© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 034/19 Einzelfragen zur Verkehrsfinanzierung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/19 Seite 2 Einzelfragen zur Verkehrsfinanzierung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 034/19 Abschluss der Arbeit: 13. März 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Das Land Schleswig-Holstein hat zugesagt, 75% des kommunalen Anteiles zu übernehmen. Bedarf es dazu einer landesgesetzlichen Grundlage und wenn ja welcher? Könnte das Land ohne weitere Gesetzesänderung auch eine 100% Übernahme der Kosten beschließen? 4 3. Könnte der Bund eine anteilige oder komplette Übernahme des Kostendrittels der Kommunen beschließen? Sind die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen gegeben bzw. welche müssten dafür geschaffen werden? Könnte der Beschluss der Kostenübernahme durch den Bund insbesondere durch einen Antrag im Format des Rheintalbahn-Antrages getroffen werden? 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Beantwortung diverser Einzelfragen zur Verkehrsfinanzierung. Fokussiert werden dabei Maßnahmen nach § 13 Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG). 2. Das Land Schleswig-Holstein hat zugesagt, 75% des kommunalen Anteiles zu übernehmen . Bedarf es dazu einer landesgesetzlichen Grundlage und wenn ja welcher? Könnte das Land ohne weitere Gesetzesänderung auch eine 100% Übernahme der Kosten beschließen ? Mit der Beendigung der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden steht den Ländern nach dem Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsgesetz) ab dem 01. Januar 2007 jährlich ein Betrag von rd. 1,34 Mrd. € aus dem Haushalt des Bundes zu. Der auf Schleswig-Holstein entfallende Anteil beträgt rd. 43,3 Mio. € und wird auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Schleswig-Holstein (GVFG-SH) vom 15. Dezember 2006 für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden eingesetzt. Die Bundeszuweisungen laufen zum 31. Dezember 2019 aus. Es ist erklärtes Ziel der Landesregierung, die hierauf basierende Förderung über 2019 hinaus mit Landesmitteln fortzuführen. Mit der gesetzlichen Nachfolgeregelung kann das Land die Kommunen auch nach 2019 u.a. beim Erhalt, Bau und Ausbau verkehrswichtiger Straßen und ÖPNV-Einrichtungen, der Errichtung von Verkehrsleitsystemen, dem Radwegebau und bei ihrer gesetzlichen Kostenbeteiligung bei Kreuzungsmaßnahmen (Wasserstraße und Eisenbahnlinien) finanziell unterstützen.1 Nach § 2 Nr. 5 GVFG-SH können Kreuzungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz Zuwendungen aus den Kompensationsmitteln des Bundes erhalten. In Ausnahmefällen gilt das gleiche für nicht bundeseigene Eisenbahnen als Baulastträger des kreuzenden Schienenweges. Gemäß § 4 Abs. 1 GVFG-SH ist für diese Vorhaben eine Förderung von bis zu 75% der zuwendungsfähigen Kosten zulässig. Diese Regelungen sollen durch den Gesetzentwurf der Landesregierung Schleswig-Holstein für den Zeitraum ab 01.01.2020 weiter gelten. Weitergehende Finanzierungszusagen des Landes obliegen dem Landesgesetzgeber. Die Mittel werden als Zuwendungen an die Kommunen ausgezahlt. Zuwendungen können im Rahmen der staatlichen Subventionspolitik als finanzielle Hilfen durch die öffentliche Hand definiert werden.2 Insofern könnte in Anlehnung an den Begriff der Finanzhilfe argumentiert werden , dass immer nur ein Teil der Kosten übernommen werden darf. Folglich wäre eine hundertprozentige Kostenübernahme durch das Land nicht möglich. 1 Landtag Schleswig-Holstein, Drs. 19/1005, S. 2. 2 Nomos-BR/von Lewinski/Burbat, HaushGrG/Kai von Lewinski/ Daniela Burbat, HGrG, § 14, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/19 Seite 5 3. Könnte der Bund eine anteilige oder komplette Übernahme des Kostendrittels der Kommunen beschließen? Sind die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen gegeben bzw. welche müssten dafür geschaffen werden? Könnte der Beschluss der Kostenübernahme durch den Bund insbesondere durch einen Antrag im Format des Rheintalbahn-Antrages getroffen werden? Nach Art. 104a Abs. 1 Grundgesetz tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Konnexitätsgrundsatz). Die Ausgabenlast folgt damit der Aufgabenzuständigkeit. In seiner zuständigkeitsabgrenzenden Funktion verbietet das Konnexitätsprinzip den Gebietskörperschaften, die Aufgabenlast der jeweils anderen zu finanzieren. Die Finanzverantwortung für die Kommunen tragen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Länder. Im Bereich der Gemeindeverkehrsfinanzierung gewährt der Bund Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierunggesetz – GVFG). Als förderungsfähige Vorhaben werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 GVFG „Kreuzungsvorhaben nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz oder dem Bundeswasserstraßengesetz, soweit Gemeinden, Landkreise oder kommunale Zusammenschlüsse im Sinne der Nummer 1 als Baulastträger der kreuzenden Straße Kostenanteile zu tragen haben“ genannt. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 GVFG kann die Förderung bis zu 75 vom Hundert betragen. Finanzhilfen i.S.d. Art. 104b Abs. 1 GG sind Zahlungen des Bundes an die Länder.3 Finanzhilfen des Bundes durchbrechen den Konnexitätsgrundsatz und damit ein tragendes Prinzip der föderativen Finanzverfassung.4 Finanzhilfen sind nach Art. 104b Abs. 1 S. 1 GG – anders als noch nach Art. 104a Abs. 4 aF GG – nur zulässig, soweit der Bund die Gesetzgebungskompetenz innehat.5 Durch die Föderalismusreform von 2006 wurden unter anderem auch die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und die Ausgabenregelungen des Art. 104a GG geändert. Der gleichzeitig eingefügte , 2017 modifizierte Art. 125c GG liefert die Übergangsregeln für das zugehörige Bundesrecht und ordnet bei unterschiedlichen Zeiträumen ein teils befristetes, teils dauerhaftes Fortgelten der entsprechenden Bestimmungen an.6 Unbefristet fortgelten sollen gemäß Satz 2 Variante 1 die besonderen Programme nach § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (in der bis zum 3 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104b, Rn. 3. 4 Bundesrechnungshof: Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 104c, 104d, 125c, 143e), Bonn, 28.09.2018, S. 11. 5 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104b, Rn. 5. 6 BeckOK Grundgesetz/Seiler, GG, Art. 125c, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 034/19 Seite 6 1.9.2006 geltenden Fassung). Ihre Rechtsgrundlagen sind sogar nach Satz 3 bis zum 1.1.2025 gegen jede Gesetzesänderung abgeschirmt. Nach Ablauf dieser Sperrfrist kann der Bundesgesetzgeber diese Programme aufheben (aber weder ändern noch erweitern).7 Die Leistung von Finanzhilfen steht im Ermessen des Bundes, das sich „nach Maßgabe seiner Finanzkraft “ zu einer Hilfeleistungspflicht verdichten kann. Das Ermessen bezieht sich jedoch ebenso auf die Einschränkung oder Abschaffung einzelner Finanzhilfen, selbst wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen noch erfüllt sind; Art. 104b GG kennt als Ausnahmevorschrift grundsätzlich keinen Bestandsschutz.8 Nach Art. 104b Absatz 2 Satz 5 und 6 GG darf der Bund Finanzhilfen nur vorübergehend und in begrenztem Umfang gewähren. Der Bund darf immer nur einen Teil der Investitionskosten übernehmen; dies ergibt sich aus dem Begriff der Hilfe. Aus dem Begriff folgt ebenso, dass der Bund nur Angebote unterbreiten darf, die von den Ländern ausgeschlagen werden können. Die Finanzhilfen dürfen zudem nicht von Einvernehmens -, Zustimmungs- oder Genehmigungsvorbehalten oder auch Einspruchsrechten im Einzelfall abhängig gemacht werden. Ebenso wenig ermächtigt Art. 104b GG den Bund, in eigener Regie Investitionspläne aufzustellen und bei der Auswahl von Einzelprojekten mitzuwirken.9 Folglich bedürften weitergehende Finanzhilfen einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Zudem darf der Bund, im Rahmen von Finanzhilfen, keine vollständige Kostenübernahme durchführen . In dem durch den Auftraggeber angeführten Antrag zur Rheintalbahn (BT-Drs. 18/7364) geht es nicht um die Übernahme von kommunalen Kosten durch den Bund, sondern um eine Feststellung der Kostenaufteilung zwischen dem Bund und dem Land Baden-Württemberg. *** 7 BeckOK Grundgesetz/Seiler, GG, Art. 125c, Rn. 4. 8 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104b, Rn. 15. 9 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104b, Rn. 16.