© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 035/19 Schattenbanken: Internationale Regulierung und Situation in China Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 2 Schattenbanken: Internationale Regulierung und Situation in China Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 035/19 Abschluss der Arbeit: 7. März 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wie weit ist die Umsetzung bei der Regulierung der Schattenbanken? 4 2. Sind Chinas Schattenbankensektor ein Problem für die Finanzstabilität? 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 4 1. Wie weit ist die Umsetzung bei der Regulierung der Schattenbanken? Das Financial Stability Board (FSB) berichtet seit 2015 jährlich über die Einführung und die Wirkung der G20-Reformagenda. In seinem jüngsten Bericht vom November 20181 führt das FSB hinsichtlich des Regulierungsstandes von „shadow banking“, das es seit 2018 als „non-bank financial intermediation – NBFI“ bezeichnet, Folgendes aus: – Laut Dashboard zum Stand des Umsetzungsfortschritts in prioritären Reformbereichen in den FSB-Jurisdiktionen erfüllten fünf von 24 Staaten – China, Deutschland, Indien, Japan und die USA – alle Reformbedingungen des FSB bei den Geldmarktfonds und den Verbriefungen . – Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von NBFIs: Das FSB hat einen systemweiten Überwachungsrahmen geschaffen, um globale Trends und Risiken im System der NBFIs zu bewerten. In Zusammenarbeit mit SSBs (standard-setting bodies) wurden politische Maßnahmen zur Stärkung der Überwachung und Regulierung der NBFIs entwickelt.2 – Bei der Umsetzung von Richtlinien zur Verringerung des Risikos von Anleger-Runs bei Geldmarktfonds wurden Fortschritte erzielt (Graph 6): Die Umsetzung der IOSCO3-Empfehlungen für Geldmarktfonds4 ist in 12 FSB-Ländern, einschließlich der beiden größten Märkte (USA und China), am weitesten fortgeschritten. Acht Länder haben in diesem Bereich seit dem letzten Jahr Fortschritte erzielt. Einundzwanzig FSB-Jurisdiktionen haben den Fair-Value-Ansatz für die Bewertung von Geldmarktfondsportfolios implementiert. Die Fortschritte im Liquiditätsmanagement sind jedoch weniger fortgeschritten und weniger gleichmäßig. Neun Jurisdiktionen haben bisher noch keine Regulierungsvorschläge in diesem Bereich veröffentlicht. Die Anzahl der FSB-Länder, die Geldmarktfonds zulassen, die einen stabilen Nettoinventarwert (NAV) bieten (unter eingeschränkten Bedingungen und mit angemessenen Garantien 1 Financial Stability Board (FSB): Implementation and Effects of the G20 Financial Regulatory Reforms: Fourth Annual Report, 28. November 2018, Seiten 3 und 14ff., unter: http://www.fsb.org/2018/11/implementation-andeffects -of-the-g20-financial-regulatory-reforms-fourth-annual-report/, abgerufen am 6. März 2019. 2 Dabei handelt es sich um folgende Bereiche: Risikominimierung der Interaktionen von Banken mit NBFI; Verringerung der Anfälligkeit von Geldmarktfonds (MMFs) auf „Runs“, Verbesserung der Transparenz und Angleichung der Anreize bei der Verbriefung, Dämpfung der Prozyklizität und anderer finanzieller Stabilitätsrisiken bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften und Bewertung und Minderung von Risiken der Finanzstabilität, die von anderen Nichtbanken-Finanzintermediären ausgehen. 3 IOSCO = International Organization of Securities Commissions (Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden ). 4 Ausführlich dazu siehe: Kremer, Stephanie (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht): Regulierung von Geldmarktfonds, in BaFinJournal 01/13, Seite 14ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 5 geregelt), ist im Jahr 2018 von 9 auf 13 gestiegen. In zehn der 13 Länder sind abschließende Durchführungsmaßnahmen in Kraft. – Die Implementierung von Anreizanpassungsansätzen für die Verbriefung wird fortgesetzt (Graph 7): Der Implementierungsfortschritt ist in den FSB-Ländern in diesem Bereich uneinheitlich. In der EU werden die Verbriefungsverordnung und die entsprechenden Änderungen der Eigenkapitalanforderungen zu einer vollständigeren Umsetzung der Empfehlungen von IOSCO beitragen, sobald diese 2019 in Kraft treten. In den meisten Ländern, in denen Anreizanpassungsvorschriften (teilweise oder vollständig ) eingeführt wurden, sind die Emittenten verpflichtet, in der Regel 5% des Kreditrisikos der Verbriefung (direkt oder indirekt) zu halten. In einigen Ländern gibt es jedoch Ausnahmen von diesen Anforderungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 6 – Die Umsetzung des FSB-Politikrahmens für die Überwachung und Regulierung von NBFIs schreitet weiter voran: Im Jahr 2017 nahmen alle FSB-Jurisdiktionen (sowie Belgien, Kaimaninseln, Chile, Irland und Luxemburg) an der jährlichen Überwachung teil, um die globalen Trends und Risiken (z. B. Laufzeit- / Liquiditätsumwandlung und Verschuldung) bei NBFIs zu verfolgen. Die Praxis wird im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert, um genauere Angaben darüber zu erhalten, inwieweit eine solche Vermittlung zu bankähnlichen Finanzstabilitätsrisiken führt. Obwohl Fortschritte gemacht werden, ist mehr Arbeit erforderlich, um die Risiken in diesem Bereich zu überwachen und darauf zu reagieren. Um die Überwachung der NBFIs zu verstärken, prüft das FSB die Verfügbarkeit von Daten und verbessert die jährliche Überwachung . – Die Umsetzung von Reformen in anderen für die NBFIs wichtigen Politikbereichen befindet sich ebenfalls in einem frühen Stadium: Um die Ausstrahlung von Risiken auf das Bankensystem zu begrenzen, veröffentlichte das BCBS5 einen Rahmen zur Identifizierung und zum Management von Step-in-Risiken.6 Neun Jurisdiktionen haben risikobasierte Eigenkapitalanforderungen für die Investitionen der Banken in das Eigenkapital der Fonds verabschiedet, die 2017 in Kraft getreten sind. Zwei Jurisdiktionen haben den aufsichtsrechtlichen Rahmen für die Bewertung und Kontrolle der großen Risikopositionen der Banken verabschiedet. Die IOSCO gab im Februar 2018 abschließende Empfehlungen zur Verbesserung der Liquiditätsrisikomanagementpraktiken in Investmentfonds zur Behebung des Liquiditätskonflikts bei offenen Fonds ab, um strukturelle Schwachstellen aus der Vermögensverwaltung zu beseitigen.7 Die Umsetzung der FSB-Politikempfehlungen für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte (Securities Financing Transactions - SFT), einschließlich Sicherheitsabschläge bei nicht zentral geclearten SFTs, befindet sich noch in einem frühen Stadium. 5 BCBS = Basel Committee on Banking Supervision (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht). 6 Das Step-in-Risiko („Unterstützungsrisiko“) bezieht sich auf das Risiko, dass eine Bank eine NBFI über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinaus oder ohne vertragliche Verpflichtungen finanziell unterstützt, falls das Unternehmen in finanzielle Bedrängnis gerät. Siehe die BCBS-Richtlinien zur Identifizierung und zum Management von Step-in-Risiken (Oktober 2017). 7 Siehe die IOSCO-Empfehlungen für das Liquiditätsrisikomanagement für Investmentsfonds (Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 035/19 Seite 7 2. Sind Chinas Schattenbankensektor ein Problem für die Finanzstabilität? China ist laut FSB im internationalen Vergleich eines der Länder mit den in den Jahren 2013 bis 2016 am stärksten wachsenden Schattenbankensektor. Vor allem kleinere und mittlere chinesische Banken emittierten sogenannte Schattenbanken- Finanzinstrumente wie Wealth Management Products (WMPs) oder leiteten Finanzmittel an Investmentgesellschaften („trust companies “) weiter.8 „Diese zu einem erheblichen Teil außerbilanziellen Geschäfte erforderten bei den bestehenden Vorgaben im Regelfall weniger Eigenkapital und eine geringere Risikovorsorge aufseiten der Banken im Vergleich zu einer herkömmlichen Kreditvergabe. Zudem konnten hierdurch regulatorische Vorgaben zur Begrenzung der Bankkreditvergabe an bestimmte Sektoren umgangen werden. Im Ergebnis stützte diese Praxis zwar kurzfristig das Wirtschaftswachstum, erhöhte aber die gesamtwirtschaftlichen Kreditrisiken sowie die Komplexität des Finanzsystems.“ Um die Risiken für die Finanzstabilität zu reduzieren, hat der chinesische Staat verschiedene Maßnahmen ergriffen.9 Die Maßnahmen konzentrierten sich auf eine Einschränkung der Schattenkreditvergabe und die Begrenzung regulatorischer Arbitragemöglichkeiten. Die Aufsichtsbehörden überwachen nun verstärkt die außerbilanziellen Aktivitäten der Banken. „Im Fall einer Krise des chinesischen Finanzsystems könnte es zu spürbaren negativen Auswirkungen auf Drittländer kommen, da die Bedeutung Chinas als internationaler Kreditgeber und - nehmer seit der globalen Finanzkrise erheblich zugenommen hat. So beliefen sich die Auslandsforderungen chinesischer Banken zum Ende des Jahres 2017 auf knapp 1 Billion US-$. Insbesondere Schwellen- und Entwicklungsländer in Südostasien, Afrika und Lateinamerika verschuldeten sich in den letzten Jahren stark bei chinesischen Banken und sind hierdurch in höherem Maße von diesen Kapitalgebern abhängig. Insgesamt summierten sich die Auslandsforderungen und -verbindlichkeiten Chinas im Jahr 2017 auf rund 12 Billionen US-$ beziehungsweise 100% des nationalen BIP. Mit der engeren finanziellen Verflechtung steigt die Gefahr, dass sich ein Schock in China auf das internationale Finanzsystem überträgt.“ „Das deutsche Finanzsystem wäre im Fall einer Finanzkrise in China wahrscheinlich vor allem über indirekte Ansteckungseffekte betroffen. Die direkten Forderungen des deutschen Bankensystems und der Versicherer gegenüber chinesischen Schuldnern sind in den vergangenen Jahren zwar insgesamt auf 42 Mrd € zum Jahresende 2017 gestiegen. Sie machen aber lediglich 1,9% beziehungsweise 0,7% der Auslandsforderungen der beiden Finanzsektoren aus.“ * * * 8 Hierzu und zum Folgenden, wenn nicht anders erwähnt: Deutsche Bundesbank: Die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft und ihre internationalen Folgen, Monatsbericht Juli 2018. Darin: Risiken für die Stabilität des chinesischen Finanzsystems (Seite 46ff.), unter: https://www.bundesbank.de/resource /blob/752104/5e34001597d1694ea7999fb2307a8756/mL/2018-07-china-data.pdf, abgerufen am 7. März 2019. 9 Shih, Victor: Schattenbanken und Finanzregulierung. Eine Begrenzung der Liquidität könnte Panik auf Chinas Finanzmärkten auslösen, Mercator Institute for China Studies (merics), unter: https://www.merics.org/sites /default/files/2017-08/170725_Victor_Shih_Sonntagsoekonom.pdf, abgerufen am 7. März 2019.