© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 040/21 Vorgaben der Covered-Bonds-Richtlinie für den Liquiditätspuffer einer Pfandbriefbank Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 2 Vorgaben der Covered-Bonds-Richtlinie für den Liquiditätspuffer einer Pfandbriefbank Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 040/21 Abschluss der Arbeit: 1. April 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 2.1. Das Pfandbriefgeschäft 4 2.2. Zinsbindungsfrist, Kapitalbindungsfrist 5 3. Rechtliche Bewertung 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird, welche Vorgaben die Covered-Bonds-Richtlinie (EU) 2019/21621 für die Berechnung des Liquiditätspuffer des Deckungspools einer Pfandbriefbank macht. Im konkreten Fall wird gefragt, ob folgender Änderungsvorschlag des geltenden § 4 Abs. 1 a S. 1 Pfandbriefgesetz (PfandBG) mit der RL 2019/2162 vereinbar ist: „Zusätzlich ist zur Sicherung der Liquidität für die nächsten 180 Tage ein taggenauer Abgleich der auf Basis der Zinsbindungsfristen erwarteten Zahlungseingänge aus eingetragenen Deckungswerten und fällig werdenden Verbindlichkeiten aus ausstehenden Pfandbriefen und in Deckung befindlichen Derivategeschäften vorzunehmen.“ Im Vergleich dazu der aktuelle Wortlaut der Norm: „Zusätzlich ist zur Sicherung der Liquidität für die nächsten 180 Tage ein taggenauer Abgleich der fällig werdenden Forderungen aus eingetragenen Deckungswerten und fällig werdenden Verbindlichkeiten aus ausstehenden Pfandbriefen und in Deckung befindlichen Derivategeschäften vorzunehmen.“ 2. Einleitung Um diese Frage adäquat beantworten zu können, wird zunächst auf den Aufbau von Pfandbriefgeschäften eingegangen und danach der Unterschied zwischen dem Abstellen auf die Zinsbindungsfrist und dem Abstellen auf die fällig werdende Forderung erläutert. 2.1. Das Pfandbriefgeschäft Pfandbriefe sind Anleihen die mit gesetzlich vorgeschriebenen Arten der Besicherung ausgestattet sind.2 Dadurch gewähren Pfandbriefe ihrem Anleger ein hohes Maß an Sicherheit. An einem Pfandbriefgeschäft sind drei Parteien beteiligt. Zunächst der Anleger, dieser leiht sein Kapital an die Pfandbriefbank und erhält hierfür einen Pfandbrief. Die Pfandbriefbank tritt sodann ebenfalls als Kreditinstitut auf und vergibt Kredite an die dritte Partei, den Kreditnehmer. 1 Richtlinie (EU) 2019/2162 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über die Emission gedeckter Schuldverschreibungen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2014/59/EU, Amtsblatt der Europäischen Union, L 328/29 vom 18. Dezember 2019. Im Folgenden wird die Richtlinie als RL 2019/2162 abgekürzt. 2 Kullig, Sascha, Was ist ein Pfandbrief? unter: https://www.pfandbrief.de/site/de/vdp/pfandbrief/Grundlagen /der_pfandbrief.html, abgerufen am 31. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 5 Diese Kredite werden gegenüber dem Kreditinstitut nach einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1-4 PfandBG genannten Fälle abgesichert.3 Durch nationale Gesetze, wie das PfandBG und Kreditwesengesetz (KWG) sowie durch das Europarecht wie die RL 2019/2162 werden die Anforderungen an Pfandbriefgeschäfte und deren Absicherung geregelt. 2.2. Zinsbindungsfrist, Kapitalbindungsfrist Wenn das Kreditinstitut einen Kredit an einen Kreditnehmer vergibt, wird zum einen die Laufzeit der Kapitalgewährung festgelegt (Kapitalbindungsfrist) und zum anderen die Zinsen für die Kapitalgewährung bestimmt. In einigen Fällen, häufig bei Krediten, werden die Zinsen nur für einen bestimmten Teil der Laufzeit des Kredits festgelegt (Zinsbindungsfrist)4, weil die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt für die Parteien zum Vertragszeitpunkt nicht absehbar sind. Nach dem Ablauf der Zinsbindungsfrist wird ein neuer Zinssatz durch das Kreditinstitut bestimmt. In diesem Fall steht dem Kreditnehmer gem. § 489 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Sonderkündigungsrecht zu. Im Falle der Kündigung wird der gewährte Kapitalbetrag an das Kreditinstitut zurückgezahlt. Kündigt der Kreditnehmer nicht zum Ablauf der Zinsbindungsfrist, erfolgt die Rückzahlung an das Kreditinstitut erst am Ende der Kapitalbindungsfrist. 3. Rechtliche Bewertung Die RL 2019/2162 hat das Ziel, die Pfandbriefanleger abzusichern. Hierzu werden in Abschnitt II der RL 2019/2162 Anforderungen zur Absicherung der Ansprüche gestellt. Insbesondere ist gem. Art. 16 Abs. 1, 1a RL 2019/2162 erforderlich, dass der Deckungspool der Pfandbriefbank jederzeit einen Liquiditätspuffer umfasst, der die maximalen Gesamtnettoliquiditätsabflüsse für die nächsten 180 Tage deckt. Der Änderungsvorschlag beabsichtigt, dass die möglichen Kreditrückzahlungen im Falle einer Kündigung durch den Kreditnehmer zum Ablauf der Zinsbindungsfrist in den Liquiditätspuffer des Deckungspools einer Pfandbriefbank einberechnet werden. Das heißt, der Liquiditätspuffer wird so berechnet, als würde es zum Ablauf der Zinsbindungsfrist eine Rückzahlung an das Kreditinstitut geben. Nicht außer Betracht gelassen werden sollte, dass das Kreditinstitut keinen Einfluss darauf hat, ob tatsächlich eine Auflösung des Kredites nach Ablauf der Zinsbindungsfrist erfolgt. § 489 Abs. 1 BGB gewährt dem Kreditinstitut kein Kündigungsrecht. Auch durch andere Normen hat das Kreditinstitut kein Kündigungsrecht zum Ablauf der Zinsbindungsfrist. Ausschließlich der Kreditnehmer kann den Kredit zum Ablauf der Zinsbindungsfrist durch eine Kündigung gem. § 489 Abs. 1 BGB auflösen. Ob das Kreditinstitut einen Anspruch auf Rückzahlung der Kreditsumme zum Ablauf der Zinsbindungsfrist hat, kann das Kreditinstitut nicht beeinflussen . Der Änderungsvorschlag fingiert bei der Berechnung des Liquiditätspuffers, dass zu 3 Nickel, Valeria, Pfandbriefe: Anforderungen, Eigenschaften und Risiken, 11. November 2020, unter https://de.bergfuerst.com/ratgeber/pfandbriefe, abgerufen am 31. März 2021. Waschbusch, Gerd, Pfandbriefgeschäft , unter: https://www.gabler-banklexikon.de/definition/pfandbriefgeschaeft-70855/version-376932, abgerufen am 31. März 2021. 4 Hölscher, Reinhold, Festzinssatz, in: Gabler Wirtschaftslexikon, unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition /festzinssatz-35094 ,abgerufen am 31. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 6 jedem Ablauf einer Zinsbindungsfrist eine Kündigung durch den Kreditnehmer erfolgt und anschließend die Kreditsumme zurückgezahlt wird. Die RL 2019/2162 dient dem Schutz des Pfandbriefgläubigers insbesondere im Falle der Insolvenz der Pfandbriefbank. Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 verlangt ausdrücklich, dass der Liquiditätspuffer zu jeder Zeit alle Liquiditätsabflüsse für die nächsten 180 Tage decken muss. Liquide Mittel sind die Summe der Geld- und Vermögenswerte, die in Geld umgewandelt werden können .5 Bei der vorgeschlagenen Gesetzesänderung, werden Rückzahlungen als sichere liquide Mittel des Kreditinstituts bewertet, obwohl es außerhalb der Handlungsmacht des Kreditinstitut steht die Fälligkeit der Kreditrückzahlung herbeizuführen. Es ist nicht garantiert, dass der Kreditnehmer seinen Kredit nach Ablauf der Zinsbindungsfrist bei dem Kreditinstitut kündigt, selbst wenn das Kreditinstitut insolvent wird. Dem Kreditinstitut steht kein gesetzliches Kündigungsrecht im Falle der eigenen Insolvenz zu6, sie hat auch keine Möglichkeit den Kreditnehmer zur Kündigung zu bewegen. Somit hat das Kreditinstitut keinen Einfluss darauf, ob eine Kündigung und somit eine Rückzahlung der Kreditsumme nach Ablauf der Zinsbindungsfrist erfolgt. Aus diesem Grund kann die bloße Möglichkeit einer Kündigung und der damit verbundenen Auszahlung kein liquides Mittel im Sinne von Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 sein. Eine teleologische Auslegung unter Betrachtung des Gesetzgebungsverfahrens verdeutlicht, dass der europäische Gesetzgeber einen weitgehenden Schutz der Pfandbriefgläubiger durch den Liquiditätspuffer des Deckungspools bezweckte. In dem Vorschlag der Europäischen Kommission7 wurde Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 wie folgt formuliert. „Der Liquiditätspuffer für den Deckungspool deckt die Netto-Liquiditätsabflüsse für 180 Kalendertage“. Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Schutz erweitert. Es wird verlangt, dass der Liquiditätspuffer des Deckungspools die maximalen Gesamtnettoliquiditätsabflüsse für die nächsten 180 Tage deckt. Diese Ausweitung von ‚Netto-Liquiditätsabflüsse‘ zu den ‚maximalen Gesamtnettoliquiditätsabflüssen ‘ verdeutlicht, dass der europäische Gesetzgeber garantieren möchte, dass die Pfandbriefbank zu jedem Zeitpunkt für 180 Tage liquide ist. Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 bezweckt zum Schutze der Pfandbriefgläubiger, dass in den ersten 180 Tagen der Insolvenz einer Pfandbriefbank die fälligen Ansprüche der Pfandbriefgläubiger durch den Liquiditätspuffer gedeckt sind. Der Änderungsvorschlag macht die tatsächliche Liquidität der Pfandbriefbank im Falle der Insolvenz abhängig vom Verhalten der Kreditnehmer. Damit würde der Schutz, den Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 den Pfandbriefgläubigern gewährt, abgeschwächt werden. 5 Breuer, Wolfgang; Breuer, Claudia, flüssige Mittel, in: Gablers Wirtschaftslexikon, unter: https://wirtschaftslexikon .gabler.de/definition/fluessige-mittel-34037/version-257552, abgerufen am 31. März 2021. 6 Der Darlehensnehmer hat in den Fällen von § 490 I BGB ein Kündigungsrecht. Die eigene Insolvenz ist nicht erfasst. Gem. § 499 I BGB kann ein solches Kündigungsrecht bei einem Verbraucherdarlehen auch nicht vertraglich vereinbart werden. 7 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Emission gedeckter Schuldverschreibungen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2014/59/EU, COM(2018) 94 final, unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0094&from=DE, abgerufen am 31. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 040/21 Seite 7 Diese Erwägungen sprechen dafür, dass der Änderungsvorschlag des geltenden § 4 Abs. 1 a S. 1 PfandBG nicht im Einklang mit der Intention von Art. 16 Abs. 2 RL 2019/2162 stehen dürfte. * * *