© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 047/21 Ertragsteuerliche Implikationen des Einsatzes von Krypto-Assets im Rahmen von PayPal-Zahlungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 2 Ertragsteuerliche Implikationen des Einsatzes von Krypto-Assets im Rahmen von PayPal- Zahlungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 047/21 Abschluss der Arbeit: 29. April 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ertragsteuerrechtliche Erfassung von PayPal-Zahlungen unter Einsatz von Krypto-Assets 4 2.1. Einordnung von Krypto-Assets nach dem EStG 5 2.2. Einordnung der Verwendung im Rahmen des „PayPal-Modells“ nach dem EStG 6 2.3. Steuerrechtliche Mitwirkungspflicht bei Zahlung unter Verwendung von Krypto-Assets 7 2.4. Zwischenergebnis 9 3. Vergleich: Erfassung der Veräußerung von Krypto-Assets durch das US-amerikanische Steuerrecht 9 4. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 4 1. Einleitung Krypto-Assets (auch: „Token“) sind digitale Vermögenswerte, die mithilfe von Blockchain-Technologie abgebildet und handelsfähig gemacht werden. Sie können hierbei mit verschiedenen Funktionen versehen werden. Gegenstand dieses Gutachtens sind die sog. Currency Token wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich als Tausch- oder Zahlungsmittel verwenden lassen und werden aus diesem Grund auch als „Kryptowährung“ bezeichnet , obwohl sie keine Währung im Sinne des Gesetzes darstellen.1 Aktuellen Medienberichten zufolge führte der Zahlungsdienst PayPal für seine US-amerikanischen Kunden2 kürzlich eine neue Verwendungsweise bestimmter Currency Token ein, indem er ihren Einsatz im Rahmen von durch ihn abgewickelten Zahlungsvorgängen zugelassen hat. Dabei können Krypto-Assets in ein Wallet hinzugefügt werden; im Falle einer Transaktion werden ein oder mehrere dieser Assets in ein gesetzliches Zahlungsmittel „umgetauscht“; dieses Geld wird anschließend für die Zahlung an den Händler verwendet.3 Aufgrund der beschriebenen Entwicklung wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags mit der Begutachtung der Frage beauftragt, welche Regeln des deutschen Steuerrechts einer entsprechenden Vorgehensweise in Deutschland entgegenstehen.4 Weil der Umtausch von Krypto-Assets in eine offizielle Währung nicht der Umsatzsteuer unterliegt,5 beschränkt sich die folgende Betrachtung auf das Ertragsteuerrecht. 2. Ertragsteuerrechtliche Erfassung von PayPal-Zahlungen unter Einsatz von Krypto-Assets Das Einkommensteuergesetz (EStG), das die Ertragsbesteuerung natürlicher Personen regelt, enthält keine gesonderten Regelungen für den Einsatz von Krypto-Assets in Transaktionen. Eine Steuerpflicht kann sich daher nur aus seinen allgemeinen Bestimmungen ergeben. Ausgangspunkt ist dabei § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG, wonach „sonstige Einkünfte im Sinne des § 22, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als 1 Vgl. zum Ganzen WD 4 – 3000 – 054/20, S. 4, abrufbar unter . Alle Internetlinks wurden zuletzt abgerufen am 27. April 2021. 2 Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet. Die gewählte männliche Form bezieht sich auf männliche, weibliche und diverse Personen. 3 Vgl. ntv, Paypal-Kunden können mit Bitcoin zahlen: Konzern lässt Kryptowährungen zu, 30. März 2020, abrufbar unter . 4 Zur steuerrechtlichen Erfassung von Krypto-Assets allgemein bereits WD 4 – 3000 – 054/20. 5 Vgl. BMF, Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen: EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedqvist, Az. III C 3 - S 7160-b/13/10001, Dok. 2018/0163969, 27. Februar 2018, abrufbar unter ; Heck, Funktionsweise und Grundzüge der steuerlichen Behandlung von Blockchain-basierten Kryptowährungen, Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2019, 106 (110). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 5 inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt“, der Einkommensteuer unterliegen. Zu diesen „sonstigen Einkünften“ gehören nach § 22 Nr. 2 EStG auch Einkünfte aus den in § 23 EStG spezifizierten privaten Veräußerungsgeschäften, darunter auch „Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.“ Von dieser Steuerpflicht befreit § 23 Abs. 3 S. 5 EStG die Gewinne nur, wenn der aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im betreffenden Kalenderjahr weniger als 600 € betragen hat. Transaktionen mit Krypto-Assets sind – die Überschreitung des Freibetrags und die Unterschreitung der Haltefrist vorausgesetzt – demzufolge ertragsteuerpflichtig, wenn die Assets „Wirtschaftsgüter “ und die betreffenden Transaktionen „private Veräußerungsgeschäfte“ darstellen. 2.1. Einordnung von Krypto-Assets nach dem EStG Anerkannt ist, dass „Kryptowährungen“ trotz umgangssprachlicher und praktischer Nähe keine Zahlungsmittel oder Geld im juristischen Sinne sind: Es fehlt die gesetzliche Bestimmung als Zahlungsmittel, die Auslösung der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Kreditwesengesetz (KWG) sowie die charakteristische physische Übertragbarkeit.6 Weil aus Krypto-Assets keine laufenden Einkünfte generiert werden, stellen sie auch kein Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG dar.7 Wenngleich die ertragsteuerrechtliche Einordnung mangels spezialgesetzlicher Regelung und höchstrichterlicher Entscheidung nicht abschließend geklärt ist, ordnet die in Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung herrschende Auffassung Krypto-Assets als (immaterielles) Wirtschaftsgut und damit den §§ 22, 23 EStG unterliegend ein.8 Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat die rechtliche Klassifizierung von Bitcoins als Wirtschaftsgut vor diesem Hintergrund als „derzeit nicht zweifelhaft“ bezeichnet; der Einsatz als Zahlungsmittel in der Geschäftspraxis wird als der nach dem weiten Wirtschaftsgutbegriff ausreichenden konkreten wirtschaftlich-objektiven Werthaltigkeit genügend angesehen.9 6 So insbesondere FG Berlin-Brandenburg, Einkommensteuerrechtliche Qualifizierung von Bitcoins: Beschl. v. 20.6.2019 – 13 V 13100/19, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2020, 46 (47, Rn. 3). Vgl. auch Heck, DStZ 2019, 106 (107). 7 Krüger, Kryptowährungen: Gewinne aus Token-Verkäufen als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, BetriebsBerater (BB) 2018, 1887 (1889). 8 Vgl. nur FG Berlin-Brandenburg, BKR 2020, 46 (47, Rn. 3); Altweger in: Leipold/Wiebe/Glossner (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 4. Aufl. 2021, 16.2 Rn. 44; Krauß/Blöchle, Einkommensteuerrechtliche Behandlung von direkten und indirekten Investments in Kryptowährungen, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2018, 1210 (1212); Krüger, BB 2018, 1887 (1889); Reiter/Nolte, Bitcoin und Krypto-Assets – ein Überblick zur steuerlichen Behandlung beim Privatanleger und im Unternehmen, BB 2018, 1179 (1180 f.); ablehnend hingegen Schroen, Sind „Bitcoin und Co.“ Wirtschaftsgüter gemäß der gefestigten BFH-Rechtsprechung?, DStR 2019, 1369 (1375); differenzierend FG Nürnberg, Steuerliche Behandlung von Kryptowährungen: Beschl. v. 8.4.2020- 3 V 1239/19, DStR 2020, 1243 (1246, Rn. 33 ff.). 9 FG Berlin-Brandenburg, BKR 2020, 46 (47, Rn. 3, 5). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 6 2.2. Einordnung der Verwendung im Rahmen des „PayPal-Modells“ nach dem EStG Davon ausgehend unterliegen Krypto-Assets der Besteuerung nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, wenn damit „private Veräußerungsgeschäfte“ vorgenommen werden. Ein privates Veräußerungsgeschäft ist jede rechtsgeschäftliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person; die Grenze des Privaten ist dabei erst dann überschritten, wenn dafür eine professionelle Organisationsstruktur etabliert wird, nicht aber bereits bei häufiger Vornahme solcher Geschäfte .10 Im Falle von Krypto-Assets werden innerhalb des Rahmens des Privaten jedenfalls die Veräußerung gegen ein gesetzliches Zahlungsmittel und der Tausch gegen andere Assets erfasst.11 Umstritten ist, ob auch die unmittelbare „Bezahlung“ von Gütern oder Dienstleistungen mit Krypto- Assets eine Veräußerung im Sinne der Norm darstellt.12 Das spielt vorliegend aber keine Rolle: Nach dem oben dargestellten Modell wird das Krypto-Asset zunächst in eine staatliche Währung „umgetauscht“ und erst das eingetauschte Geld zur Abgeltung der Ware oder Dienstleistung genutzt . Das Asset wird somit nicht als Gegenleistung für die Ware oder Dienstleistung übertragen, sondern gegen Geldzahlung an PayPal veräußert. Eine Veräußerung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 liegt damit vor. Folglich sind die aus der Veräußerung an PayPal entstehenden Erträge „Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften“, die nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dem Grunde nach steuerpflichtig sind,13 wobei mangels Spezialregelung der reguläre individuelle Steuersatz Anwendung findet14. Jedenfalls wegen der fehlenden allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz als Zahlungsmittel stellen Krypto-Assets auch keine Gegenstände des täglichen Bedarfs dar, sodass die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG nicht eingreift.15 Eine Ausnahme von der 10 Krüger, BB 2018, 1887 (1892). 11 Krüger, BB 2018, 1887 (1889 f.). Vgl. auch WD 4 – 3000 – 054/20, S. 12. 12 Zusammenfassend Krüger, BB 2018, 1887 (1891 f.). 13 Ein steuerrelevanter Ertrag entsteht hierbei, wenn sich der Kurs des Assets zwischen dem Erwerb durch den Kunden und dem „Umtausch“ durch PayPal erhöht hat (Kursgewinn); Kursverluste an anderer Stelle können in gewissem Umfang auf solche Gewinne angerechnet werden, vgl. Altweger, in: Leupold/Wiebe/Glossner (Hrsg.), 16.2 Rn. 61 f. Maßgeblich für die Berechnung des Ertrags dürfte jeweils der letzte veröffentlichte Verkaufskurs sein, der zu dokumentieren ist, so mit Bezug zur Umsatzsteuer BMF, Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen, S. 2. 14 Krauß/Blöchle, DStR 2018, 1210 (1212). 15 Heck, DStZ 2019, 106 (109). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 7 Steuerpflicht ergibt sich damit nur, wenn a) die Gesamterträge aus privaten Veräußerungsgeschäften im betreffenden Kalenderjahr unter 600€ bleiben (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG) oder b) die Haltefrist (auch: „Spekulationsfrist“) überschritten wird.16 Ein Zahlungsvorgang, wie PayPal ihn für seine US-amerikanischen Kunden ermöglicht hat, würde also nach der herrschenden Auffassung im deutschen Steuerrecht regelmäßig zu einer Ertragsteuerpflicht bezüglich der erzielten Kursgewinne nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG führen. 2.3. Steuerrechtliche Mitwirkungspflicht bei Zahlung unter Verwendung von Krypto-Assets Aus dieser Erfassung des beschriebenen Vorgangs durch das Ertragsteuerrecht ergibt sich auch die Geltung der allgemeinen Regeln der Abgabenordnung (AO) für die Erhebung der Steuer. Bei Veräußerung eines Krypto-Assets innerhalb der Haltefrist ist danach der jeweilige Wertzuwachs in der Anlage SO zur Einkommensteuererklärung anzugeben,17 wobei den Steuerpflichtigen die allgemeine steuerrechtliche Mitwirkungspflicht nach § 90 AO trifft. Nach § 90 Abs. 1 AO muss er deshalb in jedem Fall alle für die Erhebung der Steuer relevanten Tatsachen offenlegen und entsprechende Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflicht im Einzelfall bestimmt sich anhand der konkreten Umstände und wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das Zumutbare begrenzt.18 Beim Einsatz von Krypto-Assets im Rahmen einer PayPal-Zahlung nach dem beschriebenen Modell muss der Steuerpflichtige danach zumindest jeden Transaktionsvorgang angeben und die erforderlichen Beweismittel benennen, damit der Vorgang verifiziert und der Ertrag bestimmt werden kann. Zwar ist die Ertragsbestimmung bei Veräußerung eines Krypto-Assets gegen Geld wegen der Eindeutigkeit des Gegenwerts regelmäßig einfacher als bei einem Tausch, etwa gegen andere Krypto-Assets.19 Wegen der typischen Umschlaghäufigkeit und Volatilität von Krypto-Assets finden innerhalb des Veranlagungszeitraums aber regelmäßig viele derartige Transaktionen statt.20 Hinzu kommt, dass auch PayPal-Zahlungen von vielen Kunden häufig vorgenommen werden. Die im Einzelfall möglicherweise wenig aufwendige Mitwirkung könnte daher im Ergebnis für eine Vielzahl von Transaktionen zu erbringen sein und dadurch zu einer hohen Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen führen. 16 Hierbei gilt regelmäßig die einjährige Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. Die Ausdehnung auf zehn Jahre nach § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 S. 4 EStG wird in den Fällen des sog. Lendings oder Stakings diskutiert, vgl. Krüger, BB 2018, 1887 (1891). 17 Reiter/Nolte, BB 2018, 1179 (1182). 18 Bundesministerium der Finanzen (BMF), Verwaltungsgrundsätze 2020, Az. IV B 5-S 1341/19/10018:001, Dok. 2020/1174240, 3. Dezember 2020, abrufbar unter , Rn. 5. 19 Krüger, BB 2018, 1887 (1891). Vgl. auch Altweger, in: Leupold/Wiebe/Glossner (Hrsg.), 16.2 Rn. 69. 20 Krüger, BB 2018, 1887 (1891). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 8 Hinzu kommt, dass Teile der Finanzverwaltung jede Transaktion mit Krypto-Assets wegen des weltweiten und dezentralisierten Handels in der Praxis als Auslandssachverhalt gemäß § 90 Abs. 2 AO einordnen, sodass den Steuerpflichtigen die darin geregelten erhöhten Mitwirkungspflichten treffen.21 Er trägt dann neben der Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörden selbst eine umfassende Sachverhaltsermittlungs- und Beweisführungspflicht hinsichtlich jeder einzelnen Transaktion22 und muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Tatsachen und die entsprechenden Beweismittel zu beschaffen und vorzulegen.23 Die Beweismittel müssen zudem sicher und leicht nachprüfbar sein.24 Für den speziellen Fall der Krypto-Asset-Veräußerung ist diese Pflicht noch nicht konkretisiert worden; erforderlich ist aber jedenfalls eine umfassende Aufzeichnung und Vorlage jeder Veräußerung , wobei die digitalen Aufzeichnungen der Handelsplattformen oder der entsprechenden Wallets ausreichen dürften.25 Zu beachten ist, dass weder die Frage nach der grundsätzlichen Geltung einer Krypto-Asset-Veräußerung als Auslandssachverhalt nach § 90 Abs. 2 AO noch die nach der Reichweite der Darlegungs - und Beweispflicht des Steuerpflichtigen in Rechtsprechung und Verwaltung abschließend geklärt ist. Während die Geltung von § 90 Abs. 2 AO teilweise unterstützt wurde,26 betonte etwa das Finanzgericht Nürnberg in einem Beschluss vom 8. April 2020 den Amtsermittlungsgrundsatz der Finanzbehörde im Rahmen von Krypto-Asset-Veräußerungen, ohne allerdings den aus seiner Sicht einschlägigen Absatz von § 90 AO zu benennen. Auch ging das Gericht davon aus, zur Auslösung der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen sei in diesem Fall eine Aufforderung durch die zuständige Finanzbehörde erforderlich27 und setzte sich damit in Widerspruch zur Auffassung des BMF, nach dessen Verwaltungsgrundsätzen die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO gerade nicht von einer behördlichen Aufforderung abhängen soll.28 In Teilen der Literatur haben die unterschiedlichen Auslegungen und Anwendungsgrundsätze von Behörden und Gerichten zur Kritik des Vollzugsdefizits und der Forderung nach einer gesetzgeberischen Klärung hinsichtlich der Einordnung von Krypto-Assets im Ertragsteuerrecht 21 Krüger, BB 2018, 1887 (1891). 22 Wünsch in: König (Hrsg.), Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 90 Rn. 16 f. 23 BMF, Verwaltungsgrundsätze 2020, Rn. 12. 24 Rätke in: Klein (Hrsg.), Abgabeordnung, 15. Aufl. 2020, § 90 Rn. 25. 25 Altweger, in: Leupold/Wiebe/Glossner (Hrsg.), 16.2 Rn. 69; Krüger, BB 2018, 1887 (1891). Das Ausreichen von Excel-Tabellen wird hingegen mit Verweis auf die Fahrten-buch-Rechtsprechung des BFH bezweifelt, vgl. Heuel/Matthey, Steuerliche Behandlung von Kryptowährungen im Privatvermögen, NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (NWB) 2018, 1037 (1046). 26 Krüger, BB 2018, 1887 (1891). 27 Zum Ganzen FG Nürnberg, DStR 2020, 1243 (1245, Rn. 28 ff.). Vgl. auch Figatowski, Anm. zu FG Nürnberg, 3. Senat, Beschluss vom 08.04.2020 – 3 V 1239/19, jurisPR-SteuerR 39/2020, Anm. 6, S. 4. 28 BMF, Verwaltungsgrundsätze 2020, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 9 und des Umfangs der Mitwirkungspflicht geführt.29 Ungeachtet dieser Unklarheit hinsichtlich ihrer Reichweite bewirkt die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO in der Praxis aber in jedem Fall eine gewisse Belastung des Steuerpflichtigen bei einer Vorgehensweise entsprechend dem von PayPal in den USA zugelassenen Modell. 2.4. Zwischenergebnis Festhalten lässt sich somit, dass das deutsche Ertragsteuerrecht den Einsatz von Krypto-Assets im Rahmen von PayPal-Transaktionen nicht unmöglich macht. Die Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO stellt bei der zu erwartenden hohen Transaktionszahl aber eine Belastung des (privaten ) Steuerpflichtigen in der Praxis dar, zumal der Umfang ihres Eingreifens ungeklärt ist. 3. Vergleich: Erfassung der Veräußerung von Krypto-Assets durch das US-amerikanische Steuerrecht Das US-amerikanische Steuerrecht behandelt Krypto-Assets als Kapitalvermögen; Erträge aus ihrer Veräußerung unterliegen somit der Kapitalertragsteuer und müssen den Finanzbehörden gemeldet werden.30 Besteuert wird hierbei der Gewinn aus der Veräußerung zu einem höheren Preis als dem Basiswert; bei kurzfristig gehaltenen Vermögenswerten beträgt der Tarif bis zu 37 %, bei langfristig gehaltenen verringert er sich auf bis zu 20 %.31 Die Informationspflichten entsprechen bei solchen Transaktionen den allgemeinen Regeln für Vermögensteuern.32 Demgemäß müssen alle Transaktionen mit Krypto-Assets auf einem bestimmten Formular angegeben werden; die Transaktionsnachweise müssen aufbewahrt werden.33 Die auch in den USA aus diesen Pflichten erwachsenden Schwierigkeiten beim Steuervollzug haben die US-amerikanischen Finanzbehörden zum Aufruf privater Dienstleister zur Unterstützung bei der erforderlichen Verifizierung der einzelnen Transaktionen34 sowie zur gerichtlichen 29 Vgl. insbesondere Andres, Anm. zu FG Nürnberg, Beschl. v. 8.4.2020 – 3 V 1239/19, DStR 2020, 1243 (1247). 30 Internal Revenue Service (IRS), Notice 2014-21 2014-16 I.R.B. 938, abrufbar unter , S. 2 f. 31 Tax Policy Center, How Are Capital Gains Taxed?, in: Tax Policy Center (Hrsg.), Briefing Book: A Citizen’s Guide to the Fascinating (Though Often Complex) Elements of the US Tax System, abrufbar unter . 32 IRS, Notice 2014-21 2014-16 I.R.B. 938, S. 5. 33 IRS, Frequently Asked Questions on Virtual Currency Transactions, 3. März 2021, abrufbar unter , Q 43, 44, 46. 34 Andres, DStR 2020, 1243 (1246). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/21 Seite 10 Durchsetzung der Offenlegung von Identitäten steuerpflichtiger Personen gegenüber Krypto-Börsen 35 veranlasst. 4. Fazit Das deutsche Ertragsteuerrecht steht einer Veräußerung von Krypto-Assets im Rahmen von PayPal-Zahlungsvorgängen nicht entgegen, sodass eine Gesetzesänderung für eine solche Vorgehensweise in Deutschland nicht zwingend wäre. Die Unklarheiten hinsichtlich der rechtlichen Einordnung von Krypto-Assets im Ertragsteuerrecht sowie die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO würden in der Praxis indes zu Belastungen des Steuerpflichtigen führen. *** 35 Schlund/Pongratz, Distributed-Ledger-Technologie und Kryptowährungen – eine rechtliche Betrachtung, DStR 2018, 598 (604).