Deutscher Bundestag Wie kann der Internationale Währungsfonds zur Lösung der griechischen Finanzprobleme beitragen? Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 054/10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 054/10 Seite 2 Wie kann der Internationale Währungsfonds zur Lösung der griechischen Finanzprobleme beitragen? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 054/10 Abschluss der Arbeit: 03.03.2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 054/10 Seite 3 1. Griechenlands Verschuldungssituation Die öffentliche Verschuldung Griechenlands ist seit vielen Jahren überdurchschnittlich hoch. So lag die Staatsschuldenquote im Zeitraum 2000-2008 bei rund 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Der Durchschnitt betrug im Euroraum im selben Zeitabschnitt knapp 70 Prozent des BIP. Nach der Prognose der EU-Kommission vom Herbst 2009 wird die Verschuldung in den nächsten beiden Jahren noch deutlich steigen und im Jahr 2011 135,4 Prozent des BIP erreichen. Ein Großteil der Schulden wurde dabei im Ausland aufgenommen. Vor diesem Hintergrund häufen sich seit mehreren Monaten die Anzeichen, dass die Anleger an den internationalen Finanzmärkten zunehmend das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit Griechenlands verlieren. Indikatoren für das schwindene Vertrauen der Anleger sind insbesondere steigende Risikoprämien für Kreditabsicherungen und Risikoaufschläge für griechische Staatanleihen. Diese Risikoaufschläge , die Investoren als Ausgleich für die gestiegene Ausfallgefahr der Papiere fordern, sind insbesondere im Herbst 2008 vor dem Hintergrund der Lehman-Pleite deutlich gestiegen1. Im März 2009 lagen die Zinsen für griechische zehnjährige Staatanleihen rd. 2,8 Prozentpunkte über denen der als sicher geltenden deutschen zehnjährigen Staatanleihen. Danach gingen die Risikoaufschläge wieder etwas zurück. Ende des Jahres 2009, als das Emirat Dubai in Turbulenzen geriet und die drei größten Ratingagenturen (Fitch, Moodys und Standard &Poor´s) Griechenlands Kreditwürdigkeit erneut herabstuften, gingen die Risikoaufschläge jedoch wieder nach oben . Damit muss das Land derzeit deutlich höhere Zinsen zahlen als z. B. die Bundesrepublik. Die Zinssätze sind zwar im historischen Vergleich immer noch relativ gering, doch trotzdem wird die Entwicklung als sehr ernst eingeschätzt, da eine sich selbstverstärkende Abwärtsspiral droht: Je höher der Zins für Staatspapiere ist, desto teurer wird es für ein Land, seine Schulden zu bedienen 2. Das wiederum senkt die Bonität des Landes, wodurch weitere Risikoaufschläge bei staatlichen Zinspapieren drohen. Wird dieser Teufelkreis nicht durchbrochen, dann ist die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht mehr auszuschließen, da das Land irgendwann keine Abnehmer mehr für neue Anleihen finden könnte. 2. Hilfen durch den Internationalen Währungsfonds Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde 1945 ins Leben gerufen, um u. a. die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik zu fördern, die Ausweitung und ein 1 Vgl. Große Geldnöte, Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (iwd) Nr. 51/52, 17.12.2009, S.2. 2 Jeder Prozentpunkt mehr bedeutet für Griechenland jährlich Mehrkosten von zweieinhalb Milliarden Euro. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 054/10 Seite 4 ausgewogenes Wachstum des Welthandels zu erleichtern und den Mitgliedsländern in Zahlungsbilanzschwierigkeiten zeitweilig zu helfen. Die Überwachung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten (Surveillance) gehört zu den Kernaufgaben des IWF. Während der jährlichen bilateralen sogenannten Artikel-IV- Konsultationen analysiert der IWF wirtschaftliche und finanzielle Daten und erörtert mit Regierungs - und Zentralbankbeamten die wirtschaftlichen Entwicklungen. Außerdem zeigt er die Stärken und Schwächen der Politikmaßnahmen sowie mögliche Anfälligkeiten auf und berät die Staaten gegebenenfalls in Bezug auf geeignete Korrekturmaßnahmen. Als weitere Kernaufgabe stellt der IWF zeitweilig denjenigen Mitgliedsländern Fondsmittel zur Verfügung, die Zahlungsbilanzschwierigkeiten haben. Die können z. B. darin bestehen, dass das Mitgliedsland seine Auslandsschulden nicht bedienen kann. Als Gegenleistung erklärt sich das betreffende Land dazu bereit, politische Reformen durchzuführen, um die Probleme, die den Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu Grunde liegen, zu beheben. Sobald eine Vereinbarung zwischen IWF und dem Mitgliedsland vom Exekutivdirektorium des IWF gebilligt wird, wird der Kredit meist in Raten ausbezahlt, die mit der Umsetzung des Reformprogramms einhergehen. Schließlich bietet der IWF auch technische Hilfe. Sie besteht aus Fachkenntnissen und Unterstützung , die der IWF seinen Mitgliedsländern in mehreren Bereichen zur Verfügung stellt, wie z. B. Gestaltung und Umsetzung der Geld- und Fiskalpolitik; Institutionsaufbau etc. 3. Hilfen durch den Internationalen Währungsfonds für Griechenland Die Prüfung und Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitik eines Mitgliedslandes erfolgt wie erwähnt regelmäßig durch bilaterale Artikel-IV-Konsultationen. Die jüngsten Konsultationen zwischen Griechenland und dem IWF, in denen auch geeignete Handlungsoptionen aufgezeigt wurden, wurden im August 2009 abgeschlossen3. Es ist davon auszugehen , dass Mitte 2010 dieser Prozess fortgesetzt wird. Technische Hilfe hat der IWF Griechenland bereits Anfang Januar 2010 gewährt. Damals fuhr ein Expertenteam nach Griechenland, um die Regierung in den Bereichen Steuerverwaltung, Steuerpolitik , Rentenreform und bei der Aufstellung eines Sparprogramms zu unterstützen4. Der IWF steht nach Angaben seiner Sprecher für weitere Hilfe bereit5. Schließlich ist auch ein Beistandskredit des IWF für Griechenland denkbar, wenn das Land auf dem internationalen Kreditmarkt kein Geld mehr bekommt. Dieser Kredit muss von Griechenland beantragt und durch den IWF geprüft werden. Der IWF steht Verhandlungen mit Staaten, die hohe Auslandsverbindlichkeiten haben und denen ein Staatsbankrott droht, erfahrungsgemäß positiv gegenüber. Der IWF hat in der aktuellen Finanzkrise schon einigen Staaten, darunter Is- 3 Vgl. Greece: 2009 Article IV Consultation—Staff Report, August 2009 IMF Country Report No. 09/244. Im Internet : http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2009/cr09244.pdf 4 Vgl. IWF hilft Griechenland, Süddeutsche Zeitung, 14.01.2010. 5 Press Briefing by David Hawley, Senior Advisor, External Relations Department 18.02.2010, im Internet: http://www.imf.org/external/np/tr/2010/tr021810.htm Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 054/10 Seite 5 land, der Ukraine und den EU-Staaten Ungarn, Rumänien und Lettland, finanzielle Hilfe gewährt . Die IWF-Kredite waren dabei Teil eines multilateralen Rettungsprogramms. An den Hilfspaketen für Ungarn, Rumänien und Lettland hat sich auch die EU beteiligt. Ein IWF-Kredit für Griechenland hätte nach Einschätzung von Experten insbesondere den Vorteil , dass der IWF seine Hilfen unter sehr strengen Bedingungen vergeben kann. Entsprechende Auflagen durch die EU würden dagegen nur den „Zorn auf Europa schüren“6 Strenge Reformbedingungen hätten nicht nur den Vorteil, dass sie die Verschuldung Griechenlands bremsen, sondern auch die angeschlagene Glaubwürdigkeit Griechenlands auf dem internationalen Kreditmarkt wiederherstellen könnten. Dementsprechend würden sich auch die Finanzierungsbedingungen Griechenlands verbessern. Ein IWF-Kredit für Griechenland ist jedoch politisch umstritten. Insbesondere wird kritisch gesehen , dass ein IWF-Kredit das politische Signal enthalten könnte, dass die EU nicht stark genug sei, um mit den eigenen Problemen allein fertig zu werden7. Insbesondere möchte man nicht, dass die USA, die im IWF ein Veto-Recht hat, bei den Belangen der Europäischen Währungsunion mitmische8. Darüber hinaus wird der Einwand erhoben, dass ein IWF-Kredit für Griechenland eventuell gegen die rechtlichen Regeln der Währungsunion verstoße. Zum Beispiel gibt es die Bedenken, dass die Auflagen des IWF die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gefährden könnten9. Die spezifischen Auflagen des IWF, die mit dem jeweiligen Land ausgehandelt werden, dürften bei einem Mitglied der Währungsunion allerdings keine geldpolitischen Elemente enthalten10. Und im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftspolitik besitzt jedes Euroland nach den Bestimmungen des AEUV , weiterhin nationale Souveränität. 6 Vgl. z. B. "IWF-Hilfe ist die einzige Alternative", Interview mit Otmar Issing am 10.02.2010, im Internet: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/interviewissing100.html 7 Vgl. z. B. Keine Hilfe vom IWF, Der Spiegel, 28.12.2009. 8 Vgl. Währungsfonds soll Griechen-Rettung übernehmen, SPIEGELONLINE, 01.03.2010, im Internet: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,680888,00.html 9 Vgl. Griechenland. Ein Fall für den IWF, Institut der deutschen Wirtschaft, iwd vom 18.02.2010, S. 7. 10 Ebenda.