© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 031/21 Fragen zur Entrichtung der Tabaksteuer durch die Verwendung von Steuerzeichen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 2 Fragen zur Entrichtung der Tabaksteuer durch die Verwendung von Steuerzeichen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 031/21 Abschluss der Arbeit: 23. März 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Typische Erhebungsmethode der Entrichtung von Verbrauchsteuern 4 3. Regelungen zur Entrichtung der Kaffeesteuer in Deutschland 6 4. Entrichtung der Tabaksteuer durch Steuerzeichen in Deutschland 6 5. Unionsrechtliche Maßgaben zur Erhebung der Tabaksteuer mittels Steuerzeichen 7 5.1. Gebot der Verwendung von Steuerzeichen nach der aktuellen Rechtslage? 7 5.2. Ziel eines Verwendungsgebots in der Zukunft? 8 5.3. Ergebnis 9 5.4. Unionsrechtliche Zulässigkeit einer differenzierenden Behandlung der Tabakwaren 9 6. Umsetzung in den Mitgliedstaaten 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 4 1. Fragestellung Der Fragesteller möchte die folgenden Fragen geklärt haben: Welches gängige Entrichtungsverfahren für Verbrauchsteuern gibt es in Deutschland? Welche Vorteile bietet die Steuererhebung qua Steuerzeichen bei der Erhebung der Tabaksteuer? Welcher Unterschied besteht zur Erhebung der Kaffeesteuer? Welche anderen Erhebungsmethoden wenden bestimmte EU-Länder an und wie sind diese mit der EU-Harmonisierung vereinbar? Ließen sich diese Verfahren auch auf die Bundesrepublik übertragen, vorausgesetzt es würden entsprechende Änderungen des Tabaksteuergesetzes durchgeführt? Wäre es möglich, nur bei bestimmten Steuergegenständen die Steuer nicht durch Steuerzeichen zu erheben? 2. Typische Erhebungsmethode der Entrichtung von Verbrauchsteuern Grundsätzlich ist das Ziel einer Verbrauchsteuer die Besteuerung des Ge- oder Verbrauchs von verbrauchsteuerpflichtigen Waren. Aus Gründen der Vereinfachung wird die Steuerentstehung jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Ge- oder Verbrauchs durch den einzelnen Verbraucher gelegt, sondern in der Regel auf den Zeitpunkt, in dem die verbrauchsteuerpflichtigen Waren, d. h. die Steuergegenstände, in den Wirtschaftskreislauf im deutschen Steuergebiet treten. Die Verbrauchsteuer entsteht daher zunächst durch die Entnahme von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem Steuerlager und die Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager. Letztere sind vom zuständigen Hauptzollamt zugelassene Orte, an denen oder von denen verbrauchsteuerpflichtige Waren unter Steueraussetzung hergestellt, bearbeitet oder verarbeitet, gelagert, empfangen oder versandt werden dürfen.1 Die Voraussetzungen für die klassische Steuerentstehung, also die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, sind dementsprechend grundsätzlich erfüllt, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus einem Steuerlager entnommen werden, ohne dass sich entweder ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt oder eine Steuerbefreiung vorgesehen ist. Dies gilt auch, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren innerhalb des Steuerlagers zum Verbrauch entnommen werden. Die Steuer entsteht auch durch die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung bei Aufnahme in den Betrieb des registrierten Empfängers2, eine Unregelmäßigkeit während einer Beförderung unter Steueraussetzung, die Herstellung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren ohne die erforderliche Erlaubnis des Hauptzollamts sowie die Abgabe verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus einem Steuerlager an Personen, die nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis zur steuerfreien gewerblichen Verwendung sind. Neben den Regelentstehungstatbeständen gibt es weitere Steuerentstehungstatbestände, die in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen normiert sind. 1 Darüber hinaus gibt es im Alkoholsteuergesetz besondere Regelungen. 2 Dies gilt nicht für die Kaffeesteuer, da die Rechtsfigur des registrierten Empfängers nicht existiert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 5 Hingegen entsteht die Steuer nicht, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren auf Grund ihrer Beschaffenheit oder in Folge unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen sind. Nur das Tabaksteuergesetz sieht darüber hinaus zusätzlich von der Steuerentstehung ab, wenn ordnungsgemäß versteuerte Tabakwaren in ein Steuerlager aufgenommen waren und daraus unverändert wieder entnommen werden.3 Entsteht eine Verbrauchsteuer durch Entnahme aus dem Steuerlager oder durch Verbrauch in diesem, hat der Steuerschuldner (Steuerlagerinhaber) innerhalb eines vorgeschriebenen Zeitraumes eine Steueranmeldung in Form einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen. Wenn eine Verbrauchsteuer hingegen entsteht durch unrechtmäßige Entnahme aus dem Steuerlager oder unrechtmäßigen Verbrauch im Steuerlager , Herstellung ohne die erforderliche Erlaubnis des Hauptzollamts, Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung unter Steueraussetzung, Abgabe an Personen, die nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis zur steuerfreien gewerblichen Verwendung sind oder Reinigung ohne Erlaubnis (gilt nur für Alkohol), hat der Steuerschuldner unverzüglich die Steueranmeldung abzugeben. Für die Tabaksteuer ist in diesen Fällen eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen.4 Die geschuldete Steuer ist bei einem Verbotstatbestand sofort fällig. Auch die übrigen Verbrauchsteuergesetze geben in einem solchen Fall bestimmte Termine vor, bis zu denen die Steueranmeldung einzureichen ist bzw. die Steuer gezahlt werden muss. Einzelheiten zu den Abgabefristen der monatlichen Steueranmeldung bzw. der Einzelsteueranmeldung verschiedener Verbrauchsteuern werden dargestellt unter: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Alkohol-Tabakwaren-Kaffee/Besteuerungsverfahren /Abgabefristen/abgabefristen_node.html, abgerufen am 17. März 2021. Eine Übersicht zu den Fälligkeiten verschiedener Verbrauchsteuern ist zu finden unter: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Alkohol-Tabakwaren-Kaffee/Besteuerungsverfahren /Faelligkeit/faelligkeit_node.html, abgerufen am 17. März 2021. 3 https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Alkohol-Tabakwaren-Kaffee/Steuerentstehung- Steuerschuldner/steuerentstehung-steuerschuldner_node.html, abgerufen am 17. März 2021. 4 https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Alkohol-Tabakwaren-Kaffee/Besteuerungsverfahren /Steueranmeldung_Steuererklaerung/steueranmeldung_steuererklaerung_node.html, abgerufen am 17. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 6 3. Regelungen zur Entrichtung der Kaffeesteuer in Deutschland Für die Kaffeesteuer ist die Entrichtung in § 12 Abs. 1 Kaffeesteuergesetz (KaffeeStG)5 geregelt. Der Steuerschuldner nach § 11 Absatz 4 Nummer 1 erste Alternative KaffeeStG hat gemäß dieser Bestimmung über Kaffee, für den in einem Monat die Steuer entstanden ist, spätestens am zehnten Tag des auf die Steuerentstehung folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und in ihr die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Die Steuer ist am 20. Tag des auf die Entstehung folgenden Monats fällig. Bei der Verwirklichung eines Verbotstatbestands legt § 12 Abs. 2 KaffeeStG fest, dass Steuerschuldner nach § 11 Absatz 4 Nummer 1 zweite Alternative sowie nach Nummer 2 und 3 KaffeeStG unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben haben und die Steuer sofort fällig ist. 4. Entrichtung der Tabaksteuer durch Steuerzeichen in Deutschland Rechtsgrundlage für die Erhebung der Tabaksteuer ist das Tabaksteuergesetz (TabStG) vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2999) geändert worden ist.6 Die Tabaksteuer wird gem. § 17Abs. 1 S. 1 TabStG nicht durch unmittelbare Geldzahlung, sondern durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet. Diese Art der Erhebungstechnik existiert nur im Tabaksteuerrecht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen dürfen sich nur mit gültigen Steuerzeichen versehene Tabakwaren im freien Verkehr befinden. Die Verwendung von Steuerzeichen erleichtert die Steueraufsicht, vereinfacht die Steuererhebung und sichert das erhebliche Steueraufkommen. Entscheidend ist dabei ihre Publizitätswirkung , ohne die eine Bekämpfung des Zigarettenschmuggels beinahe unmöglich wäre. Fehlt ein Steuerzeichen auf angebotenen Zigarettenpackungen, ist für jeden potentiellen Käufer sofort erkennbar, dass es sich um geschmuggelte Ware handelt. Erwirbt er dabei nicht mehr als 1000 Zigaretten ohne gültiges Steuerzeichen, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die nach § 37 TabStG mit einem Bußgeld belegt werden kann. Durch die Publizitätswirkung der Steuerzeichen wird darüber hinaus ein unlauterer Wettbewerb deutlich erschwert.7 Da nur Tabakwaren mit Steuerzeichen eingeführt, aus dem Steuerlager entfernt oder dort zum Verbrauch entnommen werden dürfen, muss der Steuerschuldner in spe die Steuerzeichen vorher beim Hauptzollamt Bielefeld, Zentrale Steuerzeichenstelle in Bünde, bestellen. Der Hersteller oder der Einführer hat gem. § 17 Abs. 2 TabStG die Steuerzeichen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu bestellen und darin die Steuerzeichenschuld selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Die Steuerzeichenschuld in Höhe ihres Steuerwertes entsteht erst mit dem Bezug der Steuerzeichen , so dass also bereits eine Steueranmeldung zu einem Zeitpunkt vorliegt, in dem weder die 5 Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kaffeesteuer ist das Kaffeesteuergesetz vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870, 1919), das zuletzt durch Artikel 203 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist: https://www.gesetze-im-internet.de/kaffeestg_2009/BJNR191900009.html, abgerufen am 17. März 2021. 6 https://www.gesetze-im-internet.de/tabstg_2009/BJNR187010009.html, abgerufen am 17. März 2021. 7 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, S. 440f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 7 Tabaksteuer noch die darauf folgende Steuerzeichenschuld tatsächlich entstanden sind.8 Bei Versendung gilt der zweite Werktag nach der Absendung als Tag des Bezugs gem. § 17 Abs. 2 TabStG. Dieses Datum wirkt sich auch auf die Fälligkeitsfristen der Zahlung aus, die in § 18 Abs. 1 TabStG geregelt sind. Grundsätzlich werden lange gesetzliche Fälligkeitsregelungen gewährt, um die Abwälzung der Steuerlast auf die Konsumenten im Verlaufe des Warenabsatzes zu ermöglichen.9 Im Falle einer Verwirklichung von „Verbotstatbeständen“ greifen spezielle Fälligkeitsregelungen , siehe beispielsweise die sofortige Fälligkeit bei Herstellen ohne Erlaubnis gem. § 18 Abs. 2 TabStG.10 Steuerzeichen haben eine geldähnliche Funktion und werden als amtliche Wertzeichen bezeichnet . Sie müssen fälschungssicher sein und bestehen aus Melierfaserpapier mit eingebrachten, unter UV-Licht erkennbaren Streifen. Hergestellt werden sie von der Bundesdruckerei, wobei Aussehen und Angaben bzgl. Bezeichnung, Menge, Packungspreis (und Stückpreis bei Zigarren und Zigarillos) vorgeschrieben sind. Da die Steuerzeichen nicht nur auf den Packungen angebracht, sondern auch vom Verwender durch den Entwertungsvermerk (der eine von der Steuerzeichenstelle zugeteilte Bezieher-Nummer enthält) entwertet werden müssen, können die Steuerbehörden außerdem feststellen, wer die Tabaksteuer entrichtet hat.11 5. Unionsrechtliche Maßgaben zur Erhebung der Tabaksteuer mittels Steuerzeichen 5.1. Gebot der Verwendung von Steuerzeichen nach der aktuellen Rechtslage? Die Erhebung der Tabaksteuer ist auf Unionsebene im Speziellen in der Richtlinie 2011/64/EU (Tabaksteuerrichtlinie)12 geregelt. Da es sich bei dieser Steuer um eine Verbrauchsteuer handelt, gelten zudem die allgemeinen Regeln der Richtlinie 2008/118/EG (Verbrauchsteuersystemrichtlinie ).13 Die Tabaksteuerrichtlinie regelt im Wesentlichen die Strukturen und Sätze der Besteuerung der einzelnen Tabakwaren, enthält in Art. 16 aber auch Anforderungen an die Erhebung. Abs. 1, S. 2 und 3 legen insoweit fest, dass die Tabaksteuer in der aktuellen Harmonisierungsstufe „grundsätzlich mittels Steuerzeichen entrichtet“ wird, und Mitgliedstaaten, die andere Erhebungsweisen verwenden, daraus entstehende verwaltungsmäßige und technische Behinderungen des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten zu verhindern haben. Diese Regelung lässt also verschiedene Erhebungsmethoden zu, erklärt aber die Verwendung von Steuerzeichen zum Regelfall. Folgerichtig wird denjenigen Mitgliedsstaaten, die andere Methoden verwenden, die Sorge dafür auferlegt, dass keine binnenmarktinternen Handelshemmnisse entstehen. Dies stellt gleichsam eine Umkehrung der allgemeinen Regel zur Erhebung von Verbrauchsteuern in Art. 39 Verbrauchsteuersystemrichtlinie dar: Danach ist die Verwendung von Steuerzeichen oder nationalen Erkennungszeichen in den Mitgliedstaaten zwar zulässig, aber unionsrechtlich nicht geboten (Abs. 1); der eine derartige Regelung treffende Mitgliedstaat hat 8 A. a. O., S. 449. 9 A. a. O., S. 155f. 10 A. a. O., S. 461. 11 A. a. O., S. 439 ff. 12 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011L0064, abgerufen am 22. März 2021. 13 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A32008L0118, abgerufen am 22. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 8 vielmehr dafür zu sorgen, dass hieraus keine Hemmnisse für den freien Warenverkehr entstehen (Abs. 3). Die Verbrauchsteuersystemrichtlinie behandelt die Verwendung von Steuerzeichen danach als zulässige, aber potentiell binnenmarktfeindliche und damit unionsrechtlich weder gebotene noch erwünschte Regelung. Dass Art. 16 Abs. 1 Tabaksteuerrichtlinie die Verwendung eines Steuerzeichens im Falle der Tabaksteuer – anders als bei allen anderen Verbrauchsteuern – zum Regelfall erklärt und die Last der Hemmnisvermeidung gerade den Mitgliedstaaten auferlegt, welche diese nicht verwenden, verdeutlicht, dass ihr Gebrauch insoweit unionsrechtlich erwünscht ist. 5.2. Ziel eines Verwendungsgebots in der Zukunft? Art. 16 Abs. 1 S. 1 Tabaksteuerrichtlinie legt fest: „Spätestens in der Endstufe der Harmonierung der Verbrauchsteuer werden die Modalitäten der Erhebung der Verbrauchsteuer harmonisiert.“ Das dieser Regelung zugrundeliegende Konzept einer stufenweisen Harmonisierung der Erhebungsmodalitäten für die Tabaksteuer als Verbrauchsteuer findet sich in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer14: „Die Strukturen der Verbrauchsteuer, der die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen, werden in mehreren Stufen harmonisiert.“ Daraus in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 S. 1 Tabaksteuerrichtlinie ergibt sich das Ziel einer vollständigen Harmonisierung aller Modalitäten der Erhebung der Tabakverbrauchsteuer zwischen den Mitgliedstaaten, die in mehreren Stufen erfolgen soll, wenngleich die aktuelle Richtlinie die „Endstufe“ der Harmonisierung (noch) nicht regelt. Fraglich ist indes, ob diese „Endstufe“ gerade eine Erhebung mittels Steuerzeichen in allen Mitgliedstaaten vorsehen wird. Dafür gibt es Anhaltspunkte wie die rechtliche Favorisierung einer solchen Erhebung in der aktuellen Harmonisierungsstufe nach Art. 16 Abs. 1 S. 2 und 3 Tabaksteuerrichtlinie , aufgrund derer es wenig sinnvoll erschiene, müssten alle dieser Favorisierung entsprechenden Mitgliedstaaten ihr Erhebungssystem perspektivisch umstellen. Hinzu tritt der Umstand der Privilegierungsumkehr gegenüber der früher erlassenen Verbrauchsteuersystemrichtlinie , der sich als Fortentwicklung zugunsten der Erhebung mittels Steuerzeichen in Bezug auf die Tabaksteuer interpretieren lässt. Zu beachten ist indes die Systematik von Art. 16 Abs. 1 Tabaksteuerrichtlinie: Während S. 1 das Ziel einer Vollharmonisierung definiert, legt S. 2 die Grundform der Erhebung mittels Steuerzeichen lediglich für die „vorhergehenden Stufen“ fest; eine Übernahme dieses Konzepts in der „Endstufe“ der Harmonisierung ist danach nicht zwingend . Auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie lässt sich die Erhebung mittels Steuerzeichen in allen Mitgliedstaaten nicht als Harmonisierungsziel entnehmen: Erwägungsgrund 9 erklärt insoweit lediglich ganz allgemein den offenen und unverfälschten Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zum Ziel; ebenso betont die Evaluierungskommission für die Richtlinie das allgemeine Ziel der Marktintegration.15 Für eine anvisierte Vollharmonisierung der Erhebungsmodalitäten in Form der Einführung einer Steuerzeichenpflicht für alle Mitgliedstaaten gibt es somit Anhaltspunkte, eine rechtliche Festlegung besteht indes nicht. 14 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:31995L0059, abgerufen am 22. März 2021. 15 https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/10-02-2020-tobacco-taxation-report.pdf, S. 7, abgerufen am 22. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 9 5.3. Ergebnis Festhalten lässt sich somit lediglich, dass die Verwendung von Steuerzeichen bei der Erhebung der Tabaksteuer nach der Wertung der entsprechenden EU-Richtlinien erwünscht ist. Ein die Steuer demgemäß erhebender Mitgliedstaat wird privilegiert, weil er keine Verantwortung für die Verhinderung von aus den unterschiedlichen Regelungen entstehenden Handelshemmnissen trägt und das Steuerzeichen nach Art. 16 Abs. 1 UA 2 Tabakproduktrichtlinie16 auch die Verwendung des andernfalls zusätzlich erforderlichen Sicherheitsmerkmals ersetzen kann. Gemäß Art. 16 Abs. 1 Tabaksteuerrichtlinie sind indes auch andere Erhebungsmethoden zulässig, sofern sie so ausgestaltet sind, dass der ungehemmte Handel zwischen den Mitgliedstaaten sichergestellt ist. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass die Verwendung von Steuerzeichen durch alle Mitgliedstaaten das Ziel der erstrebten Vollharmonisierung der Erhebungsmodalitäten sein könnte; dies steht aber nicht fest. Zudem fokussiert sich der aktuelle rechtliche Diskurs zur Fortentwicklung der Tabaksteuerrichtlinie im Wesentlichen mit anderen Rechtsfragen wie die Vereinheitlichung des Steuersatzes, die Präzisierung der Definition der zu besteuernden Waren und die Behandlung neuer Produktarten wie E-Zigaretten.17 5.4. Unionsrechtliche Zulässigkeit einer differenzierenden Behandlung der Tabakwaren Fraglich ist darüber hinaus, ob eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Tabakwaren hinsichtlich der Verwendung von Steuerzeichen unionsrechtlich zulässig wäre. Diesbezüglich ergeben sich mit Blick auf die Tabaksteuerrichtlinie keine Änderungen gegenüber obigen Ausführungen : Diese normiert kein Gebot einer einheitlichen Erhebungsmethode in Bezug auf alle erfassten Produkte; lediglich hinsichtlich des Steuersatzes verbietet sie in gewissem Maße Ungleichbehandlungen innerhalb einer Kategorie. Das Unionsrecht steht einer Verwendung verschiedener Methoden auf verschiedene Produkte somit nicht entgegen. Allerdings kann bei Fehlen eines sachlichen Grundes die unterschiedliche steuererhebungsrechtliche Behandlung von vergleichbaren Steuergegenständen bei unterschiedlich starker Belastung der entsprechenden Steuerpflichtigen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) berühren; dieser stellt gewisse Gleichheitsanforderungen an die Erhebungsweise einer Steuer, welche insbesondere die tatsächlich gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen betreffen.18 6. Umsetzung in den Mitgliedstaaten In der überwiegenden Zahl der EU-Länder werden Steuerzeichen zur Entrichtung der jeweiligen nationalen Tabaksteuer benutzt. Wie der EU-Datenbank für Steuern zu entnehmen ist, benutzen sechs Länder keine Steuerzeichen zur Erhebung der Tabaksteuern. Dies sind Finnland, Frankreich , Österreich, Schweden, Slowenien sowie Zypern. Für Ungarn ist keine Angabe gemacht 16 https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/tobacco/docs/dir_201440_de.pdf, abgerufen am 22. März 2021. 17 https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/tobacco/docs/dir_201440_de.pdf, S. 11, abgerufen am 22. März 2021. 18 Vgl. dazu Wollenschläger in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 280 ff sowie mit Bezug zum Erhebungsverfahren Nußberger in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 143. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/21 Seite 10 worden.19 Österreich, Finnland, Schweden und Zypern verzichten vollständig auf eine physische Markierung, dort wird die Steuer stattdessen anhand von Verbrauchsteuererklärungen erhoben oder bei Einführung der Tabakwaren in den freien Warenverkehr gezahlt.20 So sieht die österreichische Regelung in § 12 des Tabaksteuergesetzes 199521 eine monatliche schriftliche Anmeldepflicht des Steuerpflichtigen in Bezug auf die aus einem Steuerlager entnommenen und steuerpflichtigen Tabakwaren vor, die grundsätzlich bis zum 25. Kalendertag des nachfolgenden Monats auf elektronischem Wege zu erfolgen hat. Diese Anmeldepflicht entfällt lediglich für solche Waren, die vor dem Anzeigetag aus dem freien Verkehr zurückgezogen wurden. Nach der aktuellen französischen Regelung in Art. 575 d des Tabaksteuergesetzes22 müssen die Verpackungseinheiten für den Tabakeinzelhandel ab einem per Dekret festgelegten Zeitpunkt unter Bedingungen mit einer für das Verbraucherrecht repräsentativen Steuermarke versehen sein. Bis zur Einführung der Steuermarke müssen die Lieferanten auf jeder Verpackungseinheit die von der Verwaltung vorgeschriebenen Angaben sichtbar drucken. Vorgeschrieben sind nach Anhang IV, Art. 56 QA unter anderem Informationen zum Herstellungsland und zum Lieferanten. Des Weiteren muss die Chargennummer oder ein gleichwertiges Äquivalent zur Identifizierung des Ortes und des Zeitpunkts der Herstellung angegeben sein. Nach Art. 575 c wird vorbehaltlich der in Artikel 302 Buchstabe b genannten Bestimmungen das Verbrauchsrecht spätestens am zehnten Tag eines jeden Monats nach Angabe der im Vormonat in den Verkehr gebrachten Tabakwarenmengen abgewickelt. Das Muster dieser Erklärung wird von der Verwaltung erstellt. Der Verbraucherzoll wird spätestens am 5. des auf den Liquidationsmonat folgenden Monats vom Lieferanten an die Verwaltung gezahlt. Die Vereinbarkeit dieser Regelungen sowie derjenigen in Finnland, Schweden, Zypern und Slowenien mit Art. 16 Abs. 1 Tabaksteuerrichtlinie hängt nach dessen Wortlaut im Einzelfall davon ab, ob die im Vergleich mit der Verwendung von Steuerzeichen potentiell entstehenden Hemmnisse für den Binnenmarkt vermieden werden. *** 19 http://ec.europa.eu/taxation_customs/tedb/taxSearch.html, abgerufen am 16. März 2021. 20 Deloitte, Leveraging Blockchain for excise duties in the tobacco and alcohol industry, Dezember 2019, unter: https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/be/Documents/tax/44410_T&L_indirect%20tax%20article _A4_v4.pdf, S. 4, abgerufen am 22. März 2021. 21 RIS - Tabaksteuergesetz 1995 - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 22.03.2021 (bka.gv.at), abgerufen am 22. März 2021. 22 II : Régime fiscal (Articles 575 à 575 E bis) - Légifrance (legifrance.gouv.fr), abgerufen am 22. März 2021.