© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 034/21 Behördliche Darlegungspflichten vor und bei Erlass eines Leerverkaufsverbots Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Darlegungspflicht bei Bekanntmachung des Verbots (Art. 25 Abs. 2 LVVO) 7 3. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/21 Seite 4 1. Einleitung: Grundlagen der europarechtlichen Leerverkaufsaufsicht Die europäische Leerverkaufsaufsicht basiert auf der Leerverkaufsverordnung (LVVO)1 vom 14. März 2012. Diese wurde unter dem Eindruck der Finanzkrise und mit dem Ziel erlassen, durch eine einheitliche Regelung des Handlungsrahmens in Bezug auf von Leerverkäufen ausgehende negative Markteinflüsse einen zwischen den Mitgliedstaaten koordinierten Verbraucher- und Anlegerschutz sicherzustellen.2 Einheitlich geregelt wurden zu diesem Zweck die Zulässigkeit von Leerverkäufen, die Meldepflichten der Leerverkäufer3 an die zuständige Behörde sowie die dieser zustehenden Aufsichtsmaßnahmen. Die LVVO geht hierbei von einer prinzipiellen Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben und -befugnisse durch die nationalen Behörden aus; die European Securities and Markets Authority (ESMA) übernimmt nach Art. 27 ff. LVVO primär die Rolle einer Koordinatorin für die Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden und trifft nur im Ausnahmefall eigene Maßnahmen.4 Die auf nationaler Ebene aufgrund von Art. 32 UAbs. 1 LVVO bestimmten zuständigen Behörden – in Deutschland gemäß § 53 Wertpapierhandelsgesetz die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)5 – werden durch Art. 20 LVVO insbesondere ermächtigt, Verbote bezüglich bestimmter Leerverkaufsvorgänge zu erlassen (Absatz 2), wenn dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um Bedrohungen für die Finanzmarktsicherheit oder das Marktvertrauen abzuwenden (Absatz 1). Voraussetzung ist, dass „ungünstige Entwicklungen oder Ereignisse“ vorliegen, „die eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen sind“. Aufgrund der Ermächtigung in Art. 30 LVVO hat die Europäische Kommission in Art. 24 der Delegierten Verordnung Nr. 918/20126 konkretisiert, welche Kriterien und Faktoren bei der Beurteilung des Vorliegens einer solchen Entwicklung oder solcher Ereignisse zu berücksichtigen sind. 1 Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, abrufbar unter . Alle Internetlinks wurden zuletzt abgerufen am 21. April 2021. 2 Wojcik in: von der Groebe/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 63 AEUV Rn. 114. 3 Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Sachstand sind somit geschlechtsneutral zu verstehen; die gewählte Form bezieht sich jeweils auf weibliche, männliche und diverse Personen. 4 Wojcik, in: von der Groebe/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Art. 63 AEUV Rn. 114. 5 Die Ausnahme zugunsten der Börsengeschäftsführungen nach § 15 Abs. 5a Börsengesetz gilt nur für Maßnahmen nach Art. 23 Abs. 1 LVVO, vgl. Zetzsche/Lehmann in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskommentar , 5. Aufl. 2020, § 53 Rn. 30. 6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5. Juli 2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen, Liquiditätsschwellen für die vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse, abrufbar unter . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/21 Seite 5 Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, inwieweit die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen der Entscheidung über den Erlass eines Leerverkaufsverbots nach Art. 20 LVVO Darlegungspflichten hinsichtlich des Grundes treffen. Begutachtet wird insbesondere, ob dargelegt werden muss, welches der in Art. 24 DelVO 918/2012 geregelten Phänomene im konkreten Fall der Indikator für die Annahme der erforderlichen „ungünstigen Ereignisse und Entwicklungen“ ist und welche Tatsachen der Heranziehung dieses Indikators durch die Behörde zugrunde liegen . 2. Darlegungspflichten im Zuge des Erlasses eines Verbots nach Art. 20 LVVO Die LVVO sieht im Falle des Erlasses eines Leerverkaufsverbots mehrere Zeitpunkte und Adressaten behördlicher Darlegungspflichten hinsichtlich der Gründe für ein Leerverkaufsverbot vor. Nach Art. 26, 27 LVVO bestehen im Vorfeld der Maßnahme solche Pflichten gegenüber der ESMA und den anderen nationalen Aufsichtsbehörden; nach Art. 25 Abs. 2 lit. b LVVO muss die spätere Bekanntmachung der beschlossenen Maßnahme die Gründe und Belege dafür enthalten. 2.1. Darlegungspflichten gegenüber der ESMA und den anderen nationalen Aufsichtsbehörden Art. 26 Abs. 1, 3 LVVO verpflichtet die zuständige Behörde, die ESMA und die anderen nationalen Aufsichtsbehörden mindestens 24 Stunden vor Erlass eines Leerverkaufsverbots von ihrem Vorschlag zu unterrichten. Diese Unterrichtung hat inhaltlich zumindest die „Einzelheiten der vorgeschlagenen Maßnahmen, die Arten der betroffenen Finanzinstrumente und Transaktionen, Belege für die Gründe der Maßnahmen und den Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens“ zu umfassen , Art. 26 Abs. 2 LVVO. Daraufhin können die anderen nationalen Behörden eigene Maßnahmen zur Unterstützung des geplanten Leerverkaufsverbots erlassen, § 26 Abs. 4 LVVO. Die ESMA hat binnen 24 Stunden eine öffentliche Stellungnahme abzugeben, in welcher sie die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme, also das Vorliegen von Entwicklungen oder Ereignissen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 lit. a LVVO i.V.m. Art. 24 DelVO 918/2012 sowie die Erforderlichkeit der Maßnahme und ihrer geplanten Dauer, beurteilt, § 27 Abs. 2 LVVO. Diese Stellungnahme der ESMA ist zwar nicht bindend für die nationale Behörde.7 Will diese sich dazu in Widerspruch setzen, muss sie die Gründe für dieses Vorgehen allerdings ihrerseits in einer Stellungnahme darlegen, § 27 Abs. 3 LVVO. Aufgrund dessen entscheidet die ESMA, ob sie von ihren eigenen Eingreifbefugnissen nach Art. 28 LVVO Gebrauch macht.8 Im Vorfeld des Erlasses eines Leerverkaufsverbots ergibt sich für die zuständige Behörde somit bis zu zwei Mal die Pflicht zur Darlegung der Gründe für ihr Handeln. In jedem Fall muss sie die „Belege für die Gründe“ des Verbots vorab der ESMA und den anderen nationalen Behörden zugänglich machen, Art. 26 Abs. 1, 2 LVVO. Will sie ein Leerverkaufsverbot trotz abweichender Stellungnahme der ESMA erlassen, muss sie zudem die „Gründe für ihr Vorgehen vollständig“ darlegen, Art. 27 Abs. 3 S. 1 LVVO. Weder Art. 26 Abs. 2 noch Art. 27 Abs. 3 S. 1 LVVO konkretisieren jedoch, was unter die dazulegenden „Gründe“ fällt. Anhaltspunkte können damit nur aus 7 Mülbert/Sajnovits, Short-Seller-Attacken 2.0: Der Fall Wirecard, Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2019, 313 (319). 8 Die Unionsrechtskonformität dieser Eingreifbefugnisse wurde durch den Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt, Urt. v. 22. Januar 2014, Az. C.270/12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/21 Seite 6 dem Sinn und Zweck der jeweiligen Unterrichtungspflicht innerhalb des Systems der europäischen Leerverkaufsaufsicht abgeleitet werden. 2.1.1. Darlegungspflicht bei Vorschlag der Maßnahme (Art. 26 Abs. 1, 2 LVVO) Die Darlegungspflicht nach Art. 26 Abs. 2 LVVO erstreckt sich nach dem Wortlaut auf die „Belege für die Gründe der Maßnahmen“ und umfasst damit denklogisch auch die Gründe selbst. Hintergrund dieser Unterrichtungspflicht und insbesondere der Mitteilung der Gründe und Belege ist die in Art. 27 Abs. 1 LVVO festgeschriebene Koordinierungsrolle der ESMA. Sie soll im Einklang mit dem allgemeinen Ziel der LVVO – der Gewährleistung einer harmonisierten Vorgehensweise der nationalen Behörden in Bezug auf die Leerverkaufsaufsicht – sicherstellen, dass die nationalen Behörden ihre Befugnisse in kohärenter und mitgliedstaatübergreifend möglichst einheitlicher Weise ausüben.9 Erwägungsgrund 31 zur LVVO erkennt an, dass dazu eine „enge Konsultation“ zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und der ESMA erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund soll die Unterrichtungspflicht nach Art. 26 Abs. 1, 2 LVVO der ESMA ermöglichen , durch ihre Stellungnahmen auf eine rechtmäßige und einheitliche Anwendung von Art. 20 LVVO hinzuwirken. Entsprechend dieses Ziels regelt Art. 27 Abs. 2 LVVO, dass die ESMA innerhalb von 24 Stunden zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 20 LVVO i.V.m. Art. 24 DelVO 918/2012 Stellung zu nehmen hat. Damit dieser Auftrag in solch kurzer Zeit erfüllt werden kann, ist es erforderlich, dass die ESMA die Bewertung des Vorliegens von Umständen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 lit. a LVVO i.V.m. Art. 24 DelVO 918/2012 sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme aufgrund des mitgliedstaatlichen Vorbringens schnell erfassen und evaluieren kann; Zeit für einen eigenständigen Erkenntnisgewinn besteht kaum. Notwendig ist daher eine möglichst umfassende Kenntnis der dem Vorschlag des Leerverkaufsverbots zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen der Behörde sowie der verifizierbaren Fakten,10 auf denen sie beruhen. Davon ausgehend dürfte sich die Darlegungspflicht der nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen von Art. 26 Abs. 1, 2 LVVO auf die aus ihrer Sicht wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände einschließlich der „konkrete(n) Kausalzusammenhänge“11 erstrecken, aus denen sie im konkreten Fall das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 20 LVVO ableitet, und aufgrund derer sie ihr Ermessen im Sinne des Erlasses eines Leerverkaufsverbots ausübt. Art. 30 LVVO sieht nun vor, dass die zuständigen Behörden bei dieser gegenüber der ESMA in ihren wesentlichen Grundzügen darzulegenden Prüfung der Voraussetzungen eines Eingreifens nach Art. 20 LVVO insbesondere die von der Kommission in der DelVO 918/2012 geregelten Kriterien „zu berücksichtigen haben“. Die Auswahl eines einschlägigen Indikators und die Evaluierung des Vorliegens entsprechender Tatsachen sind somit zwingender und grundlegender Teil der behördlichen Prüfung des Einschreitens und somit auch der darzulegenden Gründe für den 9 Vgl. dazu Erwägungsgrund 1-3 sowie 5 und 29 zur LVVO. 10 Vgl. Zetzsche/Lehmann, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl. 2020, § 53 Rn. 19b. 11 Zetzsche/Lehmann, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl. 2020, § 53 Rn. 19b. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/21 Seite 7 daraus resultierenden Vorschlag der Maßnahme.12 Damit dürften die Kriterien nach Art. 24 DelVO 918/2012 und die ihnen zugrundeliegenden Tatsachen zu den Erwägungen der Behörde gehören, die in ihren wesentlichen Grundzügen nach Art. 26 Abs. 2 LVVO der ESMA darzulegen sind. Zu beachten ist indes, dass sich aus der Öffentlichkeit der ESMA-Stellungnahmen (Art. 27 Abs. 2 S. 4 LVVO) im Einzelfall gerechtfertigte Einschränkungen im Rahmen der Tatsachenübermittlung aus Erwägungen des Geheimhaltungsbedarfs, namentlich ermittlungstaktischen Gründen13 oder der Einhaltung der in Erwägungsgrund 40 für maßgeblich erklärten Datenschutzrichtlinie14, ergeben können. 2.1.2. Darlegungspflicht bei Abweichung von ESMA-Stellungnahme (Art. 27 Abs. 3 S. 1 LVVO) Demgegenüber bezieht sich die Darlegungspflicht hinsichtlich der „Gründe für das Vorgehen“ nach Art. 27 Abs. 3 S. 1 LVVO auf die Abweichung von der Stellungnahme der ESMA. Ihr Inhalt hängt damit jeweils davon ab, worin das davon abweichende Verhalten der nationalen Behörde im konkreten Einzelfall liegt. Betrifft es die Auswahl des einschlägigen Indikators nach Art. 24 DelVO oder das Vorliegen der diesem Indikator zugrunde liegenden Tatsachen, können die entsprechenden Erwägungen der nationalen Aufsichtsbehörde auch hier noch einmal Gegenstand der Darstellungspflicht gegenüber der ESMA sein. 2.2. Darlegungspflicht bei Bekanntmachung des Verbots (Art. 25 Abs. 2 LVVO) Nach Art. 25 LVVO hat die zuständige Behörde ein erlassenes Leerverkaufsverbot auf ihrer Website bekanntzumachen und dabei die Gründe, aus welchen sie „die Verhängung der Maßnahme für notwendig hält, einschließlich Belegen“ anzugeben. Die Bekanntmachung ist nach Art. 25 Abs. 3 LVVO Voraussetzung für das Inkrafttreten des Verbots. Auch Art. 25 Abs. 2 lit. b LVVO spezifiziert nicht, welche Informationen im Einzelnen zu den „Gründen“ gehören. Die Norm steht aber in normativem Zusammenhang mit allgemeineren unionsrechtlichen Begründungspflichten der Verwaltung gegenüber den Betroffenen einer Maßnahme wie Art. 296 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 41 Abs. 2 lit. c der Grundrechtecharta (GrCh). Aufgrund dieser Normen hat die europäische Rechtsprechung die Begründung von Verwaltungsmaßnahmen gegenüber Betroffenen zum 12 Vgl. dazu Mülbert/Sajnovits in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 18 VO (EU) Nr. 236/2012 Rn. 9. 13 Zetzsche/Lehmann, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl. 2020, § 53 Rn. 19b. 14 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, abrufbar unter . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/21 Seite 8 geschützten Grundprinzip des EU-Rechts erklärt;15 aus dessen Inhalt lässt sich das allgemeine unionsrechtliche Verständnis solcher Begründungspflichten ableiten. Auf Unionsebene besteht die Funktion von verwaltungsrechtlichen Begründungspflichten gegenüber den Betroffenen allgemein in der Gewährleistung von Selbstkontrolle durch die Verwaltung, von Fremdkontrolle durch die Gerichte und in der Ermöglichung der effektiven Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch die Betroffenen.16 Zur Erreichung dieser Zwecke muss die Begründung die Überlegungen der Behörde „so klar wiedergeben, dass die Betroffenen zur Wahrung ihrer Rechte und die Gerichte zur Gewährleistung ihrer Rechtskontrolle die tragenden Gründe für die Entscheidung erkennen können.“17 Zwar ist danach nicht erforderlich, dass alle rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen der Behörde abgebildet werden. Die erforderliche Begründungsdichte erhöht sich aber unter anderem dann, wenn die Behörde nur in Ausnahmefällen zulässige Maßnahmen ergreift und Ermessensentscheidungen trifft,18 wie dies bei einem Leerverkaufsverbot nach Art. 20 LVVO der Fall ist. Für den Fall des Erlasses einer solchen Maßnahme bedeutet dies also, dass der Betroffene aus der Begründung die wesentlichen Gesichtspunkte für die Annahme der Voraussetzungen von Art. 20 LVVO und die entsprechende Ermessensentscheidung der Behörde ableiten können muss. Jedenfalls aufgrund der erhöhten Begründungsdichte liegt es nahe, hierzu wiederum auch den nach Art. 24 DelVO gewählten Indikator für das Vorliegen der erforderlichen Ereignisse oder Entwicklungen und die ihm zugrundeliegenden Tatsachen zu zählen. 3. Fazit Weder die LVVO noch die DelVO 918/2012 enthalten eine ausdrückliche Regelung zum genauen Inhalt der verschiedenen Darlegungspflichten in Bezug auf Art. 20 LVVO. Eine Pflicht der zuständigen Behörde zur Darlegung des aus ihrer Sicht einschlägigen Indikators nach Art. 24 DelVO 918/2012 und der dem zugrunde liegenden Tatsachen liegt aufgrund des Sinns und Zwecks der Begründungspflichten nach Art. 25 Abs. 2 und Art. 26 Abs. 1, 2 indes nahe. Im Falle der Darlegungspflicht nach Art. 27 Abs. 3 S. 1 LVVO kommt es auf den Einzelfall an. *** 15 EuG, Beschl. v. 26. September 1997, T‑183/97 R, abrufbar unter , Rn. 56. 16 Siegfried Magiera in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 41 Rn. 15. Dieses Verständnis entspricht den anerkannten Kontroll- und Rechtsschutzfunktionen der Begründungspflicht nach § 39 VwVfG im deutschen Recht, vgl. nur Tiedemann in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK VwVfG 50 Ed. (Januar 2021) § 39 Rn. 1 ff.; Schuler-Harms in: Schoch/Schneider (Hrsg.), VwVfG, Juli 2020, § 39 Rn. 4 ff. 17 Siegfried Magiera, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Art. 41 Rn. 15 (Herv. d. Verf.). Vgl. auch Jarass, in: ders. (Hrsg.), Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2021, Art. 41 Rn. 33. 18 Jarass, in: ders. (Hrsg.), Art. 41 Rn. 34.