© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 044/19 Aufsichtsrechtliche Aspekte einer Fusion von Kreditinstituten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 044/19 Seite 2 Aufsichtsrechtliche Aspekte einer Fusion von Kreditinstituten Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 044/19 Abschluss der Arbeit: 20. März 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 044/19 Seite 3 1. Würde die Verkündigung einer Fusion der Deutschen Bank und der Commerzbank rechtlich institutionelle Schritte von deutschen oder europäischen Institutionen zum Schutz der Finanzmarktstabilität auslösen? Welche mikro- und makroprudentiellen Anforderungen (unter anderem Kapital- und Liquiditätsanforderungen ) müsste ein neues Institut erfüllen? Mit dem Start des einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM (Single Supervisory Mechanism) im November 2014 übernahm die Europäische Zentralbank (EZB) die direkte Aufsicht über die als bedeutend eingestuften Bankengruppen. Für jedes dieser derzeit 117 Significant Institutions (SIs), zu denen sowohl die Deutsche Bank AG als auch die COMMERZBANK Aktiengesellschaft gehören, ist ein gemeinsames Aufsichtsteam (Joint Supervisory Team – JST) zuständig. Neben Mitarbeitern der EZB sind in diesen Teams auch Mitarbeiter der BaFin und der Bundesbank vertreten 1. Die Aufsichtsbehörden beurteilen und messen regelmäßig die Risiken, denen die einzelnen Banken ausgesetzt sind. Diese Kerntätigkeit wird als aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (englisch: Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) bezeichnet. Im Rahmen des SREP können die Aufseher das Risikoprofil einer Bank mithilfe eines einheitlichen Instrumentariums aus vier verschiedenen Blickwinkeln prüfen: 1. Geschäftsmodell: Die Aufseher beurteilen die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der einzelnen Banken, sie prüfen also, ob die Aktivitäten einer Bank breit gefächert sind oder ob sie sich auf nur wenige Geschäftsfelder konzentriert. 2. Governance und Risikomanagement: Die Aufseher untersuchen die Organisationsstruktur einer Bank, indem sie ihre Führungsorgane einer Kontrolle unterziehen und prüfen, ob Risiken angemessen gesteuert werden. 3. Kapitalrisiko: Die Aufseher prüfen, ob das Sicherheitsnetz der Bank in der Lage ist, Verluste aufzufangen. 4. Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiko: Die Aufseher prüfen, ob eine Bank in der Lage ist, ihren Liquiditätsbedarf kurzfristig zu decken, etwa in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Die JST führen den SREP fortlaufend durch und bereiten einmal im Jahr einen auf das Profil jeder einzelnen Bank individuell abgestimmten SREP-Beschluss vor. Grundsätzlich muss jede Bank einen in Rechtsvorschriften2 festgelegten Mindestbetrag an Kapital vorhalten. In dem Beschluss kann jedoch die Aufsichtsbehörde die Bank zum Beispiel auffordern, mehr Kapital vorzuhalten . Weiterhin kann sie qualitative Vorgaben festlegen, die beispielsweise die Führungsstruktur oder das Management der Bank betreffen. 1 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Deutsche Institute unter direkter Aufsicht des SSM, 9. Mai 2017, unter: https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahresbericht2016/Kapitel3/Kapitel 3_2/Kapitel3_2_3/kapitel3_2_3_artikel.html, abgerufen am 19. März 2019. 2 Rechtsvorschriften sind die Capital Requirements Directive IV (CRD IV) und die Capital Requirements Regulation (CRR). Sie bezeichnen die EU-Richtlinie und die EU-Verordnung, welche auf europäischer Ebene die bankaufsichtlichen Regelungen umsetzen, die im Wesentlichen auf dem Basel III-Regelwerk beruhen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 044/19 Seite 4 Zur Gewährleistung einer fairen und einheitlichen Aufsicht gibt es eine gemeinsame Prüfungsmethodik . Die Unterschiede der einzelnen Banken zeigen sich jedoch durch differenzierten Umfang , Intensität und Häufigkeit der Prüfungen. Die in den JST vertretenen Aufseher der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden berücksichtigen bei der Entscheidung über die Prüfung unter anderem den möglichen Einfluss einer Bank auf das Finanzsystem.3 Würden Deutsche Bank und Commerzbank fusionieren, dürfte das neue Institut zu den Significant Institutions gehören und wie oben skizziert beaufsichtigt werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass das neue Institut - wie die Deutsche Bank derzeit und die Commerzbank 2011/12 - zu den sogenannten Global Systemically Important Banks (G-SIBs)4 gehören könnte. In diesem Fall müssten die Aufsichtsbehörden dem Institut folgende Anforderungen auferlegen: – Higher capital buffer. – Total Loss-Absorbing Capacity (TLAC). – Resolvability. – Higher supervisory expectations.5 2. Welche Rolle hat die Aufsicht bei der Fusion? Ab welcher Größenordnung bzw. Marktkonzentration sowie Zeitpunkt würde die Aufsicht begleitend auftreten? Die erste Fusion zweier signifikanter Institutsgruppen im SSM war die Verschmelzung der DZund WGZ-Bank zur drittgrößten Bankengruppe in Deutschland im Jahr 2016. Ein solches Fusionsvorhaben löste zahlreiche aufsichtliche Genehmigungsprozesse aus. Die BaFin begleitete aufsichtlich die Bestellung der neu gebildeten Geschäftsleitung für das fusionierte Institut und die mit der Fusion vorgenommene Kapitalerhöhung. Außerdem führte die BaFin mehrere Inhaberkontrollverfahren durch.6 Diese wären auch notwendig, wenn die Fusion der Deutschen Bank 3 Europäische Zentralbank Bankenaufsicht: Was ist der SREP?, 13. November 2017, unter https://www.bankingsupervision .europa.eu/about/ssmexplained/html/srep.de.html, abgerufen am 19. März 2019. 4 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Global systemrelevante Banken: Aktualisierte Bewertungsmethodik und Anforderungen an die höhere Verlustabsorptionsfähigkeit, Juli 2013, unter: https://www.bis.org/publ/bcbs255_de.pdf, abgerufen am 19. März 2019. Vgl. auch § 10f Kreditwesengesetz (KWG). 5 Financial Stability Board: 2018 list of global systemically important banks (G-SIBs), 16. November 2018, unter: http://www.fsb.org/wp-content/uploads/P161118-1.pdf, abgerufen am 19. März 2019. 6 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Deutsche Institute unter direkter Aufsicht des SSM, 9. Mai 2017, unter: https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahresbericht2016/Kapitel3/Kapitel 3_2/Kapitel3_2_3/kapitel3_2_3_artikel.html, abgerufen am 19. März 2019. Darin wird auch berichtet, dass das JST-Aufsichtsteam für die zahlreichen fusionsbedingten Sonderaktivitäten auf Anregung der BaFin ein Merger -Subteam einrichtete, das aus Mitarbeitern der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank und der BaFin bestand Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 044/19 Seite 5 und der Commerzbank durch den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung nach Artikel 22ff. CRD erfolgen sollte.7 Dafür gilt im Wesentlichen Folgendes: Schon die Beabsichtigung eines solchen Erwerbs, bei dem bestimmte Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden sollen, ist bei der nationalen Aufsichtsbehörde anzeigepflichtig. Diese führt eine Erstbeurteilung durch und erstellt einen Vorschlagsentwurf für die EZB. Die EZB nimmt eine Beurteilung vor und entscheidet über den geplanten Erwerb. Bei der Entscheidung sind fünf Kriterien maßgeblich: – Leumund des interessierten Erwerbers. – Leumund, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung vorgeschlagener neuer Mitglieder des Leitungsorgans des Zielinstituts. – Finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers. – Auswirkungen auf das Zielinstitut. – Risiko von Verbindungen zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Um sicherzustellen, dass die fünf vorstehenden Kriterien erfüllt sind, kann die EZB dem interessierten Erwerber Auflagen erteilen oder Verpflichtungen auferlegen. Wenn die EZB beabsichtigt, einem geplanten Erwerb nicht zuzustimmen, wird eine Anhörung durchgeführt, um dem interessierten Erwerber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.8 * * * 7 § 2c KWG spricht von einer „bedeutenden Beteiligung“. 8 Europäische Zentralbank: SSM-Aufsichtshandbuch, März 2018, Seite 60ff. mit den europäischen Rechtsvorschriften , unter: https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.supervisorymanual 201803.de.pdf?1584b27046baf1e68f92f82caadb3a63, abgerufen am 19. März 2019.