Rechtliche Aspekte der Abschaffung der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (so genannte Grundsteuer A) - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 4 -047/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtliche Aspekte der Abschaffung der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe Ausarbeitung WD 4 -047/07 Abschluss der Arbeit: 21.03.2007 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 5 2. Prüfung des Wegfalls der Grundsteuer A am Maßstab des Gleichheitssatzes 5 2.1. Der Gleichheitssatz im Steuerrecht 6 2.2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz 6 2.3. Verstoß gegen den Gleichheitssatz bei Wegfall der Grundsteuer A? 8 2.3.1. Gleichheitsrechtliche Bedenken bei Wegfall der Besteuerung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe 8 2.3.2. Gleichheitsrechtliche Bedenken bei Wegfall der Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe 10 3. Sonstige Bedenken gegen den Wegfall der Grundsteuer A, insbesondere wegen Art. 106 Abs. 6 GG 11 - 4 - Zusammenfassung Verfassungsrechtliche Bedenken bei der Abschaffung der Grundsteuer A bestehen hauptsächlich im Hinblick auf den vollständigen Wegfall der Grundsteuer für die Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern werden die Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach den Vorschriften der Grundsteuer B besteuert. Es ergäbe sich folglich eine einseitige Bevorzugung der in den alten Bundesländern belegenden Wohngebäude , für die keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind. Folglich würde der Wegfall der Grundsteuer A (ohne sonstige Veränderung des Grundsteuergesetzes) wohl zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG führen. Aber auch im Hinblick auf die steuerliche Bevorzugung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegenüber den übrigen Wohngebäuden der jeweiligen Gemeinde (diese unterliegen der Grundsteuer B) bestehen erhebliche gleichheitsrechtliche Bedenken. Eine weitere Bevorzugung ergäbe sich bei Wegfall der Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gegenüber den sonstigen Betrieben in einem Gemeindegebiet (diese unterliegen ebenfalls der Grundsteuer B). Diese Ungleichbehandlung wäre nur dann mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn ein entsprechender Rechtfertigungsgrund gegeben wäre. Die Rechtfertigung müsste sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungssteuer auf besondere Gründe des Gemeinwohls stützten, die Förderung des entsprechenden Gemeinwohls müsste vom Gesetzgeber ausdrücklich intendiert sein und die Befreiung dürfte nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen. Ob für die Bevorzugung der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft entsprechende Gründe des Gemeinwohls gegeben sind oder gefunden werden können, muss der Gesetzgeber entscheiden. Keine Bedenken gegen den Wegfall der Grundsteuer A bestehen in Bezug auf die Erwähnung der Grundsteuer in Art. 106 Abs. 6 GG. Art. 106 Abs. 6 GG ist eine reine Verteilungsnorm , der den Gemeinden nur den Ertrag aus der Grundsteuererhebung zusichert , jedoch nicht den institutionellen Fortbestand der Grundsteuer garantiert. - 5 - 1. Einleitung Die Reform der Grundsteuer wird seit längerem in der juristischen Literatur1 und in der Politik2 diskutiert. Die Erhebung der Grundsteuer auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe (so genannte Grundsteuer A) wird politisch teilweise als überholt angesehen3. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit eine Verfassungsbeschwerde gegen das Grundsteuergesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Eine Begründung gab das Bundesverfassungsgericht für diese Ablehnung nicht an4, so dass eine Äußerung der Verfassungsrichter zur Grundsteuer weiterhin aussteht. In dieser Ausarbeitung soll untersucht werden, ob die Abschaffung der Grundsteuer A (unter Beibehaltung der Grundsteuer B5) insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer6 gleichheitsrechtlichen (dazu unten 2.) oder sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu unten 3.) begegnet. 2. Prüfung des Wegfalls der Grundsteuer A am Maßstab des Gleichheitssatzes Zum Verständnis der Untersuchungsergebnisse bedarf es zunächst der Darstellung, welchen Maßstab der Gleichheitssatz an die Steuergesetze stellt (dazu unten 2.1.). Darüber hinaus werden die Ergebnisse des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschafts - und Schenkungsteuergesetz dargestellt (dazu unten 2.2.). Schließlich wird untersucht , ob die Abschaffung der Grundsteuer A gegen den Gleichheitssatz verstößt (dazu unten 2.3.). 1 Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 13 Rdnr. 211 und Rdnr. 204 mit weiteren Nachweisen in Fn 9; Eisele, Die Grundsteuer auf verfassungsrechtlichem Prüfstand, DStR 2005, 1971; Leuchtenberg , Grundsteuer im Brennpunkt des Verfassungsrechts, DStZ 2006, 36; Meier, Grundsteuer – quo vadis?, ZKF 2006, 73; Kruse, Abschied von den Einheitswerten, BB 1996, 717. 2 vgl. Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Gisela Pilz vom 31.10.2003, Frage Nr. 25, Bundestagsdrucksache 15/1859; Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Veronika Bellmann vom 15.12.2006, Frage Nr. 27, Bundestagsdrucksache 15/1859; Bericht des Bayrischen Staatsministers der Finanzen und des Ministers der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz an die Finanzministerkonferenz, Januar 2004; Presseerklärung zum Ergebnis der Finanzministerkonferenz am 5. Mai 2006 unter http://www2.stmf.bayern.de/internet/stmf/aktuelles/pressemitteilungen/2006_998/index.htm 3 vgl. den Bericht Bayrischen Staatsministers der Finanzen und des Ministers der Finanzen, a.a.O., Fn 2, S. 25 4 BVerfG, unbegründeter Beschluss vom 21.06.2006, Az.: 1 BvR 1644/05. 5 Die Grundsteuer auf andere Grundstücke, auf denen sich keine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe befinden, wird als „Grundsteuer B“ bezeichnet. Nach § 125 Abs. 3 BewG fallen außerdem die Wohngebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in den neuen Bundesländern unter die Grundsteuer B. 6 BVerfG, Beschluß vom 7. 11. 2006, NJW 2007, 573. - 6 - 2.1. Der Gleichheitssatz im Steuerrecht Im Steuerrecht findet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG seine besondere Ausgestaltung in der so genannten Steuergerechtigkeit. Diese wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in erster Linie durch eine „Belastungsgleichheit “ erzielt7. Dabei kommt es insbesondere auf die Gleichbehandlung innerhalb einer Gruppe an: Nach dem Bundesverfassungsgericht ist der Gleichheitssatz insbeondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können8. Für die vorliegende Untersuchung ist somit von Bedeutung, ob die Belastungsgleichheit nicht (mehr) gegeben wäre, wenn die Grundsteuer A entfiele, die Grundsteuer B jedoch bestehen bliebe. 2.2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Wie eingangs dargestellt, soll insbesondere betrachtet werden, ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer9 gegen den Wegfall der Grundsteuer A spricht. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Erbschaftund Schenkungsteuerrecht in seiner derzeitigen Ausgestaltung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist. Die Ermittlung des Wertes der verschiedenen vererbten oder verschenkten Vermögensgegenstände (Betriebsvermögen , Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) erfolge nach unterschiedlichen Methoden, die zu einer willkürlichen und ungleichen Steuerbelastung führten. Im Ergebnis würde den Anforderungen des Gleichheitssatzes nur dann Genüge getan, wenn die verschiednen Vermögensgegenstände realitätsgerecht bewertet würden. 7 BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 (so genannter „Vermögenssteuerbeschluss“), NJW 1995, 2615, 2616: „Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Das danach - unbeschadet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen - gebotene Gleichmaß verwirklicht sich in dem Belastungserfolg , den die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen erreicht.“ 8 so genannte „neue Formel“ des BVerfG, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG, Beschluß vom 08.06.1993, NJW 1994, 122; Beschluß vom 26.10.2004, NZG 2005, 92, 93, m.w.N.. 9 siehe Fn 6. - 7 - Dies sei nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert10 als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiere11. Diese Grundsätze werden nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch von dem aktuellen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nicht eingehalten. So würde z.B. die Wertermittlung von Grundvermögen, die sich nach dem Bewertungsgesetz (BewG)12 richte, zu Werten führen, die hinter dem tatsächlichen Verkehrswert (gemeiner Wert) erheblich zurückbleiben würden13. Auch die Bewertung von Betriebsvermögen, die im Wesentlichen auf der Basis von Steuerbilanzwerten (§ 109 Abs. 1 BewG) erfolge, würde zu völlig uneinheitlichen Abweichungen der Steuerwerte vom gemeinen Wert führen 14. In dieser Entscheidung beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht somit im Wesentlichen mit der unterschiedlichen steuerlichen Bewertung von verschiedenen Vermögensgegenständen (wie gezeigt z.B. nach Steuerbilanzwerten und nach dem Bewertungsgesetz ). Da die Grundsteuer nur einheitswertgebundenes Vermögen umfasst, dessen Bewertung sich einheitlich nach den Regeln des Bewertungsgesetzes richtet, kann diese Hauptargumentation des Bundesverfassungsgericht auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer und die aufgeworfenen Fragen nur sehr begrenzt übertragen werden15. Im Ergebnis wiederholt das Bundesverfassungsgericht aber auch in dieser Entscheidung den Grundsatz, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dem Steuergesetzgeber vorschreibt, eine Gruppe im steuerrechtlichen Sinne (hier der Erben und Beschenkten) in gleichem Maße mit der Steuer zu belasten. 10 Bei dem „gemeinen Wert“ handelt es sich letztlich um den Verkehrswert. In § 9 Abs. 2 BewG findet sich folgende Legaldefinition des Begriffes: „Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.“ 11 BVerfG, Beschluß vom 7. 11. 2006, NJW 2007, 573, 575 (Erwägungsgrund 104). 12 Für die vorliegende Untersuchung ist jedoch zu beachten, dass die Bewertung der Vermögensgegenstände zum Zwecke der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nach den besonderen Regeln der §§ 139 ff. BewG erfolgt. Diese Vorschriften gelten nicht für die Bewertung der Vermögensgegenstände, die der Grundsteuer unterliegen, so dass die Kritikpunkte des BVerfG an der Bewertung der der Erbschaft- und Schenkungssteuer unterliegenden Vermögensgegenstände nur beschränkt auf die Bewertung im Rahmen der Grundsteuererhebung übertragen werden können. 13 BVerfG, a.a.O., S. 579 (Erwägungsgründe 136 ff.). 14 BVerfG, a.a.O., S. 577 ff. (Erwägungsgründe 114 ff., insbesondere 122, 128 ff.). 15 Auch der BFH hat die Übertragbarkeit der Argumentation des BVerfG in seinem Vermögensteuerbeschluss vom 22.06.1995 (NJW 1995, 2624) auf die Grundsteuer abgelehnt, vgl. BFH, Beschluss vom 08.02.2000, Az: II B 65/99, Auszüge der BFH-Entscheidung abrufbar bei Beck-online unter Az: BeckRS 2000 25004566. - 8 - 2.3. Verstoß gegen den Gleichheitssatz bei Wegfall der Grundsteuer A? Der Grundsteuer unterfallen gemäß § 2 Nr. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) zunächst die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) 16. Dazu gehören in den alten Bundesländern nach § 33 Abs. 2 BewG auch die Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. In den neuen Bundesländern sind die Wohngebäude gemäß § 125 Abs. 3 BewG der Grundsteuer B zugeordnet. Im Übrigen umfasst die Grundsteuer nach § 2 Nr. 2 GrStG alle sonstigen in den Gemeinden belegenden Grundstücke (Grundsteuer B)17, einschließlich aller Betriebsgrundstücke , auf denen sich keine Betriebe der Land- und Forstwirtschaft befinden. Die Bewertung des der Grundsteuer A und der Grundsteuer B unterliegenden Grundvermögens richtet sich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes18. Entfiele nur die Grundsteuer A würden sowohl die Betriebsgrundstücke der Land- und Forstwirtschaft als auch die dazu gehörenden Wohngrundstücke, letztere allerdings nur in den alten Bundesländern, steuerfrei bleiben. Mit dem Gleichheitssatz dürfte dies wohl nicht zu vereinbaren sein. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung der Wohngebäude der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern und die sonstigen Wohngebäude (dazu unten 2.3.1.). Aber auch in Bezug auf die steuerliche Benachteiligung der sonstigen in der Gemeinde belegenen Betriebsgrundstücke (dazu 2.3.2.), die nicht der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sind, bestehen gleichheitsrechtliche Bedenken. 2.3.1. Gleichheitsrechtliche Bedenken bei Wegfall der Besteuerung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Bei Wegfall der Grundsteuer A würden nur die Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den alten Bundesländern steuerfrei bleiben. Ob diese Bevorzugung mit dem Gleichheitssatz vereinbar wäre, wird – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur diskutiert. Eine Rechtfertigung für diese einseitige Steuerbefreiung ist jedoch nicht erkennbar. 16 Nach § 13 Abs. 1 GrStG wird die Grundsteuer anhand des Einheitswertes nach dem Bewertungsgesetz errechnet. Nach § 36 BewG werden land- und forstwirtschaftliche Betriebe in den alten Bundesländern nach ihrem Ertragswert bewertet. Gemäß § 125 Abs. 2 BewG gelten für die land- und forstwirtschaftliche Betriebe in den neun Bundesländern so genannte Ersatzwirtschaftswerte. 17 vgl. zur Legaldefinition von Grundvermögen und Grundstücken, §§ 68 -70 BewG. 18 Grundsteuer A: §§ 33 ff. BewG; Grundsteuer B: §§ 68 ff. BewG, für das in den neuen Bundesländern belegene Grundvermögen gelten die besonderen Bewertungsvorschriften der §§ 125 ff. BewG. - 9 - Nach der oben19 dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Steuergesetzgeber die Mitglieder einer Gruppe steuerrechtlich gleichbehandeln, sofern nicht besondere Gründe die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Zweifelsfrei müssen die Eigentümer und sonstigen Berechtigten20 von Wohngebäuden der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den alten und in den neuen Bundesländern einer solchen Gruppe zugeordnet werden. Darüber hinaus gehören wohl auch die sonstigen Eigentümer und Berechtigten der übrigen Wohngebäude zu dieser Gruppe. Für die Steuerbefreiung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den alten Bundesländern müssten demnach besondere Gründe vorliegen, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur Erbschaft- und Schenkungsteuer dargelegt hat, ist der Steuergesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, einzelne Sachverhalte von der Steuerpflicht auszunehmen21. Zur Rechtfertigung einer solchen vollständigen Steuerentlastung, die nach dem Bundesverfassungsgericht nur in Ausnahmefällen erfolgen soll22, bedarf es allerdings ausreichender Gemeinwohlgründe und es muss erkennbar sein, dass die Steuerentlastung von einer gesetzgeberischen Entscheidung zur Förderung dieser Gemeinwohlgründe getragen wurde. Die Begünstigungswirkung darf darüber hinaus nicht von Zufälligkeiten abhängen und daher willkürlich eintreten23. Würde die Grundsteuer A wegfallen, weil sie als politisch überholt angesehen wird, würde dies die oben beschriebenen Anforderungen an eine Steuerbefreiung zugunsten nur eines Teils der Gruppe nicht erfüllen. Da besondere Gründe des Gemeinwohls für die vollständige Befreiung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den alten Bundesländern - insbesondere im Vergleich mit den neuen Bundesländern – nicht ersichtlich sind, wäre ein Wegfall der Grundsteuer A unter vollständiger Befreiung der Wohngebäude land- und forstwirtschaftlichen Betriebe wohl nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Aber auch wenn in dem Grundsteuer-Änderungsgesetz, durch das die Grundsteuer A abgeschafft werden soll, klargestellt würde, dass auch die Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Bundesländern – unter Abweichung von 19 vgl. oben Ziff. 2.1. 20 z.B. aufgrund eines Erbbaurechts. 21 vgl. BVerfG, Fn 5, S. 575 (Erwägungsgründe 98 ff.). 22 BVerfG, a.a.O., Erwägungsgrund 98 am Ende. 23 BVerfG, a.a.O., Erwägungsgrund 100. - 10 - § 125 Abs. 3 BewG – nicht mehr der Grundsteuer (B) unterliegen sollen, verbliebe es bei der Bevorzugung der Wohngebäude der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegenüber den sonstigen Wohngebäuden in der Gemeinde. Auch hier sind besondere Gründe des Gemeinwohls, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, nicht erkennbar, so dass auch diesbezüglich erhebliche Bedenken an der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz bestehen24. 2.3.2. Gleichheitsrechtliche Bedenken bei Wegfall der Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Wie dargestellt25, würden die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegenüber sonstigen in der jeweiligen Gemeinde angesiedelten Betrieben bei Wegfall der Grundsteuer A steuerrechtlich bevorzugt werden. Ob die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einerseits und die sonstigen Betriebe der Gemeinde andererseits steuerrechtlich einer Gruppe zugeordnet werden müssen, ist nicht so einfach zu entscheiden wie dies oben bei den Wohngebäuden möglich war. Auch diese Frage wurde – soweit ersichtlich – bisher weder in Rechtsprechung noch Literatur untersucht. Die aktuelle unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Betriebstypen im Rahmen des Grundsteuergesetzes (Zuordnung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zur Grundsteuer A, der sonstigen Betriebe zur Grundsteuer B) könnte zwar dafür sprechen, dass sie nicht einer Gruppe zugeordnet werden können. Andererseits wurden die verschiedenen Betriebe einer einheitlichen Steuer (Grundsteuer) unterworfen und lediglich mit unterschiedlichen Messzahlen besteuert26. Aus diesem Grunde und weil auch im Übrigen keine Merkmale erkennbar sind, die die verschienen Betriebstypen erheblich unterscheiden, wird vorliegend davon ausgegangen, dass die Betriebstypen zu einer steuerrechtlichen Gruppe gehören. Folglich wäre die Befreiung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von der Grundsteuer nur dann mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn es dafür einen besonderen Rechtfertigungsgrund gäbe. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sich ein politischer Grund finden lässt, der die Befreiung rechtfertigen könnte, wobei die oben darge- 24 In ihrem Bericht an die Finanzministerkonferenz von Januar 2004 haben die Finanzminister von Bayern und Rheinland-Pfalz dieses Problem erkannt. Sie schlagen daher vor, die Grundsteuer A wegfallen zu lassen, jedoch alle Wohngebäude land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in die Grundsteuer B zu integrieren. Vgl. zu den Einzelheiten den genannten Bericht, S. 30 ff., abrufbar im Internet unter http://www.ihk-koeln.de/Navigation/FairplayRechtUndSteuern/Steu-ern/Anlagen /Reform GrundstLF.pdf 25 vgl. oben S. 8. 26 Steuermesszahl für land- und forstwirtschaftliche Betriebe: § 14 GrdStG: 6 ‰; für sonstige Betriebe : § 15 GrdStG: 3,5 ‰. - 11 - stellten Anforderungen an eine solche umfassende Befreiung, nämlich das Vorliegen ausreichender Gründe des Gemeinwohls, einer eindeutigen gesetzgeberischen Intention und einer willkürfreien Befreiung, eingehalten werden müssten. Der Wegfall der Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben mit der Begründung, die Grundsteuer A sei überholt, würde daher allerdings nicht ausreichen. Es ist somit dem Gesetzgeber überlassen, zu entscheiden ob, und wenn ja, aus welchen Gründen, nur die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von der Grundsteuer befreit werden sollen. Letztlich lässt sich eine etwaige Befreiung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von der Grundsteuer wohl auch erst anhand der Ergebnisse der geplanten Grundsteuerreform, die auch die Grundsteuer B neu ordnen soll, bewerten. Im Ergebnis ist der Wegfall der Grundsteuer A im Hinblick auf die damit einhergehende Bevorzugung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegenüber den sonstigen Betrieben, nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn ausreichende Gründe des Gemeinwohls die Bevorzugung rechtfertigen. 3. Sonstige Bedenken gegen den Wegfall der Grundsteuer A, insbesondere wegen Art. 106 Abs. 6 GG Da die Frage, ob dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Abschaffung der Grundsteuer A zusteht, bereits in dem Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste, Fachbereich 327 beantwortet wurde, war hier nur noch zu untersuchen, ob Art. 106 Abs. 6 GG der Abschaffung im Wege steht. Art. 106 Abs. 6 GG regelt die Verteilung des Aufkommens der Grundsteuer und weist dieses den Gemeinden zu. Art. 106 Abs. 6 GG lautet: „Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen.“ 27 Fachbereich Verfassung und Verwaltung, Az.: 093/07. - 12 - Nach herrschender Meinung28 und nach der Intention des Gesetzgebers29 handelt es sich bei Art. 106 Abs. 6 GG jedoch lediglich um eine Verteilungsnorm, die den Gemeinden nicht den institutionellen Fortbestand der Steuern und damit der Grundsteuer garantiert, sondern nur die Ertragshoheit sichert, soweit und solange die Steuern erhoben werden. Auch das Aufkommen der Grundsteuer wird den Gemeinden durch Art.106 Abs.6 GG nicht zugesichert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes besteht die Zusicherung in Bezug auf das Realsteueraufkommen nur in dem Umfang, der sich aus der jeweiligen bundesrechtlichen Regelung ergibt, nicht aber in einem bestimmten zahlenmäßigen Umfang dieses Aufkommens30. Im Ergebnis steht Art. 106 Abs. 6 GG der Abschaffung der Grundsteuer A somit nicht entgegen. 28 Dreier, Grundgesetz Kommentar, Art. 106 Rn. 37; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rdnr. 88; Rudolf Wendt, Abschaffung und Ersetzung der Gewerbesteuer aus verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Sicht, BB 1987, S. 1677, 1679; Tipke/Lang, a.a.O., Fn 1, § 13 Rdnr. 204. Andere Ansicht nur Kasper, Kommunale Steuern Grundlagen des Gemeindesteuerrechts (alle Bundesländer), Deutscher Gemeindeverlag 2006, S. 7 C Abs. I Satz 4. Kasper sieht in Art. 106 Abs. 6 GG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG eine Garantie für den Bestand der Grundsteuer als Realsteuer zugunsten der Gemeinden. 29 vgl. Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 10.09.1997, Deutscher Bundestag Drucksache 13/8488, S. 6. 30 BFH, Urteil vom 24.03.1992, Aktz: VIII R 33/90, abrufbar bei Beck-online unter Az.: BeckRS 1992 22010250.