© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 051/16 Fragen zur Rechtsprechung zum Erbschaftsteuerrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/16 Seite 2 Fragen zur Rechtsprechung zum Erbschaftsteuerrecht Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 051/16 Abschluss der Arbeit: 20. April 2016 Fachbereich: WD 4 – Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Klageverfahren gegen das geltende Erbschaftsteuerrecht 4 3. Sondervotum 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/16 Seite 4 1. Fragestellung Angefragt ist eine kurzfristige, als Annotation ausreichende Darstellung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Dezember 2014 zum Erbschaftsteuerrecht. Im einzelnen soll folgenden Fragen nachgegangen werden: Wie oft ist „Klage gegen das aktuell geltende Erbschaftsteuergesetz“ erhoben worden? Was sagt das Sondervotum zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 in aller Kürze? Was wird in Hinblick auf den Gleichheitssatz des Grundgesetzes und das Sozialstaatsprinzip beanstandet? 2. Klageverfahren gegen das geltende Erbschaftsteuerrecht Mit seinem Urteil vom 17. Dezember 20141 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erstmals zu dem seit 2009 insbesondere in Bezug auf die Bewertungsverfahren und die Privilegierung beim Übergang betrieblicher Vermögen veränderten Erbschaftsteuerrecht Stellung genommen. Insbesondere die seit 2009 geänderte Verschonungsregelung hatte in Rechtsprechung und steuerrechtlicher Literatur Kritik hervorgerufen, der sich der Bundesfinanzhof (BFH) relativ rasch anschloss . In seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG sah der BFH in der erbschaftsteuerlichen Behandlung von Unternehmensvermögen eine Überprivilegierung, die nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sei. Das BVerfG hat sich daher auf der Grundlage eines Vorlagebeschlusses des BFH geäußert, dem ein vor dem BFH geführtes Revisionsverfahren und die Klage eines Miterben zugrunde lag. Zur Zahl der weiteren dem BFH vorliegenden Klageverfahren zum Erbschaftsteuerrecht gibt der Jahresbericht 2015 des Gerichts nur begrenzt Auskunft. Danach waren beim BFH im vergangenen Jahr 56 Revisionsverfahren zur Erbschaft- und Schenkungsteuer anhängig. Hinzu traten 49 anhängige Nichtzulassungsbeschwerden auf diesem Rechtsgebiet. Eine weitere Differenzierung ist den gerichtlichen Angaben nicht zu entnehmen.2 Die Mehrzahl der Verfahren wird ohnehin auf der Ebene der Finanzgerichte geführt. In welcher Zahl finanzgerichtliche Klagen gegen das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in den vergangenen Jahren erhoben und geführt worden sind, ließ sich in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermitteln. 1 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, http://www.bundesverfassungsgericht .de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/12/ls20141217_1bvl002112.html (abgerufen 19.04.2016). 2 http://www.bundesfinanzhof.de/service/publikationen (abgerufen am 19.04.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 051/16 Seite 5 3. Sondervotum Das Urteil des Ersten Senats des BVerfG ist im Ergebnis und in der Begründung einstimmig ergangen . Davon unberührt bleibt das zu der Entscheidung von zwei Richtern und einer Richterin abgegebene Sondervotum, das nachfolgend in seinen wesentlichen Aspekten des Sozialstaatsprinzips und des Gleichheitssatzes wiedergeben wird. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme haben die Richter Gaier und Masing sowie die Richterin Baer darauf hingewiesen, dass der Entscheidung zugestimmt werde. Die Richter seien aber der Ansicht, dass zur Begründung ein weiteres Element gehöre: das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Das Sozialstaatsprinzip mache die Gerechtigkeitsdimension der Entscheidung erst voll sichtbar. Die Erbschaftsteuer diene nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern sei zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliere und dort aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwachse. Die Schaffung eines Ausgleichs zu der sich sonst verfestigenden Ungleichheit liege in der Verantwortung der Politik, nicht aber in ihrem Belieben. Die Verfassung belasse – wie bei der Gleichheitsprüfung - dem Gesetzgeber dabei einen weiten Spielraum. Aufgrund seiner Bindung an Art. 20 Abs. 1 GG sei er jedoch besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, je mehr von dieser Belastung jene ausgenommen werden, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger seien als andere. Die in der Entscheidung entwickelten Maßgaben trügen dazu bei, dass Verschonungsregelungen nicht zur Anhäufung und Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger führten. - Ende der Bearbeitung -