Steuermoral und Steuerflucht - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 043/2008 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Steuermoral und Steuerflucht Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 043/2008 Abschluss der Arbeit: 03.03.2008 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - - Zusammenfassung - Die Ausarbeitung betrachtet zunächst die Steuerflucht als gesellschaftliches Phänomen in seiner aktuellen Ausprägung. Dabei werden die Fragen in tatsächlicher Hinsicht geklärt : Was ist Steuerflucht? Wohin wird geflohen? Wie wird geflohen? Und in welchem Ausmaß wird geflohen? (1.1.) Anschließend wird die Steuermoral als entscheidender Gradmesser für die Steuerflucht ausgemacht. Dabei wird umrissen, wofür der Begriff der Steuermoral in der aktuellen Debatte steht, und deren Einflussfaktoren aufgezeigt (1.2.). Abschließend wird die nationale, europäische und internationale Rechtslage zur Bekämpfung der Steuerflucht in kurzen Zügen dargestellt (2.). - 4 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Gesellschaftliche Situation 5 1.1. Steuerflucht 5 1.1.1. Wohin? 6 1.1.2. Wie? 6 1.1.3. Wie viel? 7 1.2. Steuermoral 8 1.2.1. Begriffsbestimmung 8 1.2.2. Die Unmoralischen 9 1.2.3. Einflussfaktoren 10 2. Rechtslage 12 2.1. Nationale Rechtslage 12 2.1.1. Abgabenordnung 12 2.1.2. Zollverwaltungsgesetz 14 2.2. Europäische Rechtslage 14 2.3. Internationale Zusammenarbeit 16 3. Fazit 17 - 5 - Einleitung Hinter dem Phänomen der zunehmenden Steuerflucht steht eine gesellschaftsschädliche Steuermoral, um die es – schenkt man aktuellen Medienberichten Glauben – gegenwärtig nicht gut bestellt ist. Eine bessere Steuermoral der Deutschen wird über den Fall Zumwinkel und die aktuelle Liechtensteiner Affäre hinaus als wichtiger Gradmesser für den Erhalt der Solidargemeinschaft erachtet.1 Das Steuerstrafrecht leistet einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels, indem es die Fälle der nachweisbaren Steuerhinterziehung unter Strafe stellt. Darüber hinaus versucht man durch Kontrollen auf nationaler und europäischer Ebene sowie durch Informationsaustausch auf internationaler Ebene der Steuerflucht als globalem Problem entgegen zu wirken. Unzureichende Steuermoral ist jedoch – wie schlechte Moral generell – nur eingeschränkt durch das Sanktionssystem des Strafrechts oder grenzüberschreitende Kontroll- und Informationsaustauschsysteme zu ersetzen, da diese Lücken lassen und immer lassen werden – nach dem Motto: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“ 1. Gesellschaftliche Situation 1.1. Steuerflucht Unter Steuerflucht versteht man gemeinhin den Transfer von Vermögenswerten ins Ausland, um eine inländische Besteuerung zu vermeiden. Steuerflucht ist so alt wie der Abgabenstaat. Doch mit der beschleunigten Globalisierung seit Anfang der neunziger Jahre hat das Phänomen eine neue Dimension erlangt. Steuerflucht wird auf verschiedene Arten praktiziert. Indem etwa der Wohnort ins Ausland verlegt oder Kapitalerträge im Ausland verschwiegen werden. Der Fall Zumwinkel lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit aktuell auf eine weitere Variante, welche sich insbesondere gut verdienende Deutsche zu Nutze machen: Sie transferieren zu versteuerndes Vermögen – bar oder als Buchwert – am deutschen Steuerfiskus vorbei ins Ausland . Dabei verschafft die Durchlässigkeit der Grenzen und der freie globale Kapitalverkehr heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, sein Geld an fast jeden Ort der Welt zu transferieren. 1 Daten von mehreren hundert Kunden der Liechtensteiner LGT-Bank, die dem BND durch einen Informanten verschafft worden sind, haben das größte Steuerverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik ausgelöst. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt zurzeit mit 8 Staatsanwälten und 139 Steuerfahndern gegen 150 Beschuldigte im gesamten Bundesgebiet und durchsucht Geschäftsräume und Banken. 91 Personen haben bereits ein Geständnis abgelegt (Staatsanwaltschaft Bochum, Presseerklärung vom 26.2.2008 (www.sta-bochum.nrw.de/Presseerklärungen/26.2.2008). Prominentester Beschuldigter ist bislang der mittlerweile zurückgetretene Post-Chef Klaus Zumwinkel. - 6 - 1.1.1. Wohin? Bevorzugtes Ziel der Steuerflucht sind so genannte Steueroasen oder Steuerparadiese. Hierunter fallen innerhalb Europas neben Liechtenstein auch Luxemburg, Österreich, die Schweiz, Andorra und die Kanalinseln sowie außerhalb Europas die britischen Kolonien Gibraltar, die karibischen Cayman Islands und zunehmend Länder des asiatischen Raums, wie Hongkong oder insbesondere Singapur.2 Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nannte im Jahre 2000 insgesamt 35 Offshore-Finanzplätze, die nach von ihr aufgestellten Kriterien Steueroasen darstellen , ihre Liste der „nichtkooperativen Steuerparadiese“ von 2002 umfasste sieben Staaten .3 Die Anziehungskraft dieser Länder beruht insbesondere auf zwei Kriterien: • Zum einen gilt hier ein streng gesetzlich abgesichertes Bankgeheimnis. Dabei findet eine Kontrolle über die Vermögenshöhe oder die gutgeschriebenen Zinserträge unter Wahrung der Anonymität des Anlegers quasi nicht statt. • Zum anderen werden in diesen Staaten entweder keine oder nur sehr geringe Vermögens-, Einkommens- bzw. Ertragssteuern erhoben. 1.1.2. Wie? Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Geld auf ausländische Konten zu verbringen. Zunächst kann es schlicht als Bargeld über die Grenze transportiert werden. Eine heute weitaus beliebtere Möglichkeit ist jedoch, mit Hilfe der Bank per anonymisierter Überweisung Gelder über zentrale Konten in die Steueroase zu transferieren. Einige der nun durchsuchten Kreditinstitute hatten beispielsweise unter Verwendung von Codewörtern Geld auf Liechtensteinische Konten überwiesen.4 In den meisten aufgedeckten Fällen wurden Geldanlagen durch Stiftungsgründungen bei der Liechtensteiner Bank LGT Group geparkt. Die Stiftung nach Liechtensteini- 2 Der asiatische Stadtstaat entwickelt sich mehr und mehr zum Dorado für Steuerhinterziehung. Eine Befragung von 265 Vermögensverwaltern durch die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers ergab, dass jeder sechste in den Stadtstaat aus steuerlichen Gründen expandieren will (Brandstetter, Barbara, Eckert, Daniel, Stocker, Frank, Steueroptimierung im Ausland ist eine Gratwanderung , in: Die Welt vom 15.2.2008). 3 Interview mit Achim Poss durch Michael Bergius, Frankfurter Rundschau vom 20.2.2008 (www.oecd.org/documentprint). 4 Die Raiffeisenbank im österreichischen Kleinwalsertal bietet nach einem Bericht des Spiegels seinen deutschen Kunden das „Goldfinger-Konto“ an. Dabei werden Kundendaten nicht in der EDV des Rechenzentrums gespeichert. Um sich zu identifizieren, reichen vielmehr ein Passwort und ein Fingerabdruck (Dettmar, Markus, Die letzten Paradiese, in: Der Spiegel vom 18.2.2008). - 7 - schem Recht ist eine Besonderheit, als sie allein dem Zweck dienen kann, ausländisches Vermögen zu verwalten, die Stiftung praktisch keine Steuern abführen muss5 und der Stifter nach dem Gründungsakt nicht mehr identifizierbar sein muss.6 In Liechtenstein gibt es 50.000 Stiftungen bei 35.000 Einwohnern. Eine ähnliche Steuerflucht-Variante ist die Anlage in ausländische Lebensversicherungen , über die Zinseinkünfte ebenfalls steuerfrei vereinnahmt werden können und die im Fall der Insolvenz eines Unternehmens unantastbar sind. Dabei kann der Versicherte anders als bei deutschen Policen in die Anlageentscheidungen des Versicherers selbst eingreifen.7 Eine weitere Möglichkeit ist schließlich die Gründung von Scheinfirmen,8 in die das Geld fließt oder schlicht die Eröffnung eines Kontos in der Steueroase, auf das Einnahmen unmittelbar überwiesen werden und von dem per Kreditkarte problemlos im täglichen Zahlungsverkehr abgebucht werden kann. 1.1.3. Wie viel? Das Ausmaß des jährlichen Steuerschadens ist naturgemäß schwer zu beziffern. Wenngleich hierüber viel spekuliert wird, besteht in diesem Bereich ein erhebliches Wissensdefizit . Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich geht davon aus, dass etwa ein Sechstel aller Bankguthaben in Steueroasen geführt wird.9 Auf 6 Billionen Dollar schätzt die Boston Consulting Group das versteckte Privatvermögen weltweit, das Dreifache der deutschen Staatsschulden.10 Bundesbürger haben angeblich 400 Milliarden Euro unversteuert im Ausland angelegt, was dem anderthalbfachen Bundeshaushalt entspricht.11 5 Lediglich eine Kapitalsteuer, die höchstens 0,1 % des eingezahlten Kapitals beträgt. 6 Lothar Späth macht im Handelsblatt vom 20.2.2008 (in: „So seh ich das“) auf die fast zynische Art dieses Konstruktes aufmerksam, da die Stiftung nach deutschem Verständnis eigentlich für eine Gemeinwohlinvestition Wohlhabender steht. 7 Brandstetter, Barbara, Eckert, Daniel, Stocker, Frank, Steueroptimierung im Ausland ist eine Gratwanderung , in: Die Welt vom 15.2.2008. 8 Nach Angaben der Welt werden in Liechtenstein schätzungsweise 80 000 bis 100 000 Briefkastenfirmen vermutet (Brandstetter, Eckert, Stocker, Steueroptimierung im Ausland ist eine Gratwanderung , in: Die Welt vom 15.2.2008). 9 Dettmer, Markus, Die letzten Paradiese, Der Spiegel vom 18.2.2008. 10 Die OECD geht von 5 bis 7 Billionen Dollar aus (Peters, Maren, Paradiese für Steuersünder, in: Der Tagesspiegel vom 21.2.2008). 11 Dams, Jan, Volkssport Steuerhinterziehung, in: Die Welt vom 20.2.2008. So auch ein Bericht im Deutschlandfunk vom 22.2.2008 (www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/744624/HINTERGRUND) (Hintergrund/Von Abzockern und Akrobaten). - 8 - Nach Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft liegen rund 180 Milliarden Euro Schwarzgelder allein auf den Konten Liechtensteiner und Schweizer Banken.12 Die durch Steuerflucht verursachten jährlichen Einnahmeausfälle bewegen sich für Deutschland mindestens im zweistelligen Milliarden-Bereich. Nach einer Berechnung der EU-Kommission gehen den EU-Staaten durch Steuerbetrug im Durchschnitt jährlich 2 bis 2,5 % ihres BIP an Steuereinnahmen verloren, mithin 200 bis 250 Milliarden Euro. Das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen (IAW) hat in einer vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenen Studie ein Volumen von knapp 350 Milliarden Euro jährlich errechnet.13 Die in der Liechtensteiner Steueraffäre überprüften Liechtensteiner Stiftungen sollen über mehr als 200 Millionen Euro Schwarzgelder verfügen. Die erste Woche hat den deutschen Finanzbehörden bisher Steuernachzahlungen in Höhe von 27,8 Millionen Euro eingebracht. Weitere Nachzahlungen werden nach Angaben der ermittelnden Bochumer Staatsanwaltschaft erwartet.14 1.2. Steuermoral Soweit die Fakten des Phänomens Steuerflucht. Aber was führt zu diesem immensen kriminellen Potential mit beeindruckenden finanziellen Auswirkungen für den deutschen Staat? 1.2.1. Begriffsbestimmung Beweggrund der Steuerflucht in die Steueroasen ist zunächst die individuelle Verbesserung der Rendite durch Umgehung der deutschen Besteuerung, insbesondere der Zinsabschlags - und Vermögensbesteuerung. Zumwinkel, Exchef der Deutschen Post, sowie die wohlhabenden Deutschen, gegen die die Bochumer Staatsanwaltschaft zur Zeit ermittelt, haben sich ganz offensichtlich allein an ihrer Renditeerwartung orientiert und hatten dabei nicht den (Gemein-)Sinn von Steuern im Blick. Die aktuelle Steueraffäre bringt damit einen gesellschaftlichen Missstand ans Tageslicht, der unter dem Schlagwort der Steuermoral diskutiert wird. Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Steuermoral ein wesentlicher Gradmesser für das Ausmaß der Steuerhinterziehung ist. Nach dem IAW wird Steuermoral 12 Faigle, Philip, Gugel, Susanne, Kapitales Fernweh (www.zeit.de/online/2008/08/finanztourismus?from=rss). 13 Steuermoral – Das Spannungsfeld von Freiwilligkeit der Steuerzahlung und Steuerhinterziehung, Monatsbericht des BMF, März 2005, S. 49 - 57 (S. 50). 14 Staatsanwaltschaft Bochum, Presseerklärung vom 26.2.2008 (www.sta-bochum.nrw.de/Presseerklärungen/26.2.2008). - 9 - deshalb als Einstellung der Steuerzahler zur Steuerhinterziehung definiert. Wird Steuerhinterziehung sehr negativ bewertet, ist die Steuermoral hoch. Wird sie als unproblematisch angesehen, ist die Steuermoral niedrig.15 1.2.2. Die Unmoralischen Steuerakrobaten gibt es – so entlarvt es die aktuelle Debatte – viele. Steuerverkürzung bis hin zur Steuerhinterziehung, wie es im Steuerstrafrecht heißt, ist zum Volkssport geworden. Zwar sind nach dem World Values Survey, einer weltweiten Befragung zum Wertewandel,16 57 % der Deutschen der Meinung, dass Steuerhinterziehung in keinem Fall in Ordnung ist. 17 Nach Umfragen tricksen jedoch 50 % der Bundesbürger bei ihrer Steuererklärung.18 Die allein hierdurch verursachten Steuerausfälle belaufen sich immerhin auch auf mehrere – Schätzungen liegen bei 3019 bzw. 5020 – Milliarden Euro im Jahr. Das Ausmaß der „Schummelei“ hängt auch von den Möglichkeiten ab, Steuern zu hinterziehen . Nach allgemeinem Empfinden steigt die Verwerflichkeit der Steuerumgehung jedoch mit der Höhe des hinterzogenen Betrages sowie der Stellung des Steuersünders in der Gesellschaft.21 Damit rücken die überdurchschnittlich verdienenden Steuerflüchtigen in den besonderen Focus der Debatte. Nach Ansicht des Steuerprofessors Seer steht dahinter eine gewisse Doppelmoral: „Im kleinen bescheidenen Umfang wird es irgendwie toleriert und praktiziert, und man emp- 15 Steuermoral – Das Spannungsfeld von Freiwilligkeit der Steuerzahlung und Steuerhinterziehung, Monatsbericht des BMF, März 2005, S. 49 - 57 (S. 50). 16 Die World Values Survey (Weltweite Werte Umfrage; WVS) ist die umfangreichste und weiträumigste Umfrage menschlicher Werte, die je durchgeführt wurde. Es ist ein anhaltendes akademisches Projekt von Sozialforschern, um den Status von soziokulturellen, moralischen, religiösen und politischen Werten verschiedener Kulturen der Welt zu ermitteln. 17 Damit stehen die Deutschen im internationalen Vergleich längst nicht am Schlechtesten dar. Zwar sind die dänischen, schwedischen und die kanadischen Steuerzahler ehrlicher. Die Steuermoral in Deutschland rangiert jedoch weit vor den Briten, Griechen und Luxemburgern. 18 Dams, Jan, Volkssport Steuerhinterziehung, in: Die Welt vom 20.2.2008. 19 Brandstetter, Eckert, Stocker, Steueroptimierung im Ausland ist eine Gratwanderung, in: Die Welt vom 15.2.2008. 20 Fuchs, Ernst, Die Undankbaren, in: Passauer Neue Presse vom 4.2.2008. 21 Noch in Erinnerung sind die Steuerskandale um Freddy Quinn, der 2004 wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil er über Jahre seinen Wohnsitz in der Schweiz angegeben hatte, tatsächlich aber in Hamburg lebte. Auch Boris Becker ereilte 2002 ein ähnliches Schicksal, nachdem er jahrelang seinen Wohnsitz im Monaco angab, zugleich aber eine Wohnung in München bewohnte. Eine Haftstrafe verbüßt hat allerdings allein Steffi Grafs Vater, Peter Graf, wegen der Hinterziehung von 6 Millionen Euro Steuern. - 10 - findet es eben nur als ungerecht und empört sich darüber, weil es auch Leute aus Einkommensklassen tun, die es eigentlich nicht nötig hätten.“22 Andererseits haben exponierte Personen aus Politik, Sport oder Wirtschaft eine nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion und Verantwortung für das Erscheinungsbild unseres Gemeinwesens. Ihre Steuerflucht löst deshalb in besonderer Weise Entrüstung aus. Denn dieses Verhalten repräsentiert ebenso exponiert den Zustand des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft und steht für den seit einiger Zeit schwelenden Gerechtigkeitskonflikt .23 1.2.3. Einflussfaktoren Es erscheint jedoch angezeigt, sich nach dem Moment der (berechtigten) Entrüstung über die (Steuer-)Gesetzlosigkeit der Leistungsträger unseres Landes, Gedanken über die Einflussfaktoren der schlechten Steuermoral der Deutschen insgesamt zu machen. Diese Frage wurde durch die Studie des IAW unter anderem auf der Datenbasis des World Values Surveys umfassend untersucht.24 Dabei wurden zahlreiche Determinanten herausgearbeitet, welche die Steuermoral beeinflussen. Nach dem Ergebnis dieser Studie sind insbesondere folgende Einflussfaktoren herauszustellen : • direkt-demokratische Elemente Nach der IAW-Studie fällt die Steuermoral der Bürger im Durchschnitt umso besser aus, je größer die Bedeutung direkt-demokratischer Elemente ist. Denn die Wahrscheinlichkeit , dass die Steuernormen vom Steuerpflichtigen internalisiert werden, steigt umso mehr er selbst am Entscheidungsprozess partizipieren konnte. 22 www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/744624/HINTERGRUND (Hintergrund/Von Abzockern und Akrobaten). 23 Um nur zwei Zitate von zahlreichen politischen Statements der aktuellen Steuermoral-Debatte angesichts der Zumwinkel-Liechtenstein-Affäre zu nennen: „Die soziale Marktwirtschaft wird unglaubwürdig “ (Wirtschaftsminister Michael Glos); „Die Eliten bringen das System zum Einsturz“ (Bundesfinanzminister Steinbrück). 24 Steuermoral – Das Spannungsfeld von Freiwilligkeit der Steuerzahlung und Steuerhinterziehung, Monatsbericht des BMF, März 2005, S. 49 - S. 57 (S. 51 ff.) - 11 - • Dezentralismus Weiterhin ist die Steuermoral im Durchschnitt umso höher, je dezentraler ein Staat und sein Steuersystem aufgebaut ist. Denn mit seiner Stadt, mit seiner Gemeinde, seinem Bezirk kann sich der Steuerzahler eher identifizieren und sieht vor Ort, wofür seine Steuergelder ausgegeben werden. • Wirtschaftliche Belastung Ein weiterer Faktor ist die allgemeine gesamtwirtschaftliche Belastung des Einzelnen durch Steuern und Abgaben. Steigen diese Abgaben, ohne dass dem zugleich eine Zunahme staatlicher Leistungen – jedenfalls nicht für den Einzelnen spürbar – gegenüber stehen, wird dies als unfair empfunden, was (bewusst) mit unfairem Verhalten erwidert wird. • Darstellung der Steuerverwendung Ein wichtiger Faktor ist die Darstellung der Steuerverwendung. Wird stets der verschwenderische Umgang der öffentlichen Haushalte mit Steuergeldern beklagt und fehlen die positiven Botschaften, wie sinnvoll Steuern eingesetzt werden, etwa für die Unterhaltung von Kindertagesstätten, Bildungseinrichtungen, Verkehrsinfrastrukturen, das Gesundheitswesen und sonstige öffentliche Einrichtungen und Institutionen, werden Steuern allein als Opfer ohne Gegenleistung empfunden und kaum noch als das, was sie eigentlich sind: Die Grundlage des Staates zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben. • Intransparenz und Komplexität des Steuerrechts Die Intransparenz und Komplexität des Steuerrechts führt ebenfalls dazu, dass die Steuersätze für ungerecht empfunden werden. Wie viele betrachtet auch der Bankenexperte Hans-Lothar Merten, Autor der Jahrbücher „Steueroasen“ und „Kapitalanlage in Steueroasen “, ein vereinfachtes Steuersystem als eines der wesentlichen Faktoren, welche die Steuermoral bestimmen.25 • Verhalten der anderen Schließlich hat das Phänomen einer schlechten Steuermoral eine immense Eigendynamik . Wer davon ausgeht, dass andere Steuerzahler – sei es der verehrte Sportler, der größte Arbeitgeber im Ort oder eine Person mit öffentlichen Funktionen – ihren Pflichten nicht nachkommen, kommt eher in die Versuchung, ebenfalls nicht alles wahrheitsgemäß beim Finanzamt anzugeben. Nach der Untersuchung des IAW sind fast zwei 25 Peters, Maren, Paradiese für Steuersünder, in: Der Tagesspiegel vom 21.2.2008. - 12 - Drittel der Deutschen der Meinung, dass so gut wie alle anderen oder zumindest viele andere Steuern hinterziehen, soweit sie dazu die Möglichkeit sehen.26 • Vertrauen in das Parlament Zuletzt benennt die IAW-Studie auch das Vertrauen in die Parlamente als entscheidenden Parameter für die Steuermoral. Hiernach hat ein Drittel der Deutschen großes Vertrauen in den Deutschen Bundestag, was dem Durchschnitt aller betrachteten OECD- Länder entspricht.27 Nach Ansicht des IAW-Geschäftsführers, Günther Klee, ist Steuermoral auch ein Ausdruck staatlicher Legitimität, die in einer bestimmten Gesellschaft herrscht. 2. Rechtslage 2.1. Nationale Rechtslage Das nationale Recht versucht dem Phänomen der Steuerflucht auf verschiedene Weise entgegen zu wirken. Zum einen, indem der Steuerflüchtige unter bestimmten Voraussetzungen durch das Strafrecht mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren sanktioniert wird. Zum anderen, indem Kompetenzen geschaffen werden, um den Geldfluss über die Grenzen Deutschlands besser zu kontrollieren. 2.1.1. Abgabenordnung Die Grenzen zwischen Steuerakrobatik, Trickserei und strafrechtlich relevanter Handlung verschwimmen zuweilen. Anders ist dies in den Fällen der nun zu Tage getretenen Steuerflucht nach Liechtenstein. Hier wurden Gelder in beträchtlichem Umfang außer Landes geschafft, um sie der Besteuerung zu entziehen. Der Straftatbestand des § 370 Abgabenordnung ist damit unzweifelhaft erfüllt. Nach § 370 Abgabenordnung (AO) wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren28 oder mit Geldstrafe bestraft, wer 1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, 2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder 3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt 26 Nach der IAW-Studie sind es in Griechenland und Italien demgegenüber 80 %, in Frankreich und Spanien hingegen unter 40 %. 27 Die Niederländer und die Schweden haben mit 55 % und 51 % überdurchschnittlich hohes Vertrauen in ihre Parlamente, während die Griechen mit einem Wert von 24 % ihrem Parlament sehr skeptisch gegenüber stehen. 28 Im Jahre 2004 wurden 1624 Steuersünder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt (Dams, Jan, Volkssport Steuerhinterziehung, in: Die Welt vom 20.2.2008). - 13 - und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. [..]In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, 2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht, 3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, 4. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, oder 5. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt. [… ] [Dies gilt] unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden. Hinsichtlich der Höhe der Geldstrafen existieren regional unterschiedliche Strafmaßtabellen der Finanzverwaltung.29 Nach § 378 AO kann selbst eine leichtfertige Steuerverkürzung mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden. Dem Steuerhinterzieher wird die Möglichkeit eingeräumt, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren , indem ihm bei Selbstanzeige gemäß § 371 AO und Nachentrichtung der Steuerschuld Straffreiheit zugesagt wird. Straffrei bleibt jedoch nur, wer mit seiner Selbstanzeige einen wesentlichen Beitrag zur Ermöglichung einer zutreffenden nachträglichen Steuerfestsetzung leistet und damit das Finanzamt in die Lage versetzt, den Sachverhalt ohne langwierige Nachforschungen vollständig aufzuklären.30 Ist der Steuerfahnder schon auf dem Grundstück, ist eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO nicht mehr möglich und nur noch als Strafmilderungsgrund relevant. Die entgangene Steuer muss in jedem Fall zurückgezahlt werden. In der Liechtensteiner Steueraffäre sind bereits in der ersten Woche 72 Selbstanzeigen eingegangen. Umstritten ist in diesen Fällen die Frage, inwieweit die dem BND zugespielten CD- Rom-Daten von Bankkunden verwertbar sind.31 Dies wäre dann zu verneinen, wenn ein 29 Rüping, Hinrich, Ende, Claudia, Neue Probleme von schweren Fällen der Hinterziehung, in: Deutsches Steuerrecht 2008, Heft 1 - 2, S. 13 - 18 (S. 16). 30 BGHSt 49, 136, 139. 31 Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde damit befasst, zu prüfen, ob für die Beschaffung der Daten durch den BND eine Rechtsgrundlage vorlag und wie die Daten beschafft wurden. Nach Presseberichten wird bislang davon ausgegangen, dass der BND die Kundendaten im Jahr 2006 von einem Informanten aus dem Umfeld der LGT Group in Liechtenstein angeboten bekam und in Absprache mit dem Kanzleramt und dem Finanzministerium im Sommer 2007 für etwa 4,2 Millionen - 14 - so genanntes Verwertungsverbot vorläge. Das Beweisverwertungsverbot untersagt, dass ein Strafurteil auf fehlerhafte Beweise gestützt wird. Eine rechtswidrige Beweisgewinnung begründet aber nicht per se auch ein Beweisverwertungsverbot. Grundsätzlich gilt, dass ein Verwertungsverbot gesetzlich explizit angeordnet sein muss oder sich aus einer Abwägung zwischen öffentlichem Verfolgungsinteresse und Rechtsgütern des Angeklagten ergeben muss, bei der Grundrechte und Verfassungsprinzipien verstärkt zu berücksichtigen sind.32 Nach Prüfung der ermittelnden Bochumer Staatsanwaltschaft liegt kein Verwertungsverbot vor, da die Unterlagen den Behörden unaufgefordert angeboten worden seien und eine Erlangung unter Verstoß gegen deutsche Rechtsnormen nicht ersichtlich sei.33 2.1.2. Zollverwaltungsgesetz Neben der strafrechtlichen Sanktionierung werden von Zoll und Bundesgrenzschutz nach dem Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) Kontrollen des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs vorgenommen (§ 1 Absatz 3a-c und § 12a-c ZollVG).34 Nach § 12a Absatz 2 ZollVG sind auf Verlangen der Zollbediensteten Bargeld oder gleichgestellte Zahlungsmittel im Wert von 10.000 Euro oder mehr, die aus Deutschland verbracht werden, anzuzeigen sowie die Herkunft, der wirtschaftliche Berechtigte und der Verwendungszweck darzulegen. 2.2. Europäische Rechtslage Angesichts der nach dem EG-Vertrag vorgegebenen Freizügigkeit des Kapitalverkehrs35 und der Vereinbarungen nach dem Schengen-Abkommen36 sind der Bundesrepublik bei der Kontrolle des Bargeldverkehrs an den Außengrenzen jedoch Grenzen gesetzt. Seit einigen Jahren wird deshalb ein einheitliches Vorgehen innerhalb der EU vorangetrie- Euro angekauft hatte (Banse, D., Jungholt, T., Peter, J., Spur der schwarzen Kassen, in: Die Welt vom 19.2.2008). 32 Im Rechtssystem der USA gibt es zudem die sog. fruit-of-the-poisonous-tree-Doktrin. Danach unterliegt ein aufgrund eines Verfahrensverstoßes indirekt erlangtes Beweisergebnis auch stets einem Verwertungsverbot, weil sonst der Zweck der Beweisverwertungsverbote unterlaufen werden könnte . Im deutschen Recht wird eine Übernahme dieser Doktrin in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich abgelehnt. 33 Staatsanwaltschaft Bochum, Presseerklärung vom 26.2.2008 (www.sta-bochum.nrw.de/Presseerklärungen/26.2.2008). 34 Zollverwaltungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2125 (1993, 2493), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2897). 35 Art. 57 ff. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, konsolidierte Fassung in: ABl. C 325 vom 24. Dezember 2002. 36 Schengener Abkommen — Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux- Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 14. Juni 1985 (GMBl. 1986, S. 79 ff.) - 15 - ben, das gleichzeitig versucht Drittländer mit einzubeziehen, denen Fluchtkapital zufließt . Zum gemeinschaftlichen Vorgehen gegen Steuerflucht in Steueroasen sollen insbesondere folgende Rechtsakte dienen: Mit der EU-Zinsrichtlinie37 wurden folgende Eckwerte vereinbart: • Sog. Kontrollmitteilungen ermöglichen einen automatischen Informationsaustausch über die in anderen Ländern erzielten Zinseinkünfte von Steuer-Inländern (Art. 8). • Belgien, Österreich und Luxemburg, die von dem System der Kontrollmitteilungen unter Wahrung ihres Bankgeheimnisses ausgenommen sind, verpflichten sich, eine Quellensteuer auf die von Ausländern erzielten Zinseinkünfte zu erheben , die ab 2008 auf 20 % und ab 2011 auf 35 % angehoben werden (Art. 11). Der größte Teil – 75 % – der Einnahmen aus diesem Einbehalt wird (ohne Namensangaben ) an den Mitgliedstaat, in dem der wirtschaftliche Eigentümer der Zinsen ansässig ist, weitergeleitet (Art. 12).38 Ähnliche Regelungen gelten für die assoziierten Staaten, wie die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Andorra und San Marino. Die EU-Zinsrichtlinie birgt jedoch erhebliche Schwächen. Denn sie umfasst nur die Sparzinsen. Demgegenüber werden zahlreiche Anlageformen nicht erfasst. Nicht der EU-Zinsrichtlinie unterliegen etwa Aktiendividenden, Kursgewinne aus Aktien sowie andere Kapitalerträge. Zudem gilt die Quellensteuer nur für natürliche Personen, mithin nicht für Stiftungen oder (Lebens-)Versicherungen. Angesichts der Liechtensteiner Affäre hat Finanzminister Peer Steinbrück angekündigt, sich für die Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie einzusetzen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des noch für Ende diesen Jahres geplanten Beitritts Liechtensteins und der Schweiz zum Schengen-Abkommen und dem damit verbundenen Wegfall der Grenzkontrollen für Personen. 37 Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157 vom 26.6.2003 S. 0049 - 0054). Umgesetzt in deutsches Recht durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) vom 26.1.2004 (BGBl I 2004, S. 128), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5.11.2007 (BGBl. I, S. 2562), in Kraft getreten am 1.7.2005. 38 Deutschland hat aus der Schweiz im Jahre 2006 63 Millionen Euro, aus Österreich 33 Millionen Euro und aus Liechtenstein gerade mal 4,4 Millionen Euro an Quellensteuer erhalten (Dettmer, Markus , Die letzten Paradiese, in: Der Spiegel vom 18.2.2008). - 16 - Nach dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen39 zwischen den Mitgliedstaaten der EU ist es darüber hinaus möglich, nach Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens europaweit Kontenabfragen vorzunehmen. Bisher haben neben Deutschland 14 EU-Mitgliedstaaten das Übereinkommen umgesetzt, darunter auch Österreich. 2.3. Internationale Zusammenarbeit Auf internationaler Ebene ist die OECD eine Art Schaltstelle in der Steuerzusammenarbeit – nicht nur für die 30 Mitgliedstaaten, sondern auch darüber hinaus. Sie hat im Jahre 2002 ein Musterübereinkommen für den effektiven Austausch von Informationen in Steuersachen („Tax Information Exchange Agreements“ (TIEAS) erarbeitet. Mit bilateralen Abkommen soll Steueroasen durch Verpflichtungen zu einer intensiven Zusammenarbeit, insbesondere einem Informationsaustausch in allen Steuerangelegenheiten , entgegengewirkt werden. Das OECD-Muster für diese Abkommen sieht einen Informationsaustausch auf Anfrage vor, soweit Beweismittel oder Angaben im Rahmen einer konkreten Untersuchung benötigt werden. Auch wenn sich die Zahl der zwischenstaatlichen Vereinbarungen zum Informationsaustausch nach dem Musterübereinkommen auf 54 erhöht hat.40 Das ursprüngliche Ziel, das Musterabkommen bis zum Januar 2006 zwischen allen Mitgliedsstaaten der OECD umzusetzen, konnte nicht erreicht werden. Der OECD-Generalsekretär Gurria bestätigte noch kürzlich, dass insbesondere die Kooperation von Liechtenstein, sowie Andorra und Monaco mangelhaft sei. 41 Nach Achim Poss vom OECD-Zentrum für Steuerpolitik und Verwaltung sind diese drei Länder die einzigen, die sich dem Bestreben nach Zusammenarbeit nach wie vor offen widersetzen.42 39 Rechtsakt des Rates vom 16. Oktober 2001 über die Erstellung — gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union — des Protokolls zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. C 326 vom 21.11.2001, S. 1-1. Umgesetzt in deutsches Recht mit dem Gesetz zur Umsetzung des Protokolls vom 2.2.2006 (BGBl. 2005 II, S. 661). 40 Billionen fließen in die Steuerparadiese, in: Frankfurter Allgemeine vom 20.2.2008. 41 Liechtenstein sucht Plauderer, in: DIE ZEIT 08/2008. 42 Interview mit Achim Poss durch Michael Bergius, Frankfurter Rundschau vom 20.2.2008 (abrufbar unter: www.oecd.org/documentprint). - 17 - 3. Fazit Neben den nationalen Sanktions- und Kontrollmechanismen gibt es auf internationaler wie europäischer Ebene Bemühungen der Zusammenarbeit, um das Phänomen der Steuerflucht nach Liechtenstein und anderen Steueroasen einzudämmen. Unverzichtbare Grundlage eines erfolgreichen Kampfes gegen die Steuerflucht ist jedoch eine bessere Steuermoral.43 Eine Verbesserung der Steuermoral erfordert vor allem ein stärkeres Vertrauen in das und eine bessere Identifikation mit dem (Steuer-)Rechtssystem. Um dies zu erreichen, werden die Vereinfachung und damit die bessere Transparenz des Steuerrechts, eine verstärkte Darstellung des Gemeinsinns von Steuern im Allgemeinen und dessen positive Verwendung im Speziellen als besonders wichtig erachtet. 43 Nach einer US-Studie aus den 90er-Jahren kann Steuermoral angeblich sogar sinken, auch wenn das Risiko erwischt zu werden steigt (Schrinner, Axel, Hebt ein starker Staat die Steuermoral, in: Handelsblatt vom 20.2.2008).