Das Aufkommen und die Wirkungsweise von Lenkungssteuern und Steuervergünstigungen in Deutschland - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 4 - 048/07 - 2 - Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Das Aufkommen und die Wirkungsweise von Lenkungssteuern und Steuervergünstigungen in Deutschland Ausarbeitung WD 4 - 048/07 Abschluss der Arbeit: 27.03.2007 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung – Lenkungsfunktion in Steuergesetzen 4 2. Lenkungssteuern 5 2.1. Entwicklung der Steuereinnahmen aus den wichtigsten Lenkungssteuern 6 2.2. Wirkung von Lenkungssteuern am Beispiel der Tabak- und der Mineralölsteuer 8 2.2.1. Tabaksteuer 8 2.2.2. Mineralölsteuer 9 3. Steuervergünstigungen 9 3.1. Einkommensteuerrecht 10 3.1.1. Kindergeld als Steuervergünstigung (§ 31 EStG) 10 3.1.2. Ehegattensplitting (§ 26b EStG) 11 3.1.3. Kirchensteuer als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) 11 3.1.4. Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (§ 3b EStG) 12 3.1.5. Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) 12 3.2. Umsatzsteuergesetz 13 - 4 - 1. Einleitung – Lenkungsfunktion in Steuergesetzen Es gibt kaum eine Steuernorm, mit der nicht gestaltend auf die Lebensverhältnisse eingegriffen wird. Jedwede Abgabenerhebung äußert über den Geldentzug hinausgehende Wirkung; die Abgabe provoziert Vermeidungsanstrengungen und hat Preis-, Markt- und Einkommenswirkungen. Das „lenkende“ Steuergesetz ist insoweit also der „Normalfall “1. Steuergesetze können Lenkungsfunktionen auf zwei verschiedene Arten erfüllen. Zum einen können spezielle Steuern eingeführt werden, die nicht nur Einnahmen erzielen, sondern auch ein unerwünschtes Verhalten belasten und damit den Einzelnen „abschrecken “ sollen (so genannte Lenkungssteuern)2, wie dies z.B. bei den Steuern auf alkoholische Getränke der Fall ist. Zum anderen kann der Gesetzgeber seine Ziele dadurch fördern, dass er bestimmte Sachverhalte von der Besteuerung entlastet oder vollständig ausnimmt (Steuervergünstigung), wie z.B. die Erhebung eines reduzierten Umsatzsteuersatzes auf Bücher. Bei den Steuervergünstigungen ist jedoch zu beachten, dass diese teilweise aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährt werden müssen3. Darüber hinaus wird auch nicht jede Steuervergünstigung als Anreiz für ein bestimmtes Verhalten gewährt, sondern soll aus politischen Gründen bestimme Personen oder Sachverhalte begünstigen, z.B. Steuerermäßigungen für alte Menschen4. Zwar ist die Zahl der „klassischen“5 Lenkungssteuern noch überschaubar, die Steuervergünstigungen in den verschiedenen Steuergesetzten sind jedoch so zahlreich, dass sie kaum noch vollständig überblickt werden können. Entsprechend schwierig gestaltet es sich, wenn man alle Lenkungsziele erfassen will, die der Gesetzgeber mit den verschiedenen Steuervergünstigungen verfolgt. 1 vgl. Weber-Grellet „Lenkungssteuern im Rechtssystem“, NJW 2001, 3657. 2 vgl. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, Habilitationsschrift 2003, S. 92. 3 Dies ist zum Beispiel bei der Gewährung von Kindergeld als Steuervergünstigung und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei dem Ehegattensplitting der Fall, vgl. dazu unten Ziff. 3.1.1. und Ziff. 3.1.2.. 4 vgl. Wernsmann, a.a.O., S. 92, der darauf hinweist, dass man nicht schneller alt werden könne, um in den Genuss der Steuerbegünstigung zu kommen, und es sich dabei daher um eine Umverteilungsnorm handelt. 5 Neben den „klassischen“ Lenkungssteuern, bei denen die Lenkung des Verbraucherverhaltens erklärtes gesetzgeberisches Ziel ist, gibt es vereinzelt auch Steuern, die insbesondere aufgrund ihrer Höhe das Verhalten der Steuerpflichtigen lenken, ohne dass dies so vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Diese Steuern bleiben hier unberücksichtigt. - 5 - Die erschöpfende Antwort auf die Frage, ob, und wenn ja, inwieweit die mit den Lenkungssteuern und Steuervergünstigungen verbundenen Zielsetzungen erreicht werden, erscheint darüber hinaus nahezu unmöglich. Zu diesem Thema hat der Bundesrechnungshof in der Kurzfassung seiner „Bemerkungen 2006“6 folgendes festgestellt: „Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass es […] vor allem an einem Konzept für die Abschätzung der Auswirkungen von Steuergesetzen mangelt. […] • Es fehlte an aussagefähigen Zielen in Gesetzesbegründungen, die eine Prüfung ermöglichen, ob die Vorschrift notwendig und angemessen ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. • Es fehlten Aussagen darüber, ob und wann die neue Vorschrift auf ihre Zielerreichung untersucht werden sollte. […] Das Bundesministerium [der Finanzen] sollte daher kurzfristig ein Gesamtkonzept für die Abschätzung von Gesetzfolgen erarbeiten. Auch sollte es die Gesetzesziele so klar bestimmen, dass die Auswirkungen umfassend abgeschätzt und beobachtet werden können .“ Daran, dass sogar der Bundesrechnungshof mit allen ihm zur Verfügung stehenden Informationen nicht feststellen kann, welche Lenkungsziele die einzelnen Steuergesetze haben und ob diese Ziele erreicht werden, wird deutlich, dass dies auch an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Daher werden nachstehend nur die wichtigsten Lenkungssteuern (dazu unten 2.) und Steuervergünstigungen (dazu unten 3.) mit ihren jeweiligen Lenkungszielen dargestellt. 2. Lenkungssteuern Der Begriff der Lenkungssteuern ist gesetzlich nicht definiert. Mit Lenkungssteuern sollen zwar auch Einnahmen für den Staat erzielt werden, in erster Linie kommt es jedoch darauf an, durch die Besteuerung bestimmter Waren und Dienstleistungen das Verhalten der Steuerpflichtigen zu lenken. Das Steuerrecht erhält dadurch zusätzlich eine Verwaltungsfunktion7. Das Problem der Lenkungssteuern besteht darin, dass bei Erfolg der Lenkungswirkung (z.B. Reduzierung des Tabak- oder Alkoholkonsums) die Nachfrage nach den betreffenden Waren und Dienstleistungen zurückgeht, was gleichzeitig ein geringeres Steuer- 6 vgl. Bundesrechnungshof, „Bemerkungen 2006“, Kurzfassung, Ziff. 55, S. 29, Lang- und Kurzfassung abrufbar im Internet unter http://www.bundesrechnungshof.de/aktuelles/bemerkungen-2006. 7 vgl. Weber-Grellert, a.a.O.. - 6 - aufkommen zur Folge hat. Die Lenkungssteuern können daher nur begrenzt die Nachhaltigkeit der Steuereinnahmen des Staates garantieren8. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Nachfrage in Bezug auf die Ware oder Leistung „unelastisch“ ist, das heißt, wenn die Nachfrage auch bei Preissteigerungen gleich bleibt. Bei dem Konsum von Alkohol, Tabak und beim Autofahren wird häufig vermutet, dass eine solche „unelastische “ Nachfrage besteht, so dass Steuererhöhungen keinen oder nur geringen Einfluss auf den Absatz haben können9. Aus diesen Gründen werden in einer Übersicht erst einmal die wichtigsten Lenkungssteuern , ihr wesentlicher Lenkungszweck und die Entwicklung der entsprechenden Steuereinnahmen in den Jahren von 2002 bis 2006 dargestellt (dazu unten 2.1.). Sind die Steuereinnahmen – bei gleichem Steuertarif – gesunken, spricht dies für eine erfolgreiche Lenkungswirkung. Da diese Übersicht jedoch lediglich ein Indikator für den Erfolg der Lenkungssteuer sein kann, wird am Beispiel der Tabaksteuer und der Mineralölsteuer genauer dargestellt, inwieweit das Verhalten der Verbraucher durch die Steuer beeinflusst wird (dazu unten 2.2.). 2.1. Entwicklung der Steuereinnahmen aus den wichtigsten Lenkungssteuern Bei den nachstehend aufgezählten Steuern handelt es sich um die wichtigsten „klassischen “ Lenkungssteuern in Deutschland. Die Lenkungssteuern wurden danach geordnet, ob das Steueraufkommen dem Bund oder den Ländern zusteht10. 8 vgl. Zusammenfassung eines Gutachtens des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts Köln, „Vereinbarkeit von Lenkungsbesteuerung mit der Tragfähigkeit der Finanzpolitik“, Bundesfinanzministerium Monatsbericht 04/2002, S. 67, im Internet abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Service/Downloads/Abt__I/Monatsbericht/116 48__1,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 9 vgl. Wernsmann, a.a.O., S. 104. 10 Die „kleineren“ Lenkungssteuern, deren Aufkommen den Gemeinden zustehen (Hunde- und Vergnügungsteuer ), blieben hier wegen des geringen Aufkommens unbeachtet. - 7 - Aufkommen in Mio. €12 Lenkungszweck 11 Tendenz eher 2002 2003 2004 2005 2006 Bund Branntweinsteuer Gesundheit, Jugendschutz konstant 2.149 2.204 2.194 2.142 2.160 Mineralölsteuer Umweltschutz fallend 42.192 43.188 41.782 40.101 39.916 Schauweinsteuer Gesundheit, Jugendschutz konstant 420 432 436 424 421 Tabaksteuer Gesundheit, Jugendschutz steigend* 13.778 14.049 13.630 14.273 14.387 Länder Biersteuer Gesundheit, Jugendschutz fallend 811 786 787 777 779 Rennwett- und Lotteriesteuer Jugendschutz konstant 1.844 1.861 1.885 1.813 1.775 *Die Tabaksteuer wurde ab 2004 stufenweise erhöht, so dass die Betrachtung des Aufkommens in dem Zeitraum von 2002 – 2006 für die Frage, ob durch die Steuer das Verhalten der Raucher tatsächlich beeinflusst wird (vgl. dazu unten Ziff. 2.2.1.), nur wenig aussagekräftig ist. Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sich also z.B., dass das Steueraufkommen aus der Mineralölsteuer in den letzten fünf Jahren eher zurückgegangen ist. Ob dies allerdings an der Steuer bzw. entsprechenden Steuererhöhungen oder an anderen Gründen (z.B. erhöhtes ökologisches Bewusstsein der Autofahrer oder bessere, weniger Kraftstoff verbrauchende Motoren) liegt, kann aus der Tabelle nicht entnommen werden. Aus der Tabelle ergibt sich somit allenfalls ein Indiz für den Erfolg der Lenkungswirkung. Daher soll nachstehend am Beispiel der Tabak- und der Mineralölsteuer näher betrachtet werden, ob Lenkungssteuern das Verhalten der Steuerpflichtigen beeinflussen können. 11 vgl. Bundesfinanzministerium, Monatsbericht 04/2002, a.a.O., Tabelle S. 71. 12 Steueraufkommen 2002 – 2005 vgl. Übersicht des Bundesfinanzministerium im Internet abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Service/Downloads/Abt__I/0602221a6002,te mplateId=raw,property=publicationFile.pdf; Steueraufkommen 2006, vgl. Übersicht des Bundesfinanzministerium im Internet abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Service/Downloads/Abt__I/0701301a6003,te mplateId=raw,property=publicationFile.pdf - 8 - 2.2. Wirkung von Lenkungssteuern am Beispiel der Tabak- und der Mineralölsteuer Das Finanzwissenschaftliche Institut Köln hat in einem Gutachten13 unter anderem untersucht , welchen Einfluss Steuererhöhungen bei der Tabak- und Mineralölsteuer auf das Verhalten der Raucher bzw. Kraftstoffverbraucher hat. 2.2.1. Tabaksteuer Das Finanzwissenschaftliche Institut hat in diesem Gutachten festgestellt, dass der Zigarettenabsatz in den Jahren von 1972 bis 199914 erheblichen Schwankungen unterworfen war. Die Tabaksteuererhöhungen, insbesondere in den Jahren 1977, 1982 und 1992, waren Ursache für massive Umsatzeinbrüche. Von der Tabaksteuererhöhung 1982 hat sich der Zigarettenabsatz über ca. 10 Jahre bis zum Anfang der 1990iger Jahre, d.h. bis zur Wiedervereinigung15, nicht mehr erholt. Das Finanzwissenschaftliche Institut geht daher davon aus, dass diese Steuererhöhungen einen deutlichen und teilweise lang anhaltenden Lenkungserfolg mit sich brachten16. Auch die (stufenweise) Tabaksteuererhöhung ab dem Jahr 2004 hat nach Auskunft der Bundesregierung zu einer Reduzierung des Zigarettenkonsums geführt. In einer Antwort auf die schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster zum Rückgang des Tabakkonsums führte die Bundesregierung17 aus, dass nach „dem Ergebnis einer Repräsentativbefragung zu „Umsetzung, Akzeptanz und Auswirkungen der Tabaksteuererhöhung vom l. März 2004“ […] knapp 8 Prozent der Raucherinnen und Raucher in Deutschland die Tabaksteuererhöhung zum 1. März 2004 zum Anlass genommen [haben], mit dem Rauchen aufzuhören.“ Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Tabaksteuer – insbesondere nach einer Erhöhung der Steuer – auf das Verhalten der Raucher deutlichen Einfluss nimmt, so dass die angestrebte Lenkungswirkung erreicht wird. 13 vgl. Zusammenfassung des Gutachtens des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts, Fn. 8. 14 vgl. Zusammenfassung eines Gutachtens des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts, Fn. 8, graphische Darstellung „Tabaksteuer auf Zigaretten: Bemessungsgrundlage und Realaufkommen 1972 bis 1999, S. 73. 15 Mit der Wiedervereinigung 1990 haben sich das Steuergebiet und die Anzahl der Raucher in der Bundesrepublik Deutschland erheblich vergrößert, was insgesamt zu einem erhöhten Absatz von Zigaretten geführt hat. 16 Zum ganzen Absatz, vgl. Fn. 8. 17 vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Fragen in der Fragestunde vom 23.02.2005, Frage Nr. 40, Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 15/159. - 9 - 2.2.2. Mineralölsteuer In Bezug auf die Mineralölsteuer hat das Finanzwissenschaftliche Institut Köln18 festgestellt , dass die verschiedenen Steuererhöhungen in den Jahren zwischen 1972 und 1999 nicht zu erheblichen Absatzeinbußen geführt haben. Zwar ging aufgrund der Mineralölsteuererhöhungen in den Jahren 1981, 1985, 1992, 1994 und 1998 die Nachfrage leicht zurück, dies ist jedoch nicht mit den oben für die Tabaksteuer beschriebenen Absatzeinbrüchen zu vergleichen. Der Absatz von versteuertem Mineralöl hat sich vielmehr von 1972 bis 1999 stetig, d.h. ohne größere Schwankungen, erhöht19. Das Finanzwissenschaftliche Institut folgert daraus, dass die Mineralölsteuer bis zum Jahr 1999 noch keine größere Lenkungswirkung hatte. Die Nachfrage nach Mineralöl war bis zu diesem Jahr noch „elastisch“ und ließ sich daher von der Mineralölsteuer nicht erheblich beeinflussen. Dies hat sich offensichtlich mit der so genannten ökologischen Steuerreform und der Mineralölsteuererhöhung im Jahr 199920 und den darauf folgenden Steuererhöhungen geändert. Aus den oben in der Tabelle dargestellten Zahlen21 sowie den Aufzeichnungen des Statistischen Bundesamtes Deutschland ergibt sich, dass sowohl der Absatz von Mineralöl22 als auch das Steueraufkommen in den Jahren von 2003 bis 2006 stetig zurückgegangen ist23. Es zeigt sich, dass auch bei der Mineralölsteuer das Nachfrageverhalten der Verbraucher – jedenfalls in jüngerer Zeit nach der Anhebung der Mineralölsteuer ab 1999 – beeinflusst und das Lenkungsziel damit erreicht oder zumindest gefördert wird. 3. Steuervergünstigungen Wie bereits eingangs erwähnt, können wegen ihrer Vielzahl nicht alle im deutschen Recht existierenden Steuervergünstigungen an dieser Stelle dargestellt werden. Nahezu erschöpfend sind sie jedoch in dem 20. Subventionsbericht der Bundesregierung für die Jahre 2003 – 200624 enthalten. Der Bereicht enthält neben der Darstellung der Steuervergünstigungen und der dazugehörigen Steuermindereinnahmen auch jeweils eine Er- 18 vgl. Zusammenfassung des in Fn. 8 genannten Gutachtens, S. 74 f.. 19 vgl. Zusammenfassung des in Fn. 8 genannten Gutachtens, Graphik S. 74 unten. 20 Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24.03.1999, Bundesgesetzblatt Teil I 1999, S. 378. 21 vgl. Ziff. 2.1.. 22 Dies gilt allerdings nicht für Erdgas. 23 vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland „Absatz von versteuertem Mineralöl“, Statistik im Internet abrufbar unter: http://www.destatis.de/basis/d/fist/fisttab3.php. 24 20. Subventionsbericht, Anlagen 2 und 3, Deutscher Bundestag Drucksache 16/2010. - 10 - läuterung, welchem Lenkungsziel die Steuervergünstigung dient, so dass an dieser Stelle auf den Subventionsbericht verwiesen wird. Als Anlage ist außerdem ein Gutachten des Institutes für Weltwirtschaft25 beigefügt, das in Tabelle 1 ebenfalls eine Übersicht über die in dem Subventionsbericht (Anlagen 2 und 3) aufgeführten Steuervergünstigungen mit den entsprechenden Steuermindereinnahmen in den Jahren von 2003 bis 2006 enthält. In dem Gutachten findet sich in Tabelle 2 auch eine Einschätzung, wie sich die Steuervergünstigungen und die Steuermindereinnahmen in den Jahren von 2007 bis 2010 voraussichtlich entwickeln werden. Nachstehend werden daher nur die Steuervergünstigungen dargestellt, die den größten Anteil der Steuermindereinnahmen ausmachen oder bei denen Einschätzungen darüber gefunden werden konnten, inwieweit die mit der Steuervergünstigung verbunden Ziele erreicht werden. 3.1. Einkommensteuerrecht 3.1.1. Kindergeld als Steuervergünstigung (§ 31 EStG) Steuermindereinnahmen 200526: 34.500 Mio. € Ziel der Steuervergünstigung: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 27 darf bei der Besteuerung von Eltern ein Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums ihrer Kinder nicht besteuert werden. Dies wird durch das Kindergeld bzw. die steuerlichen Freibeträge für Kinder bewirkt. Erfüllung der Zielsetzung: Da durch das Kindergeld bzw. die steuerlichen Kinderfreibeträge das Existenzminimum28 der Kinder nicht steuerlich belastet wird, ist der verfassungsrechtlichen Vorgabe genüge getan. Über die Frage, inwieweit etwaige weitere mit dem Kindergeld als Steuervergünstigung verbundenen Zielsetzungen erreicht werden, kann aufgrund fehlender Informationen keine Aussage getroffen werden. 25 Boss, Steuervergünstigungen in Deutschland: Ist die Finanzpolitik auf dem richtigen Weg?, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Kieler Arbeitspapiere, Oktober 2006. 26 vgl. Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums, „Darstellung der geltenden Familienförderung, 09/2005, abrufbar im Internet unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Aktuelles/Monatsbericht__des__BMF/2005/09 /050920agmb005,templateId=raw,property=publicationFile.pdf. 27 ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. Beschluß vom 10.11.1998, NJW 1999, 561. 28 Es kann an dieser Stelle jedoch nicht bewertet werden, ob die Höhe des Kindergeldes bzw. der Freibeträge tatsächlich ausreicht, das Existenzminimum der Kinder steuerfrei zu stellen. - 11 - 3.1.2. Ehegattensplitting (§ 26b EStG) Steuermindereinnahmen 200529: 19.500 Mio. € Ziel der Steuervergünstigung: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 30 ist das Ehegattensplitting im Grunde keine Steuervergünstigung für Ehepaare, sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare orientierte sachgerechte Besteuerung. Diese besondere Besteuerung von Ehepaaren gehe davon aus, dass die zusammenlebenden Ehepartner eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehepartner an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat. Erfüllung der Zielsetzung: Ähnlich wie bei dem Kindergeld kommt der Steuergesetzgeber bei dem Ehegattensplitting einer verfassungsmäßig gebotenen Pflicht (Art. 6 Abs. 1 GG) nach, nämlich hier der steuerlichen Entlastung von Ehepaaren. Da die Ehepaare jedenfalls dann, wenn ein Ehepartner weniger Einkommen erzielt als der andere, durch das Ehegattensplitting steuerlich entlastet werden, wird dieses Ziel erreicht . Das Bundesverfassungsgericht hat in der erwähnten Entscheidung jedoch ausdrücklich klargestellt, dass auch eine andere Art der Steuerentlastung für Ehe und Familie das Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG erfüllen kann. In Bezug auf die Entlastung von Familien mit Kindern durch das Ehegattensplitting hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 31 festgestellt, dass nahezu 90% aller von dem Ehegattensplitting profitierenden Ehen entweder steuerlich zu berücksichtigende Kinder haben oder hatten32. 3.1.3. Kirchensteuer als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) Steuermindereinnahmen 200633: 3.100 Mio. € Ziel der Steuervergünstigung: Der Abzug der Kirchensteuer von dem Einkommen des Steuerpflichtigen soll die anerkannten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften aus kirchen- und sozialpolitischen Erwägungen begünstigen. Erfüllung der Zielsetzung: Da nur die aufgrund gesetzlicher Bestimmung von den Religionsgemeinschaften erhobenen Kirchensteuern und nicht auch die Zahlungen an sonstige (private) Religionsgemeinschaften als Sonderabgabe von dem 29 vgl. Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums 09/2005, Fn. 26. 30 BVerfG, Urteil vom 3. November 1982, NJW 1983, 271, 272. 31 Ulrike Spangenberg, Neuorientierung der Ehebesteuerung: Ehegattensplitting und Lohnsteuerverfahren , 2005, gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung. 32 vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung vom 28. Juni 2006, auf die Frage der Bundestagsabgeordneten Dr. Dückert in Bezug auf das in Fn. 31 genannte Gutachten, Deutscher Bundestag Plenarprotokoll 16/42, Frage 15, S. 3929 ff.. 33 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24. - 12 - steuerbaren Einkommen abgezogen werden dürfen, wird das oben genannte Ziel erreicht . Es ist nicht ersichtlich, dass dies in Rechsprechung, juristischer Literatur oder Politik bezweifelt wird. 3.1.4. Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (§ 3b EStG) Steuermindereinnahmen 200634: 1.740 Mio. € Ziel der Steuervergünstigung: Die Steuerbefreiung wurde bereits im Jahr 1940 eingeführt und nach dem Krieg mit kurzer Unterbrechung beibehalten. Begründet wurde die Beibehaltung mit dem volkswirtschaftlichen Interesse an den Diensten zu besonderen Zeiten sowie den persönlichen Belastungen der zu diesen Zeiten arbeitenden Personen35. Erfüllung der Zielsetzung: Das genannte Ziel wird durch die Steuerbefreiung grundsätzlich füllt. Allerdings hat der Bundesrechnungshof in seinen „Bemerkungen 2006“36 erhebliche Kritik an der Steuervergünstigung geübt. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Steuerbefreiung – außer den Arbeitnehmern – regelmäßig auch den Arbeitgebern zugute kommt. Oft würden die Arbeitgeber ihr Lohnzahlungssystem in der Weise anpassen, dass sie Arbeitsentgelte in Grundlöhne und Zuschläge künstlich aufteilten, um die Steuerbefreiung nutzen zu können. Die Berechnung der steuerfreien Zuschläge würde einen erheblichen Arbeitsaufwand für die Finanzverwaltung bedeuten. Wegen der komplizierten Regelung ließen sich die steuerfreien Zuschläge vielfach nur durch Datenverarbeitungsprogramme berechnen. In den Fällen, in denen die Finanzverwaltung die Anwendung der Vorschrift stichprobenweise prüfen würde, habe sich § 3b EStG als streitanfällig erwiesen. Aus steuersystematischer Sicht widerspreche eine Steuerfreistellung von Lohnteilen den Grundsätzen der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung37. 3.1.5. Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) Steuermindereinnahmen 200638: 1.850 Mio. € Ziel der Steuervergünstigung: Der Sparer-Freibetrag wurde 1975 eingeführt , um die Kapitalerträge aus einem bestimmten Sockelsparvermögen zu schonen39. 34 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24. 35 Blümich, EStG, § 3b Rdnr. 5. 36 vgl. zum ganzen Absatz, Bundesrechnungshof, „Bemerkungen 2006, Kurzfassung, Fn. 6, Ziff. 48. 37 Ähnliche Kritik wird auch in der juristischen Literatur geäußert, vgl. Blümich, a.a.O., m.w.N.. 38 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24. - 13 - Um die Steuervergünstigung langfristig abzubauen, wurde mit dem Steueränderungsgesetz 2007 der Sparer-Freibetrag von 1.370 € ab dem Veranlagungszeitraum 2007 auf 750 € abgesenkt40. Erfüllung der Zielsetzung: Grundsätzlich wird durch den Sparer- Freibetrag das entsprechende Sockelsparvermögen geschont und damit das Ziel der Steuervergünstigung im Prinzip erreicht. In der juristischen Literatur werden jedoch verfassungsrechtliche Zweifel an der Reduzierung des Freibetrags zum Veranlagungszeitraum 2007 geäußert41, da damit das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt werde. 3.2. Umsatzsteuergesetz Die größten Steuervergünstigungen im Unsatzsteuerrecht wurden zur Förderung kultureller Entwicklungen, des Bildungsbereichs und zur Entlastung der medizinischen und sozialen Dienstleistungen eingeführt. Dabei handelt es sich um folgende Steuervergünstigungen : • § 4 Nrn. 15 bis 19 UStG (ausgenommen § 4 NR. 18a UStG): Befreiung der Sozialversicherungsträger , der medizinischen Dienste der Krankenversicherung, des medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Krankenhäuser , der Diagnosekliniken, der Altenheime, der Pflegeheime, der ambulanten Pflegedienste, der Blutsammelstellen, der Wohlfahrtsverbände und der Blinden. Steuermindereinnahmen 200642: 5.200 Mio. €. • § 4 Nr. 14 UStG: Befreiung ärztlicher Leistungen. Steuermindereinnahmen 200643: 4.300 Mio. €. • § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG in Verbindung mit Anlage 2, Nr. 7 UStG: Ermäßigter Steuersatz für kulturelle und unterhaltende Leistungen (Bücher, Zeitungen und andere Erzeugnisse des graphischen Gewerbes, Kunstgegenstände und Sammlungsstücke, kulturelle Einrichtungen, Filmwirtschaft, Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung urheberrechtlicher Nutzungsrechte, Zirkusunter- 39 vgl. Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 19.01.1974, Deutscher Bundestag Drucksache 7/1470, S. 220. 40 vgl. Entwurf eines Steueränderungsgesetzes vom 18.05.2006, Deutscher Bundestag Drucksache 16/1545, S. 8. 41 vgl. Blümich, EStG, § 20 Rdnr. 363 m.w.N.. 42 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24. 43 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24. - 14 - nehmen, Schausteller und zoologische Gärten). Steuermindereinnahmen 200644: 1.360 Mio. €. Alle genannten Steuervergünstigungen erfüllen das jeweilige gesetzgeberische Ziel, da sie die kulturellen, medizinischen und sozialen Leistungen von der Umsatzsteuer befreien , was insbesondere den Verbrauchern, Patienten und den wirtschaftlich Bedürftigen zu Gute kommt. Grundsätzliche Kritik daran, dass diese Sachverhalte und Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind, konnte nicht gefunden werden. 44 vgl. Subventionsbericht, Fn. 24.