© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 039/19 Mögliche Belastungen von Unternehmen durch die Auswirkungen des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2016 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 2 Mögliche Belastungen von Unternehmen durch die Auswirkungen des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2016 Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 039/19 Abschluss der Arbeit: 15. März 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einführung 4 3. Wesentliche Neuregelungen 4 4. Mögliche Belastungen von Unternehmen 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 4 1. Fragestellung Es wird gefragt, durch welche wesentlichen Änderungen im Erbschaftsteuerreformgesetz 2016 insbesondere Familienunternehmen sowie sonstige mittelständische Unternehmen stärker belastet sein könnten als dies durch die vorher geltende Rechtslage der Fall war. 2. Einführung Das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2016 an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst. Dabei hat der Gesetzgeber von einer grundlegenden Neuregelung abgesehen und an dem früheren Verschonungsmodell, das insbesondere Familienunternehmen betrifft, weitgehend festgehalten: Nach wie vor wird „für den Erwerb von begünstigtem Vermögen […] ein Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % gewährt. Voraussetzung ist weiterhin die Fortführung des Betriebs sowie die Beibehaltung der Lohnsumme für die Dauer von 5 bzw. 7 Jahren. Kleinunternehmen sind von der Lohnsummenregelung nur noch dann befreit, wenn sie nicht mehr als 5 Beschäftigte (zuvor 20) haben. Der Verwaltungsvermögenstest wurde grundsätzlich beibehalten, allerdings in zahlreichen Punkten verschärft. Die typisierende Grenze von 50 % ist entfallen. Das Verwaltungsvermögen unterliegt grundsätzlich der vollen Besteuerung.“1 Deutlich strengere Regelungen gelten neuerdings für Großerwerbe im Wert von mehr als 26 Mio. EUR. Der Erwerber kann in diesen Fällen zwischen einem reduzierten Verschonungsabschlag (§ 13c ErbStG) oder einem Steuererlass aufgrund einer Bedürfnisprüfung (§ 28a ErbStG) wählen.2 3. Wesentliche Neuregelungen Vereinfacht dargestellt gilt seit dem 1.7.2016 folgendes Verschonungskonzept: „Das begünstigte Vermögen besteht grundsätzlich aus dem begünstigungsfähigen Vermögen abzüglich des (Netto-)Werts des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Zum begünstigungsfähigen Vermögen gehört das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, das Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 % (alleine oder gepoolt mit anderen Gesellschaftern) (§ 13b Abs. 1 ErbStG).3 Nicht begünstigt ist das Verwaltungsvermögen. Das Verwaltungsvermögen besteht im Wesentlichen aus Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücken, Anteilen an Kapitalgesellschaften von 1 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 33, Stand: 08.03.2017. 2 Ebd., Rz. 34. 3 Ebd., Rz. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 5 25 % oder weniger, Kunstgegenständen und Oldtimern, Wertpapieren und Finanzmitteln (§ 13b Abs. 4 ErbStG).4 Die anteiligen Schulden sind von dem Verwaltungsvermögen abzuziehen (§ 13b Abs. 6 ErbStG). Das Verwaltungsvermögen unterliegt seit dem 1.7.2016 grundsätzlich der vollen Besteuerung. Die frühere Verwaltungsvermögensquote von 50 % bzw. 10 % ist entfallen.“5 Der Erwerb eines begünstigten Vermögens unter 26 Mio. EUR ist in Höhe von 85 % (Regelverschonung ) bzw. 100 % (Optionsverschonung) steuerfrei (Verschonungsabschlag) gemäß § 13a Abs. 1 und 10 ErbStG - jedoch nur, wenn insbesondere von der Lohnsumme abhängige Faktoren zusätzlich erfüllt werden.6 So wird „der Verschonungsabschlag von 85 % […] grundsätzlich nur dann gewährt, wenn die Summe der jährlichen Lohnsummen innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist ) insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme) (§ 13a Abs. 3 S. 1 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG a. F.). Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten 5, vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre (§ 13a Abs. 3 S. 2 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 1 S. 3 ErbStG a. F.). Die Mindestlohnsumme muss nicht eingehalten werden, wenn der Betrieb nicht mehr als 5 Beschäftigte (bis zum 30.6.2016: 20 Beschäftigte) hat oder die Ausgangslohnsumme 0 beträgt (§ 13a Abs. 3 S. 3 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG a. F.). Bei Betrieben mit mehr als 5 und nicht mehr als 15 Beschäftigten gilt seit dem 30.6.2016 eine Mindestlohnsumme von 250 % bzw. 300 % (§ 13a Abs. 3 S. 4 ErbStG). Der Verschonungsabschlag vermindert sich mit Wirkung für die Vergangenheit anteilig, wenn und soweit die Mindestlohnsumme nach Ablauf der Lohnsummenfrist von 5 Jahren nicht erreicht wird (§ 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 1 S. 5 ErbStG a. F.).7 Im Falle der Optionsverschonung beträgt die Lohnsummenfrist 7 Jahre (an Stelle von 5 Jahren) und die Mindestlohnsumme 700 % (und nicht 400 %) der Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG a. F.). Bei Betrieben mit mehr als 5 und nicht mehr als 15 Beschäftigten gilt eine Mindestlohnsumme von 500 % (an Stelle von 250 %) bzw. 565 % (an Stelle von 300 %) (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 4 und 5 ErbStG).8 Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag entfallen rückwirkend, wenn der Erwerber den Betrieb nicht mindestens 5 Jahre (Regelverschonung) bzw. 7 Jahre (Optionsverschonung) weitgehend unverändert fortführt (Behaltensregelungen) (§ 13a Abs. 6 ErbStG).9 4 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 7, Stand: 08.03.2017. 5 Ebd., Rz. 8. 6 Ebd., Rz. 9. 7 Ebd., Rz. 232. 8 Ebd,. Rz. 233. 9 Ebd., Rz. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 6 Des Weiteren wird beim Erwerb von kleinen Betrieben zusätzlich ein gleitender Abzugsbetrag von bis zu 150.000 EUR gewährt (§ 13a Abs. 2 ErbStG).“10 Speziell auf bestimmte Familiengesellschaften zugeschnitten ist die Regelung, dass „für den Erwerb von Anteilen ein Vorab-Abschlag von bis zu 30 % gewährt [wird], wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmte Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen enthält (§ 13a Abs. 9 ErbStG).“11 Der Abschlag von bis zu 30 % wird "vor" Anwendung des Verschonungsabschlags gewährt und kann dazu führen, dass sich beim Erwerb von Anteilen an bestimmten Familiengesellschaften die Grenze von 26 Mio. EUR auf bis zu ca. 37 Mio. EUR erhöht.“12 Beträgt das geerbte begünstigte Vermögen mehr als 26 Mio. EUR, kann der Erwerber zwischen zwei möglichen Anträgen wählen: „Der Erwerber kann (widerruflich) einen Steuererlass aufgrund einer Verschonungsbedarfsprüfung beantragen (§ 28a ErbStG). Der Erwerber kann (unwiderruflich) beantragen, dass der Verschonungsabschlag in Höhe von 85 % bzw. 100 % für den die Grenze von 26 Mio. EUR überschreitenden Erwerb entsprechend reduziert wird (§ 13c Abs. 1 ErbStG). Dieser Antrag schließt einen Antrag auf einen Steuererlass aufgrund einer Verschonungsbedarfsprüfung aus (§ 13c Abs. 2 S. 6 ErbStG).“13 Übersteigt der Erwerb von begünstigtem Vermögen eine Höhe von 90 Mio. EUR wird der Verschonungsabschlag nicht mehr gewährt. Dagegen gilt der Steuererlass unabhängig von der Höhe des begünstigten Vermögens.14 Jeder Erwerber begünstigten Vermögens hat im Erbfall einen Anspruch auf eine Stundung der Steuer für bis zu 7 Jahren gemäß § 28 Abs. 1 ErbStG.15 10 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 10, Stand: 08.03.2017. 11 Ebd., Rz. 13. 12 Ebd., Rz. 117. 13 Ebd., Rz. 138. 14 Ebd., Rz. 16. 15 Ebd., Rz. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 7 4. Mögliche Belastungen von Unternehmen In der Fachliteratur wird das neue Erbschaftsteuerrecht vielfach kritisch gesehen, bis hin zur Erwartung einer erneuten Vorlage beim Bundesverfassungsgericht: „Die Überarbeitung der Begünstigungsvorschriften für Unternehmensvermögen zeigt, dass das Hochsteuerkonzept mit weitreichenden sachlichen Steuerbefreiungen an seine Grenzen stößt. Um es den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprechend auszugestalten, hat der Gesetzgeber zahlreiche Detailregelungen für notwendig befunden, die in der praktischen Umsetzung erhebliche Probleme verursachen werden und verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sind. Zudem sind gerade in Bezug auf die Regelungen über Großerwerbe Gestaltungen möglich, die eine Anwendung von § 13c ErbStG n. F. und § 28a ErbStG n. F. vermeiden. Der Gesetzgeber hat hier ein neues gleichheitsrechtliches Problem geschaffen. Sicher ist vor diesem Hintergrund, dass in nicht ferner Zukunft die Fachwelt auf die vierte Entscheidung des BVerfG zum ErbStG warten wird.“16 Im ErbStG-Kommentar von Fischer/Pahlke/Wachter urteilt Thomas Wachter in Bezug auf § 13a ErbStG, dass die neuen Verschonungsregelungen kompliziert und streitanfällig seien. Zu diesen und weiteren Regelungen führt er aus: „Für die Unternehmensnachfolge beinhalten die steuerlichen Verschonungsregelungen erhebliche Chancen und Risiken. Der Erwerb von begünstigtem Vermögen kann im Einzelfall vollständig (und der Höhe nach unbegrenzt) steuerfrei sein. Umgekehrt unterliegt der Erwerb von nicht begünstigtem Vermögen der vollen Besteuerung (mit Steuersätzen von bis zu 50 %).17 Die Gesellschafter von Familienunternehmen können über ihre Anteile regelmäßig nicht frei verfügen . Diese Verfügungsbeschränkungen haben steuerlich unterschiedliche Folgen. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts werden die Verfügungsbeschränkungen nicht berücksichtigt. Bei Kapitalgesellschaften können Verfügungsbeschränkungen die Grundlage für die Zusammenrechnung mehrerer Anteile bilden. Bei Familiengesellschaften sind Verfügungsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag Voraussetzung für die Gewährung eines Vorab-Abschlags. Bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens von Erwerbern sind Verfügungsbeschränkungen wiederum ohne Bedeutung .“18 Zur Lohnsummenregelung äußert er sich wie folgt: „Das neue Stufenmodell für Betriebe mit wenigen Beschäftigten erscheint durchaus als ein tragfähiger Kompromiss. Die Neuregelung führt gleichwohl dazu, dass Erwerber kleiner Betriebe deutlich häufiger mit der Lohnsummenkontrolle belastet werden. Dies erschwert die ohnehin schwierige Nachfolge bei kleinen Handwerks- und Gewerbebetrieben und widerspricht dem allgemeinen Ziel des Bürokratieabbaus.“19 Nichtsdestotrotz seien „bei der jetzt beschlossenen Grenze von 5 Beschäftigten immer noch rund 80 % aller 16 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fsteuk%2F2016%2Fcont%2Fsteuk.2016.469.1.htm&pos=7&hlwords=on, abgerufen am 14. März 2019. 17 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 14, Stand: 08.03.2017. 18 Ebd., Rz. 62. 19 Ebd., Rz. 261. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 8 Betriebe von der Lohnsummenkontrolle ausgenommen.“20 Außerdem sieht er eine vielfache Benachteiligung von Einzelunternehmen gegenüber Gesellschaften : „Der Erwerb eines Wohnungsunternehmens ist nur begünstigt, wenn es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt. Der Vorweg-Abschlag von bis zu 30 % wird nur bei Familiengesellschaften, nicht auch bei Einzelunternehmen gewährt. Der Einzelunternehmer, die mit seinem gesamten Vermögen haftet ("der ehrbare Kaufmann"), müsste steuerlich mindestens genauso behandelt werden wie die Gesellschafter (jedenfalls nicht schlechter).“21 Zu Großerwerben führt Thomas Wachter aus: „Für Großerwerbe von mehr als 26 Mio. EUR gelten besondere Regelungen für die steuerliche Begünstigung. Dies betrifft weniger als 1 % aller Fälle.22 Unter Berücksichtigung des neuen Kapitalisierungsfaktors für das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 203, 205 Abs. 11 Bewertungsgesetz) dürfte der Anteil noch deutlich niedriger liegen. Dies bedeutet, dass in mehr als 99 % aller Fälle eine konkrete Verschonungsprüfung (weiterhin ) nicht stattfindet. Die mit dem Abschmelzungs- bzw. Erlassmodell verbundenen Auflagen greifen somit nur in weniger als 1 % aller Fälle tatsächlich ein. Dies ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich.“23 Insgesamt urteilt er: „Der Gesetzgeber möchte mit den steuerlichen Begünstigungen die Unternehmensnachfolge erleichtern. Gleichzeitig beschränkt er die unternehmerische Tätigkeit aber durch zahlreiche Auflagen, Behaltensregelungen und Fortführungsverpflichtungen für viele Jahre. Dies beeinträchtigt die unternehmerische Freiheit ganz erheblich. Notwendige Anpassungen an veränderte Marktverhältnisse werden dadurch unter Umständen verhindert oder zumindest verzögert. Die (einmalige) Erleichterung der Unternehmensnachfolge darf nicht dazu führen, dass die unternehmerische Tätigkeit (dauerhaft) erschwert wird.“24 Die Stiftung Familienunternehmen äußert sich zum neuen Erbschaftsteuerrecht unter Berücksichtigung des „Koordinierten Ländererlasses zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes“ (ohne den Freistaat Bayern) wie folgt: „Durch die im Erlass vorgenommene Konkretisierung der einzelnen Prüfungs- und Rechenschritte konnten neue Erkenntnisse zu den Belastungswirkungen der Verschonungsregelungen gewonnen […] werden. Die Berechnungen verdeutlichen, dass kleinere Unternehmen infolge des abschmelzenden Verschonungsabschlags nur geringfügig mehr belastet werden. Beantragt der Erwerber großer Vermögen den abschmelzenden Verschonungsabschlag, ohne den Vorwegabschlag nutzen zu können, steigt die Steuerbelastungsquote um das Sechsfache im Vergleich zu heute an. Auch für mittelgroße Erwerbe sind die Belastungen deutlich höher im Vergleich zu heute. Stehen dem Erwerber der Vorwegabschlag und der abschmelzende Verschonungsabschlag offen, ist die Steuerbelastungsquote fast vier Mal so hoch wie bisher. Nachdem die Regelungen zu den frühe- 20 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 262, Stand: 08.03.2017. 21 Ebd., Rz. 57. 22 Ebd., Rz. 67. 23 Ebd., Rz. 168. 24 Ebd., Rz. 69. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 9 ren Erwerben durch den Erlass ausgestaltet und spezifiziert wurden, sind die hier zu erwartenden Mehrbelastungen offenkundig. Die Berücksichtigung mehrerer Vorerwerbe nach dem 30.06.2016 im Rahmen des abschmelzenden Verschonungsabschlags führt zu einer fast vier Mal so hohen Mehrbelastung im Vergleich zu heute.“25 Manfred Reich sieht bestimmte Regelungen des Unternehmenserbschaftsteuerrechts dann als verfassungswidrig an, wenn sie durch die Finanzverwaltung nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Er bezieht sich in seiner Kritik auf den aktuell diskutierten Entwurf der Erbschaftsteuer- Richtlinien 2019.26 „Dem Vernehmen nach sieht sich die Finanzverwaltung durch den Gesetzeswortlaut des § 13b Abs. 9 ErbStG darin bestärkt, diese Vorschrift dahingehend auszulegen, dass auch verbund- bzw. konzerninterne Einlagen von Finanzmitteln zu jungen Finanzmitteln führen können. Die Entstehungsgeschichte , die auch einen ausreichenden Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat, spricht klar dagegen. Zudem kann die Auslegung der Finanzverwaltung zur Verfassungswidrigkeit des Unternehmenserbschaftsteuerrechts führen. Daher muss auch die Finanzverwaltung das Gesetz verfassungskonform auslegen, d. h. derjenigen Auslegungsalternative folgen, die zu einem verfassungskonformen Rechtszustand führt. Die Ansätze der Finanzverwaltung für eine verfassungskonforme Auslegung in R E 13b.29 Abs. 3 S. 5 und 6 ErbStR-E 2019 reichen nicht aus. Da einige Länder und die Bundesregierung zu Recht keinen Sinn darin sehen, konzern- bzw. verbundinterne Einlagen von Finanzmitteln zu berücksichtigen, besteht die begründete Hoffnung, dass die Finanzverwaltung aus steuer- und verfassungsrechtlichen sowie wirtschaftspolitischen Gründen ihre Rechtsauffassung nochmals überdenken und nur konzern- bzw. verbundexterne Einlagen von Finanzmitteln pönalisieren wird. Dann kann es auch entsprechend der Ansicht der Bundesregierung nicht zu einer Mehrfacherfassung kommen und nur dann existieren auch keine Nachteile für eigenkapitalfinanzierte Investitionen. Im Übrigen besteht sonst die große Gefahr, dass das ErbStG u. U. sogar schon im Jahr 2019 erneut dem BVerfG vorgelegt werden wird, weil konzern- bzw. verbundinterne Einlagen ein Massenphänomen sind.“27 Auch die Spitzenverbände kommentieren diese geplante Verwaltungsvorschrift und sind in ihrer gemeinsamen Stellungnahme der Ansicht, dass Rechtsunsicherheiten, steuerliche Risiken und unverhältnismäßige Bürokratielasten so weit wie möglich beseitigt werden müssten, um Unternehmensnachfolgen nicht zu gefährden. Die Spitzenverbände bemängeln konkret beispielsweise die bislang bestehende Unklarheit über die Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns bei ver- 25 https://www.familienunternehmen.de/media/public/pdf/publikationen-studien/studien/Das-neue-Erbschaftund -Schenkungsteuerrecht_Studie_Stiftung-Familienunternehmen_2017.pdf, abgerufen am 14. März 2019. 26 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerarten/Erbschaft _und_Schenkungsteuer/2018-12-20-entwurf-ErbStR-2019-anlage.pdf;jsessionid =A2304F94FA4AF27125ED46963EF9EE58?__blob=publicationFile&v=2, abgerufen am 20. Februar 2019. 27 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fdstr%2F2019%2Fcont%2Fdstr.2019.145.1.htm&pos=1&hlwords=on, abgerufen am 15. Februar 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 039/19 Seite 10 bundenen Unternehmen. Die Entnahmequote könne nicht berechnet und der Abschlag in der Regel nicht vorgenommen werden. Zudem verlängerten sich die Fristen zwischen Erbschaftsteuererklärung und -bescheid absehbar und damit auch die Phase der Rechtsunsicherheit.28 *** 28 https://www.dihk.de/presse/meldungen/2019-01-28-erbschaftsteuer, abgerufen am 14. März 2019.