© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 048/18 Regulierung des Tabakmarktes durch Steuern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 2 Regulierung des Tabakmarktes durch Steuern Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 048/18 Abschluss der Arbeit: 16. März 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragen 4 2. Einführung 4 3. Wesentlicher Inhalt der EU-Richtlinie 2011/64/EU 5 4. Besteuerung von E-Zigaretten 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 4 1. Fragen Welche Richtlinien sind auf EU-Ebene zur Regulierung des Tabakmarktes durch Steuern in Kraft? Was sind die konkreten Inhalte der Richtlinien? Wie wurden die Richtlinien in Deutschland umgesetzt ? Welche Diskussionen auf EU-Ebene gibt es aktuell zur Regulierung von E-Zigaretten und ähnlicher Produkte? 2. Einführung Die Tabaksteuer ist eine seit 1993 in der EU harmonisierte Verbrauchsteuer. Das bedeutet, dass die Regelungen im Tabaksteuergesetz (TabStG) auf der Umsetzung gemeinsamer EU-Richtlinien basieren. Mit dem TabStG sind die Begriffsbestimmungen für Tabakwaren gemeinschaftlich geregelt und umgesetzt worden. In allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat die Tabaksteuer eine erhebliche wirtschaftliche und fiskalische Bedeutung. Die Harmonisierung der Tabaksteuer in der Europäischen Union wurde bereits 1972 eingeleitet und 1993 mit der Verwirklichung des Binnenmarktes 1993 fortgesetzt. Im Folgenden werden die für die Tabaksteuer maßgebenden Richtlinien chronologisch dargestellt: 72/464/EWG - RL DES RATES vom 19. Dezember 1972 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer 79/32/EWG - ZWEITE RL DES RATES vom 18. Dezember 1978 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer RL 92/78/EWG – DES RATES vom 19. Oktober 1992 zur Änderung der Richtlinien 72/464/EWG und 79/32/EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer RL 92/79/EWG DES RATES vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten RL 92/80/EWG DES RATES vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten RL 95/59/EG DES RATES vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer RL 2002/10/EG DES RATES vom 12. Februar 2002 zur Änderung der Richtlinie 92/79/EWG, der Richtlinie 92/80/EWG und der Richtlinie 95/59/EG hinsichtlich der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren RL 2008/118/EG DES RATES vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG RL 2010/12/EU DES RATES vom 16. Februar 2010 zur Änderung der Richtlinie 92/79/EWG, der Richtlinie 92/80/EWG und der Richtlinie 95/59/EG hinsichtlich der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren sowie der Richtlinie 2008/118/EG RL 2011/64/EU DES RATES vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 5 3. Wesentlicher Inhalt der EU-Richtlinie 2011/64/EU Dem Folgenden wird die EU-Richtlinie 2011/64/EU vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuer auf Tabakwaren1 zugrundgelegt. Bei dieser Richtlinie handelt es sich um einen konsolidierten Text, der die zahlreichen Änderungen der verschiedenen Richtlinien berücksichtigt und in einem Rechtsakt zusammenfasst. Nach Erwägungsgrund 2 der Richtlinie sollen die Steuervorschriften der Union für Tabakwaren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleisten. Laut Erwägungsgrund 15 bestehen insbesondere für Zigaretten, der bei weitem wichtigsten Kategorie von Tabakwaren, sowie für Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten hinsichtlich Preisen und Höhe der Verbrauchsteuer zwischen den Mitgliedstaaten erheblich Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen können. Gegenstand der Richtlinie ist deshalb die Bestimmung allgemeiner Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern für Tabakwaren in den Mitgliedstaaten. Die Richtlinie gliedert sich in sechs Kapitel. Kapitel 1 enthält den Gegenstand der Richtlinie (siehe oben), Kapitel 6 Schlussbestimmungen. Kapitel 2 kategorisiert Tabakwaren in – Zigaretten; – Zigarren und Zigarillos; – Rauchtabak und diesen wiederum in – Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten und – anderen Rauchtabak und definiert diese. Deutschland und Ungarn durften befristet bis zum 31. Dezember 2014 abweichende Definitionen für Zigarren und Zigarillos verwenden, um eventuelle wirtschaftliche Probleme der Wirtschaftsbeteiligten zu vermeiden. Kapitel 3 der Richtlinie beinhaltet alle Vorschriften für Zigaretten. Danach unterliegen Zigaretten in jedem Mitgliedstaat einer Ad-Valorem-Verbrauchsteuer plus einer pro Zigarette berechneten spezifischen Verbrauchsteuer. – Die Ad-Valorem-Verbrauchsteuer richtet sich nach dem Kleinverkaufshöchstpreis. – Die spezifische Verbrauchsteuer richtet sich nach dem gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis und darf nur zwischen 7,5 Prozent und 76,5 Prozent zur Gesamtsteuerlast betragen. 1 Amtsblatt der Europäischen Union L 176/24 vom 5. Juli 2011. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 6 Auf Zigaretten muss eine Mindeststeuer erhoben werden. Die globale Verbrauchsteuer (spezifische Verbrauchsteuer und Ad-Valorem-Verbrauchsteuer ohne Mehrwertsteuer) entspricht mindestens 60 Prozent des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises. Sie beträgt unabhängig vom gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis mindestens 90 Euro je 1.000 Zigaretten. Die Steuer auf Zigaretten beträgt in Deutschland 9,82 Cent je Stück und 21,69 Prozent des Kleinverkaufspreises. Sie beträgt mindestens jedoch einen Betrag, der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung (Tabaksteuer und Umsatzsteuer) auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Zigaretten abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette und mindestens 19,636 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a und Abs. 2 TabStG). Kapitel 4 der Richtlinie beschäftigt sich mit anderen Tabakwaren als Zigaretten. Dazu gehören – Zigarren und Zigarillos, – Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten, – anderer Rauchtabak. Die Mitgliedstaaten wenden eine Verbrauchsteuer an, bei der es sich handeln kann – entweder um eine Ad-Valorem-Verbrauchsteuer oder – um eine spezifische Verbrauchsteuer oder – um eine gemischte Verbrauchsteuer mit einem Ad-Valorem-Anteil und einem spezifischen Anteil. Im Falle der Ad-Valorem-Steuer oder der gemischten Verbrauchsteuer können die Mitgliedstaaten auch einen Mindestbetrag der Verbrauchsteuer festlegen. Auch hier gelten Mindestsätze der globalen Verbrauchsteuer für die verschiedenen Tabakwaren. Der Gesetzgeber in Deutschland hat sich auch bei anderen Tabakwaren für eine gemischte Verbrauchsteuer entschieden. Die Steuer beträgt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 TabStG für – Zigarren und Zigarillos 1,4 Cent pro Stück und 1,47 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens 5,760 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarre oder des zu versteuernden Zigarillos, – Feinschnitt 48,49 Euro je Kilogramm und 14,76 Prozent des Kleinverkaufspreises mindestens jedoch einem Betrag, der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung (Tabaksteuer und Umsatzsteuer) auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Feinschnitt abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts, mindestens jedoch 95,04 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 7 – Pfeifentabak 15,66 Euro je Kilogramm und 13,13 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens 22 Euro je Kilogramm. Kapitel 5 der Richtlinie trägt die Überschrift „Festsetzung des Kleinverkaufshöchstpreises von Tabakwaren, Erhebung der Verbrauchsteuer, Ausnahmen und Erstattungen“. Eine Befreiung von der Verbrauchsteuer kann nach Artikel 17 für folgende Erzeugnisse gewährt werden: – für industrielle Zwecke oder im Gartenbau verwendete denaturierte Tabakwaren; – unter behördlicher Aufsicht vernichtete Tabakwaren; – Tabakwaren, die ausschließlich für wissenschaftliche Untersuchungen sowie für Tests im Zusammenhang mit der Qualität der Erzeugnisse bestimmt sind; – Tabakwaren, die vom Hersteller erneut verarbeitet werden. Im deutschen TabStG enthält § 30 die Steuerbefreiung. Demnach sind befreit – Tabakwaren, die – zu amtlichen Untersuchungen entnommen werden, – zum Prüfen in einem Steuerlager verbraucht werden, – so hergerichtet sind, dass sie nur als Ansichtsmuster verwendet werden können, – unter Steueraufsicht vernichtet oder vergällt werden, – zu gewerblichen Zwecken, außer zum Rauchen und zum Herstellen von Tabakwaren , verwendet werden, – für wissenschaftliche Versuche und Untersuchungen auch außerhalb des Steuerlagers verwendet werden, – im Steuerlager zur Herstellung von Erzeugnissen verwendet werden, die nicht der Tabaksteuer unterliegen. – Tabakwaren oder Tabakwaren gleichgestellte Erzeugnisse, die aus selbst angebautem Rohtabak oder Tabakersatzstoffen hergestellt und für den eigenen Bedarf verwendet werden . – Zigaretten, die aus versteuertem oder steuerfreiem Rauchtabak mit der Hand oder einem einfachen Gerät hergestellt sind, wenn sie nicht entgeltlich abgegeben werden sollen. – Tabakwaren, die der Hersteller, der Tabakwaren zu Handelszwecken herstellt, an seine Arbeitnehmer als Deputat unentgeltlich abgibt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 8 4. Besteuerung von E-Zigaretten Für die Besteuerung von E-Zigaretten gibt es bislang keine EU-weiten Regelungen. In der RL 2011/64/EU2 zur Besteuerung von Tabakwaren fallen E-Zigaretten unter keine Kategorie der verbrauchsteuerpflichtigen Waren. E-Zigaretten unterliegen gegenwärtig nicht der Tabaksteuer. Die Europäische Union verzichtet vorerst noch auf die Besteuerung von E-Zigaretten (Diskussionsstand Januar 2018). Die EU-Kommission spricht sich derzeit gegen einen entsprechenden Gesetzesvorschlag aus. Gründe dafür sind eine zu geringe und unvollständige Datenlage über E-Zigaretten . Es lässt sich gegenwärtig noch nicht abschätzen, wie sich der E-Zigarettenmarkt entwickeln wird. Hinzu kommt, dass noch zu wenig Klarheit über die gesundheitlichen Risiken der E- Zigaretten besteht. Sie sollen weniger gesundheitsschädlich sein, aber ausreichende Erkenntnisse liegen noch nicht vor. Vor diesem gesundheitspolitischen Hintergrund ist nach Auffassung der EU- Kommission bei den E-Zigaretten eine behutsame Herangehensweise und vorsichtige Annäherung an harmonisierte Steuerregeln ratsam. „Die derzeit verfügbaren Daten reichen als Grundlage für einen Vorschlag für einen harmonisierten Ansatz für die Besteuerung von E-Zigaretten nicht aus.“3 Da Steuerangelegenheiten in der EU weitgehend Angelegenheit der einzelnen Staaten sind, können sie selbst Steuern erheben und Steuersätze festlegen. Der EU-Kommission obliegt es dagegen, Vorschläge für die Rahmenbedingungen sowie für Mindeststeuersätze machen. Denen müssten wiederum die Staaten einstimmig zustimmen, damit sie umgesetzt werden können. Derzeit werden E-Zigaretten lediglich in neun EU-Staaten (Italien, Portugal, Rumänien, Slowenien , Lettland, Ungarn, Finnland, Griechenland und Kroatien)4 besteuert. Deutschland lehnte bisher nationale Alleingänge ab. Vor dem Hintergrund, dass die Finanzminister aller EU-Mitgliedsländer die EU-Kommission aufgefordert hatten, bestehende Steuerregeln für Zigaretten und ähnliche Produkte zu überprüfen, soll zunächst das Ergebnis abgewartet werden. Die Kommission regte an zu prüfen, „wie neue Kategorien von Erzeugnissen oder neue Begriffsbestimmungen in die RL 2011/64/EU aufgenommen werden können, um eine angemessene, gleiche steuerliche Behandlung von neuen Erzeugnissen (wie z.B. E-Zigaretten) auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten sowie potentielle Uneinheitlichkeiten und rechtliche Unsicherheit zu beseitigen, womit ein noch einheitlicher Ansatz auf Ebene der EU-Rechtsvorschriften geschaffen würde.“5 Die Kommission will dieses Thema 2019 wieder aufgreifen und frühestens dann die Tabaksteuerrichtlinie ändern. 2 RL 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren 3 Bericht der Kommission an den Rat über die Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren vom 12.01.2018, S. 4 4 Bericht der Kommission an den Rat über die Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren vom 12.01.2018, S. 3 5 Rat der Europäischer Union: Schlussfolgerungen des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren, Pressemitteilung vom 08.03.2016, Pkt. 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 048/18 Seite 9 Die EU hatte von November 2016 bis Februar 2017 eine EU-weite Umfrage zur Neuordnung der Besteuerung von Tabak- und verwandten Produkten (auch E-Dampfprodukte) durchgeführt. Im Ergebnis dieser Untersuchung hatte die Mehrheit der EU-Bürger eine Besteuerung der E-Dampfprodukte abgelehnt. Volker Stendel (Vertreter einer Interessengemeinschaft) ist der Auffassung: „Eine Lenkungssteuer auf ein Produkt einzuführen, das zum einen zur Reduktion des Tabakkonsums beitragen kann, zum anderen aber … zweifelsfrei die bekannten Schäden durch fortgesetzten Tabakkonsum verhindert, widerspricht der Gesundheitsvorsorge, dem sich die EU verpflichtet hat.“6 E-Zigaretten unterliegen in Deutschland nur der Mehrwertsteuer. * * * 6 Vorsitzender der Interessengemeinschaft E-Dampfen e.V., 2017