© 2015 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 033/15 Leistungsfähigkeit der Riester-Rente: Aufsichts- und steuerrechtliche Fragen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 2 Leistungsfähigkeit der Riester-Rente: Aufsichts- und steuerrechtliche Fragen Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 033/15 Abschluss der Arbeit: 23. März 2015 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: ++49/30/227- , -32855 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Regulierung der Riester-Rente (Kurzfassung) 4 1.1. Produktbezogene Kontrolle von Riesterverträgen durch die Finanzaufsicht 4 1.2. Kostenbelastung und Transparenz von Riesterprodukten 6 1.3. Versicherungsmathematische Rechnungsgrundlagen („Sterbetafeln“) 7 1.4. Überschussbeteiligung 8 1.5. Qualität der Anlageberatung – Stärkung der Honorarberatung 9 2. Stellungnahme zu Aussagen von Verbraucherschützern und Versicherungen über die Riester-Rente 10 2.1. „Irrtum: Mit ‚Riester‘ können Sparer kein Geld verlieren“ 10 2.2. „Irrtum: ‚Riestern‘ bringt hohe Steuervorteile“ 12 2.3. „Irrtum: Kinder bringen Riester-Sparern viel Geld“ 13 3. Steuerliche Vorteile einer Riester-Rente 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 4 1. Regulierung der Riester-Rente (Kurzfassung) Die zentrale rechtliche Grundlage für die staatliche Ausgestaltung der Riester-Rente bildet das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG). In dessen § 1 sind die wesentlichen Anforderungen geregelt worden, deren Erfüllung die Voraussetzung für die Zertifizierung als staatlich förderungsfähiger Riestervertrag bildet. Die Produktzertifizierung erfolgte bis zum 30. Juni 2010 durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), vgl. die Übergangsvorschrift in § 14 Abs. 5 AltZertG. Seit dem 01. Juli 2010 fällt das Zertifizierungsverfahren für Riesterverträge nunmehr gemäß § 3 AltZertG in die Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt).1 Grundsätzlich strebt der Gesetzgeber jedoch an, die wirtschaftliche Konzeption von Riesterprodukten – abgesehen von dem gesetzlich vorgegebenen formalen Zertifizierungsrahmen – ebenso wie die Organisation des Vertriebswesens weitgehend der Versicherungs- und Bankwirtschaft zu überlassen. Erst in den vergangenen beiden Jahren hat er sich einer Vielzahl von Kritikpunkten mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG)2 und dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG)3 angenommen. Im Folgenden werden die wesentlichen Kritikpunkte an der Riester-Rente mit einem direkten Bezug zur staatlichen Finanzaufsicht kurz benannt. Die Langfassung der Kritikpunkte mit ausführlicher weiterführenden Literatur und Einschätzungen ist als Anlage beigefügt. 1.1. Produktbezogene Kontrolle von Riesterverträgen durch die Finanzaufsicht In dem kritischen Diskurs rund um die Riesterrente wird u.a. die Forderung vorgebracht, die BaFin müsse mit einem aufsichtsrechtlichen Mandat für eine (initiative und laufende) inhaltliche Kontrolle der einzelnen Riesterprodukte ausgestattet werden, um unrentable oder überteuerte 1 § 3 AltZertG wurde neu gefasst mit Wirkung vom 25.12.2008 durch Gesetz vom 19.12.2008 – Bundesgesetzblatt (BGBl.) Jg. 2008, Teil I Nr. 63 vom 24.12.2008, S. 2794. 2 Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz - AltvVerbG), BGBl. Jg. 2013, Teil I Nr. 31 vom 28. Juni 2013, S. 1667. 3 Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz - LVRG), BGBl. Jg. 2014, Teil I Nr. 38 vom 6. August 2014, S. 1330. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 5 Verträge vom Markt auszusortieren.4 Voraussetzung hierfür sei eine stärkere inhaltliche Regulierung und Kategorisierung der Riesterprodukte durch den Gesetzgeber.5 Wie oben dargestellt, hat der Gesetzgeber von einem solchen direkten regulatorischen Eingriff in den Markt für Riesterverträge bislang bewusst abgesehen6 und in jüngerer Zeit mit dem Altersvorsorge -Verbesserungsgesetz (AltvVerbG)7 gezielt einen alternativen Weg in der Hoffnung beschritten , ähnliche marktbereinigende Effekte zu erzielen.8 Das AltvVerbG zielt dabei u.a. auf die Schaffung eines funktionierenden Wettbewerbs ab, indem durch die Herstellung von mehr Produkttransparenz und -vergleichbarkeit einseitige Informationsasymmetrien auf Verbraucherseite abgebaut werden.9 4 Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (13 f.); Gerd Billen/Lars Gatschke in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 237 ff. (242); s. auch Dr. Mathias Middelbergs (MdB) Rede vor dem Deutschen Bundestag am 14.06.2012 zur Beratung des Antrags „Risiken der Riester-Rente offenlegen – Altersvorsorge von Finanzmärkten entkoppeln“, Plenarprotokoll 17/184., S. 21938 f. (21939, linke Spalte unten); Äußerung von Gerd Billen (Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband) zitiert in einem Bericht von Elke Pohl in: Versicherungswirtschaft (VW) 2012,937. 5 Etwa Vorschlag einer „Positivliste“ qualitativ geprüfter Produkte bei Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (13 f.); Lena Rudkowski in: Versicherungsrecht (VerSR) 2013, 1504 (1506). 6 Vgl. dazu die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Die Leistungsfähigkeit der Riester-Rente“, (BT-Drucksache 18/3628), dort zu Frage 28 und zu 31, 32 (betreffend die Anlagepolitik), sowie 48. 7 BGBl. Jg. 2013, Teil I Nr. 31 vom 28. Juni 2013, S. 1667 ff. 8 Vgl. die Einschätzung bei Mark Ortmann/ Simone Tutone/Thorsten Saal: Abschlussbericht Forschungsvorhaben fe 1/13 „Kostenbegrenzung für zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge“, Auftrag des BMF, S. 51 f. 9 Vgl. die Begründung zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz – AltvVerbG)“ (BT-Drucksache 17/10818), S. 24 „Zu Nummer 9, § 7, Zu Absatz 1“ ; Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.07.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 6 1.2. Kostenbelastung und Transparenz von Riesterprodukten Eine als zu hoch beurteilte Belastung von Riesterverträgen mit Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten und die mangelnde Produkttransparenz können als zwei der Hauptkritikpunkte an der Riester-Rente ausgemacht werden.10 Der Gesetzgeber hat sich der Kritik mit dem AltvVerbG11, das am 01. Januar 2014 in Kraft getreten ist, angenommen. Die zentrale Neuerung dieses Gesetzesvorhabens bildet die Einführung eines standardisierten anbieter- und produktübergreifenden Produktinformationsblatts (PIB), bei dem Gestaltung und Inhalt verbindlich vorgegeben werden. Eine übersichtliche Darstellung der anfallenden Kosten, der Renditeerwartung und des Anlagerisikos sollen es dem Verbraucher künftig besser als bisher ermöglichen, sich vor Vertragsabschluss einen Überblick über die wesentlichen Vertragsmerkmale zu verschaffen. Der Umsetzungsprozess bei der Ausarbeitung der Vorgaben für ein Muster-PIB scheint sich jedoch schwieriger zu gestalten, als ursprünglich angenommen, da angesichts der Komplexität und Verschiedenartigkeit der den Riesterverträgen zugrundeliegenden Finanzprodukte (Versicherungs -, Bankspar-, Investmentfonds- und Eigenheimrentenverträge), sowie der in der Grundkonzeption der Riester-Rente angelegten langen Vertragslaufzeiten unterschiedliche Ansätze zu Berechnungs - und Darstellungsweisen vorgeschlagen werden.12 Im Zuge des AltvVerbG hat sich der Gesetzgeber gegen eine festgelegte staatliche Deckelung der Kostenbelastung von Riesterverträgen entschieden. Er hält damit an der mit Aufhebung des Rundschreibens 5/95 des ehemaligen Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV) durch die BaFin am 22. Februar 200813 vorgenommenen Aufgabe der Kostendeckelung fest.14 Al- 10 Beispielhaft dazu: Test Riester-Renten „Reise ins Labyrinth“ in ÖKO-TEST Ratgeber Rente, Geld & Versicherungen 2011, S. 64 ff., abrufbar unter: http://presse.oekotest.de/presse/N1190-Riester-Renten.pdf (abgerufen am 12.03.2015); s. auch Mark Ortmann/ Simone Tutone/Thorsten Saal: Abschlussbericht Forschungsvorhaben fe 1/13 „Kostenbegrenzung für zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge“, Auftrag des BMF; Michael Feigl/Lena Jaroszek/Johannes Leinert/Achim Tiffe/Peter Westerheide: Abschlussbericht zu Projekt Nr. 7/09: „Transparenz von privaten Riester- und Basisrentenprodukten“, Auftrag des BMF; Axel Kleinlein: Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung: Zehn Jahre „Riester-Rente“ – Bestandsaufnahme und Effizienzanalyse, S. 38 ff.; Johannes Leinert in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung , DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 55 ff.; Barbara Sternberger-Frey in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung , DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 115 ff. (121 ff.). 11 Überblick über die Neuerungen im Monatsbericht des BMF vom 22.07.2013. 12 Überblick zu den unterschiedlichen Vorschlägen bei Axel Kleinlein für „portfolio international“, abrufbar unter: http://www.portfolio-international.de/newsdetails/article/das-elend-der-riester-rente-ii.html (abgerufen am 12.03.2015). 13 BaFin Geschäftszeichen VA 21 – A – 2007/0107. 14 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Leistungsfähigkeit der Riester-Rente“ (BT-Drucksache 18/3628), dort zu Frage 46 und 47. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 7 lerdings ist die Kostenstruktur von Riesterprodukten mit der abschließenden Definition bestimmter zulässiger Kostenarten in § 2a AltZertG geregelt worden, um die ausufernde Verwendung zahlreicher unterschiedlicher Kostenpunkte durch die Riesteranbieter einzudämmen. 1.3. Versicherungsmathematische Rechnungsgrundlagen („Sterbetafeln“) Eine ebenfalls häufig vorgetragene Kritik an der Riester-Rente bezieht sich auf die der Produktkalkulation anhand sog. Sterbetafeln zugrunde gelegte Sterblichkeitserwartung: Die Riesteranbieter – so der Vorwurf – kalkulierten mit unrealistischen Lebenserwartungen und erwirtschafteten so zu ihren Gunsten überhöhte Sterblichkeitsgewinne. Dadurch leide die Effizienz der Riesterprodukte , die für den Produktnehmer nur noch bei Erreichen eines sehr hohen Lebensalters rentabel seien.15 Dies ist insofern zutreffend, als die zur Kalkulation verwendeten Sterbetafeln in der Tat von deutlich höheren Lebenserwartungen ausgehen, als sie etwa das Statistische Bundesamt annimmt.16 Die BaFin hat im Jahr 2004 festgestellt, dass die zum damaligen Zeitpunkt in der Kalkulationspraxis verwendeten Sterbetafeln (z.B. DAV 1994 R) angesichts einer ansteigenden Lebenserwartung zu geringe Sicherheitsmargen (in Bezug auf die Bildung ausreichender Deckungsrückstellungen zur Abfederung von Biometrie-/Langlebigkeitsrisiken) aufwiesen und ordnete daher für ab dem 01.01.2005 neu abgeschlossene Rentenversicherungsverträge die Verwendung der Sterbetafel „DAV 2004 R“ an.17 Diese kommt in der Praxis weiterhin in aller Regel für Riester-Tarife zur Anwendung.18 15 Beispielhaft mit verschiedenen Berechnungen: Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (10 ff.); Barbara Sternberger-Frey in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 115 ff. (124 ff.); Kornelia Hagen in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 133 ff.; Axel Kleinlein in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 103 ff. 16 Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (8 ff.); Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.: „Zur lückenhaften Datenlage und anhaltenden Kritik nach 10 Jahren Riester-Rente“ (BT-Drucksache 17/7964), dort zu Frage 26. 17 BaFin-Rundschreiben 9/2004 (VA) vom 29. Oktober 2004, Geschäftszeichen VA 21 - A - 110/04, abrufbar unter: http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_0409_va_rentenvertragsanweisungen .html (abgerufen am: 16.03.2015); Näheres zur Herleitung bei der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV): https://aktuar.de/Dateien_extern/DAV/LV/UT_LV_7.pdf (abgerufen am 16.03.2015). 18 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.: „Zur lückenhaften Datenlage und anhaltenden Kritik nach 10 Jahren Riester-Rente“ (BT-Drucksache 17/7964), dort zu Fragen 24 bis 26; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Leistungsfähigkeit der Riester-Rente“ (BT-Drucksache 18/3628), dort zu Frage 34; allerdings dürfen auch stets unternehmenseigene Sterbetafeln herangezogen werden, solange diese sicherer kalkuliert sind als die von der BaFin empfohlene Sterbetafel; diese bildet also eine Mindestgrenze. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 8 Aus aufsichtsrechtlicher Sicht liegt jedoch wegen der Konzeption der Riester-Rente kein Mangel vor: Um eine gesicherte zusätzliche Altersvorsorge in Form einer lebenslangen Leibrente aufzubauen , wurde der Schwerpunkt auf die Sicherheit, nicht auf die Renditeoptimierung gelegt.19 Aufgabe der Finanzaufsicht ist es, die Erfüllbarkeit der eingegangenen Riester-Verträge dauerhaft zu gewährleisten.20 Hohe Sicherheitsmargen könnten durch eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an den Sterblichkeitsüberschüssen kompensiert werden.21 1.4. Überschussbeteiligung Ein wiederkehrendes Streitthema in Bezug auf die Riester-Rente bildete auch die angemessene Beteiligung der Verbraucher an den durch die Riesteranbieter erwirtschafteten Überschüssen.22 Der Anbieter eines Riesterproduktes kann im Wesentlichen Sterblichkeits-, Zins- und Kostenüberschüsse erzielen.23 Mit dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), das in Bezug auf die MindZV am 07. August 2014 in Kraft getreten ist24, erfolgte eine Anhebung der Beteiligungsquote für die Überschussquelle der Sterblichkeitsgewinne (Risikoergebnis) auf 90% (§ 4 Abs. 4 S. 1 MindZV), die nun der Quote für Zinsüberschüsse (Kapitalanlageergebnis) gemäß § 4 Abs. 3 S. 1, 3a S. 1 MindZV entspricht . Die Beteiligungsquote von 50% für Kostenüberschüsse (und sonstige Überschüsse etwa aus vorzeitigen Vertragsbeendigungen, Rückversicherungen) ist beibehalten worden (§ 4 Abs. 5 S. 1 MindZV). Mit der stärkeren Beteiligung der Versicherten an dem Risikoergebnis reagierte der Gesetzgeber bewusst auf die Kritik an den verwendeten Sterbetafeln.25 Eine konkrete Datenerfassung und -auswertung ist letztlich erst in der Auszahlungsphase möglich . Das Gros der Riesterverträge befindet sich jedoch noch in der Ansparphase. Repräsentative 19 Walter Riester in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 43 (46). 20 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.: „Zur lückenhaften Datenlage und anhaltenden Kritik nach 10 Jahren Riester-Rente“ (BT-Drucksache 17/7964), dort zu Frage 24. 21 Peter Schwark in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 71 ff. (82). 22 Etwa Barbara Sternberger-Frey in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 115 ff. (126 f.); Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (9 f.); Kornelia Hagen in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 133 ff. (146 f.). 23 Heiss in: Münchener Kommentar zum VVG, 1. Auflage 2011, § 153 Rn. 24; vgl. auch Kornelia Hagen/Axel Kleinlein in: DIW Wochenbericht Nr. 47/2011, S. 3 ff. (9). 24 Beschlossen am 01.August 2014: BGBl. Jg. 2014, Teil I Nr. 38 vom 6. August 2014, S. 1330 ff.; Überblick zu den Neuerungen beim BMF: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Verordnungen /2014-08-06-Lebensversicherungsreformgesetz.html (abgerufen am: 16.03.2015); Überblick zu der vorherigen Rechtslage: https://aktuar.de/fachartikelaktuaraktuell/Lebensversicherung_MindZV_Aktuar-aktuell_25.pdf (abgerufen am 17.03.2015). 25 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum LVRG (BT-Drucksache 18/1772), S. 29 (Zu Nummer 4). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 9 Erkenntnisse zu den Leistungen aus der Überschussbeteiligung auch über einen längeren Entwicklungszeitraum liegen daher noch nicht vor.26 1.5. Qualität der Anlageberatung – Stärkung der Honorarberatung Angesichts eines häufig als unübersichtlich und intransparent kritisierten Marktes für Riesterverträge ,27 auf dem eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzprodukte offeriert wird, kommt einer bedarfsgerechten Beratung bei der Produktauswahl naturgemäß eine zentrale Bedeutung zu. In der kritischen Diskussion über die Qualität der Anlageberatung im Bereich der Riester-Rentenprodukte werden insbesondere die bislang ganz überwiegend praktizierte provisionsbasierte Anlageberatung und die Honoraranlageberatung als Alternative einander gegenüber gestellt.28 In der Diskussion wird inzwischen auch vorgebracht, dass andere Staaten, etwa Großbritannien und die Niederlande, welche die provisionsbasierte Anlageberatung gänzlich zugunsten eines reinen – von der Finanzaufsicht kontrollierten – Honorarberatermarktes abgeschafft haben, inzwischen auf gute Erfahrungen zurückblickten.29 Aussagekräftig erscheint insofern ein Bericht der britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA (Financial Conduct Authority), der u.a. die Auswirkungen des Provisionsverbots evaluiert.30 Die FCA merkt auch an, dass noch nicht abschließend zu beur- 26 In diese Richtung Kornelia Hagen in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 133 ff. (147 ff.); „Böckler Impuls Ausgabe 16/2011“ (Hrsg. Hans-Böckler-Stiftung): „Riester-Rente: Große Datenlücken“, abrufbar unter: http://www.boeckler.de/38108_38116.htm (abgerufen am 17.03.2015); s. aber auch die Planungen der Bundesregierungen zur Datenauswertung ab 2017: Antwort der BReg auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Leistungsfähigkeit der Riester-Rente“ (BT-Drucksache 18/3628), dort zu Fragen 23, 42. 27 Vgl. Fußnote 10. 28 Habschick, Marco; Evers, Jan: Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2008, unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Verbraucherschutz/FinanzenVersicherungen/StudieFinanzvermittler .pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 20. März 2015; Julius F. Reiter/Olaf Methner in: Wertpapiermitteilungen (WM) 2013, 2053 ff.; Gerd Billen/Lars Gatschke in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 81. Jahrgang, 02.2012, S. 237 ff. (239 ff.); Verbraucherzentrale Initiative Finanzmarktwächter: Provisionen in der Finanzberatung – Thesen und Forderungen, unter: http://www.vzbv.de/pressemeldung/bankenumgehen -transparenzpflicht, abgerufen am 20. März 2015. 29 Krohn, Philipp: „Honorarberatung ist noch ein zartes Pflänzchen“, vom 4. März 2015, faznet, unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/honorarberatung-ist-noch-einzartes -pflaenzchen-13461829.html, abgerufen am 20. März 2015; Julius F. Reiter/Olaf Methner in: Wertpapiermitteilungen (WM) 2013, 2053 ff. (2054, 2058). 30 FCA-Bericht („Retail Distribution Review: Post Implementation Review” – erstellt durch Europe Economics) abrufbar unter: http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/research/rdr-post-implementation-review-europeeconomics (abgerufen am 18.03.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 10 teilen sei, inwiefern eine wachsende Gruppe von Menschen, darunter insbesondere Geringverdiener , durch offengelegte und (sofort fällige) Beratungs- und Vermittlungskosten nun davon abgeschreckt werde, sich zu Finanzanlagen beraten zu lassen.31 Die Problematik einer nicht bedarfsgerechten Anlageberatung bei der Riester-Rente stellt sich nicht in der gleichen Schärfe wie es bei anderen Finanzprodukten der Fall ist: Einem Verlust von eingebrachtem Kapital wird bereits auf der Ebene der Zertifizierung entgegengewirkt. So ist Voraussetzung der Zertifizierung als Riesterprodukt durch das BZSt u.a., dass im Zeitpunkt des Beginns der Auszahlungsphase sowohl das selbst einzahlte Kapital, als auch die gewährten staatlichen Zulagen in vollem Umfang zur Verfügung stehen (Kapitalerhalt gemäß § 1 S. 1 Nr. 3 Alt- ZertG). Ferner ist die letztlich auf das eingezahlte Kapital erzielte Rendite stark abhängig von dem erreichten Lebensalter des Produktnehmers32, da der ganz überwiegende Teil (mind. 70%) des bereitstehenden Kapitals in Form einer lebenslang garantierten Leibrente mit gleichbleibenden oder ansteigenden Teilleistungen ausgezahlt werden muss (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) Alt- ZertG). Allerdings dürfte es auch in Bezug auf das Honorarberatungsgesetz angezeigt sein, vorerst abzuwarten und zu beobachten, inwiefern sich positive Entwicklungen am Markt zeigen. Dann könnte der Gesetzgeber ggf. auch eine Ausdehnung der Honorarberatung auf weitere Produktgruppen in den Blick nehmen. 2. Stellungnahme zu Aussagen von Verbraucherschützern und Versicherungen über die Riester-Rente Nachfolgende Aussagen über die Riester-Rente wurden dem Fachbereich mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt: 2.1. „Irrtum: Mit ‚Riester‘ können Sparer kein Geld verlieren“ „Behauptung der Stiftung Warentest 2008: Selbst wenn die Geldanlage im schlimmsten Fall keine Wertentwicklung verzeichnet, machen Sparer noch Gewinne. Tatsächlich müssen alle Riester-Anbieter garantieren, dass zu Rentenbeginn wenigstens die Summe aus eingezahlten Beiträgen und staatlichen Zulagen auf dem Konto liegt. Richtig ist: Das Guthaben aus dem Riester-Vertrag zu Beginn der Rentenzahlung ist aus der Sicht der Sparer eine fiktive Summe, weil auf dieses Guthaben nicht vollständig zugegriffen 31 FCA-Bericht a.a.O., S. 3.; s. aber auch eine objektivierte Vergleichsbetrachtung zu den tatsächlichen Kosten der provisionsgestützten und der honorarbasierten Beratung bei Julius F. Reiter/Olaf Methner in: Wertpapiermitteilungen (WM) 2013, 2053 ff. (2055); ähnlich auch Krohn, Philipp: „Honorarberatung ist noch ein zartes Pflänzchen “, vom 4. März 2015, faznet, unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geldanlegen /honorarberatung-ist-noch-ein-zartes-pflaenzchen-13461829.html, abgerufen am 20. März 2015. 32 Vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: „Leistungsfähigkeit der Riester-Rente“ (BT-Drucksache 18/3628), dort zu Frage 37 und v.a. zu Frage 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 11 werden kann. Ließe sich ein Riester-Sparer sein Guthaben auf einen Schlag – in einer Summe – ausbezahlen, müssten alle erhaltenen Vorteile zurückgezahlt werden, sowohl die Zulagen als auch die einkommensteuerlichen Vorteile. Höchstens 30 Prozent der Ansparsumme sind unschädlich frei verfügbar. Verluste sind auch in der Ansparphase möglich. Wer hier seinen Vertag beendet, verliert ebenfalls Geld.“ Die Möglichkeit zur privaten Altersvorsorge wurde mit dem „Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG)“ vom 26. Juni 2001 eingeführt.33 Die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung sei erforderlich, so die Begründung des Gesetzentwurfs, weil die Geburtenzahl in Deutschland seit drei Jahrzehnten rückläufig sei. Hinzu kämen die stete Steigerung der Lebenserwartung und damit eine Verlängerung der Rentenlaufzeiten. Um zu verhindern, dass der Beitragssatz auf bis zu 26 Prozent steigt, werde sein demografisch bedingter Anstieg begrenzt. Der gleichzeitige eigenverantwortliche Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zur Sicherung des Lebensstandards im Alter sei unerlässlich. Der Aufbau werde durch eine steuerliche Fördermaßnahme flankiert, die insbesondere Bezieher kleiner Einkommen und Familien mit Kindern besonders unterstütze. Die steuerliche Förderung erfolge deshalb durch eine Zulage oder alternativ den Abzug der Sparleistung als Sonderausgabe bei der Einkommensteuer (Kombimodell ).34 In § 1 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz – AltZertG hat der Gesetzgeber konkretisiert, welche Anlageformen ausschließlich steuerlich gefördert werden, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Dazu gehört unter anderem, dass – eine lebenslange Altersversorgung vorgesehen ist, die nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres gezahlt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG), – der Anbieter zusagt, dass zu Beginn der Auszahlungsphase zumindest die eingezahlten Altersvorsorgebeiträge für die Auszahlungsphase zur Verfügung stehen und für die Leistungserbringung genutzt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AltZertG), – monatliche Leistungen in Form einer lebenslangen Leibrente vorgesehen sind. (§ 1 Abs. 1 Nr. 4a AltZertG). Um eine lebenslange Altersversorgung in Form einer Leibrente zu gewährleisten, soll eine sogenannte schädliche Verwendung (§ 93 EStG) verhindert werden. Deshalb ist eine abweichende Auszahlung oder Übertragung nur in engen Grenzen möglich. Keine schädliche Verwendung liegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4a beispielsweise dann nicht vor, wenn 33 BGBl. 2001 Teil I, Seite 1310. 34 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG), Bundestags-Drucksache 14/4595, Seiten 1, 39 und 62. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 12 – bis zu 30 Prozent des zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehenden Kapitals außerhalb der monatlichen Leistungen ausgezahlt werden, – Anbieter und Vertragspartner vereinbart haben, dass bis zu zwölf Monatsleistungen in einer Auszahlung zusammengefasst werden, – eine Kleinbetragsrente nach § 93 Abs. 3 EStG abgefunden wird, – die in der Auszahlungsphase anfallenden Zinsen und Erträge gesondert ausgezahlt werden. Liegt eine schädliche Verwendung im Sinne von § 93 Abs. 1 EStG vor, sind die auf das ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen entfallenden Zulagen und die darüber hinaus nach § 10 Abs. 4 EStG gewährten Sonderausgaben zurückzuzahlen. 2.2. „Irrtum: ‚Riestern‘ bringt hohe Steuervorteile“ „Die Versicherungswirtschaft behauptet: Die Riester-Rente lohnt sich vielfach, vor allem für Familien mit Kindern. Der Staat zahle Grundzulage und Kinderzulage. Außerdem können die Beiträge von der Einkommensteuer abgesetzt werden. Diese Vorteile machen die Riester- Rente zu einem der rentabelsten Wege für den Ruhestand vorzusorgen. Richtig ist: Die Beiträge in den Riester-Vertrag dürfen aus dem unversteuerten Brutto-Einkommen gezahlt werden. Jedes Jahr erstattet das Finanzamt den daraus resultierenden Steuervorteil für die gezahlten Beiträge. Ein endgültiger Steuer-Spareffekt ist das trotzdem nicht; denn im Gegenzug wird im Ruhestand die ausgezahlte Riester-Rente voll mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Die Steuer ist nur gestundet. Einen Steuervorteil bietet die Riester-Rente schon: Im Gegensatz zu anderen abgeltungsteuerpflichtigen Anlagen müssen in der Ansparphase die Zinserträge nicht der Abgeltungsteuer unterworfen werden.“ Anlass für die Umstellung auf die sogenannte nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002.35 Es hatte entschieden, dass die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist. Nach dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung können unter anderem die Beiträge der Versicherten zur gesetzlichen Rentenversicherung und zu privaten kapitalgedeckten Leibrentenversicherungen als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden. Die Auszahlungen unterliegen entsprechend in voller Höhe der Besteuerung.36 35 BVerfGE 105, 73. 36 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG), Bundestags-Drucksache 15/2150, Seiten 1 und 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 13 Die Besteuerung der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen richtet sich nach § 22 Nr. 5 EStG. Während der Ansparphase erfolgt keine Besteuerung von Erträgen und Wertsteigerungen. Dies gilt unabhängig davon, ob oder in welchem Umfang die Altersvorsorgebeiträge nach § 10a EStG gefördert worden sind. § 22 Nr. 5 ist gegenüber anderen Vorschriften des EStG eine vorrangige Spezialvorschrift. Deshalb sind die Regelungen über die Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht anzuwenden.37 Geht man davon aus, dass die Einkünfte in der Rentenphase geringer sind als während der Erwerbstätigkeit , hat der Steuerpflichtige zudem einen Vorteil aus der niedrigeren Progression. 2.3. „Irrtum: Kinder bringen Riester-Sparern viel Geld“ „Die Versicherungswirtschaft behauptet: Bei Familien mit Kindern meint es der Staat besonders gut: Für jedes Kind zahlt er bei einem Riester-Vertrag eine Zulage von 185 Euro (Hanse Merkur 24). Für alle seit 2008 geborenen Kinder gibt es sogar 300 Euro. Richtig ist: Zwar erhalten Sparer nach der Geburt zusätzlich zu ihrer eigenen Zulage von 154 Euro tatsächlich noch die Kinderzulage (185 Euro, für seit 2008 geborene Kinder 300 Euro). Neben den Zulagen gibt es noch einen Einkommensteuervorteil. Das Problem dabei ist, dass das Finanzamt vom rechnerischen Steuervorteil (Gesamt-Riester-Betrag multipliziert mit dem persönlichen Steuersatz = Günstigerprüfung von Amts wegen) alle bereits ausgezahlten Zulagen abzieht (eigene Zulage und alle Kinderzulagen). Deshalb fällt nach der Geburt eines Kindes der Steuervorteil meist genau um den Betrag der Kinderzulage. Solange der rechnerische Steuervorteil über der Summe der Zulagen liegt (Regelfall), verändert sich betragsmäßig insgesamt nichts. Die Summe aus Zulagen und tatsächlichem Steuervorteil bleibt nach der Geburt eines Kindes gleich. Erst etwa nach dem dritten Kind oder für Geringverdiener (unter einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro) ergibt sich ein echter finanzieller Nutzen .“ Die von Amts wegen vorgeschriebene Günstigerprüfung richtet sich nach § 10 Abs. 2 EStG, die Vorschrift, dass die Zulagen der Steuer gegebenenfalls hinzuzurechnen sind, findet sich in § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG. Durch diese Hinzurechnung wird erreicht, dass dem Steuerpflichtigen nur die über den Zulagenanspruch hinausgehende Steuerermäßigung gewährt wird. Über diese hinausgehende Steuerermäßigung darf der Steuerpflichtige verfügen, sie wird nicht dem Altersvorsorgekonto gutgeschrieben.38 Nach § 10a Abs. 1 EStG sind bis zu 2.100 Euro jährlich als Sonderausgabe abziehbar. Mit Hilfe der in der obigen Aussage stehenden Formel kann errechnet werden, bei zu welchen persönlichen Steuersatz die Zulage gleich hoch wie die Steuerermäßigung ist. 37 Bundesministerium der Finanzen: Schreiben betr. steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung, Randziffer 122, 123, abrufbar unter beck-online. 38 Bundesministerium der Finanzen: Schreiben betr. steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung, Randziffer 99, abrufbar unter beck-online. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 14 (2.100 𝐸𝑢𝑟𝑜 × 𝑆𝑡𝑒𝑢𝑒𝑟𝑠𝑎𝑡𝑧) = 𝑍𝑢𝑙𝑎𝑔𝑒𝑛 Angenommen, ein Steuerpflichtiger kann die vollen 2.100 Euro bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens geltend machen und unter der Bedingung, dass er die Grundzulage sowie für zwei Kinder einen Zuschlag von je 300 Euro – insgesamt 754 Euro Zuschläge - erhält, ergibt sich ein Steuersatz von knapp 36 Prozent (2.100 𝐸𝑢𝑟𝑜 × 35,9%) = 754 𝐸𝑢𝑟𝑜 Aus dieser Berechnung wird auch deutlich, dass sich ab drei Kindern kein steuerlicher Vorteil mehr ergibt.39 In diesem Fall würde der gesamte Zuschlag 1.054 Euro betragen. Der Vorteil durch den Sonderausgabenabzug entstünde erst bei einem Steuersatz von über 50 Prozent.40 3. Steuerliche Vorteile einer Riester-Rente Bezeichnet man auch die Zulagen wegen ihrer gesetzlichen Regelung im Einkommensteuergesetz als „steuerlichen Vorteil“, ist vor allem wichtig, den vollen Eigenbetrag (4 Prozent des in dem Beitragsjahr vorangegangenen Kalenderjahrs erzielten beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des Sozialgesetzbuchs), mindestens aber den Sockelbetrag in Höhe von 60 Euro (§ 86 Abs. 1 EStG) zu leisten. Nur in diesen Fällen werden die Zulagen nicht anteilsmäßig gekürzt und fließen dem Altersvorsorgekonto zu. Es gilt aber auch in diesen Fällen, dass sich für Riester-Sparer, die einen über die Zulage hinausgehenden Steuervorteil erhalten, eine gekürzte Zulage wirtschaftlich nicht auswirkt. Kommt es im Rahmen der Günstigerprüfung zum Ansatz des Sonderausgabenabzugs wird der Anspruch auf Zulage zur ermittelten Einkommensteuer hinzugerechnet. Der Riester -Sparer erhält auch in diesen Fällen die sich aus der Steuerfreistellung nach § 10a EStG ergebenden Vorteile.41 Im Mai 2008 wurde die Bundesregierung gefragt, ab welcher Höhe des zu versteuernden Einkommens die steuerliche Erstattung aus dem Sonderausgabenabzug oberhalb der Altersvorsorgezulagen liegt. Die Bundesregierung hat mit dem Hinweis, dass für die Ermittlung der Beiträge zur Riester-Rente das rentenversicherungspflichtige Vorjahreseinkommen maßgeblich ist, folgende Jahresbruttolohngrenzen angegeben (geförderte Sparleistung bis zu 4 Prozent; maximal 2.100 Euro; Kinderzulage 300 Euro): Alleinstehende ohne Kinder: 14.850 Euro Alleinstehende mit einem Kind: 28.330 Euro 39 Dem Altersvorsorgekonto werden alle Zulagen gutgeschrieben. 40 Die höchste Grenzsteuerbelastung beträgt im Steuertarif 2014 42,0 Prozent, vgl. Bundesministerium der Finanzen , Übersichten zur Einkommensteuer - Tarifbelastung von 1958 — 2015, unter: https://www.bmf-steuerrechner .de/bl2014/?. 41 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Leistungsfähigkeit der Riester-Rente, Bundestags-Drucksache 18/3628, Seite 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 033/15 Seite 15 Alleinstehende mit zwei Kindern: 51.100 Euro Verheiratete (ein Verdiener) ohne Kind: 26.820 Euro Verheiratete (ein Verdiener ) mit einem Kind: 54.050 Euro Das Bundesministerium der Finanzen ergänzt, dass der Sonderausgabenabzug ab drei Kindern sowohl bei Alleinstehenden als auch bei Verheirateten zu keiner zusätzlichen Entlastung führt. Das durchschnittliche Versichertenentgelt betrug zu dieser Zeit 30.084 Euro.42 Wegen der Absenkung des Steuertarifs ist davon auszugehen, dass die Grenzen heute höher liegen . Das vorläufige durchschnittliche Bruttojahresarbeitsentgelt gibt die Deutsche Rentenversicherung für 2014 mit 34.857 Euro an.43 42 Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 26. Mai 2008 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache 16/9389, Frage Nr. 27. 43 Deutsche Rentenversicherung: Rentenversicherung in Zahlen 2014, Seite 14, abrufbar unter: http://www.deutsche -rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/238692/publicationFile/57922/rv_in_zahlen_2013.pdf, abgerufen am 9. März 2015.