© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 053/19 Verfassungsrechtliche Aspekte einer Finanztransaktionsteuer Zum deutsch-französischen Vorschlag einer Steuer der freiwilligen Zusammenarbeit Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Fragestellung Die Auftraggeber fragen, ob die von Frankreich und Deutschland im Wege der verstärkten Zusammenarbeit geplante Finanztransaktionsteuer (FTT) mit der Begründung vereinbar ist, dass sie für einen fairen Beitrag der Finanzindustrie am Gemeinwohl sorgen soll. Zudem soll erläutert werden inwieweit der Belastungsgrund der FTT ausreichend erfasst ist und ob sie in dieser Ausgestaltung unter die weit zu interpretierenden Typusbegriffe des Grundgesetzes gefasst werden kann. Es soll geklärt werden, ob insoweit von einem zulässigen Steuerfindungsrecht ausgegangen werden kann. Schließlich soll der Unterschied zwischen der geplanten FTT und der bis 1991 in Deutschland existierenden Börsenumsatzsteuer dargestellt werden. 2. Verfassungsrechtliche Aspekte einer geplanten Finanztransaktionssteuer Deutschland und Frankreich haben eine gemeinsame europäische Initiative zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer (FTT) in 10 EU-Mitgliedsstaaten im Wege der verstärkten Zusammenarbeit ergriffen. Die Finanztransaktionsteuer soll sich an der seit 2012 in Frankreich bestehenden FTT orientieren.1 Der französischen FTT unterliegen nur Transaktionen von Anteilen in Frankreich ansässiger Aktiengesellschaften , die im vorangegangenen Jahr über eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Mrd. Euro verfügten. Die Steuer wird ausschließlich auf der Käuferseite erhoben. Ausgenommen von der Besteuerung sind sogenannte Market Making Aktivitäten und Emissionen auf dem Primärmarkt. Die Unternehmen selbst unterliegen nicht der Besteuerung nach einer FTT. „Die Einführung einer sogenannten Sondersteuer auf HFT (high-frequency trading) ist nicht Gegenstand der Überlegungen der Bundesregierung.“2 Fraglich ist, ob die Einführung einer derartigen deutschen Finanztransaktionsteuer mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes für die Einführung einer neuen Steuerart vereinbar wäre. Hierbei sind insbesondere die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers zu prüfen. Das BVerfG hatte zuletzt in der Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer3 das Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers auf die bestehenden Typusbegriffe der Art. 105 und 106 GG begrenzt. „Die Finanzverfassung (Art 104a ff GG) bildet eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Für Analogieschlüsse, die notwendig zu einer Erweiterung oder Aufweichung dieses Rahmens führen würden, ist in diesem Bereich kein Raum. Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden zu erheblichen Ver- 1 Siehe Antwort der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BT-Drs. 19/7572, S. 2f. 2 Siehe Fn. 1, S. 9 3 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171-248 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 053/19 Seite 5 werfungen im Bereich der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen. Über ihre Ordnungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und Begrenzungsfunktion, die auch im Verhältnis zum Bürger wirkt.“4 „Für die in Art 105 und Art 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das GG Typusbegriffe . Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen, ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; zudem müssen nicht stets sämtliche den Typus kennzeichnende Merkmale vorliegen. Neue Steuern sind auf ihre Kongruenz mit den aus hergebrachter Sicht typusprägenden Merkmalen der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105, 106 GG zu prüfen. Entsprechen sie nicht allen Typusmerkmalen einer Einzelsteuer, sind Bedeutung und Gewicht der einzelnen Merkmale sowie der Grad an Abweichung zu bestimmen und danach in eine Gesamtwertung einzubeziehen. Innerhalb der durch Art. 105, 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden". Die Erschließung neuer Steuerquellen ist unter dem Blickpunkt der Zuständigkeitsverteilung zumindest so lange nicht zu beanstanden , wie sie sich im Rahmen der herkömmlichen Merkmale der jeweiligen Steuern hält.“5 2.1. Die FTT als Lenkungsteuer? Die Lenkungsteuer ist kein feststehender Steuertypus der Art. 105 und 106 GG. Der Lenkungscharakter einer Steuer erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich sich nicht in Widerspruch zur bestehenden Rechtsordnung begeben darf. „Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen.“6 Der etwaige Lenkungscharakter einer FTT wurde bislang vor allem unter den Aspekten der Vermeidung der „Exzesse der Finanzkrise 2008“ und der Eindämmung des sogenannten computergestützten Hochfrequenzhandels7 diskutiert. Bei der geplanten Ausgestaltung der FTT mit einer Besteuerung von Transaktionen am Sekundärmarkt ausschließlich bezogen auf Anteile von Aktiengesellschaften mit einer Marktkapitalisierung über eine Milliarde Euro („blue-chip“ Aktien), ist ein Lenkungszweck jedoch kaum zu erkennen . Der Besteuerungsgegenstand würde nur einen Bruchteil des börsennotierten Wertpapier- 4 Siehe Fn. 3 Orientierungssätze 1a) bis 1c) 5 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171-248; Orientierungssätze 2a) bis 2c) 6 BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 –, BVerfGE 98, 106-134, Rn. 57 (juris) 7 Ismer, Roland: „Grundfragen der Besteuerung des Finanzwesens“ in: Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts II, Schön/Röder [Hrsg.], Seite 116 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 053/19 Seite 6 handels erfassen. Der computergestützte Hochfrequenzhandel bliebe bewusst außerhalb der Besteuerungsgrundlage 8. Eine derartige Lenkung zu Lasten des Anteilserwerbs großer Aktiengesellschaften wäre weder geeignet die Ursachen der Finanzkrise zu bekämpfen, noch exzessiven Spekulationsgeschäften entgegenzuwirken. Eine Lenkung der Börseninvestoren zu Lasten der von der Besteuerung betroffenen Aktien wäre zudem mit dem allgemeinen Wertpapier- und Börsenrecht nicht zu vereinbaren. Die Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sehen keine Sonderregelungen für Aktiengesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung vor. Ein Lenkungseffekt ist bei der geplanten FTT daher nicht ersichtlich. 2.2. Die FTT als Verkehrsteuer Die Gesetzgebungskompetenz für die Einführung einer FTT könnte sich jedoch aus dem Charakter als (Kapital-)Verkehrsteuer ergeben. Unter dem Kompetenztitel der Kapitalverkehrsteuern des Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG wurde bis 1991 die Börsenumsatzsteuer erhoben. Die Kapitalverkehrsteuern zählen zu den speziellen Verkehrsteuern . „Verkehrsteuern belasten im Gegensatz zu den Besitzsteuern und den Verbrauchsteuern Rechtsvorgänge des Wirtschaftsverkehrs.“9 In der Literatur wird die Einführung einer Finanztransaktionsteuer auch diesem Steuertypus zugeordnet.10 Mit der Kapitalverkehrsteuer stünde somit ein verfassungsrechtlich verankerter Steuertypus für die Finanztransaktionsteuer zur Verfügung. Fraglich ist jedoch, ob angesichts der eingeschränkten Besteuerungsgrundlage ein nachvollziehbarer und verfassungsrechtlich legitimer Belastungsgrund für eine derart ausgestaltete FTT benannt werden kann. Eine am Fiskalzweck ausgerichtete Finanztransaktionsteuer wird in der Literatur kritisch bewertet . „Soll hingegen in erster Linie Steueraufkommen erzielt werden, so ist die Frage nach der Rechtfertigung einer solchen Steuer zu stellen. Dabei ist zu bedenken, dass derartige Verkehrsteuern typischerweise mehr oder weniger überwälzt werden, so dass eine zusätzliche Steuerbelastung für den Finanzsektor nur aus dem Eigenhandel erfolgt.“11 Bei der geplanten FTT ist eine Überwälzung nicht erforderlich, da ohnehin nur der Käufer der Unternehmensanteile steuerlich belastet wird. Der Eigenhandel würde nicht erfasst. 8 Siehe Antwort der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BT-Drs. 19/7572, S. 9 9 Dittmer: Verkehrsteuer in Wacker, Wilhelm H. [Hrsg.]: Lexikon der deutschen und internationalen Besteuerung, S. 774 10 So Englisch in: Tipke/Lang Steuerrecht, 23. Auflage § 7 Rn. 102 (abrufbar in der juris-Datenbank) 11 Ismer, Roland: siehe Fn. 7, S. 118 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 053/19 Seite 7 „Auch ist nicht ersichtlich, wie sich aus Zahl und Umfang der Markttransaktionen eine gesonderte Leistungsfähigkeit ergeben sollte, die über Einkommen und Vermögen als Leistungsfähigkeitsindikatoren hinausgehen sollte. Im Ergebnis am überzeugendsten ist daher eine Rechtfertigung der Steuer durch die abstrakte Äquivalenz zu den staatlichen Maßnahmen zur Regulierung und Stabilisierung des Finanzsektors. Die Belastung durch die Steuer erscheint gerechtfertigt, weil der Staat die Finanzmärkte reguliert und erforderlichenfalls zu ihrer Stabilisierung erhebliche Mittel aufzuwenden hat, wovon der Finanzsektor als Ganzer, aber auch die am Handel beteiligten Wirtschaftssubjekte profitieren.“12 Die Einführung einer Finanztransaktionsteuer ließe sich somit allgemein mit den staatlichen Investitionen zur Finanzmarkstabilisierung rechtfertigen. Fraglich ist jedoch, ob eine Besteuerung allein des Erwerbs von sogenannten „blue chip“-Aktien bzw. die Nichtbesteuerung des Erwerbs von Aktien der Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung unter einer Milliarde Euro verfassungsrechtlich legitimierbar wäre. „Die jüngere Rechtsprechung des BVerfG achtet besonders darauf, dass der Gesetzgeber das gleichheitsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot einhält. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber zu konsequenter Umsetzung bereichsspezifisch zu gewinnender, sachgerechter Wertungen. Allerdings relativiert das BVerfG dahingehend, dass der Gesetzgeber bei Auswahl des Steuergegenstandes und Bestimmung des Steuersatzes über einen weitreichenden Gestaltungsspielraum verfüge. Dann aber habe er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Sein Handlungsspielraum werde „vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit“. Diese enge Verbindung von Leistungsfähigkeitsprinzip und Folgerichtigkeitsgebot macht deutlich, dass das Folgerichtigkeitsgebot nicht formal zu verstehen, sondern nur auf konsequente Umsetzung sachgerechter Belastungsentscheidungen gerichtet ist.“13 Wendet man diese Maßstäbe auf eine Finanztransaktionsteuer an, die nur Aktienkäufe von Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung über einer Milliarde Euro der Steuerpflicht unterwerfen will, so können Zweifel an der Folgerichtigkeit der Belastungsentscheidung aufkommen. Für eine derartige Differenzierung in der Besteuerungsgrundlage könnte der Gesetzgeber allenfalls den Schutz kleinerer und mittlerer Aktiengesellschaften bei der Fremdkapitalakquise an den Finanzmärkten anführen. Da kleinere börsennotierte Aktiengesellschaften in der Regel unter Anlegern weniger bekannt sind als die großen „blue-chip“ Werte, könnte sich eine zusätzliche steuerliche Belastung dieser Wertpapiere zu einem Handelshemmnis entwickeln. Nach Auskunft der Bundesregierung liegen in Deutschland 145 Unternehmen oberhalb der Schwelle von einer Milliarde Euro Marktkapitalisierung.14 Die selektive Belastungsentscheidung des Gesetzgebers wäre somit gleichbedeutend mit einer steuerlichen Verschonung des Erwerbs einer großen Mehrheit der börsennotierten Gesellschaften. Dies ließe sich jedoch aus den einfacheren Zugangsmöglichkeiten von Großunternehmen zu Investoren an der Börse rechtfertigen. Die Attraktivität der 12 Ismer, Roland: siehe Fn. 7, S. 118 13 Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, Steuersystem und Steuerverfassungsrecht, Rn. 118 14 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BT-Drs. 19/7572, S. 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 053/19 Seite 8 „blue-chip“ Aktien würde unter einer steuerlichen Belastung nicht in gleicher Intensität leiden wie dies bei kleinen und mittleren Aktiengesellschaften der Fall wäre. Es kann davon ausgegangen werden, dass die hohe Marktreputation der Großunternehmen so stark ist, dass die steuerliche Mehrbelastung keine erheblichen Effekte auf das Investorenverhalten haben würde. Bei den übrigen Gesellschaften könnte eine steuerliche Belastung dagegen als entscheidungserheblicher Faktor gegen eine Investitionsentscheidung wirken, zumal wenn derartige steuerliche Belastungen für andere Staaten nicht gelten. In Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Steuerschuldner sind keine wesentlichen Unterschiede zwischen Investoren in „blue chip“-Aktien und sonstigen Aktien ersichtlich. „Anders als bei der Einkommensteuer kommt dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz für die Verbrauch- und Verkehrsteuern keine prägende Bedeutung zu.“15 Ergebnis: Unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gegenfinanzierung staatlicher Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte wäre die Einführung einer Finanztransaktionsteuer verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine FTT allein auf „blue chip“-Aktien weist zwar keinen Lenkungszweck auf. Sie verfügt als Kapitalverkehrsteuer aber über einen in Art. 106 GG verankerten Steuertypus, der unter Beachtung der BVerfG-Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer nicht dem etablierten Gefüge der Finanzverfassung zuwiderliefe. Da es sich bei der FTT um eine Verkehrsteuer handeln würde, sind die Aspekte der Leistungsfähigkeit der steuerlich Belasteten von nachrangiger Bedeutung. 3. Kurzvergleich mit der Börsenumsatzsteuer „Nach dem Vorbild der britischen Stamp Tax wurde 1881 das Reichsstempelgesetz (RstempG) erlassen, das zwei Abgabearten beinhaltete. Alle an deutschen Börsen umlaufenden und nach diesem Termin einzuführenden Wertpapiere wurden einer einmaligen „Stempelabgabe“ unterworfen . Die ordnungsgemäße Besteuerung wurde durch einen roten Stempelaufdruck auf den einzelnen Urkunden nachgewiesen. Die zu dem Termin bereits umlaufenden Wertpapiere wurden mit einem ermäßigten Satz besteuert. Neben dieser Reichsstempelabgabe wurde im Gesetz ein zweiter Steuertatbestand geschaffen, eine Abgabe auf Börsenumsätze. Alle an deutschen Börsen abgeschlossenen Transaktionen wurden besteuert. Dafür war eine besondere Form vorgeschrieben . Die Abrechnung zwischen Käufer und Verkäufer musste auf einem besonderen Formular , der „Schlussnote“, vorgenommen werden, das in der Mitte perforiert war. […] Die Besteuerung der Börsenumsätze betrug nach der letzten Tarifänderung je nach Umsatzvolumen 1/10, 2/10 oder 3/10 Promille.“16 „Als Folge des verlorenen Ersten Weltkriegs […] wurden die im RstempG genannten Steuertatbestände durch spezielle Einzelgesetze erfasst. Die Besteuerung von Wertpapieren wurde im Kapitalverkehrssteuergesetz (KVSTG, 1922) geregelt, das aus drei Teilbereichen bestand. Die hier interessierende Börsenumsatzsteuer wurde in Teil drei „Anschaffungsgeschäfte des Börsenverkehrs“ 15 BFH, Urteil vom 09. April 2008 – II R 32/06 –, Rn. 18, juris; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung , § 3 AO Rz 50a; Heun in Dreier, Grundgesetz, Art. 3 Rz 66; Rüfner in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Rz 199 16 Wanner, Eckhardt: „Die Geschichte der Börsenumsatzsteuer“ in die bank 2013, Heft 4, Seite 20 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 053/19 Seite 9 zusammengefasst. Der Steuer unterworfen waren im Wesentlichen nur Geschäfte mit Aktien. Die formale Ausgestaltung der Abrechnung über eine Schlussnote und Steuermarken wurde beibehalten . Lediglich die Steuersätze wurden erhöht.“17 „In dieser Form bestand die Börsenumsatzsteuer bis 1944. […] 1948 wurde sie wieder eingeführt und 1949 den Bundesländern zugesprochen. Die Abgeltung der Steuer über eine Schlussnote und Stempelmarken wurde beibehalten. Ab der Grundgesetzänderung von 1969 stand die Börsenumsatzsteuer wieder dem Bund zu. Durch das erste „Finanzmarktförderungsgesetz“ wurde sie 1991 abgeschafft.“18 Die Börsenumsatzsteuer, die ursprünglich aus der fiskalischen Belastung von Urkunden des Börsenverkehrs hervorgegangen ist, wurde auf den Umsatz aus dem Handel mit Wertpapieren (z. B. Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentzertifikate) erhoben Ergebnis: Die Börsenumsatzsteuer war in der Besteuerungsgrundlage breiter ausgerichtet als die jetzt geplante FTT. Während bei der Börsenumsatzsteuer neben sämtlichen Aktien auch Schuldverschreibungen und Investmentzertifikate der Besteuerung unterworfen wurden, soll bei der FTT nur der Erwerb von sogenannten „blue-chip“Aktien mit einer Marktkapitalisierung über einer Milliarde Euro besteuert werden. *** 17 ebenda 18 ebenda