© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 – 047/17 Gemeinnützigkeit bei wirtschaftlichen Vereinen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 2 Gemeinnützigkeit bei wirtschaftlichen Vereinen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 047/17 Abschluss der Arbeit: 15. Mai 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit 4 3. Gemeinnützigkeit und wirtschaftliche Vereine 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 4 1. Vorbemerkung Die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichem Verein (§ 22 BGB) und nichtwirtschaftlichem Verein (§ 21 BGB) ist zunächst eine rein zivilrechtliche Frage. Die Gemeinnützigkeit ist davon losgelöst nach den steuerrechtlichen Kriterien der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) zu beurteilen.1 2. Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit sind in den §§ 51 bis 68 Abgabenordnung (AO) geregelt. Steuerbegünstigt nach der AO ist eine Körperschaft dann, wenn sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige (§ 52 AO), mildtätige (§ 53 AO) oder kirchliche Zwecke (§ 54 AO) verfolgt. Gemäß § 52 Abs. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke , wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Steuerbegünstigung für Körperschaften ergibt sich aus §§ 51 ff. AO und setzt die Verfolgung dieser Zwecke voraus. Die steuerliche Begünstigung der Gemeinwohlorientierung einer Körperschaft knüpft an drei Grundprinzipien - Selbstlosigkeit (§ 55 AO), Ausschließlichkeit (§ 56 AO) und Unmittelbarkeit (§ 57 AO) - an. Gemeinnützig im Sinne der AO ist eine Körperschaft, wenn sie die Merkmale gemäß §§ 52 ff. AO erfüllt. Dazu gehören selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet , ausschließliche Förderung der in der Satzung festgelegten Zwecke und unmittelbare Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke. Alle diese drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als gemeinnützige Körperschaft anerkannt zu werden. Aktivitäten, die gesetzlich normierte Gemeinwohlziele verfolgen und damit der Verwirklichung normierter öffentlicher Interessen dienen, sind stets gemeinnützig. Unter welchen Bedingungen die Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen ist, wird mit dem Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 AO konkretisiert. Hierzu zählen u.a. die Förderung von Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Jugend- und Altenhilfe oder des Schutzes von Ehe und Familie. Insgesamt benennt § 52 Abs. 2 AO in seiner katalogartigen Aufzählung 25 als gemeinnützig anzuerkennende Zwecke. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis, dem die Förderung zugutekommt , fest abgeschlossen ist. Es geht auch nicht um irgendeine Förderung, sondern um die selbstlose Förderung der Allgemeinheit. 1 Hüttemann: Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Kapitel 2 Rn. 2.31, S. 101 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 5 Selbstlos ist ein Handeln dann, wenn nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke erfüllt werden. Die Mittel sind ausschließlich für die in der Satzung festgeschriebenen Zwecke zu verwenden . Unmittelbarkeit heißt, die Körperschaft darf nur die in der Satzung festgelegten Ziele verfolgen. Alle Zwecke müssen in der Satzung festgeschrieben sein und die Körperschaft muss ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verfolgen. Neben der Anwendbarkeit der Regelung nach § 52 AO überprüft das Finanzamt auch die Voraussetzungen nach § 60 AO (formelle Satzungsmäßigkeit) und § 63 AO (tatsächliche Geschäftsführung ). Es ist notwendig, dass die Körperschaft in ihrer Satzung die Zwecke und die Art der Verwirklichung so genau bestimmt, dass bereits aufgrund der Satzung die Voraussetzungen für die steuerlichen Vergünstigungen geprüft werden können. Danach muss sich der Zweck, welchen die Körperschaft verfolgt, bereits aus der Satzung ergeben, dieser ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden und somit den Anforderungen der AO entsprechen. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke gerichtet sein, sie darf sich weder anderweitig betätigen noch die Erreichung der steuerbegünstigten Zwecke endgültig aufgeben. 3. Gemeinnützigkeit und wirtschaftliche Vereine Gemeinnützigkeit und eine wirtschaftliche Betätigung schließen sich nicht grundsätzlich aus. So werden in §§ 64 Absatz 1 i.V.m. 65 AO Zweckbetriebe trotz ihrer wirtschaftlichen Betätigung sowohl als gemeinnützig als auch als steuerbefreit angesehen. Nur Zweckbetriebe, nicht aber die generelle Förderung des Wirtschaftslebens können gemeinnützig sein.2 Die Zweckbetriebsdefinition nach § 65 AO ordnet bestimmte erwerbswirtschaftliche Betätigungen , die in enger Verbindung mit der gemeinnützigen Tätigkeit stehen, dem steuerfreien Bereich zu. Die Prüfung der Voraussetzungen erfordert eine Abwägung der Kriterien und kann in der Bewertung zu unterschiedlichen Ergebnissen und damit zur Rechtsunsicherheit führen.3 Der Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichen Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften4 enthält eine Neufassung des § 22 BGB zu den wirtschaftlichen Vereinen. In der Gesetzesbegründung wird das Verhältnis zum Gemeinnützigkeitsrecht folgendermaßen dargestellt: „Das Merkmal der Gemeinnützigkeit eignet sich nicht als Eintragungsvoraussetzung für Vereine, da es nicht verbindlich festgestellt wird, sondern die Finanzämter im Rahmen jedes Besteuerverfahrens erneut prüfen, ob die Satzung und die tatsächliche Tätigkeit des Vereins den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts entsprechen. Im Übrigen ist das Gemeinnützigkeitsrecht nicht speziell auf Vereine zugeschnitten, sondern gilt für alle Körperschaften, insbesondere auch für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Gemeinnützige Körperschaften sind nach den steu- 2 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 6, Rn 42, S. 274 3 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 6, Rn 83, S. 375 4 BT-Drs. 18/11506 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 6 errechtlichen Vorschriften nicht daran gehindert, ihre gemeinnützigen Zwecke auch in erheblichem Umfang durch wirtschaftliche Tätigkeit zu verfolgen. Sie können neben dem gemeinnützigen Bereich auch Zweckbetriebe oder wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, die nicht steuerbegünstigt sind. Ein gemeinnütziger Verein kann dies aber nur insoweit, als das Nebenzweckprivileg dies ermöglicht. Denn die Rechtsform des Idealvereins ist auf wirtschaftliche Tätigkeit , sei es zur Verfolgung eines gemeinnützigen oder eines anderen Zwecks, nicht zugeschnitten .“5 Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen gibt in einem Merkblatt zur Gemeinnützigkeit zur wirtschaftlichen Betätigung folgende Hinweise: „Der Gesetzgeber gestattet den Vereinen, sich auch außerhalb des steuerbegünstigten Zwecks (ideeller Bereich) zu betätigen. Damit soll den Vereinen die Möglichkeit gegeben werden, durch eine wirtschaftliche Betätigung Mittel zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke zu beschaffen . Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb darf nicht Satzungszweck sein. Beispiele für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind Verwertung von gesammeltem Altmaterial, Durchführung von Basaren und Flohmärkten, Verkauf von Speisen und Getränken, auch bei sportlichen und kulturellen Veranstaltungen . Soweit ein Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, entfällt die Steuerbefreiung (partielle Steuerpflicht). Im Übrigen bleibt die Steuerfreiheit unberührt. Übersteigen die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes nicht 35.000 Euro im Jahr, so unterliegt der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht der Körperschaftsteuer und nicht der Gewerbesteuer. Unter bestimmten Voraussetzungen wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als Zweckbetrieb angesehen. Das ist dann der Fall, wenn die wirtschaftliche Betätigung in ihrer Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Vereins zu verwirklichen, die zu verwirklichenden Zwecke nur dadurch erreicht werden können und der Zweckbetrieb nicht zu den nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt. Ein Zweckbetrieb wird dem steuerbegünstigten Bereich zugerechnet, d. h., er ist von der Körperschaft - und Gewerbesteuer befreit; bei der Umsatzsteuer gilt grundsätzlich der ermäßigte Steuersatz , es sei denn, die Umsätze sind nach dem Umsatzsteuergesetz steuerfrei. 5 BT-Drs. 18/11506, S. 19 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 047/17 Seite 7 Für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, Krankenhäuser, sportliche Veranstaltungen und bestimmte Betätigungen bestehen besondere Regelungen zur Einordnung als Zweckbetrieb. Die Erträge aus einer wirtschaftlichen Betätigung sind für die satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden . Mittel des ideellen Bereichs dürfen nicht zum Ausgleich von Verlusten des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes verwendet werden.“6 Ob ein wirtschaftlicher Verein aufgrund seines Vereinszwecks der auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, von vornherein gemeinnützigkeitsunfähig sein soll, ist in der Literatur umstritten. Einige Stimmen in der Literatur7 nehmen eine Inkompatibilität des wirtschaftlichen Vereins mit den Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts an. Dagegen vertritt beispielsweise Hüttemann die Auffassung, dass wirtschaftliche Vereine keineswegs „naturgemäß“ gemeinnützigkeitsunfähig seien. Die Steuerbegünstigung des Gemeinnützigkeitsrechts kommt seiner Meinung nach u.a. in Betracht, wenn „der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, auf den der Vereinszweck nach § 22 BGB gerichtet ist, im Einzelfall einen Zweckbetrieb im Sinne der §§ 65 ff. AO darstellt.“8 Hüttemann weist zudem darauf hin, dass gemeinnützigkeitsrechtlich die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs steuerlich auch dann noch unschädlich sein könne, wenn das Nebenzweckprivileg bereits überschritten sein. * * * 6 Merkblatt zur Gemeinnützigkeit und zum Spendenrecht, abrufbar unter http://www.ofd.niedersachsen.de/aktuelles _service/steuermerkblaetter_broschueren/merkblatt-zur-gemeinnuetzigkeit-und-zum-spendenrecht- 67744.html (zuletzt abgerufen am 12.05.2017) 7 Alber in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rz. 5 8 Hüttemann: Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Kapitel 2 Rn. 2.31, S. 101 f.