© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 050/16 Höhe der Umsatzsteuerausfälle durch Manipulationen an Registrierkassen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 050/16 Seite 2 Höhe der Umsatzsteuerausfälle durch Manipulationen an Registrierkassen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 050/16 Abschluss der Arbeit: 22. April 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 050/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Schätzung des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums 4 3. Aussagen aus neuerer Zeit zur Frage der Steuerausfälle durch Kassenmanipulationen 4 4. Verteilung der wichtigsten Steuern 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 050/16 Seite 4 1. Fragestellung Seit längerem arbeitet das Bundesministerium der Finanzen gemeinsam mit den Ländern an Konzepten zur Bekämpfung von Manipulationen von Buchführungs- und Kassendaten. Presseberichten zufolge entgehen Bund und Ländern dadurch aktuell jährlich mehrere Milliarden Euro durch Umsatzsteuer-Betrug an den Registrierkassen. Frage: Lassen sich die entgangenen Steuereinnahmen abschätzen bzw. beziffern? Wie verteilen sie sich auf Bund und Länder? 2. Schätzung des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums Die einzige Schätzung mit einer Bezifferung von Umsatz- und Ertragsteuerausfällen stammt vom Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Juli 2014. In einer Vorlage an den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen1 kommt das Ministerium zu dem Schluss, dass bis zu 10 Mrd. Euro bundesweiter Umsatz- und Ertragsteuerausfälle aus Kassenmanipulationen „absolut realistisch“ seien. Dabei entstünden die Steuerausfälle zum einem im Hotel- und Gastronomiegewerbe. Der Schätzung zugrunde liegt ein Bericht in einer OECD-Studie, der davon ausgeht, dass allein in Restaurants und allein für die Provinz Quebec in Kanada mit ca. 8 Mio. Einwohnern Umsätze in einem Volumen von 1,3 Mrd. US-Dollar verkürzt worden seien. 25 Prozent der erzielten Umsätze in dieser Branche seien nicht ordnungsgemäß erklärt. Rechne man dieses verkürzte Umsatzvolumen auf die Einwohnerzahl Deutschlands hoch, ergebe sich allein für das Gastronomie- und Hotelgewerbe ein „mögliches Hinterziehungsvolumen von Umsatz- und Ertragsteuern von über 6 Mrd. Euro jährlich.“ Zum anderem existierten neben der Gastronomiebranche nach Erfahrungen und Auswertungen der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung weitere rund 200 Branchen mit hohem Bargeldumsatz , davon 50 mit hohem Risiko. Die Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes weise für diese 50 Branchen für 2012 Umsätze von über 200 Mrd. Euro pro Jahr aus. Für die weitere Berechnung habe das Finanzministerium die Praxis der Betriebsprüfung übernommen und nur die Reingewinnaufschlagsätze der Betriebsprüfung für die entsprechenden Branchen mit einer Spannbreite zwischen 4 Prozent und 24 Prozent zugrunde gelegt. Ferner sei bei der Schätzung zur Umsatzsteuer berücksichtigt worden, dass Betrüger oft keine Vorsteuer auf der Einkaufsseite abzögen und dass bei den betroffenen Branchen häufig nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz zum Tragen komme. Ausgehend von diesen systematischen Überlegungen ergebe sich außerhalb der Gastronomie ein vorsichtig geschätzter zusätzlicher Steuerausfall durch Kassenmanipulation von etwa 4 Mrd. Euro jährlich bundesweit. 3. Aussagen aus neuerer Zeit zur Frage der Steuerausfälle durch Kassenmanipulationen 1 Vorlage an den Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen: Höhe des durch Manipulation an Registrierkassen entstandener Schadens, Vorlage 16/2057, unter: https://www.landtag.nrw.de/portal /WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-2057.pdf, abgerufen am 20. April 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 050/16 Seite 5 2 In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27. Oktober 20153 erläuterte die Bundesregierung den Versuch, die Schätzungen von Nordrhein-Westfalen anhand der genannten Quellen nachzuvollziehen. Wie in ihren bisherigen Äußerungen wies sie darauf hin, dass die Höhe der Steuerausfälle nicht ermittelt werden könne, da es an belastbaren Grundlagen für derartige Berechnungen fehle. Die Bundesregierung zitiert aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Landesregierung Baden-Württemberg (Landtagsdrucksache 15/7359) vom 8. September 2015. Danach könne eine Einschätzung zum Umfang der Steuermindereinnahmen , die auf nachträgliche Erlösverkürzung oder auf „Neben-der-Kasse-Geschäfte“ zurückzuführen seien, nicht gegeben werden, da es hierzu im Rahmen von Betriebsprüfungen keine statistische Erfassung gebe. Am 17. Februar 2016 führte der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages im Rahmen seiner 70. Sitzung ein nicht öffentliches Fachgespräch mit dem Titel „Steuerhinterziehung durch Kassenmanipulation “ durch.4 2 3 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schaden durch Betrug mit manipulierten Kassensystemen und mögliche Einführung der INSIKA-Lösung zur Betrugssicherung, Bundestags-Drucksache 18/6841. 4 5 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 050/16 Seite 6 7 Am 17. März 2016 veranstaltete das Bundesministerium der Finanzen ein Pressehintergrundgespräch zum Thema: „Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug an Registrierkassen“.8 Der Tenor der Berichterstattung in den überregionalen Tageszeitungen9 lautete, dass das Bundesministerium der Finanzen die Schätzung der Steuerausfälle des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums zurückweise, aber Probleme einräume und Handlungsbedarf sehe. Nach Aussage der Süddeutschen Zeitung habe das Bundesministerium der Finanzen auf Nachfrage eingeräumt, selbst über keine seriöse Erhebung der Steuerausfälle zu verfügen.10 Das Bundesministerium der Finanzen der Finanzen veröffentlichte am 18. März 2016 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen . Im Referentenentwurf heißt es unter „D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand“: „Die Regelungen schränken in einem merklichen Umfang Missbrauchsmöglichkeiten ein. Dies wird zur Sicherung des Steueraufkommens beitragen.“11 4. Verteilung der wichtigsten Steuern Art. 106 Grundgesetz (GG) regelt die Verteilung des Steueraufkommens. Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht nach Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Abs. 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Abs. 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Die Gewerbesteuer steht nach Abs. 6 den Gemeinden zu. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch das Finanzausgleichsgesetz (FAG) festgesetzt. Gemäß den vorläufigen beziehungsweise endgültigen Abrechnungen des Finanzausgleichs ergab sich im Jahr 2013 ein Länderanteil an der Umsatzsteuer in Höhe von 44,62 Prozent. Für 2014 betrug der Anteil 44,54 Prozent, für 2015 45,51 Prozent .12 - Ende der Bearbeitung - 7 8 Terminbekanntgabe unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Termine/Termine_Staatssekretaere /2016-03-17-geismann-pressehintergrund.html, abgerufen am 20. April 2016. 9 Unter anderem Die Welt, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine, Stuttgarter Zeitung, Der Tagesspiegel Berlin. 10 Gammelin, Cerstin: Umgebucht, Süddeutsche Zeitung vom 18. März 2016. 11 Referentenentwurf: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Referentenentwuerfe/2016-03-18- KassenG-und-technische-VO-Kassen.html, abgerufen am 20. April 2016. 12 Bundesministerium der Finanzen: Daten zum Länderfinanzausgleich – vorläufige und endgültige Abrechnungen , unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Foederale_Finanzbeziehungen /Laenderfinanzausgleich/laenderfinanzausgleich.html, abgerufen am 22. April 2016.