© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 051/21 Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Dualismus des Unternehmensteuerrechts Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Steuerliche Folgen des MoPeG 6 3. Dualismus der Unternehmensbesteuerung 7 4. Die Rechtfertigung rechtsformabhängiger Besteuerung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG 8 4.1. Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes: Gleichmäßigkeit der Besteuerung 8 4.2. Verfassungsrechtliches Gebot der Rechtsformneutralität? 10 4.2.1. Auffassungen im Schrifttum 10 4.2.2. Rechtsprechung des BVerfG zur Rechtsformabhängigkeit des Unternehmensteuerrechts, insbesondere zur Bedeutung des Gesamthandprinzips 10 4.3. Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften auch nach dem MoPeG als sachlicher Grund 14 4.3.1. Kein zwingendes Gebot rechtsformneutraler Besteuerung 14 4.3.2. Wegfall des Gesamthandprinzips nicht erheblich 15 4.3.3. Substanzielle Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften auch nach dem MoPeG 16 4.3.4. Abschließende Bewertung des MoPeG 17 4.4. Weitere Gründe für die Rechtfertigung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung 17 4.4.1. Anerkennung des Dualismus durch das Grundgesetz 17 4.4.2. Weiter Spielraum und Typisierungsbefugnisse für den Gesetzgeber 18 4.4.3. Vergleichbare steuerliche Belastungen 18 4.4.4. Rechtsformwahl 19 5. Zusammenfassung 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 4 1. Fragestellung Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) der Bundesregierung sieht grundlegende und weitreichende Änderungen des Gesellschaftsrechts vor,1 insbesondere des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in den §§ 705 ff. BGB. Das Recht der GbR soll „konsequent am Leitbild einer auf gewisse Dauer angelegten, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestatteten Personengesellschaft ausgerichtet“ werden.2 Eine wesentliche Neuerung ist der Verzicht auf das Prinzip der Gesamthand (siehe § 713 BGB-E), der auch Bedeutung für die Personenhandelsgesellschaften hat (dazu nachfolgend 2.). Das Prinzip der Gesamthand war aber auch ein Begründungselement für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Dualismus des Unternehmensteuerrechts (dazu nachfolgend 3.) im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (dazu nachfolgend 4.). Daher wird gefragt, ob die geplante Reform des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG, insbesondere der Wegfall des Prinzips der Gesamthand dazu führt, dass die sachliche Rechtfertigung für die grundlegend unterschiedliche steuerliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften entfällt. 2. Reform des Personengesellschaftsrechts nach dem MoPeG 2.1. Grundzüge der Reform Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) der Bundesregierung3 fasst sein Grundanliegen folgendermaßen zusammen: „Der Entwurf verfolgt das Ziel, das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu konsolidieren und die geltenden Vorschriften an die praktischen Bedürfnisse von Gesellschaften und Gesellschaftern anzupassen. Hierfür sollen die Vorschriften auf das Leitbild einer auf Dauer angelegten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgerichtet werden, die als solche am Rechtsverkehr teilnimmt, selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann und hierfür durch Eintragung in ein eigenes Register mit Subjektpublizität ausgestattet werden kann. Die Rechtsformen der Personenhandelsgesellschaften sollen grundsätzlich auch zur gemeinsamen Ausübung Freier Berufe durch die Gesellschafter zugänglich gemacht werden. Schließlich soll für Personenhandelsgesellschaften ein modernes, im Grundsatz dem aktienrechtlichen Anfechtungsmodell folgendes Beschlussmängelrecht eingeführt werden.“4 1 BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 2; siehe auch Seite 104. 2 BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 2. 3 BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 2; siehe auch Seite 104. 4 BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 5 Zum Zweck der Anpassung des Rechts der GbR werden die bisherigen §§ 705 ff. BGB neu gefasst. Textliche Änderungen bringen insbesondere die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft (§ 705 Abs. 2 BGB-E), die Möglichkeit der Eintragung in ein Register (§ 707 BGB-E), die Klarstellung der Bildung von Gesellschaftsvermögen (§ 713 BGB-E) sowie der persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR (§ 721 BGB-E). Zahlreiche andere Gesetze wie die Insolvenzordnung und die Zivilprozessordnung werden im Hinblick auf die ausdrückliche Anerkennung dieser neuen oder klargestellten Eigenschaften der GbR geändert. Das Umwandlungsgesetz wird insbesondere in § 214 UmwG-E geändert, der einen Rechtsformwechsel für Personengesellschaften einschließlich der GbR vorsieht. Hinsichtlich der Personenhandelsgesellschaften ergeben sich Änderungen aus einer Neufassung weiter Teile der §§ 105 ff. HGB, insbesondere aus der Öffnung der Rechtsform für die Ausübung Freier Berufe (§ 107 HGB- E) und den neuen Bestimmungen über die Rechtsfolgen rechtsfehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse (§§ 110 ff. HGB-E). 2.2. Neues Leitbild der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Zu Beginn der Gesetzesbegründung heißt es: „Das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird innerhalb des bestehenden Systems, das heißt unter Anerkennung des grundlegenden Unterschieds zwischen kaufmännischen und nicht kaufmännischen Personengesellschaften, konsolidiert und konsequent am Leitbild einer auf gewisse Dauer angelegten, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestatteten Personengesellschaft ausgerichtet. Dabei soll es den Gesellschaftern auch künftig freistehen, ihre Rechtsbeziehungen in weitem Umfang im Gesellschaftsvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen auszugestalten. Um der Vielfalt möglicher Gesellschaftszwecke trotz des geänderten Leitbilds weiterhin gerecht werden zu können und keine höheren Anforderungen an die Gründung der Gesellschaft stellen zu müssen, sieht das Gesetz auch künftig vor, dass die Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft selbst führen und für deren Verbindlichkeiten unbeschränkt persönlich haften.“5 (Hervorhebungen nur hier) Zum „Leitbildwandel“6 führt die Gesetzesbegründung unter der Überschrift „Vom vertraglichen Schuldverhältnis zum Rechtssubjekt“ aus: „Der wichtigste Aspekt betrifft die Loslösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts von ihrem römisch-rechtlichen Verständnis als vertragliches Schuldverhältnis hin zu einem verkehrstauglichen Rechtssubjekt, was sich darin widerspiegelt, dass die Gesellschaft selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann (§ 705 Absatz 2 BGB-E). Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer Rechtsformvariante als rechtsfähige Gesellschaft gehört damit wie die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die Partnerschaftsgesellschaft zu den rechtsfähigen Personengesellschaften im Sinne von § 14 Absatz 1 BGB. Dabei wird davon ausgegangen, dass die dort vorgesehene Unterscheidung von der juristischen Person weiterhin Bestand hat. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die den wesentlichen Unterschied zwischen juristischer Person und rechtsfähiger Personengesellschaft nicht mehr bei 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 2. 6 Dazu Fleischer, DStR 2021, 430, 431 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 6 der Rechtsfähigkeit nach außen, sondern in dem Grad der rechtlichen Verselbständigung nach innen sehen, werden in dem Entwurf an geeigneter Stelle aufgegriffen (vergleiche Bachmann , Festschrift für K. Schmidt, Band I, 2019, S. 49, 58 ff.). So erklärt sich, dass einer Gesellschaft keine eigenen Anteile übertragen werden können (§ 711 Absatz 1 Satz 2 BGB-E), oder dass bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters die Gesellschaft ohne Abwicklung erlischt und das Gesellschaftsvermögen auf den verbleibenden Gesellschafter übergehen kann (§ 712a BGB-E).“7 (Hervorhebungen nur hier) Diese Entwicklung haben Rechtspraxis und Rechtsprechung bereits vorgezeichnet. So ist die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR durch die Rechtsprechung anerkannt worden.8 Unter der Überschrift „Vom Sondervermögen der Gesellschafter zum Vermögen der Gesellschaft“ heißt es in der Gesetzesbegründung weiter: „Das geänderte Verständnis von der Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts spiegelt sich folgerichtig in der Vermögenszuordnung der Gesellschaft wider. In dem Entwurf wird klargestellt, dass die für die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern der Gesellschaft gehören (§ 713 BGB-E). Damit tritt an die Stelle eines gesamthänderisch gebundenen Vermögens der Gesellschafter ein Vermögen der Gesellschaft. Mit dem Verzicht auf das Gesamthandsprinzip geht zwar eine gewisse natürliche Erklärung für bestimmte Strukturmerkmale der Personengesellschaften verloren. Das zwingt aber nicht dazu, die Unterscheidung zwischen diesen und den juristischen Personen einzuebnen. Eng mit dem Gesamthandsprinzip verbunden ist die Frage, wie sich das Ausscheiden eines Gesellschafters auf die Beteiligungsverhältnisse auswirkt. Insoweit wird klargestellt, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters nicht eingezogen wird, sondern kraft Gesetz auf die verbleibenden Gesellschafter übergeht (§ 712 Absatz 1 BGB-E), worin sich abermals zeigt, dass die rechtsfähigen Personengesellschaften gegenüber ihren Mitgliedern nicht vollständig rechtlich verselbständigt sind.“9 (Hervorhebungen nur hier) 2.3. Steuerliche Folgen des MoPeG Zu den steuerlichen Folgen der Reform heißt es in der Gesetzesbegründung: „Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften sind mit dem vorliegenden Entwurf nicht verbunden. Dies gilt insbesondere für die transparente Besteuerung von Personengesellschaften. Soweit in den Steuergesetzen von Ge- 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 105. 8 Fleischer, DStR 2021, 430; Hennrichs, FR 2010, 721, 723. 9 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 105. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 7 samthandsvermögen gesprochen wird, ist dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvemögen) gemeint ist.“10 3. Dualismus der Unternehmensbesteuerung Die Besteuerung der Erträge eines gesellschaftlich organisierten Unternehmens richtet sich maßgeblich danach, ob es sich dabei um eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft handelt; das deutsche Unternehmensteuersystem wird daher als dualistisch bezeichnet. Die Kapitalgesellschaften werden nach dem Trennungsprinzip besteuert: Entsprechend ihrer Rechtsnatur als eigenständige juristische Personen unterliegen sie selbst der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer , während ihre Gesellschafter bezüglich der Unternehmensgewinne erst bei Ausschüttung steuerpflichtig werden. Die (steuerrechtlich) teilrechtsfähigen Personengesellschaften unterliegen demgegenüber der transparenten Besteuerung. Sie sind weder körperschaftsteuerpflichtig noch einkommensteuerpflichtig.11 Vielmehr sind die Gesellschafter mit dem auf sie entfallenden Anteil an den Einkünften der Gesellschaft einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig (Transparenzprinzip ).12 Damit behandelt der Gesetzgeber unternehmerische Tätigkeiten steuerlich unterschiedlich je nachdem, ob sie in Gestalt von Personen- oder Kapitalgesellschaften ausgeübt werden; während Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit in Form einer Personengesellschaft den Gesellschaftern zugerechnet werden, folgt der Gesetzgeber bei der Kapitalgesellschaft einer formellen Betrachtungsweise, die die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft gegenüber den dahinter stehenden Personen betont und in den Vordergrund rückt (Trennungsprinzip).13 Der Gesetzgeber erkennt Körperschaften i.S.v. § 1 KStG, darunter Kapitalgesellschaften, eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit zu, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt ist und unabhängig von dieser besteuert wird.14 Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Dualismus des Unternehmensteuerrechts ist umstritten (dazu nachfolgend 4.2). Aus dem Dualismus folgen in mehrfacher Hinsicht unterschiedliche Rechtsfolgen und Belastungen , zum Beispiel bei der Besteuerung laufender Gewinne sowie bei der Berücksichtigung von Verlusten, bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, bei der Ausgestaltung und der Höhe des Steuersatzes, bei der Behandlung schuldrechtlicher Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern , bei der Behandlung von Finanzierungsaufwendungen, bei der Zusatzbelastung mit 10 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/27635 vom 17.3.2021, Seite 106. 11 Personengesellschaften mit Einkünften aus Gewerbebetrieb unterliegen allerdings der Gewerbesteuer. 12 Vgl. zum Ganzen Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, § 10 Rn. 1 ff.; Wacker, DStR 2019, 585, 585 f. 13 So BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 111. 14 So BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 110. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 8 Gewerbesteuer, bei der Anwendung der Abgeltungsteuer oder bei der Behandlung der Unternehmensnachfolge .15 Auf einfachrechtlicher Ebene führt das MoPeG zu keiner Änderung im Dualismus des Unternehmensteuerrechts . Personengesellschaften wie die GbR sind und bleiben – neben den dort ausdrücklich genannten OHG und KG – „andere Gesellschaften“16 im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Auch die rechtsfähige GbR im Sinne des MoPeG wird nicht zu einer „sonstigen juristischen Person des privaten Rechts“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Personengesellschaften werden also nicht durch das MoPeG zu Körperschaftsteuersubjekten, sondern weiterhin nach dem Transparenzprinzip besteuert.17 Allerdings sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts18 (KStG-E) erstmals eine Option zur Körperschaftsbesteuerung für bestimmte Personengesellschaften vor. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG-E sind Personenhandels - und Partnerschaftsgesellschaften auf unwiderruflichen Antrag für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie eine Kapitalgesellschaft (optierende Gesellschaft) zu behandeln . Der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung gilt als Formwechsel im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG (§ 1a Abs. 2 Satz 1 KStG-E). 4. Die Rechtfertigung rechtsformabhängiger Besteuerung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Die unterschiedliche Behandlung von Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften und anderen Körperschaften andererseits muss den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachten. 4.1. Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes: Gleichmäßigkeit der Besteuerung Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe , die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungs- 15 Überblick bei Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, § 13 Rn. 1 ff.; siehe auch Drüen, GmbHR 2008, 393, 395 f. 16 Unter den Begriff der anderen Gesellschaften fallen auch Partnerschaftsgesellschaften, (atypisch) stille Gesellschaften , Innengesellschaften, Bruchteilsgemeinschaften, Wohnungseigentümergemeinschaften, Erbengemeinschaften . 17 Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 5; siehe auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R 196, R 197. 18 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/28656 vom 19.4.2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 9 maßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.19 Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich dabei unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben; dies gilt auch, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.20 Die Anforderungen an die Rechtfertigung steigen zudem in dem Maße, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann.21 Im Steuerrecht müssen die Steuerpflichtigen nach dem Grundsatz der Lastengleichheit durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Dabei hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes.22 Ist diese Wahl bzw. Belastungsentscheidung getroffen , müssen sich Abweichungen davon am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands) und bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.23 Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet , die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten; im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit ), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss.24 Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip; die 19 BVerfG, Urteil vom 10.4.2018, 1 BvL 11/14 u.a., DStR 2018, 791 Rn. 94; BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 98; BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 Rn. 121. 20 BVerfG, Urteil vom 10.4.2018, 1 BvL 11/14 u.a., DStR 2018, 791 Rn. 95; BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 Rn. 122. 21 Dies gilt auch für juristische Personen, BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 105. 22 BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 102; BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 Rn. 123; BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 51; BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008, 1 BvL 2/04, DStRE 2008, 1003 Rn. 82; Wernsmann, in: Hübschmann /Hepp/Spitaler, 260. EL. November 2020, AO § 3 Rn. 97; kritisch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 3.118, 3.125 (Relativierung des Folgerichtigkeitsgebots). 23 BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 Rn. 123. 24 So BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 99; BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 71; siehe auch Birk, StuW 2000, 328, 329. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 10 Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gelten auch im Bereich der Körperschaftsteuer.25 4.2. Verfassungsrechtliches Gebot der Rechtsformneutralität? Angesichts des Dualismus der Unternehmensbesteuerung (dazu 3.) wird seit jeher diskutiert, ob es ein Gebot der Rechtsformneutralität gibt. 4.2.1. Auffassungen im Schrifttum Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung folgt das Gebot der Rechtsformneutralität aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.26 Die Rechtsform als solche tauge nicht zur Rechtfertigung von Belastungsunterschieden, wenn sich in ihr nicht unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit manifestiere.27 Das Gebot der Rechtsformneutralität zwinge allerdings nicht zur einheitlichen Besteuerung aller Rechtsformen, sondern im Sinne einer „Rechtsformgerechtigkeit“ nur dann an die Rechtsform anzuknüpfen, wenn sich darin eine unterschiedliche steuerliche Leistungsfähigkeit niederschlage.28 Nach einer anderen Auffassung lässt sich Art. 3 Abs. 1 GG kein Gebot der rechtsformneutralen Behandlung der Unternehmensgewinne entnehmen; die Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung sei daher kein allgemeines Verfassungsgebot.29 Aufgrund der erheblichen rechtlichen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften30 dürfe der Steuergesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen daran anknüpfen.31 Der Gesetzgeber dürfe die Leistungsfähigkeit der Körperschaften daher unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Anteilseigner erfassen und die von den Körperschaften erzielten Gewinne auch doppelt besteuern.32 4.2.2. Rechtsprechung des BVerfG zur Rechtsformabhängigkeit des Unternehmensteuerrechts , insbesondere zur Bedeutung des Gesamthandprinzips Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Gebot der Rechtsformneutralität ergibt. Ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften müssen 25 BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 56 f.; Drüen, GmbHR 2008, 393, 397. 26 Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 13.172 m.w.N. aus dem Schrifttum (dort auch zur freiheitsrechtlichen Begründung). 27 So Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 10.4, 13.172. 28 Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 13.174. 29 Birk, StuW 2000, 328, 333; Drüen, GmbHR 2008, 393, 400; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 260. EL. November 2020, AO § 4 Rn. 515. 30 A.A. Hennrichs, FR 2010, 721, 725. 31 Birk, StuW 2000, 328, 333. 32 Birk, StuW 2000, 328, 333. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 11 daher beim Anteilseigner nicht einkommensteuerlich ebenso behandelt werden wie entnommene Gewinne von Personengesellschaften.33 Der Gleichheitssatz zwingt den Gesetzgeber daher nicht zu einer wirtschaftlichen (materiellen) Betrachtung der Leistungsfähigkeit, sondern ermöglicht ihm auch eine „eher formelle, rechtsformorientierte Sicht“ von der Leistungsfähigkeit.34 Von Verfassungs wegen ist vielmehr entscheidend, ob es einen hinreichenden sachlichen Grund für die unterschiedliche steuerliche Behandlung unternehmerischer Tätigkeiten gibt.35 Dazu führt das BVerfG aus: „Einen solchen Grund liefert die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern. Diese Abschirmung bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf. Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich bedenkenfrei die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird (vgl. § 718 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB), während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbstständig ist.“36 (Hervorhebung nur hier) Auch in nachfolgenden Entscheidungen hat das BVerfG auf die Abschirmung der Vermögenssphäre bei der Kapitalgesellschaft einerseits und auf die gesetzlich bestimmte Zurechnung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter nach dem Gesamthandprinzip bei den Personengesellschaften andererseits abgestellt.37 Aus der soeben zitierten Passage des Beschlusses des BVerfG vom 21.6.2006 wird abgeleitet, mit der durch das MoPeG geplanten Abschaffung der Gesamthand (dazu oben 2.) entfalle die Rechtfertigung für den Dualismus der Unternehmensbesteuerung schlechthin.38 Kein anderer Aspekt 33 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 114. 34 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 116; BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 112. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 61. 35 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 116; BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 112. 36 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 118. Dies übernimmt BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 62; kritisch dazu Hennrichs, FR 2010, 721, 723 („schlicht falsch“). 37 BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 62; BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 113 f. 38 Schall, NZG 2021, 494, 495. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 12 der auch nach dem MoPeG fortbestehenden Unterscheidung zwischen Kapital- und Personengesellschaften könne den Dualismus mehr rechtfertigen.39 Vielmehr lasse sich die unterschiedliche Besteuerung von Kapital- und Personengesellschaften nur rechtfertigen, wenn nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung weiterhin nicht die Personengesellschaft, sondern die Gesellschafter Inhaber des Unternehmens seien.40 Diese Schlussfolgerung lässt sich jedoch aus der Rechtsprechung des BVerfG nicht ableiten, auch nicht aus den oben zitierten Entscheidungen. Zwar stellt das BVerfG als einfachrechtlichen Anknüpfungspunkt auf das Gesamthandprinzip ab. Es würde die Entscheidungen des BVerfG jedoch verkürzen, wenn man daraus ableiten wollte, das Gesamthandprinzip sei der einzige denkbare Grund für den Dualismus der Unternehmensbesteuerung. Die Entscheidungen sind vielmehr so zu verstehen, dass die grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen Kapital- und Personengesellschaften und insbesondere die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaften die einfachrechtliche Ausprägung der eigenständigen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaften und damit der sachliche Grund für unterschiedliche steuerliche Belastungen sind. Das wird aus den Entscheidungen des BVerfG auch deutlich, indem es insbesondere auf die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft41 und ihre Ausgestaltung als juristische Person42 abstellt. So führt das BVerfG aus: „Bei einer solchen eher formellen, rechtsformorientierten Sicht tritt eine Kapitalgesellschaft in den Vordergrund, die rechtlich selbstständig ist und als juristische Person losgelöst von den dahinter stehenden Personen arbeitet.“43 Damit nimmt das BVerfG Bezug auf wesentliche Strukturmerkmale der Kapitalgesellschaft, nämlich ihre rechtliche Selbständigkeit, ihre Eigenschaft als juristische Person und ihre Trennung von den Anteilseignern. Weiter nimmt das BVerfG ausdrücklich auch auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Haftung in Personen- und Kapitalgesellschaften Bezug. „Mit dem eigenständigen steuerlichen Zugriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nimmt das Steuerrecht die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, die das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft von dem Vermögen ihrer Gesellschafter trennt und zugleich die Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt 39 Schall, Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), Seite 2 (https://www.bundestag.de/resource /blob/835886/6246f8d74d9248b16752cf19678ba648/stellungnahme-schall-data.pdf). 40 So Schall, Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), Seite 3 (https://www.bundestag.de/resource /blob/835886/6246f8d74d9248b16752cf19678ba648/stellungnahme-schall-data.pdf). 41 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 116; BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 61. 42 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 116. 43 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 116. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 13 (§ 1 AktG, § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG). Bei der Personengesellschaft ordnet dagegen das Zivilrecht – ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft (§ 124 HGB, § 161 Abs. 2 HGB) – das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern als gemeinschaftliches Vermögen zu (§ 718 Abs. 1 BGB iVm § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB); die Gesellschafter haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich persönlich auch mit ihrem sonstigen Vermögen (§ 128, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 HGB).“44 (Hervorhebungen nur hier) Auch die Haftungsverhältnisse bei den Personengesellschaften können zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung mit herangezogen werden.45 Gerade die unbeschränkte persönliche Außenhaftung der Gesellschafter sei für diese Gesellschaftsform konstitutiv (zum Beispiel nach § 128 HBG), die Verluste seien daher auch steuerlich den Gesellschaftern unmittelbar zuzurechnen und dies rechtfertige eine steuerrechtliche Differenzierung nach der Rechtsform.46 Zusammenfassend spricht das BVerfG auch von einer „stärkere(n) Abschirmung“ der Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern.47 Daraus wird deutlich, dass das BVerfG die einfachrechtliche Lage bei den Kapitalgesellschaften einerseits und den Personengesellschaften andererseits im Hinblick auf die Vermögenssphäre nicht als direkten Gegensatz, sondern als relative Abstufung ansieht. Die Abschaffung der Gesamthand durch das MoPeG lässt sich zwanglos in diese relative Betrachtung einordnen. Sie mag zu einer gewissen Verstärkung der Abschirmung und damit auch zu einer Annäherung der Personengesellschaften an die Kapitalgesellschaften führen, ohne allerdings den grundlegenden Unterschied zwischen den Rechtsformen zu beseitigen (siehe dazu nachfolgend 4.3). Überdies hat das BVerfG stets ausgeführt, dass die fehlende Abschirmung des Vermögens bei den Personengesellschaften im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften „einen“ sachlichen (Differenzierungs -)Grund48 darstellt. Dies schließt – der Systematik der Gleichheitsprüfung folgend (dazu 4.1.) – nicht aus, dass auch andere sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung bestehen. „Die das deutsche Steuerrecht traditionell prägende Annahme, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft eine eigenständige, objektive Leistungsfähigkeit 44 BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 113. 45 Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 7; Drüen, GmbHR 2008, 393, 398. A.A. dagegen Schall, Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), Seite 2 (https://www.bundestag.de/resource /blob/835886/6246f8d74d9248b16752cf19678ba648/stellungnahme-schall-data.pdf) und Schall, NZG 2021, 494, 496 f. (die unbeschränkte persönliche Haftung sei „nicht mehr selbstverständlicher Grundsatz, sondern zur begründungsbedürftigen Ausnahme mutiert“). 46 So bereits Drüen, GmbHR 2008, 393, 398; kritisch zur Berücksichtigung der Haftung Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 13.175. 47 BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 114. 48 BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 112; BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 117 f.; BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 62. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 14 entsteht, nicht jedoch bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, bildet ein mögliches Differenzierungskriterium, das mit dem Belastungsgrund wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch Vermehrung des Betriebsvermögens vereinbar ist und das den Gesetzgeber zwar nicht zwingt, bei Ertrags- bzw. Einkommensbesteuerung anhand der Rechtsform zu unterscheiden , es ihm aber auch nicht grundsätzlich verbietet.“49 (Hervorhebung nur hier) Die Rechtsprechung des BVerfG, die zur Rechtfertigung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung auf das Gesamthandprinzip Bezug genommen hat, zwingt trotz der Abschaffung des Gesamthandprinzips durch das MoPeG nicht zu einer veränderten verfassungsrechtlichen Bewertung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung.50 4.3. Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften auch nach dem MoPeG als sachlicher Grund 4.3.1. Kein zwingendes Gebot rechtsformneutraler Besteuerung Die rechtlichen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften – und nicht nur das Gesamthandprinzip – können also nach der Rechtsprechung des BVerfG ein sachlicher Grund für ihre unterschiedliche steuerliche Behandlung sein (dazu 4.2.2.). Das Gebot rechtsformneutraler Besteuerung ist kein von Verfassungs wegen zwingendes Verbot rechtsformabhängiger Besteuerungsfolgen , sondern fügt sich als ein Gebot rechtsformgerechter Besteuerung ohne Weiteres in die Gleichheitsprüfung des Art. 3 Abs. 1 GG ein, wonach für Belastungsunterschiede (nach der Rechtsform) rechtfertigende sachliche Gründe vorliegen müssen.51 Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.52 Willkür des Gesetzgebers kann nicht schon dann bejaht werden, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt.53 49 BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 120. 50 So im Ergebnis auch Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 6 f. mit dem Hinweis, das Gesamthandprinzip sei „schon bisher nicht die eigentliche ratio decidendi“ des BVerfG gewesen, sondern eine „vergleichsweise einfache und knappe Art, das gewünschte Ergebnis zu begründen “; ob die Rechtfertigung gelingt, lässt der Arbeitskreis offen. Zur Entscheidung des BVerfG aus 2006 hat Drüen, GmbHR 2008, 393, 398 f. bereits ausgeführt, die Begründung des BVerfG sei „kursorisch“. 51 Die Forderungen nach Abschaffung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung unter Bezug auf das Gebot der Rechtsformneutralität (siehe Hennrichs, FR 2010, 721, 731) erweisen sich daher als rechtspolitische Forderung de lege ferenda; zu Vorschlägen siehe Hennrichs in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 13.177 ff. 52 So BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 101. Fiskalische Gründe sind dabei nicht anzuerkennen, BVerfG, a.a.O. Rn. 104; BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 74. 53 Dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d.h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand, so BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 101. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 15 Vor wie nach der Reform durch das MoPeG bestehen erhebliche rechtliche Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften (dazu nachfolgend 4.3.3.), ohne dass der Wegfall des Gesamthandprinzips entscheidend ins Gewicht fällt (dazu nachfolgend 4.3.2.). 4.3.2. Wegfall des Gesamthandprinzips nicht erheblich Das BVerfG hat anerkannt, dass ein verfassungsrechtlich tragfähiger sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften in der rechtlich (nicht: wirtschaftlich-faktisch) unterschiedlichen Leistungsfähigkeit liegt und dies u.a. mit dem Gesamthandprinzip (§ 718 BGB) begründet (dazu 4.2.2.). Hält man eine gesetzlich angeordnete Berechtigung der Gesellschafter in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen für entscheidend und erforderlich, wird die Rechtfertigung zweifelhaft. Denn die nach dem MoPeG verbleibenden Charakteristika einer Personengesellschaft führen nicht zu einer formalen Zurechnung des Gesellschaftsvermögens zu den Gesellschaftern. So führt die persönliche Haftung der Gesellschafter rechtstechnisch lediglich zu einer Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Rechtssubjekts, nicht aber zur Zurechnung dessen Vermögens.54 Ohne das Gesamthandprinzip werden die Vermögensmassen von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht mehr in derselben Weise formal miteinander verbunden.55 Gegen eine entscheidende Relevanz dieses Prinzips spricht indes, dass es in materieller Hinsicht bereits durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften an Substanz verloren hat.56 Die Rechtsfähigkeit wurde für die Personenhandelsgesellschaften (§ 124 Abs. 1 HGB) und Partnerschaftsgesellschaften (§ 7 Abs. 2 PartGG) gesetzlich festgelegt und für die GbR im Jahr 2001 durch die Rechtsprechung57 manifestiert. Zwar galten § 718 BGB und das Gesamthandsprinzip trotz dieser Entscheidung fort.58 Indes führt die Rechtsfähigkeit dazu, dass die Personengesellschaft selbst Trägerin der in ihrem Namen erworbenen Rechte und Pflichten ist. Ihr Vermögen besteht aber gerade aus diesen Rechten und Pflichten59 und ist somit als Konsequenz der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zugewiesen. Die formal fortbestehende (zusätzliche) Zurechnung des Vermögens zu den Gesellschaftern aufgrund von § 718 BGB bisheriger Fassung ist damit inhaltlich weitgehend substanzlos geworden. Mit dem Verzicht auf das Gesamthandprinzip sind keine praktischen Konsequenzen verbunden; er zwingt auch nicht dazu, die Unterscheidung zwischen 54 Schall, NZG 2021, 494 ff. 55 Schall, Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), Seite 2 f. (https://www.bundestag.de/resource /blob/835886/6246f8d74d9248b16752cf19678ba648/stellungnahme-schall-data.pdf). 56 So auch Otte als Sachverständiger in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 21. April 2021. 57 BGH, Urteil vom 29.1.2001, II ZR 331/00, NJW 2001, 1056. 58 Heinze, DStR 2020, 2107 (2110) verweist darauf, das Gesamthandprinzip sei durch die Rechtsfähigkeit „ins Wanken geraten“, aber bis heute geltendes Recht. 59 Vgl. zur GbR Schöne in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 57. Ed. (1.11.2020), § 718 Rn. 4 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 16 Personengesellschaften und den juristischen Personen einzuebnen.60 Fortbestand oder Abschaffung des Gesamthandprinzips können daher für die verfassungsrechtliche Beurteilung des sachlichen Grunds nicht entscheidend sein.61 4.3.3. Substanzielle Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften auch nach dem MoPeG Zudem bestehen auch nach formeller Abschaffung der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens substanzielle Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften, die sich unter anderem auf die Verbindung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen beziehen .62 In seiner Entscheidung von 2017 fasste das BVerfG die persönliche Haftung der Gesellschafter als entscheidenden Umstand auf (siehe 4.2.2.).63 Als ein Kennzeichen der Personengesellschaften sieht dieser Grundsatz vor, dass die Gesellschafter unmittelbar, primär und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften.64 Diese Haftung stellt für die Personengesellschaften den Schutz der Gesellschaftsgläubiger sicher, der im Falle der Kapitalgesellschaften durch das vorgeschriebene Eigenkapital der Gesellschaft garantiert wird, sodass eine persönliche Haftung nicht vorgesehen ist.65 Bereits an diesem Unterschied zeigt sich die konzeptionell engere Verbindung der persönlich haftenden Personengesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen und – spiegelbildlich – die geringere Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen: Das Vermögen der Gesellschafter sichert die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft im Außenverhältnis ab. Die persönliche Haftung wird auch in der Konzeption des MoPeG beibehalten und für die GbR erstmals ausdrücklich angeordnet (§ 721 BGB-E). Das MoPeG ist geprägt durch eine Tendenz zur Haftungsverschärfung, und zwar sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis.66 Die feste Bindung des Gesellschaftsvermögens an den Gesellschafterbestand bei den Personengesellschaften zeigt sich auch am ebenfalls charakteristischen Prinzip der Anwachsung: Bei ersatzlosem Ausscheiden eines Gesellschafters werden die Anteile der übrigen Gesellschafter gleichmäßig um seinen bisherigen Anteil am Gesellschaftsvermögen erhöht (§ 738 Abs. 1 BGB bzw. 60 Bachmann, NZG 2020, 612, 615. 61 Vgl. auch Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 4 f., 6 f. 62 So auch Heckschen als Sachverständiger in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 21. April 2021. 63 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094, Rn. 110, 113. 64 Vgl. Roth in: Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 128 Rn. 1. Bisher ergibt sich dies für die PartG-Gesellschafter aus § 8 Abs. 1 PartGG, für OHG-Gesellschafter und KG-Komplementäre aus § 128 HGB, für die GbR- Gesellschafter aus § 128 HGB analog, Schöne in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 57. Ed. (1.11.2020), § 718 Rn. 15. 65 Steitz in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 128 HGB Rn. 1. 66 Vgl. Bachmann, NZG 2020, 612, 613, 616 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 17 § 712 BGB-E);67 ein gegenteiliger Effekt (sog. Abwachsung) tritt bei Eintritt eines Gesellschafters ein. Kehrseite dieser Verbindung ist die hohe persönliche Gestaltungsmacht, die den (persönlich haftenden) Gesellschaftern in Bezug auf die vermögensbezogenen Tätigkeiten der Gesellschaft zukommt. Diese zeigt sich insbesondere am charakteristischen Prinzip der Selbstorganschaft, das die Geschäftsführung und Vertretung durch die Gesellschafter selbst und damit deren Einfluss sichert.68 4.3.4. Abschließende Bewertung des MoPeG Das MoPeG zielt nicht auf eine inhaltliche Neugestaltung des Personengesellschaftsrechts, sondern eher auf eine Anpassung des geschriebenen an das geltende Recht.69 Auch nach dem MoPeG bleibt die Unterscheidung zwischen juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften erhalten.70 Der Gesetzgeber hält in vielerlei Hinsicht an klassischen Merkmalen der Personengesellschaft fest (Selbstorganschaft, Anwachsungsprinzip, keine Ein-Personen-Personengesellschaft ).71 Die nach dem MoPeG rechtsfähigen Personengesellschaften werden dadurch nicht etwa zu juristischen Personen, sondern bilden nach wie vor eine eigenständige Kategorie an Rechtssubjekten neben den natürlichen Personen und den juristischen Personen.72 4.4. Weitere Gründe für die Rechtfertigung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung Für die Frage der Rechtfertigung des Dualismus der Unternehmensbesteuerung sind – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerfG (dazu 4.2.2) und der fortbestehenden rechtlichen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften (dazu 4.3.) – auch noch die folgenden Aspekte zu berücksichtigen, die dagegen sprechen, dass eine Änderung eines Strukturmerkmals der Personengesellschaften (dazu 4.3.2.) zur Verfassungswidrigkeit des Dualismus der Unternehmensbesteuerung führt. 4.4.1. Anerkennung des Dualismus durch das Grundgesetz Seit 1920 ist die Besteuerung der juristischen Personen durch ein eigenes Gesetz – das Körperschaftsteuergesetz – geregelt und vom Einkommensteuergesetz getrennt.73 Das Grundgesetz führt die Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer als zwei getrennte Steuern in Art. 106 Abs. 3 67 Sauter, in: Prinz/Kahle, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 5. Aufl. 2020, § 10 Rn. 201 f. 68 Schäfer in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 709 Rn. 5. 69 Vgl. Bachmann, NZG 2020, 612. 70 Fleischer DStR 2021, 430, 433; Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 4. 71 Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 4.; siehe auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R 196, R 197. 72 Vgl. Bachmann, NZG 2020, 612; siehe auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R 196, R 197. 73 Dazu Drüen, GmbHR 2008, 393; Birk, StuW 2000, 328, 333. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 18 Satz 1 GG auf. Von Verfassungs wegen ist damit die Existenz einer eigenständigen und von ihren Anteilseignern getrennten Besteuerung der Körperschaften als zulässig anerkannt.74 Dies dürfte eine Körperschaftsteuer, die auf dem klassischen System beruht, einbeziehen. Das Grundgesetz erkennt damit den Dualismus des Unternehmensteuerrechts ausdrücklich an. 4.4.2. Weiter Spielraum und Typisierungsbefugnisse für den Gesetzgeber Bei der Beurteilung des sachlichen Grundes für die unterschiedliche Besteuerung der Rechtsformen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber prinzipiell frei ist, Besteuerung zu etablieren und zu gestalten. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (siehe 4.1.). Solche Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen , die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen; die Entscheidung des Gesetzgebers ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruht.75 Bei der Ausfüllung dieses Spielraums darf der Gesetzgeber auch gewisse Typisierungen zugrunde legen. Typisierung im Sinne einer normativen Zusammenfassung von im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalten ist vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht zu beanstanden ; dies gilt insbesondere in Massensachverhalten.76 Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken daher auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an.77 Dabei darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.78 Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften nicht an das auch nach Erlass des MoPeG konzeptionell unterschiedliche Verhältnis der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen knüpfen dürfte. 4.4.3. Vergleichbare steuerliche Belastungen Schließlich sind auch die Grenzen der Unterschiede in der tatsächlichen Belastung der Kapitalund Personengesellschaften aufgrund ihrer unterschiedlichen Steuerregime zu beachten: Abgesehen vom Fall der Gewinnthesaurierung bestehen im Ergebnis zumindest vergleichbare Belastungen im Rahmen der Ertragsbesteuerung. So werden ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften und Gewinne von Personengesellschaften unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer 74 Siehe Drüen, GmbHR 2008, 393, 399. 75 So BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 102. 76 Kischel in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 122 f. 77 BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 52. 78 BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094 Rn. 107; BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 Rn. 52, 82; BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, DStRE 2006, 988 Rn. 76. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/21 Seite 19 (bzw. ihrer Anrechenbarkeit) und des Teileinkünfteverfahrens annähernd gleich hoch besteuert, wenn eine natürliche Person als Personengesellschafter bzw. Anteilseigner den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer zu zahlen hat. Für den Fall der Gewinnthesaurierung bestehen derweil bereits Abmilderungsmechanismen wie § 34a EStG, zu welchen künftig auch die Option nach § 1a KStG-E (dazu 3.) treten soll.79 4.4.4. Rechtsformwahl Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Wahl der Rechtsform den Unternehmen grundsätzlich freisteht.80 Im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG dürfte der an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung anzulegende Maßstab nicht allzu hoch sein, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG die Hürden für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung niedriger sind, wenn die Steuerpflichtigen sich auf die Auswirkungen einstellen und durch Gestaltungen ausweichen können , wie durch Wahl einer anderen Rechtsform unter Nutzung der Möglichkeiten des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuergesetzes.81 Diese Entscheidungsmacht wird durch die Möglichkeit des Rechtsformwechsels für bestehende Gesellschaften noch verstärkt, eine Möglichkeit , die das MoPeG erstmals auch für die GbR einräumen soll (§ 214 UmwG-E). 5. Zusammenfassung Durch das MoPeG wird zwar das Gesamthandprinzip für die Personengesellschaften abgeschafft. Grundlegende strukturelle Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften bleiben jedoch erhalten. Die Unterschiede stellen einen sachlichen Grund dar, der eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften im Rahmen des Dualismus des Unternehmensteuerrechts rechtfertigt. Auch wenn das BVerfG zur Rechtfertigung bisher u.a. auf das Gesamthandprinzip Bezug genommen hat, kann die Rechtsprechung des BVerfG nicht so verstanden werden, dass mit dem Wegfall des Gesamthandprinzips die verfassungsrechtliche Rechtfertigung entfällt. * * * 79 Zur Benachteiligung bei Gewinnthesaurierung und der Abmilderung durch § 34a EStG vgl. Wacker in: Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 34a Rn. 3. 80 Drüen, GmbHR 2008, 393, 400. 81 Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu Heft 2, Seite 3, 7; Drüen, GmbHR 2008, 393, 398, 400 (die Prüfungsintensität ist entsprechend geringer); Birk, StuW 2000, 328, 335; a.A. Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 13.178.