© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 052/16 Einzelfrage zur nachgelagerten Besteuerungen von Alterseinkünften Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 052/16 Seite 2 Einzelfrage zur nachgelagerten Besteuerungen von Alterseinkünften Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 052/16 Abschluss der Arbeit: 28. April 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 052/16 Seite 3 1. Fragestellung Beim Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften habe man sich ganz bewusst für ein pauschales System entschieden, also dass man einem einfachen Verfahren der Besteuerung den Vorzug gegeben habe vor der Einzelfallgerechtigkeit. Dazu werde die Frage gestellt , ob dies nach Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste so seine Ordnung habe, ob der Einzelne also eine „systematische Benachteiligung“ bei der Steuer in einem solchen Fall zu akzeptieren habe. 2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm mindestens vier Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz richteten, nicht zur Entscheidung an. Im Beschluss vom 13. Februar 2008 ging es um die lediglich beschränkte einkommensteuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen.1 Den Nichtannahmebeschlüssen vom September 2015 lagen Verfassungsbeschwerden gegen die einkommensteuerliche Behandlung der Renten aufgrund freiwilliger Leistungen an die gesetzliche Rentenversicherung2 sowie gegen die Besteuerung von Bezügen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen3 zugrunde. Im Fall der Verfassungsbeschwerde, die zum Beschluss im Februar 2008 führte, argumentierte das BVerfG, dass Beamtenpensionäre die gleichheitswidrige Besteuerung im Vergleich zu Arbeitnehmern bis zum 31. Dezember 2004 hinzunehmen hatten. In den 2015 entschiedenen Fällen stellte das BVerfG fest, dass die in den Beschwerden aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt sind oder sich ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten lassen. Dabei führte das BVerfG zur Frage der Pauschalierung beziehungsweise Einzelfallgerechtigkeit unter Hinweis auf frühere Beschlüsse insbesondere aus: – Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln . Dieser Gleichheitsgrundsatz verwehrt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung , diese bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch sachliche Gründe. Als besondere sachliche Gründe erkennt das BVerfG - neben anderen - Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse bei der Ordnung von Massenvorgängen des Wirtschaftslebens an. Dazu gehört die Steuergesetzgebung. Deshalb hat der Gesetzgeber dort einen - wenn auch nicht unbegrenzten - Spielraum für generalisierende und typisierende Regelungen. Muss der Gesetzgeber komplexe Regelungssysteme, wie zum Beispiel die Besteuerung der Alterseinkünfte, umgestalten, steht ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum jedoch findet im strikten Verbot der Doppelbesteuerung seine Grenze. 1 BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05. 2 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. September 2015, 2 BvR 2683/11, und BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. September 2015, 2 BvR 1066/10. 3 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. September 2015, 2 BvR 1961/10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 052/16 Seite 4 Kernpunkt der Neuordnung der Besteuerung der Alterseinkünfte ist der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung. Ab 2040 sind die Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen von Höchstgrenzen steuerlich absetzbar, im Gegenzug sind die Alterseinkünfte in Form von Leibrenten in vollem Umfang zu versteuern. In dieser endgültigen Ausgestaltung kann es nicht zu Ungleichbehandlung von verschiedenen Personengruppen kommen. In der Übergangsphase bis 2040 ist jedoch die Gleichbehandlung bei der Besteuerung der Alterseinkünfte hinzunehmen, obwohl die Altersvorsorgeaufwendungen der Personengruppen je nach Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit in unterschiedlichem Maße steuerlich entlastet wurden. Der Gesetzgeber durfte auch für diese Übergangszeit eine einfache, praktikable und gesamtwirtschaftlich tragfähige Lösung suchen und die Alterseinkünfte, die ganz oder teilweise auf Vorsorgeaufwendungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 beruhen, pauschal besteuern . Die Festlegung individueller Besteuerungsanteile für jeden einzelnen Steuerpflichtigen in Abhängigkeit vom Umfang oder der Dauer seiner früheren Tätigkeit hätte zur Folge gehabt , dass die frühere steuerliche Behandlung der eingezahlten Beiträge eines jeden Steuerpflichtigen hätte ermittelt werden müssen. Dies wäre mit dem Erfordernis handhabbarer und administrierbarer Lösungen im Massenverfahren der Rentenbesteuerung nicht vereinbar gewesen. Das Verbot der Doppelbesteuerung ist nicht verletzt, weil der Gesetzgeber zutreffend den Besteuerungsanteil für den Rentenjahrgang 2005 einheitlich nur auf 50 Prozent festgelegte, obwohl nach seiner Auffassung bei anderen Steuerpflichtigen auch ein höherer Prozentsatz gerechtfertigt gewesen wäre. – Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und das Rückwirkungsverbot sind ebenfalls nicht verletzt. Der Gesetzgeber hat den ihm vom BVerfG erteilten Regelungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die Besteuerung aller bestehenden Altersvorsorgesysteme aufeinander abgestimmt wird. Als tragendes Element der Neuordnung hat der Gesetzgeber alle Basisversorgungssysteme unterschiedslos der nachgelagerten Besteuerung unterworfen. Die sofortige Anhebung des Besteuerungsanteils auf 50 Prozent war zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich, weil nur dadurch eine sofortige und fortschreitende Angleichung der steuerlichen Behandlung von Renten und Pensionsbezügen erreicht werden konnte, deren vorherige verfassungswidrige Ungleichbehandlung andernfalls für einen langen Übergangszeitraum fortgedauert hätte. - Ende der Bearbeitung -