© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 034/15 Zur Neuregelung der Erbschaftsteuer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 Abgrenzung des begünstigten Unternehmensvermögens Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 2 Zur Neuregelung der Erbschaftsteuer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 Abgrenzung des begünstigten Unternehmensvermögens Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 034/15 Abschluss der Arbeit: 05. März 2015 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung und Untersuchungsgegenstand 4 2. Unterscheidung von Vermögensarten nach dem Bewertungsgesetz 4 2.1. Bedeutung der Klassifizierung 5 3. Bewertungsgrundsatz 5 4. Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 5 4.1. Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen 6 4.2. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft als wirtschaftliche Einheit 6 5. Begriff des Grundvermögens 7 5.1. Umfang des Grundvermögens 7 6. Begriff des Betriebsvermögens 7 6.1. Zurechnung zum Betriebsvermögen 8 6.2. Annahme eines Gewerbebetriebs 9 6.3. Mehrheit von Betrieben 9 6.4. Stichtag für die Bewertung 9 6.5. Ermittlung des Betriebsvermögens 10 6.6. Berücksichtigung von Verbindlichkeiten 10 6.7. Notwendiges Betriebsvermögen und Privatvermögen 10 6.8. Anwendung auf freie Berufe 11 7. Berücksichtigung von Schulden und Verbindlichkeiten 11 7.1. Regelung des § 12 BewG 11 7.2. Regelung des § 103 BewG 11 8. Anteil des begünstigten Vermögens am Unternehmenswert 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 4 1. Einführung und Untersuchungsgegenstand Mit seinem Urteil vom 17. Dezember 20141 hat das Bundesverfassungsgericht zu weitreichende erbschaftsteuerrechtliche Verschonungsregelungen als teilweise verfassungswidrig erkannt und für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz erklärt. Ein Mitte Februar 2015 bekannt gewordenes Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Finanzen sieht in einem Vorschlag zur Neuregelung unter anderem vor, den Begriff des begünstigen Vermögens neu zu definieren.2 Demnach sollen zum begünstigten Vermögen alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens gehören, die im Erwerbszeitpunkt zu mehr als 50% (überwiegend) einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (Hauptzweck) dienen. Nicht begünstigt sein sollen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50% oder die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen. Die Abgrenzung nach dem Hauptzweck soll dazu führen, dass bisher nicht begünstigtes Vermögen zutreffend begünstigt wird und umgekehrt . Untersuchungsgegenstand der nachfolgenden Ausarbeitung ist die Fragestellung, ob sich eine solche Unterteilung von Wirtschaftsgütern in der vorgeschlagenen Weise (Abgrenzung nach dem Hauptzweck) bereits im Bewertungsgesetz (BewG) findet und wie eine solche vorgenommen wird. 2. Unterscheidung von Vermögensarten nach dem Bewertungsgesetz Das Bewertungsgesetz unterscheidet in § 18 zwischen drei Vermögensarten. Land- und Forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 33 bis 67, § 31 BewG), Grundvermögen (§§ 68 bis 94, § 31 BewG) sowie Betriebsvermögen (§§ 95 bis 109, § 31 BewG). § 2 I BewG bestimmt, dass jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten ist. Ihr Wert ist im Ganzen festzustellen. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zugehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen . Eine gesetzliche Bestimmung des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit fehlt. Von dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit wird zwar die Bezeichnung „Einheitswert“ abgeleitet. Da im Bewertungsgesetz aber genau festgelegt ist, wofür ein Einheitswert/Steuerwert festzustellen ist (§ 33 I, § 70 I und § 95 I, § 138, § 157 II, III BewG) spricht man in aller Regel auch nur in diesen Fällen von der wirtschaftlichen Einheit.3 1 Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2014, 1 BvL 21/12. 2 vgl. FAZ vom 19. Februar 2015, „Schäubles Erbschaftsteuerplan steht“. 3 Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 2 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 5 2.1. Bedeutung der Klassifizierung Die Frage, welcher Vermögensart ein Wirtschaftsgut (wirtschaftliche Einheit) zuzurechnen ist, ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Mit der Einordnung in eine der drei Vermögensarten wird zunächst die Frage beantwortet, ob der Wert im gesonderten Feststellungsverfahren (z.B. Einheitsbewertung, Bedarfsbewertung) oder von Fall zu Fall im Steuerveranlagungsverfahren zu ermitteln ist.4 Auch bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit (§ 2 BewG) spielt die Frage, zu welcher Vermögensart ein Wirtschaftsgut gehört, eine Rolle. Es können immer nur Wirtschaftsgüter derselben Vermögensart zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden. Für die einzelnen Vermögensarten bestehen verschiedene Bewertungsvorschriften, die demgemäß auch zu sehr unterschiedlichen Wertansätzen führen können. So wird das land- und forstwirtschaftliche Vermögen nach vollkommen anderen Grundsätzen als das Grundvermögen und der Gewerbebetrieb wiederum nach anderen Grundsätzen als der Grundbesitz bewertet.5 3. Bewertungsgrundsatz Bei der Bewertung ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen, § 9 I BewG. Gemeiner Wert ist der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für ein Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände erzielbare Verkaufspreis, wobei ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Demnach ist unter dem gemeinen Wert ein Betrag zu verstehen, der im Verkaufsfall üblicherweise als Erlös erzielbar ist. Das ist der Verkehrswert.6 4. Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Das land- und fortwirtschaftliche Vermögen ist eine der in § 18 BewG aufgeführten Vermögensarten . Hierzu gehören nach § 33 I alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauerhaft zu dienen bestimmt sind. Das BewG verwendet den Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens als Sammelnamen . Es fasst unter dieser Bezeichnung neben der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft auch den Weinbau, den Gartenbau und die sonstigen Betriebszweige der Land- und Forstwirtschaft zusammen .7 Unter Land- und Forstwirtschaft versteht man die planmäßige Nutzung des Grund und 4 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 18 Rn. 2. 5 Eisele, ebenda. 6 Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 9 Rn. 6. 7 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 33 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 6 Bodens zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse sowie die unmittelbare Verwertung dieser Erzeugnisse, einschließlich der erzeugten Pflanzen und Tiere selbst.8 Nicht erforderlich ist, dass die Erzeugung des Erwerbs wegen erfolgt. Auch Liebhaberbetriebe, die ohne Gewinnabsicht betrieben werden, stellen Land- und Forstwirtschaft im Sinne des Bewertungsgesetzes dar.9 Insoweit besteht zwischen der ertragsteuerlichen und bewertungsrechtlichen Behandlung ein Unterschied.10 4.1. Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen Für die Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen kommt es nach § 33 I S. 1 BewG darauf an, ob die Wirtschaftsgüter dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Das setzt eine gewisse planmäßige und ständige Bewirtschaftung voraus.11 Der Wille des Eigentümers muss darauf gerichtet sein, einen angemessenen Nutzen in Form eines nachhaltig erzielbaren Rohertrags zu erwirtschaften.12 Ob Wirtschaftsgüter dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind, ist im Übrigen nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Dabei kommt der Zweckbestimmung durch den Eigentümer oder einen sonstigen Verfügungsberechtigten entscheidende Bedeutung zu.13 4.2. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft als wirtschaftliche Einheit Die wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG) des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bezeichnet § 33 I S. 2 BewG mit „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“. Für die Frage, was zu einem einheitlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehört, ist eine Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse vorzunehmen.14 Hierbei ist insbesondere zu beurteilen, ob hinsichtlich der einzelnen Wirtschaftsgüter ein wirtschaftlicher, finanzieller oder organisatorischer Zusammenhang gegeben ist.15 Bei der für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit iSd § 2 I S. 3 BewG bedeutsamen Zweckbestimmung ist in erster Linie auf den Willen des Eigentümers abzustellen.16 8 BFH III R 122/71, BStBl. II S. 282; BFH IV R 191/74; BFH III R 56/77. 9 RFH III A 825/31; BFH II B 35/85. 10 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 33 Rn. 3. 11 RFH III 167/39. 12 BFH III R 122/71. 13 FG B-Bbg. vom 24.2.2010, EFG S. 1157. 14 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 33 Rn. 10. 15 BFH IV R 10/09. 16 BFH II B 133/08. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 7 5. Begriff des Grundvermögens Das Grundvermögen nach § 68 BewG ist eine der drei Vermögensarten aus § 18 des Bewertungsgesetzes . Zusammen mit dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und den Betriebsgrundstücken bildet das Grundvermögen den Grundbesitz. Grundbesitz ist der Oberbegriff.17 Das Grundvermögen stellt nur einen bestimmten Teil des Grundbesitzes dar. Grundvermögen ist der Grundbesitz im Sinn des bürgerlichen Rechts, der nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder zum Betriebsvermögen gehört. Der Begriff des Grundvermögens entspricht somit nicht dem Begriff des unbeweglichen Vermögens iSd bürgerlichen Rechts, vielmehr werden bestimmte Grundstücksbestandteile im bürgerlich-rechtlichen Sinne steuerlich ausdrücklich vom unbeweglichen Vermögen ausgenommen.18 5.1. Umfang des Grundvermögens Nach § 68 BewG umfasst das Grundvermögen den Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Ebenso gehören zum Grundvermögen das Erbbaurecht sowie das Wohnungseigentum und verwandte Rechte nach dem Wohnungseigentumsgesetz.19 Planungskosten für ein Gebäude (Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs, Architektenauftrag, Baugenehmigung usw.) sind keine dem Grundvermögen zuzuordnenden Werte, d.h. sie sind nicht mit dem (zukünftigen) Ansatz des Einheitswerts/Bedarfwerts im Betriebsvermögen abgegolten, sondern müssen (seit 1993) mit den in der Steuerbilanz aktivierten Kosten in die Vermögensaufstellung übernommen werden.20 Die Begriffe sonstige Bestandteile und Zubehör sind dem bürgerlichen Recht entnommen (§§ 90, 93, 94 BGB). Sie sind daher nach bürgerlichem Recht auszulegen .21 6. Begriff des Betriebsvermögens Der Begriff des Betriebsvermögens nach § 95 BewG ist eine der drei Vermögensarten aus § 18 des Bewertungsgesetzes. Die §§ 95 ff. BewG regeln die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern (Vermögensgegenständen) zur Vermögensart Betriebsvermögen im Sinne von § 18 Nr. 3 BewG. Die Zuordnung zur Vermögensart erfolgt bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer über § 12 V ErbStG iVm §§ 151 I S. 1 Nr. 2, 95 bis 97 BewG. Das Bewertungsrecht knüpft wiederum an die ertragsteuerliche Zuordnung zum Be- 17 Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 68 Rn. 4. 18 Halaczinsky, ebenda. 19 Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 68 Rn. 5. 20 BFH II R 67/01. 21 Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 68 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 8 triebsvermögen an. Aus Sicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist die Zuordnung zum Betriebsvermögen wegen der steuerlichen Vergünstigungen (§§ 13a, 19a ErbStG) sowie der Möglichkeit der Stundung (§ 28 ErbStG) vorteilhaft.22 6.1. Zurechnung zum Betriebsvermögen Ertragsteuerlich sind dem Betriebsvermögen solche Wirtschaftsgüter zuzurechnen, die für betriebliche Zwecke eingesetzt werden, deren Erwerb betrieblich veranlasst ist und deren Erträge zu den Betriebseinnahmen zählen.23 Eine betriebliche Zurechnung liegt vor, wen ein Wirtschaftsgut betrieblich veranlasst angeschafft, hergestellt oder eingelegt wird und objektiv ein wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht.24 Gegenstand des Betriebsvermögens können Wirtschaftsgüter aller Art sein. Darunter fallen aktive und passive Wirtschaftsgüter einschließlich Rückstellungen, Wertberichtigungen und Rechnungsabgrenzungsposten, abnutzbare und nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter, Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens , materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter.25 Die Betriebsvermögens-Eigenschaft ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut gesondert zu prüfen. Jedes Wirtschaftsgut kann nur einheitlich zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen zugerechnet werden. Ob das Wirtschaftsgut im konkreten Einzelfall bilanzierbar und bewertbar ist, berührt die Beurteilung als Betriebsvermögen nicht.26 Nach § 95 I BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 I und II EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören, d.h. grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstige Abzüge, soweit das ErbStG iVm dem BewG nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt oder zulässt.27 Erbschaftsteuerrechtlich handelt es sich bei bilanzierenden Gewerbebetreibenden und freiberuflich Tätigen (§ 4 I oder § 5 EStG) um das Betriebsvermögen, dessen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird und für das der Schuldenabzug nach § 103 BewG gilt. Bei Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen, die ihren Gewinn nach § 4 III EStG durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, muss die Erfassung der Wirtschaftsgüter ebenfalls nach ertragsteuerlichen Grundsätzen unter Beachtung des § 103 BewG (Modalitäten des Schuldenabzugs ) erfolgen. Zu beachten ist hierbei, dass dieser Personenkreis regelmäßig nur notwendiges Betriebsvermögen haben kann.28 22 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 1. 23 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 2. 24 Schmidt/Heinicke, § 4 Rn. 20. 25 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 2. 26 Eisele, ebenda. 27 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 2. 28 Eisele, ebenda. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 9 6.2. Annahme eines Gewerbebetriebs Die Annahme eines Gewerbebetriebs setzt die Gewinnerzielungsabsicht voraus.29 Sie braucht zwar nicht der Hauptzweck der Betätigung zu sein; sie muss aber in jedem Fall vorliegen. Selbstständigkeit und Nachhaltigkeit sind weitere Voraussetzungen, ebenso die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Art und Umfang der Tätigkeit müssen für einen Dritten erkennen lassen, dass das Unternehmen sich an die Allgemeinheit wendet,30 auch wenn es sich dabei nur um einen beschränkten Personenkreis handelt. In Zweifelsfällen wird deshalb auch zu beachten sein, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer bloßen Vermögensnutzung wesensfremd ist.31 Bedeutung hat die Abgrenzung des Gewerbebetriebs vom Liebhabereibetrieb.32 Die Entscheidung, ob ein Gewerbebetrieb oder ein Liebhabereibetrieb anzunehmen ist, hängt davon ab, ob und inwieweit dem Betriebsinhaber die Gewinnerzielungsabsicht fehlt und inwieweit der Betrieb für eine Gewinnerzielung objektiv gar nicht geeignet ist.33 6.3. Mehrheit von Betrieben Wenn ein Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft gleichzeitig mehrere Gewerbebetriebe hat, muss für jeden ein selbstständiger Wert ermittelt werden. Die Summe dieser Werte bildet dann sein Betriebsvermögen.34 6.4. Stichtag für die Bewertung Der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) ist nach § 151 I S. 1 Nr. 2 BewG als selbstständige Besteuerungsgrundlage durch das Betriebsfinanzamt gesondert festzustellen (§ 179 AO).35 Inländisches Betriebsvermögen, für das der Wert gesondert festzustellen ist, ist mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert anzusetzen. (§ 12 V ErbStG). 29 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 4. 30 BFH VI 133/60. 31 BFH I 95/63. 32 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 5. 33 BFH VIII R 4/83. 34 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 6. 35 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 10 6.5. Ermittlung des Betriebsvermögens Durch den Wegfall des § 98a BewG (Bewertungsgrundsatz Einzelbewertung) mit Wirkung vom 01.01.2009 ist auch beim Betriebsvermögen der aus den allgemeinen Bewertungsvorschriften herrührende Grundsatz der Gesamtbewertung zu beachten.36 Dabei ist auf die wirtschaftliche Einheit als Bewertungsgegenstand abzustellen, deren Wert im Ganzen festzustellen ist (§ 2 I S. 2 BewG). 6.6. Berücksichtigung von Verbindlichkeiten Für die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten, insoweit auch für den Umfang der wirtschaftlichen Einheit und die Abgeltungswirkung des Gesamtwerts, ist auf § 103 BewG abzustellen. Die Vorschrift, die durch das ErbStG 2009 keine Änderung erfahren hat, setzt hinsichtlich der Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zur wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens voraus, dass diese nach § 95 I BewG – mithin nach steuerbilanziellen Grundsätzen – zum Betriebsvermögen gehört und mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens iSd Bewertungsgesetzes in wirtschaftlichem Zusammenhang steht.37 6.7. Notwendiges Betriebsvermögen und Privatvermögen Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Steuerpflichtigen genutzt werden oder dazu bestimmt sind. Eigenbetrieblich genutzte Wirtschaftsgüter sind auch dann notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie nicht in der Buchführung und in den Bilanzen ausgewiesen sind. Beim notwendigen Betriebsvermögen ergibt sich die betriebliche Veranlassung in der Regel aus dem tatsächlichen Einsatz im Betrieb.38 Nicht erforderlich ist, dass das Wirtschaftsgut ausschließlich dem Betrieb zu dienen bestimmt ist. Es kann auch dann zum Betriebsvermögen gehören, wenn es in unwesentlichem Umfang auch privat genutzt wird.39 Wirtschaftsgüter, die ihrer Natur nach oder auf Grund ihrer Zweckbestimmung nur privaten Zwecken dienen können, gehören zum notwendigen Privatvermögen. Sie können vom Betriebsinhaber niemals in sein Betriebsvermögen aufgenommen werden. Dies gilt stets, wenn die Wirtschaftsgüter zu mehr als 90% privaten Zwecken dienen.40 36 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 9. 37 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 11. 38 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 18. 39 BFH GrS 2/70; BFH I R 44/73. 40 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 95 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 11 6.8. Anwendung auf freie Berufe Dem Gewerbebetrieb steht nach § 96 BewG die Ausübung eines freien Berufs im Sinne des § 18 I Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gleich. Alle Vorschriften, die für die Ermittlung des Betriebsvermögens in einem Gewerbebetrieb gelten, sind in gleicher Weise auch bei dem einem freien Beruf dienenden Vermögen anzuwenden.41 7. Berücksichtigung von Schulden und Verbindlichkeiten Das Bewertungsgesetz nimmt in zwei wesentlichen Normen Bezug auf die Fragestellung, wie Schulden und Verbindlichkeiten des Betriebs bei der Bestimmung des Vermögens berücksichtigt werden. Zum einen im allgemeinen Teil des Bewertungsgesetz in § 12 BewG sowie zum anderen im besonderen Teil bezogen auf das Betriebsvermögen aus § 95 I BewG in § 103 BewG. 7.1. Regelung des § 12 BewG Demzufolge sind gemäß § 12 I S. 1 BewG Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, sofern nicht besondere Umstände einen höheren oder niedrigeren Wert begründen. Eine Darlehensschuld, die für den Gläubiger für längere Zeit unkündbar ist und sehr niedrig verzinst wird, ist infolgedessen mit einem geringeren Nennbetrag zu bewerten.42 Dies gilt vor allem, wenn ein besonders niedriger Tilgungssatz vereinbart ist und ihre Tilgung sich über eine längere Zeit erstreckt.43 Dagegen können günstige Rückzahlungsbedingungen allein im Allgemeinen noch nicht zu einem vom Nennwert abweichenden Wertansatz führen. Ebenso ist eine Kapitalschuld nicht allein schon deshalb abweichend hiervon zu bewerten, weil sie im Wege der Amortisation getilgt werden darf.44 7.2. Regelung des § 103 BewG Gemäß § 103 BewG werden Schulden und sonstige Abzüge, die nach § 95 I zum Betriebsvermögen gehören, vorbehaltlich des Absatzes 3 berücksichtigt, soweit sie mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens im Sinne dieses Gesetzes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach 103 III sind Rücklagen nur insoweit abzugsfähig, als ihr Abzug bei der Bewertung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Hieraus folgt, dass bei Einzelunternehmern, die ihren Gewinn nach § 4 I oder § 5 EStG ermitteln, Schulden und sonstige Abzüge dem Grunde nach zu berücksichtigen sind.45 Schulden, die mit einem Betriebsgrundstück in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind abzuziehen, 41 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 96 Rn. 1. 42 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 12 Rn. 13. 43 RFH III 129/38. 44 RFH III A 262/33. 45 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 103 Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 12 soweit sie bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören.46 Bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen sind Schulden und sonstige Abzüge nur zu berücksichtigen, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des Betriebsvermögens stehen.47 Während also bei Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 I oder § 5 EStG die in der Steuerbilanz passivierten Schulden und sonstigen Abzüge dem Grunde nach übernommen werden , ist bei Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 III zu prüfen, ob die Schulden Einfluss auf den steuerlichen Gewinn haben.48 Eine Schuld kann in diesen Fällen nur berücksichtigt werden, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens steht. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang ist gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die das Betriebsvermögen betreffen.49 Bei außerbetrieblich begründeten Verpflichtungen des Unternehmens handelt es sich nicht um Betriebsschulden, es fehlt hier an dem wirtschaftlichen Zusammenhang.50 8. Anteil des begünstigten Vermögens am Unternehmenswert Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 201451 ist die bisherige Verschonung unternehmerischen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % als gleichheitswidrig anzusehen. Das Gericht weist darauf hin, dass ein hinreichend tragfähiger Rechtsfertigungsgrund für eine derart großzügige Einbeziehung in den Verschonungsabschlag nicht erkennbar sei und Typisierungs- oder Pauschalisierungserwägungen das Ziel verfehlten , nur produktives Vermögen zu privilegieren. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist eine Quantifizierung des begünstigten Vermögens nicht zu entnehmen. In der zur Verfügung stehenden Zeit konnten keine hierauf bezogenen Angaben gefunden werden. Das Gericht selbst gibt jedoch mittelbar eine Einschätzung zum bisherigen Anteil des Verwaltungsvermögens, wenn es ausführt: „Ausgehend davon, dass der Gesetzgeber das in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG umschriebene Verwaltungsvermögen für grundsätzlich nicht förderungswürdig hält, ist nicht erkennbar, inwieweit die überschießende Wirkung der 50 %-Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG dem Ziel dienen kann, die Verschonung auf förderungswürdiges Vermögen zu begrenzen und nicht förderungswürdiges Vermögen davon auszuschließen . Die Verschonung von 50 % an sich nicht begünstigungsfähigem Verwaltungsvermögen , weil dessen Anteil am Gesamtbetriebsvermögen nicht mehr als die Hälfte beträgt, ist ebenso wenig plausibel wie die Nichtverschonung bis zur Hälfte an sich begünstigungsfähigen betriebli- 46 R B 103.3 ErbStR 2011. 47 R B 103.2 ErbStR 2011. 48 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 103 Rn. 20. 49 BFH VIII R 1/88. 50 Eisele in Rössler/Troll, BewG, 2014, § 103 Rn. 21. 51 Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2014, 1 BvL 21/12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 034/15 Seite 13 chen Vermögens, weil das Gesamtbetriebsvermögen zu über 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht . Allein der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass „überwiegend vermögensverwaltende Betriebe … allgemein von den Verschonungen ausgenommen bleiben“ sollten (vgl. BTDrs. 16/7918, S. 35), vermag diese Diskrepanz sachlich nicht zu begründen. Das gesetzgeberische Ziel, Verwaltungsvermögen grundsätzlich von der Verschonung auszunehmen und steuerliche Gestaltungen zu unterbinden, wäre mit der Begrenzung des Förderungsausschlusses auf den jeweils festgestellten Anteil an Verwaltungsvermögen ohne solche Verwerfungen zu erreichen. Hinweise darauf, weshalb der Gesetzgeber billigend in Kauf nimmt, dass Verwaltungsvermögen, welches nach der Zielrichtung des Gesetzes gerade nicht begünstigt sein soll, dann doch in diesem Umfang privilegiert wird, finden sich in den Gesetzesmaterialien nicht.“52 52 Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2014, aaO, RNr. 244.