16 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft 2011, S. 189, 199. 17 vgl. BVerfGE 115, 97 (115 ff.) 18 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe“, WD 4 – 3000 - 176/08. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 8 5.2. Staatliche Ausnahmelage Für die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe bedarf es einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage des Staates, in der weder eine Steigerung der Einnahmen aus den übrigen Steuern noch eine Ausweitung der Kreditaufnahme oder eine entsprechende Ausgabenkürzung möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass allein die Tatsache, dass die Grenzen der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme erreicht sind, nicht ausreicht. So stellte Schemmel in seinem Gutachten „Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe“ fest: „Was in Kriegszeiten ausnahmsweise zulässig sein mag, muss in Friedenszeiten ausgeschlossen sein. Einem Staat, der seine Einnahmemöglichkeiten in Friedenszeiten erschöpft hat, ist die einmalige Vermögensabgabe als letzte finanzielle Rettung verwehrt, weil er in dieser Normallage weniger wichtige Ausgaben und Aufgaben abbauen kann, um sich finanziell „Luft zu verschaffen“.19 Zwar ist mittlerweile anerkannt, dass die Erhebung einer Vermögensabgabe nicht auf Kriegszeiten beschränkt ist, jedoch ist ein Ereignis gefordert, das in seinen außerordentlichen Finanzwirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten wird.20 Die zu deckenden Ausgaben des Bundes resultieren also aus historisch einzigartigen Geschehnissen, aus zwingenden Umständen (Menzel), aus einem Notstand (Wolff).21 Nur erhebliche , aber nicht außergewöhnliche Lasten vermögen den einmaligen Zugriff auf das Vermögen indes nicht zu rechtfertigen. Es kann bezweifelt werden, ob die Euro-Krise solch ein außergewöhnliches Geschehnis darstellt, welches mit seinen erheblichen Finanzauswirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten wird. In der Historie waren die Vermögensabgaben jeweils ein Versuch zur Deckung von Kriegskosten. Mit diesen historischen Ereignissen ist die Euro-Krise wohl nicht vergleichbar. Zwar darf die öffentliche Hand zu außergewöhnlichen Finanzierungsmitteln greifen und Grundrechtseingriffe intensivieren, bevor der Staat einen Notstand (Wolff) nicht abwehrt, wenn zwingende Umstände vorliegen (Menzel).22 „Eine solche Not bewirkt die Euro-Krise aber nicht. Deutschland ist durch die Krise weniger stark beeinträchtigt als Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal. Die öffentliche Misswirtschaft in diesen und anderen EU-Staaten wird Deutschland belasten, aber auch zukunftsweisende finanzwirtschaftliche Maßnahmen ermöglichen.“23 5.3. Zweckbindung Als dritte Voraussetzung für die Einführung einer Vermögensabgabe ist die Zweckbindung zu nennen. Während das Aufkommen aus Steuern grundsätzlich in den allgemeinen Staatshaushalt 19 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensteuer, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 10. 20 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, StuW 2011, S. 189, 193. 21 13. Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen, 6.10.1948, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Band 12, Ausschuss für Finanzfragen (FN 32), S. 423. 22 13. Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen, 6.10.1948, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Band 12, Ausschuss für Finanzfragen (FN 32), S. 423. 23 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft 2011, S. 189, 193. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 9 fließt, dienen die einmaligen Vermögensabgaben der Finanzierung spezieller Lasten des Bundes. Aus der Tatsache, dass einmalige Vermögensabgaben nur zur Finanzierung besonderer Ausgaben des Bundes erhoben werden dürfen, folgt auch, dass sie nicht weiter erhoben werden dürfen, sobald dieses Ziel einmal erreicht ist.24 Alle bisher erhobenen einmaligen Vermögensabgaben waren mit einer speziellen Zweckbindung versehen (Wehrbeitrag von 1913, das Reichsnotopfer von 1919 und der Lastenausgleich von 1952). Hierbei handelte es sich ausschließlich um Abgaben zur Finanzierung von Kriegslasten oder Kriegsfolgelasten. Eine Vermögensabgabe zur allgemeinen Rückführung der Staatsverschuldung wäre also mangels spezieller Zweckbindung verfassungsrechtlich unzulässig. Wie eng der Zweck der Vermögensabgabe gefasst werden müsste, ist indes unklar. Ob also im Fall einer Vermögensabgabe zur Bewältigung der Euro-Krise die Einnahmen unmittelbar in Rettungspakete u.ä. fließen müssten oder ob sie auch für (konjunturfördernde) Investitionen genutzt werden könnten, ist fraglich. Zweifelhaft erscheint hierbei bereits das Vorliegen einer historischen Ausnahmesituation (vgl. 5.2). Nimmt man jedoch an, dass die Euro-Krise als historische Ausnahmesituation die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe rechtfertigt, ist weiterhin fraglich, ob die Verwendung des Steueraufkommens für (konjunkturfördernde) Investitionen oder auch für Rettungspakete zulässig ist. Laut Schemmel und im Vergleich mit den anderen bisher ergangenen einmaligen Vermögensabgaben muss dem Verwendungszweck einer Vermögensabgabe nämlich die existentielle Dringlichkeit , vergleichbar mit der Kriegsfinanzierung, anhaften. Wenn aber noch nicht feststeht, wie hoch die Kosten der Euro-Krise sein werden, da Bürgschaften, Garantien und Darlehen des Staates unter Umständen gar nicht zu Verlusten führen, lässt sich auch nur schwer feststellen, ob eine vergleichbare existentielle Dringlichkeit besteht. Wenn hingegen eine staatliche Ausnahmelage schon nicht vorliegt, wird es sowieso an der Zweckgebundenheit fehlen, da außerhalb von staatlichen Notsituationen dem Verwendungszweck die erforderliche existentielle Dringlichkeit fehlen wird. Des Weiteren ist bei der Verwendung der Vermögensabgabe für (konjunkturfördernde) Investitionen in der Regel wohl auch nicht genau vorhersehbar, ob durch die Abgabenerhebung der verfolgte Zweck erreicht und in welchem Ausmaß die Folgen der Euro-Krise gemildert werden. Dies hängt von unterschiedlichen, zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannten Faktoren ab. Solche Investitionen , die höchstens mittelbar die Folgen der Euro-Krise mildern können, erfüllen nicht das Erfordernis der Zweckbindung einer Vermögensabgabe. Schließlich könnte bei der Verwendung des Abgabenaufkommens für (konjunkturfördernde) Investitionen unklar sein, ob das Aufkommen überhaupt noch für spezielle Sonderzwecke verwendet werden oder schon in den allgemeinen Staatshaushalt fließen würde. In letzterem Fall handelte es sich jedoch nur noch in deklaratorischer Hinsicht um eine Vermögensabgabe, tatsächlich aber um eine Vermögensteuer, bei dessen Einführung die Mitwirkungsrechte des Bundesrates umgangen worden wären. 24 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, StuW 2011, S. 189, 193. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 057/12 Seite 10 Demnach ist die Verwendung des Aufkommens einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der Euro-Krise für (konjunkturfördernde) Investitionen in verfassungsrechtlicher Hinsicht wohl unzulässig . 6. Europäischer Vergleich Die Erhebung einer Vermögensabgabe in anderen europäischen Staaten ist nicht bekannt. Lediglich in Griechenland, Irland, der Schweiz und Spanien wird noch eine Vermögensteuer erhoben. In Dänemark (1996), Finnland (2006), Italien (1996), Luxemburg (2006) und Österreich (1994) wurde eine entsprechende Steuer wieder abgeschafft.25 25 Mennel/Förster: Steuern in Europa, Amerika und Asien, Kommentar, nwb-Verlag.