Deutscher Bundestag Rolle der Umsatzsteuer und ihr Beitrag zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2009 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 - 040/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 2 Rolle der Umsatzsteuer und ihr Beitrag zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme Verfasser: Ausarbeitung: WD 4 – 3000 - 040/1010 Abschluss der Arbeit: 17.2.2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Umsatzsteuer: Rolle, Vorzüge, Probleme 4 1.1 Rolle der Umsatzsteuer 4 1.2. Vor- und Nachteile der Umsatzsteuer 5 1.2.1. Wirtschaftliche Aspekte 5 1.2.2. Soziale Aspekte 5 1.2.3. Forderungen nach einer Reform der Umsatzsteuer 6 2. Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und Beitrag der Umsatzsteuer 8 2.1 Beitrag der öffentlichen Haushalte zum System der sozialen Sicherung 8 2.2 Beitrag der Umsatzsteuer zur GRV und Arbeitslosenversicherung 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 4 1. Umsatzsteuer: Rolle, Vorzüge, Probleme 1.1. Rolle der Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer (USt)1 ist die in der Europäischen Union am stärksten harmonisierte Steuer und wird in allen EU-Mitgliedstaaten erhoben. Grundlage der Harmonisierung ist die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie - MwStSystRL)2, die durch das Umsatzsteuergesetz (UStG)3 , die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)4 und die Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR)5 in nationales Recht umgesetzt wird. Die USt ist die aufkommensstärkste Steuer in Deutschland. Das kassenmäßige Aufkommen (ohne Einfuhrumsatzsteuer) betrug 2007 128 Mrd. Euro und aus der Einfuhrumsatzsteuer 42 Mrd. Euro. Das Umsatzsteuersystem trug damit 32% zum gesamten Steueraufkommen bei.6 Das USt-Aufkommen steht Bund und Ländern gemeinsam zu. Die Umsatzsteuer bildet seit der Finanzreform 1969 das bewegliche Element im Steuerverteilungssystem zwischen Bund und Ländern. Die Anteile von Bund und Ländern werden jeweils durch Bundesgesetz (mit Zustimmung des Bundesrates) festgesetzt. Der Verteilungsschlüssel wird durch das Finanzausgleichsgesetz geregelt7. § 1 Finanzausgleichsgesetz regelt die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer . Die Anteile des Bundes und der Ländern betrugen 1995 56% (Bund) und 44% (Länder). Für 1996 und 1997 betrugen die Anteile 50,5% für den Bund und 49,5% für die Länder. Die Erhöhung des Länderanteils ab 1996 dient dem Ausgleich der Belastung der Länder aus der Umstellung des Familienleistungsausgleichs. Ab 1998 erhielt der Bund vorab 3,64% des Umsatzsteueraufkommens , 1999 bis 2006 5,63% sowie vom verbleibenden Aufkommen 2007 5,15% und ab 2008 5,05 % als Ausgleich für die Belastungen durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Der Vorab-Anteil speiste sich aus der Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von 15% auf 16% ab dem 1.4.1998. In ihrer wirtschaftlichen Wirkung ist die Umsatzsteuer (USt) eine allgemeine Verbrauchsteuer, die auf den gesamten privaten und öffentlichen Verbrauch erhoben wird und vom Letztverbrau- 1 Der Begriff „Umsatzsteuer“ wird gleichbedeutend mit dem Begriff „Mehrwertsteuer“ verwendet. 2 Amtsblatt der Europäischen Union L 347 vom 11.12.2006, S. 1. 3 Umsatzsteuergesetz, BGBl Teil I 2005, Seite 386. 4 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der Neufassung vom 21.02.2005, BGBl Teil I 2005, Seite 434. 5 In: BMF, Amtliche Umsatzsteuer-Handausgabe 2008 (UStHA 2008) i.d.F. vom 1.3.2008. 6 Die von den Unternehmen an die Finanzämter abzuführenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, die methodisch bedingt vom kassenmäßigen Steueraufkommen abweichen, beliefen sich 2007 auf 126 Mrd. Euro . Statistische Bundesamt, Wiesbaden 2009: Finanzen und Steuern – Umsatzsteuer 2007, Fachserie 14 Reihe 8, Pkt. 9.3 – Allgemeiner Überblick. 7 Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 20. Dezember 2001 (BGBl. Teil I S. 3955, 3956), i.d.F. vom 20.12.2001, zuletzt geändert durch Artikel 11 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950). Das Gesetz tritt gem. § 20 mit Ablauf des 31.12.2019 außer Kraft. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 5 cher der Güter und Dienstleistungen zu tragen ist. Durch den Vorsteuerabzug wird eine Steuerkumulierung ausgeschlossen. Im Gegensatz zur Einkommensteuer berücksichtigt die USt nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen. Der allgemeine USt.-Satz beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG 19%, der ermäßigte Satz nach § 12 Abs. 2 UStG 7%. § 12 Abs. 2 Nr. 3 bis 11 UStG enthält eine Liste von Gegenständen und Leistungen, die dem ermäßigten USt.-Satz unterliegen, eine weitere Liste von Gegenständen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, enthält Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG. Das UStG enthält zudem einen umfangreichen Katalog von Leistungen, die von der USt befreit sind. 1.2. Vor- und Nachteile der Umsatzsteuer 1.2.1. Wirtschaftliche Aspekte Während die Faktorbesteuerung die Produktionsfaktoren belastet, besteuert die USt erst den Konsum. Damit nehmen beide Besteuerungsarten unterschiedlichen Einfluss auf die Entwicklung der Produktivkräfte. Die Faktorbesteuerung beeinflusst den Einsatz des Faktors Arbeit in den Unternehmen und verstärkt die Tendenz zur Faktorreduzierung. Durch die Lohnnebenkosten und die Lohnsteuer werden die Arbeitskosten wesentlich beeinflusst. Aus der Sicht der Schaffung von Arbeitsplätzen weist deshalb die Konsum-Besteuerung Vorteile gegenüber der Besteuerung des Faktors Arbeit auf. Da die USt nur auf den Austausch von Gütern und Leistungen im Inland erhoben wird, belastet sie den Export nicht, wogegen Importprodukte der Umsatzsteuer unterliegen. Je mehr sich ein Staat über die USt anstelle der Faktorbesteuerung finanziert, umso mehr stärkt er den eigenen Export gegenüber dem Import. Da Exportgüter nicht der USt unterliegen, tragen sie aber auch nicht auf dem Wege über die USt. zur Haushaltsfinanzierung bei. Ein wesentlicher Nachteil des gegenwärtigen Umsatzsteuersystems besteht darin, dass es stark missbrauchsanfällig ist. So gehen durch so genannte Karussellgeschäfte schätzungsweise jährlich USt-Einnahmen in Milliardenhöhe verloren8. Im Fall der Schwarzarbeit, bei der USt und direkte Besteuerung umgangen werden, wird die USt zumindest späterhin auf den aus den Erträgen der Schwarzarbeit getätigten Konsum erhoben. 1.2.2. Soziale Aspekte Die USt stellt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen und der Steuerbelastung her, so dass der Steuerpflichtige in gewissem Grade seine USt-Belastung beeinflussen kann, was bei direkten Steuern nicht möglich ist. Praktisch bedeutet das jedoch lediglich eine zeitliche Verzögerung der Belastung, wenn das vom Markt zunächst zurückgehaltene (gesparte) Einkommen irgendwann doch wieder für den Gütererwerb ausgeben wird. Da sich der USt-Satz nach der Art der konsumierten Güter und Dienstleistungen, nicht aber nach der wirtschaftlichen Leistungskraft des Steuerpflichtigen richtet, ist es über die Umsatzsteuer nur bedingt möglich, einen auf bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen zugeschnittenen sozialen Ausgleich zu schaffen, wie bei der Einkommensteuer. Hinzu kommt dass, nach Ansicht vieler Autoren, Geringverdiener und Familien mit Kindern durch die USt relativ stärker belastet wer- 8 Nach Angaben des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung soll es 2007 Umsatzsteuerausfälle in Höhe von insgesamt 14 Mrd. € gegeben haben Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 6 den, als Bürger mit höherem Einkommen, da Einkommensschwächere einen höheren Anteil des Einkommens direkt in den Konsum fließen lassen (müssen). Andererseits wirkt der reduzierte USt-Satz für Güter des täglichen Bedarfs dem entgegen9. 1.2.3. Forderungen nach einer Reform der Umsatzsteuer Aufgrund des einfachen Erhebungsverfahrens ist die USt für den Staat vergleichsweise unaufwendig . Für Unternehmen, insbesondere für kleinere Unternehmen, kann der Aufwand relativ hoch sein, da alle einzeln ihre Umsatzsteuer abrechnen müssen. In letzter Zeit wird der Ruf nach einer umfassenden Reform der Umsatzsteuer wieder lauter. Insbesondere geht es um eine Vereinfachung des z.T. komplizierten Regelwerkes, das seinerseits einen hohen Interpretations- und Kontrollaufwand durch die Finanzverwaltung erfordert. So umfasst allein das BMF-Schreiben zur Erläuterung der Anwendung des ermäßigten USt-Satzes auf die in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG bezeichneten Gegenstände mehr als 140 Seiten! Ein aktuelles Beispiel für den bedeutenden Aufwand, der für die Auslegung und Anwendung einzelner Regelungen des USt-Gesetzes notwendig ist, stellt der Anwendungserlass dar, der gegenwärtig durch das Bundesministerium der Finanzen im Zusammenhang mit der Senkung des USt.-Satzes für das Hotelgewerbe von 19% auf 7% im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes10 erarbeitet wird. Dabei geht es um die Frage, welche Leistungen zur steuerbegünstigten „Beherbergungsleistung“ zu rechnen sind. Nach Interpretation des BMF gehören dazu neben der Übernachtung nur der Strom im Zimmer, Bettwäsche, Handtücher, Reinigung, Schuhputz- und Nähzeug sowie der Weckdienst. Auf alle anderen Leistungen, etwa auf das Essen, die Nutzung von Tagungsräumen und Parkplätzen, die Telefonnutzung und das Bezahlfernsehen sowie auf Leistungen, „die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden steigern“ soll der volle Mehrwertsteuersatz erhoben werden. Von Kritikern wurde zum Entwurf bereits angemerkt, dass eine unbürokratische Umsetzung der Reform sich als offenbar unmöglich erwiesen habe. Der Vize-Parteivorsitzende der FDP, Andreas PINKWART, hatte wegen der Abgrenzungsprobleme bereits verlangt, das Gesetz wieder zurückzunehmen11. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sind überzeugt, dass die Beschränkung des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes allein auf Übernachtungen EU-Rechts widrig ist und von den Gerichten gekippt werden wird. „Mindestens das Frühstück muss bei der Umsatzsteuer mit der Übernachtung gleich behandelt werden“, heißt es beim Industrieverband BDI und dem Handwerksverband ZDH12. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst VINKEN, listete mit Blick auf eine Umsatzsteuerreform folgende zu lösende Probleme auf13: 9 Nach Ansicht von Sebastian DULLIEN, Prof. für Volkswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, ist die These falsch, dass die Einkommensschichten am untersten Rand durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer am stärksten betroffen würden. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des gewerkschaftsnahen WSI, die nahe legen würden, dass die Belastung durch die USt zwar zuerst progressiv verlaufen würde, dann aber abflache, da auf Mieten, die bei Geringverdienern einen großen Teil der Ausgaben ausmachen, keine Umsatzsteuer erhoben wird. Dullien, Sebastian: Mut zur Mehrwertsteuer: http://www.dullien.net /pdfs/mwst.pdf. 10 22.12.2009 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), vom 22.12.2009, BGBl. 2009, Teil I, S. 3949. 11 Süddeutsche Zeitung, 13./ 14. 2. 2010, S. 1. 12 Handelsblatt, 9.2.2010, S. 16. 13 ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 7 Problem Beispiel Aufgabe 1. Katalog ermäßigter USt.- Sätze Lieferung von Speisen 7% USt., beim Verzehr an Ort u. Stelle: 19%. Schwierige Abgrenzung bspw. beim Partyservice , Nachos im Kino. Durchforsten des Katalogs, Schaffung klarer Abgrenzungskriterien ; ggf. Abkoppelung vom Zolltarif 2. Katalog ermäßigter USt.- Sätze Ungereimtheiten: z.B. Wasser 7%, Trinkwasser, z.B. Mineralwasser , 19%. Durchforsten des Katalogs, Schaffung klarer Abgrenzungskriterien 3. Abgrenzung Hauptleistung/ Nebenleistung bei unterschiedlichen USt.-Sätzen Reine Lieferung von Pflanzen: 7%, falls weitere Dienstleistungen , z.B. Grabpflege: 19% Überarbeitung, Schaffung klarer Abgrenzungskriterien. 4. Vereinheitlichung von Begrifflichkeiten auf EU-Ebene Ganz unterschiedliche Begriffe innerhalb der EU von „Vermietung “ und “Leasing“. Je nachdem wird die Frage des Leistungsinhalts und des Steuersatzes unterschiedlich beantwortet . Unterstützung entsprechender Vorstöße auf EU-Ebene durch Erlass von Verordnungen, EuGH-Rechtsprechung zur gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbildung . 5. Entbürokratisierung bei Sonderregelungen 1. Bsp.:Bei Reisebüros wird in bestimmten Bereichen nur die Marge besteuert, woraus zahlreiche Abgrenzungsfragen entstehen . 2. Bsp.: Sonderregeln bei bestimmten Beförderungsleistungen Ergebnisoffene Überprüfung der Erforderlichkeit, ggf. Vorstoß auf EU-Ebene 6. Schaffung von Wettbewerbsneutralität Unterschiedliche Umsatz- Besteuerung gleicher Leistungen z.B. von Entsorgern bei öffentlicher Hand und Privatanbietern Überprüfung der Rechtfertigung für diese unterschiedliche Umsatzbesteuerung 7. Entbürokratisierung durch Fortfall/ Straffung von Nachweispflichten Vielfältige und teilweise schwer zu erbringende Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen erschweren den freien Warenverkehr Schnellere Umsetzung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Gunsten der Steuerpflichtigen ; ggf. Vorstoß auf EU-Ebene 8. Praxistauglichkeit der elektronischen Rechnung bei Erfordernis der elektronischen Signatur Deutschland stellt höhere Anforderungen an elektronische Rechnungen als z.B. die Niederlande Prüfung, ob fortgeschrittene elektronische Signatur oder elektronischer Datenaustausch (EDI) beider elektronischen Rechnungsübermittlung entfallen können. Unterstützung entsprechender Bestrebungen auf EU-Ebene zu e-Rechnungen, auch betr. Einscannen u. Archivierung in digitaler Form Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 8 9. Vereinheitlichung von Fristen Für die USt.-Voranmeldung und die zusammenfassende Meldung (muss bei Lieferungen und Leistungen innerhalb der EU erstellt werden) gelten unterschiedliche Fristen Vorstoß auf EU-Ebene 10. Großer „One-Stop-Shop“ (Registrierung und Erfüllung sämtlicher MWSt.-Pflichten in nur einem EU-Staat auch bei Lieferungen/ Leistungen in andere EU-Mitgliedstaaten) MwSt.-Pflichten müssen z.T. in anderen EU-Staaten erfüllt werden, was dort eine Registrierung erfordert. „One-Stop-Shop“-Vorhaben der EU von 2005 wieder aufgreifen (ggf. modifiziert) Hinsichtlich der genannten Probleme und ggf. anzustrebender Änderungen ist zu berücksichtigen , dass durch die Harmonisierung der Umsatzsteuer im Rahmen der Europäischen Union durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ein Übereinkommen zwischen allen EU- Mitgliedstaaten erforderlich würde. 2. Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und Beitrag der Umsatzsteuer 2.1. Beitrag der öffentlichen Haushalte zum System der sozialen Sicherung Das System der sozialen Sicherung i. e. S. umfasst in Deutschland die gesetzliche Renten-, Kranken -, Arbeitslosen-, Unfall und Pflegeversicherung, die Beamtenversorgung sowie berufsständische Versorgungswerke; i. w. S. schließt das System der sozialen Sicherung neben den genannten Bereichen auch soziale Transferleistungen wie die Kriegsopferfürsorge oder die Sozialhilfe mit ein. Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme erfolgt durch Beitragszahlungen der Versicherten und der Arbeitgeber, über die öffentlichen Haushalte. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug der Beitrag der öffentlichen Haushalte zum System der sozialen Sicherung allein für den Aufgabenbereich Sozialversicherung, einschließlich Arbeitslosenversicherung, in den Jahren (in Mrd. Euro): 2003 472,921 2004 466,373 2005 465,94314. Im Sozialbericht der Bundesregierung 2009, Teil B (Sozialbudget) wird über die Finanzierung der Sozialleistungen, u.a. nach Institutionen, Arten und Quellen berichtet.15 (Tabelle III-2 Finanzierung nach Quellen und Institutionen s. Anlage). Eine Aufteilung der Quellen nach einzelnen Steuerarten (z.B. Umsatzsteuer) erfolgt nicht. 14Finanzen und Steuern, Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte für soziale Sicherung und für Gesundheit, Sport, Erholung 2005. Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2009, Fachserie 14 Reihe 3.5, Übersichten, 1.2: Ausgaben der öffentlichen Haushalte für soziale Sicherung nach Aufgabenbereichen. 15 Das Sozialbudget 2008 als Teil des Sozialberichts 2009 ersetzt die entsprechende jährliche statistische Berichterstattung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. http://www. bmas.de/portal/33916/property=pdf/a101-09__sozialbericht__2009.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 9 2.2. Beitrag der Umsatzsteuer zur GRV und Arbeitslosenversicherung Angaben zum Finanzierungsbeitrag der speziell der USt konnten nur mit Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) recherchiert werden. Die GRV wird neben den Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in erheblichem Umfang durch Bundeszuschüsse aus Steuermitteln getragen. Dabei leistet der Bund, neben dem regulären Bundeszuschuss seit 1998 einen zusätzlichen Bundeszuschuss als Pauschale für nicht beitragsgedeckte Leistungen, der auch aus dem Umsatzsteueraufkommen finanziert wird. 2007 und 2008 betrugen die Bundeszuschüsse zur allgemeinen GRV jährlich mehr als 55 Mrd. Euro (ohne durchlaufende Posten, in Mrd. Euro)16: gesamt allgemeine zusätzliche Zuschüsse Zuschüsse 2007 55,944 38,080 17,864 2008 56, 427 38,237 18,190 2009 56,427 38,649 18,680 Welchen Beitrag die USt zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme insgesamt leistet, ist nach dem Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung17, nach dem alle Einnahmen des Bundes als Deckungsmittel aller Ausgaben dienen, nicht zu quantifizieren. Nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz dürfen Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Zwecke nur beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben ist oder Ausnahmen im Haushaltsplan zugelassen worden sind. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 199718 erhielt der Bund 1998 3,64% und ab 1999 5,63% des Umsatzsteueraufkommens vorab als Ausgleich für die Belastungen auf Grund eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur Rentenversicherung. Der gesamte Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gliedert sich in 3 Teile, sich aus unterschiedlichen Finanzierungs-Quellen decken: den allgemeinen Bundeszuschuss, den zusätzlichen Bundeszuschuss und dem Erhöhungsbetrag beim zusätzlichen Bundeszuschuss. Der allgemeine Bundeszuschuss ist an die Entwicklung der Löhne und des Beitragssatzes gekoppelt . Maßgebend für die Höhe des allgemeinen Zuschusses ist die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte im vergangenen- zum vorvergangenen Kalenderjahr und die Veränderung des Beitragssatzes vom Vorjahr zum laufenden Jahr. Diese Berechnung stellt sicher, dass der Bund bei einer Be- oder Entlastung der Versicherten aufgrund einer notwendigen Beitragssatz -Änderung vergleichbar beteiligt wird. Um im Jahre 1998 einen weiteren Anstieg des Beitragsatzes über 20,3 Prozent hinaus zu verhindern , wurde der Bundesanteil erhöht. Neben den allgemeinen Bundeszuschuss trat ein so ge- 16 Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, „Rentenversicherung in Zahlen 2009“ und „Aktuelle Daten 2010" 17 Grundsatz der Gesamtdeckung: § 7 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG. 18 Bundesgesetzblatt 1997 Teil I, Seite 3121. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 040/10 Seite 10 nannter zusätzlicher Bundeszuschuss19. Finanziert wurde und wird dieser durch die Umsatzsteuererhöhung von 15 auf 16 Prozent zum 1. April 1998. Zudem wurde festgelegt, dass der Bund den Rentenversicherungsträgern die Leistungen nach dem Fremdrentenrecht sowie für bestimmte einigungsbedingte Aufwendungen erstattet. Die Erstattungen für Leistungen nach dem Fremdrentenrecht werden allerdings auf den zusätzlichen Bundeszuschuss angerechnet. Seit Juni 1999 zahlt der Bund auch Beiträge für Kindererziehungszeiten an die Rentenversicherung . Die aufgrund dieser Zeiten erworbenen Rentenansprüche sind seit dem durch diese Beiträge gedeckt. Folgerichtig wurde der Bundeszuschuss entsprechend gekürzt. Die Kürzung betraf den Teil des Bundeszuschusses, der Jahre zuvor wegen der Kindererziehungszeiten erhöht wurde . Damit der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung stabil bleibt, wurde mit dem Haushaltssanierungsgesetz vom 28. Dezember 199920 der zusätzliche Bundeszuschuss weiter erhöht . Finanziert wird dieser Erhöhungsbetrag durch die Einnahmen aus der Ökosteuer (viermalige Erhöhung der Mineralölsteuer in den Jahren 2000 bis 2003). Der Erhöhungsbetrag verändert sich jährlich entsprechend der Entwicklung der Bruttolohn- und Gehaltssumme. Mit den Änderungen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 (Haushaltsbegleitgesetz 2006 - HBeglG 2006)21 wurde der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent zum 1. Januar 2007 abgesenkt. Dadurch entstanden der Bundesagentur für Arbeit in den Jahren 2007 bis 2009 Mindereinnahmen zwischen 14,4 und 14,8 Mrd. Euro jährlich. Als Beitrag des Bundes zur anteiligen Finanzierung dieser Maßnahme erhielt die Bundesagentur die Mittel aus einem Punkt der Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von 16 % auf 19 % durch das HBeglG 2006. Das Aufkommen aus diesem einen Umsatzsteuerpunkt war dem Bund für diesen Zweck durch eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in voller Höhe zur Verfügung gestellt worden. Zugleich entfiel der bis dahin geleistete Defizitzuschuss des Bundes zur Bundesagentur für Arbeit. 19 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) – Gesetzliche Rentenversicherung (Artikel 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 -- RRG 1992)) vom 18.12.1989, BGBl. Teil I, Seite 2261 und der Berichtigung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 27.06.1990, BGBl. Teil I 1990, Seite 1337. 20 Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz - HSanG) vom 22.12.1999, BGBl. Teil I 1999, S. 2534 ff. 21 Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29.6.2006, BGBl. Teil I, Seite 1402. Erläuterungen sieht Gesetzentwurf der Bundesregierung, Begründung, S. 13 ff. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16 /007/1600752.pdf