© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 046/16 Gesetzgebungskompetenz für Betriebsprüfungen bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 2 Gesetzgebungskompetenz für Betriebsprüfungen bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 046/16 Abschluss der Arbeit: 29.04.2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Steuerverwaltungsverfahren 4 3. Regelungsmöglichkeiten für einen gesetzlichen Mindestprüfungsturnus bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften 4 3.1. Gesetzessystematische Einordnung 4 3.2. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grenzen für Prüfungsrhythmen 5 3.2.1. Gleichmäßigkeit der Besteuerung 5 3.2.2. Verhältnismäßigkeit 6 3.2.3. Auftragsverwaltung für den Bund 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftrag thematisiert den Turnus der Betriebsprüfungen der Finanzämter bei Steuerpflichtigen mit besonders hohen Einkünften. Die Bundesregierung habe in einer Antwort auf eine Berichtsanforderung hierzu erklärt, dass es „aufgrund der risikoorientierten Fallauswahl keine von den Bundesländern festgelegten Prüfungsrhythmen gibt. Es existieren keine gesetzlichen, untergesetzlichen oder sich aus der Rechtsprechung ergebenden Vorgaben für die Prüfungsintervalle bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften.“ Es soll nunmehr dargestellt werden, ob der Bundesgesetzgeber eine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Prüfungsrhythmus für Steuerpflichtige mit besonders hohen Einkünften besitzt. Zudem sollen diesbezügliche Regelungsmöglichkeiten dargestellt und mögliche verfassungs- und/ oder einfachgesetzliche Grenzen für derartige Gesetzgebungsvorhaben skizziert werden. 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Steuerverwaltungsverfahren Die verfahrensrechtlichen Vorschriften für die Außenprüfung (Betriebsprüfungen) sind Bestandteil des Steuerverwaltungsverfahrens und werden von den Landessteuerverwaltungen maßgeblich durchgeführt. Der Bund hat hierfür gemäß Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz . Es handelt sich dabei um im Bundesrat zustimmungsbedürftige Gesetzesvorhaben , Art. 108 Abs. 5 Satz 2 a.E. GG. 3. Regelungsmöglichkeiten für einen gesetzlichen Mindestprüfungsturnus bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften 3.1. Gesetzessystematische Einordnung Die grundsätzlichen Regelungen zur Außenprüfung finden sich im Vierten Abschnitt des Vierten Teils der Abgabenordnung (AO), §§ 193 ff. AO. In § 193 AO werden hierfür die Kriterien benannt , bei deren Vorliegen eine Außenprüfung zulässig ist. § 194 AO beinhaltet Bestimmungen zum zulässigen Umfang einer Außenprüfung. Regelungen zu einem zeitlichen Mindestprüfungsturnus finden sich in der AO nicht. Vielmehr sind die §§ 193, 194 AO als Ermessensnormen konzipiert , die der Steuerverwaltung das Entschließungsermessen (“ob der Prüfung“) und das Auswahlermessen (“wie der Prüfung“) eröffnen. Das Ermessen ist seitens der Verwaltung frei von Ermessensfehlern und nach den allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit auszuüben. Dies wird durch die ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften in der Betriebsprüfungsordnung (BpO) konkretisiert. § 4 Abs. 1 BpO stellt klar, dass die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. § 4 Abs. 2 BpO besagt, dass bei Großbetrieben und Unternehmen i.S.d. §§ 13 und 19 BpO der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen soll. Eine Anschlussprüfung ist auch in den Fällen des § 18 BpO möglich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 5 § 4a BpO enthält die Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren für zeitnahe Betriebsprüfungen . Die Norm lautet: (1) Die Finanzbehörde kann Steuerpflichtige unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 für eine zeitnahe Betriebsprüfung auswählen. Eine Betriebsprüfung ist zeitnah, wenn der Prüfungszeitraum einen oder mehrere gegenwartsnahe Besteuerungszeiträume umfasst. (2) Grundlage zeitnaher Betriebsprüfungen sind die Steuererklärungen im Sinne des § 150 der Abgabenordnung der zu prüfenden Besteuerungszeiträume (Absatz 1 Satz 2). Zur Sicherstellung der Mitwirkungsrechte des Bundeszentralamtes für Steuern ist der von der Finanzbehörde ausgewählte Steuerpflichtige dem Bundeszentralamt für Steuern abweichend von der Frist des § 21 Absatz 1 Satz 1 unverzüglich zu benennen. (3) Über das Ergebnis der zeitnahen Betriebsprüfung ist ein Prüfungsbericht oder eine Mitteilung über die ergebnislose Prüfung anzufertigen (§ 202 der Abgabenordnung). Darüber hinausgehende Regelungen zu einem Mindestprüfungsturnus für Steuerpflichtige mit besonderen Einkünften enthält die BpO nicht. Aufgrund der vorgenannten bestehenden Regelungen, würde sich für eine Normierung eines Mindestprüfungsturnus eine Änderung bzw. Ergänzung der §§ 192, 193 AO anbieten. Im Bereich der Verwaltungsrichtlinien könnten dann weitere, konkretisierende Bestimmungen in der BpO getroffen werden. 3.2. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grenzen für Prüfungsrhythmen 3.2.1. Gleichmäßigkeit der Besteuerung Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat der Steuergesetzgeber den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu beachten. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung kann sich auch erst durch Durchsetzungsregeln ergeben, die auf ungleiche Belastung angelegt sind. Jedoch reicht dafür nicht jeder auch empirische Vollzugsmangel aus. Vielmehr müssen erstens die einschlägigen Durchsetzungsregeln der gesetzgeberischen Grundentscheidung strukturell entgegenlaufen, so dass die gleichmäßige Anwendung weitgehend verhindert wird. Dies muss zweitens dem Gesetzgeber in dem Sinne zuzurechnen sein, dass sich ihm der prinzipielle Vollzugsmangel aufdrängen musste, was auch erst nachträglich der Fall sein kann.1 Dieses Kriterium würde jedoch bei einer gesetzlichen Festlegung eines Mindestprüfungsturnus nicht verletzt, sondern eher intensiver bei der Anwendung der Steuergesetze zur Geltung kommen . Außenprüfungen sind wesentlicher Bestandteil eines effektiven Steuervollzugs. Insbesondere für Großbetriebe wird eine lückenlose Anschlussprüfung gefordert, § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO. 1 BVerfGE 84, 239 (272) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 6 Steuergesetze können verfassungswidrig werden, wenn ihre praktische Durchsetzbarkeit durch systematische Vollzugsdefizite beeinträchtigt wird.2 Eine gesetzliche Festlegung eines Mindestprüfungsturnus für Steuerpflichtige mit besonderen Einkünften würde der Entstehung derartiger Vollzugsdefizite vorbeugen. Eine Ungleichbehandlung der vom Mindestprüfungsturnus betroffenen Steuerpflichtigen gegenüber den sonstigen Steuerpflichtigen scheidet ebenfalls aus. Eine Ungleichbehandlung setzt eine wesentliche Gleichheit der Vergleichsgruppen voraus. Der Kreis der Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften wird jedoch eine andere Einkunftshöhe und –struktur aufweisen als die Mehrheit der Steuerpflichtigen. Insoweit kann nicht von einer Vergleichbarkeit der Gruppen ausgegangen werden. Sowohl die Einnahmen als auch die steuerwirksamen Ausgaben sind bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften oftmals von mehreren Einkunftsarten (Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen, selbstständige Einkünfte usw.) und hohen Betriebsausgaben bzw. Werbungskostenansätzen geprägt. Zudem ist von den Betroffenen zumeist der Spitzensteuersatz zu zahlen. Die steuerliche Auswirkung einzelner Besteuerungsmerkmale fällt somit wesentlich höher aus, als bei Steuerpflichtigen mit durchschnittlichen Einkünften. Insoweit stellt eine häufigere Außenprüfung bzw. ein gesetzlich fixierter Mindestprüfungsturnus keine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung dar. 3.2.2. Verhältnismäßigkeit Der gesetzlich festgelegte Mindestprüfungsturnus müsste zudem verhältnismäßig sein, d.h. einen legitimen Zweck verfolgen, der mit einem zur Zweckerreichung erforderlichen Mittel in angemessener Art und Weise in die subjektiven Rechte der Betroffenen eingreift. Der legitime Zweck besteht hier in der effektiven Vollziehung der Steuergesetze. Dazu gehört als erforderliches Mittel auch die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Außenprüfungen sind geeignete Mittel um die Besteuerungsgrundlagen bei Steuerpflichtigen zu ermitteln. Dem Gesetzgeber wird vom BVerfG bei der Wahl des Mittels, zur Erreichung des angestrebten Regelungszwecks , eine weite Einschätzungsprägorative zugebilligt. Angemessen oder verhältnismäßig im engeren Sinn ist eine Maßnahme nur dann, wenn die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt.3 Die Außenprüfung greift zwar unmittelbar in die Persönlichkeitssphäre des steuerpflichtigen Bürgers ein. Gemäß § 200 AO treffen den Steuerpflichtigen bei der Außenprüfung umfangreiche Mitwirkungspflichten. 2 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Januar 2008 – 2 BvR 294/06 – 3 BVerfGE 23, 133; 61, 134 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 046/16 Seite 7 Diese umfassende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Außenprüfung hat jedoch auch positive Aspekte für den Steuerpflichtigen. Oftmals können in der Außenprüfung rechtlich und/oder tatsächlich unsichere Sachverhalte einer einvernehmlichen Lösung zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen zugeführt werden. Die Außenprüfung bringt dem Steuerpflichtigen insoweit Rechtssicherheit, da regelmäßig nach der Prüfung die Vorbehalte der Nachprüfung (§ 164 AO) in den Steuerbescheiden des Prüfungszeitraums aufgehoben werden. Damit tritt materielle Bestandskraft der Steuerbescheide ein, was das Risiko einer nachträglichen Änderung /Steuernachforderung erheblich reduziert. Nicht zuletzt ist die Außenprüfung für die Steuerverwaltung die nahezu einzige Ermittlungsmöglichkeit , um das öffentliche Interesse an einem effizienten und gleichmäßigen Steuervollzug bei hohen Einkünften und komplexen Steuerbilanzen durchsetzen zu können. 3.2.3. Auftragsverwaltung für den Bund Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig, Art. 108 Abs. 3 GG. Die Betriebsprüfungsordnung (BpO) ist insoweit eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, die gem. Art. 108 Abs. 7 GG nur mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden kann. „Diese allgemeinen Verwaltungsvorschriften können sich auf die Organisation der Behörden, das Verwaltungsverfahren oder auch auf materiell-rechtliche Fragen beziehen. Allerdings ist zu beachten , dass für alle diese drei Fragenbereiche im Wesentlichen der Gesetzesvorbehalt gilt. Dies folgt für die Organisationsfragen aus Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2, für das Verwaltungsverfahren aus Abs. 5 des Art. 108 […].“4 Haushaltsrechtlich fallen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen dem Land zu.5 Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei einem nennenswerten Mehrbedarf an Betriebsprüfern in Folge der Festschreibung des Betriebsprüfungsturnus, Forderungen nach einer finanziellen Beteiligung des Bundes an den Personalmehrkosten von den Ländern erhoben werden würden. - Ende der Bearbeitung - 4 Maunz/Dürig: GG. Kommentar; Art. 108 Rn. 60; abgerufen unter www.beck-online.de [zuletzt am 28.04.2016] 5 Maunz/Dürig: ebenda; Art. 104a Rn. 10