© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 047/18 Spekulationsattacken gegen Währungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Erwartet man zum Beispiel eine Abwertung der Währung A und eine Aufwertung der Währung B, dann wird sich der Spekulant in Währung A verschulden, die aufgenommene Währung in Währung B umtauschen und die Gelder am Markt anlegen. Dadurch gerät die abwertungsverdächtige Währung unter Druck, da sie am Markt angeboten wird. Wertet, wie erwartet, die Währung A ab, dann muss der Spekulant nicht die gesamte Anlage in Währung A umtauschen, um seine Schulden zurückzuzahlen. Es genügt, einen Teil der Anlagen umzutauschen , um die Schulden zu tilgen. Der verbleibende Teil ist der Gewinn des Spekulanten. Das Grundmuster einer Abwertungsspekulation ist also, sich in der abwertungsverdächtigen Währung zu verschulden und den Gegenwert in der aufwertungsverdächtigen Währung anzulegen . Dieses Grundmuster wird über einen längeren Zeitraum wiederholt.1 Spekulationsattacken gegen Währungen wurden in der Vergangenheit insbesondere von Hedge- Fonds durchgeführt, die zum Teil über zweistellige Milliardenbeträge verfügen. Die Attacken richteten sich insbesondere gegen Währungen, deren Wechselkurs eine feste Anbindung besaßen und bei denen die Marktteilnehmer glaubten, dass der Wechselkurs überbewertet war. Sobald die Hedge-Fonds durch den oben genannten Mechanismus die abwertungsverdächtigen Währungen unter Druck setzen, kann sich die betreffende Zentralbank durch zwei Mechanismen gegen die Attacken wehren: Sie kann mit ihren Devisenreserven die eigene Währung kaufen und/oder sie kann die heimischen Zinsen massiv erhöhen. Beide Maßnahmen erzeugen tendenziell einen Aufwertungsdruck für die heimische Währung. Die genannten Maßnahmen der Zentralbank sind jedoch in der Regel nur eine gewisse Zeit möglich: Die eigenen Devisenreserven sind begrenzt, das gilt insbesondere für kleine Staaten, und eine massive Zinserhöhung gefährdet die heimische Konjunktur. In der Regel wird sich die Zentralbank beziehungsweise die Regierung nach einer gewissen Zeit für eine Abwertung der eigenen Währung entscheiden (müssen). Dadurch können die Spekulanten ihre Gewinne realisieren. 2. Beispiele für Spekulationsattacken Bekannt ist insbesondere die Spekulationsattacke gegen das britische Pfund im Jahr 1992. Der 16. September 1992 ist als „Black Wednesday“ in die britische Geschichte eingegangen. Der Europäische Wechselkursmechanismus (EWS), dem Großbritannien am 8. Oktober 1990 beigetreten war, sah vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Währung innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu den anderen Währungen halten mussten. Damit sollten zu starke Währungsschwankungen verhindert werden. Namentlich war festgelegt worden, dass das britische Pfund bei 2,95 DM gehalten werden sollte, wobei eine Abweichung um 6 Prozent nach oben und nach unten erlaubt war. Mit dem Wechselkurs von 2,95 DM war das Pfund nach Einschätzung vieler Marktbeobachter allerdings zu stark bewertet. 1 Köhler, Claus: Spekulation contra Entwicklungspolitik – Eine Analyse der ostasiatischen Währungskrise, in: Internationale Politik und Gesellschaft 2/98, Seite 191. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/18 Seite 5 Vor diesem Hintergrund setzten Hedge-Fonds-Manager wie George Soros darauf, dass das Pfund früher oder später deutlich abwerten würde. Sie liehen sich deshalb mehrere Milliarden Pfund bei britischen Banken und kauften damit D-Mark und französische Francs. Durch diese Käufe und zunehmende negative Markterwartungen, die unter anderem durch ein Interview des damaligen Bundesbankpräsidenten Helmut Schlesinger ausgelöst wurden2 erreichte das Pfund am Vormittag des Black Wednesday die vom EWS festgelegte Untergrenze. Mit Stützungskäufen im Milliardenbereich versuchte die Bank of England, das Pfund zu stützen. Doch die Stützungskäufe zeigten kaum Wirkung. Deshalb wurden im Laufe des Tages gleich zwei Leitzinserhöhungen angekündigt . Zunächst von 10 Prozent auf 12 Prozent und wenige Stunden später sogar auf 15 Prozent . Das Pfund fiel jedoch immer weiter und notierte am frühen Abend deutlich unter der festgelegten Untergrenze. Am Abend trat deshalb der britische Finanzminister Norman Lamont vor die Presse und verkündete, dass Großbritannien das EWS verlassen würde. Innerhalb von 5 Wochen fiel das Pfund um fast 15 Prozent gegenüber der D-Mark, wodurch George Soros mehr als 1 Mrd. US-Dollar für seinen Hedge-Fonds verdiente.3 Auch verschiedene Währungen asiatischer Staaten waren im Jahr 1997 Ziel spekulativer Transaktionen . Betroffen waren unter anderem die Währungen von Thailand, Malaysia, Indonesien und den Philippinen. Diese Staaten hatten ihre Währungen aufgrund einer besseren Vorhersehbarkeit des Wechselkurses für ausländische Investoren und Handelspartner an den US-Dollar gebunden. Als Spekulanten den festgelegten Wechselkurs zum US-Dollar für unrealistisch hoch hielten und mit ihren Attacken begannen, mussten die Währungen nach kurzer Zeit abwerten, da die betreffenden Staaten nicht genug Devisenreserven hatten. Lediglich der Hongkong-Dollar widerstand den Angriffen, da Hongkong dank der Unterstützung von Festland-China genug Devisen besaß. Als einzige Währung der Region blieb der Hongkong- Dollar an den US-Dollar gebunden. Damit wurden die Gewinnerwartungen der Spekulanten, die auf eine Abwertung der Währung hofften, enttäuscht.4 3. Gemeinschaftswährung Mit der Einführung einer Gemeinschaftswährung, die für die teilnehmenden Staaten verschiedene Vor- und Nachteile hat, werden die Wechselkurse zwischen den teilnehmenden Währungen überflüssig. Die einzelnen Währungen können also nicht mehr Ziel von Spekulationsattacken sein; die Gemeinschaftswährung selbst jedoch sehr wohl. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es zu Spannungen innerhalb des Währungsverbundes aufgrund hoher Schuldenstände einiger Mitgliedstaaten kommt. Diese hohen Schuldenstände belasten die Wachstumsaussichten für den gesamten Währungsraum und damit auch den Wert der Gemeinschaftswährung. Entsprechend ist 2 Schlesinger hatte dem Handelsblatt und dem Wall Street Journal ein Interview gegeben, in dem er davon sprach, dass vor einem angesetztem französischen Referendum zum Vertrag von Maastricht „ein oder zwei Währungen aus dem EWS unter Druck kommen“ könnten. 3 Baron, Oliver: So knackte George Soros die Bank of England, 22. Juni 2016, unter: https://www.godmode-trader .de/artikel/so-knackte-george-soros-die-bank-of-england,4740359, abgerufen am 1. März 2018. 4 Zu Einzelheiten vgl. Köhler, Claus: Spekulation contra Entwicklungspolitik – Eine Analyse der ostasiatischen Währungskrise, in: Internationale Politik und Gesellschaft 2/98, Seite 193f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 047/18 Seite 6 der Euro-Kurs im Jahr 2010 durch die Schuldenprobleme von Griechenland, Spanien und Portugal unter Druck geraten. Spekulanten ist es in dieser Phase jedoch nicht gelungen, den Euro-Kurs in die gewünschte Richtung zu drücken. Dazu ist der Euro-Markt offensichtlich zu groß. Eine Währungsexpertin der Commerzbank glaubt sogar: „Nachhaltig eine so große Währung wie den Euro zu beeinflussen, ist aber praktisch unmöglich.“5 * * * 5 Schömann-Finck, Clemens: Die Waffen der Spekulanten, Focus Online 10. März 2010, unter: https://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/tid-17505/devisenmarkt-die-waffen-der-spekulanten _aid_488261.html, abgerufen am 2. März 2018.