© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 031/18 Forschungskosten als Betriebsausgaben im deutschen Steuerrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 2 Forschungskosten als Betriebsausgaben im deutschen Steuerrecht Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 031/18 Abschluss der Arbeit: 19. Februar 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Betriebsausgaben 4 2.1. Definition und Voraussetzungen 4 2.2. Eigene, betriebliche Forschung und Forschung durch Dritte 4 2.3. Anwendungsbereich – Steuerpflicht in Deutschland 5 2.4. Besonderheit: Die Lizenzschranke nach § 4j EStG 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erkundigt sich nach der Möglichkeit deutscher Luft- und Raumfahrtunternehmen beziehungsweise deutscher Unternehmen im Allgemeinen, Forschungsaufwendungen als Betriebskosten steuerlich absetzen zu können. Dabei soll auch zwischen eigener betrieblicher Forschung und der Forschung durch Vergabe an Dritte unterschieden werden. 2. Betriebsausgaben 2.1. Definition und Voraussetzungen Unter abzugsfähigen Betriebsausgaben (BA) im Sinne des § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) versteht man Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind und – mangels eines gesetzlichen Abzugsverbots – den Gewinn mindern. Unter Aufwendungen wiederum versteht man alle tatsächlichen Ausgaben (alle Güter, die in Geld oder Geldwert bestehen und beim Steuerpflichtigen abfließen) und betrieblichen Aufwand (erfolgswirksamer Wertverzehr). Zusammengefasst sind damit alle Wertabflüsse, die nicht als Entnahmen zu qualifizieren sind, erfasst.1 Damit Betriebsausgaben als „durch den Betrieb veranlasst sind“, müssen diese objektiv mit dem Betrieb im Zusammenhang stehen und subjektiv dazu bestimmt sein, dem Betrieb zu dienen.2 Davon zu trennen sind die durch die Lebensführung des Steuerpflichtigen veranlassten Aufwendungen . Bestimmte BA, die (auch) die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen betreffen, sind nach § 4 Abs. 5 EStG nur eingeschränkt zum Abzug zugelassen bzw. vollständig vom Abzug ausgeschlossen. Darüber hinaus gibt es weitere gesetzliche Abzugsverbote für BA in verschiedenen Gesetzen wie zum Beispiel § 4 Abs. 4a, 6-9 EStG, § 160 Abgabenordnung (AO).3 2.2. Eigene, betriebliche Forschung und Forschung durch Dritte Grundsätzlich stellen eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die er für den Betrieb tätigt, BA dar. Die Aufwendungen (zum Begriff der Aufwendungen, s.o. 2.1.) müssen von dem Steuerpflichtigen jedoch persönlich „geleistet“ und diesem deshalb persönlich zurechenbar sein. Das ist stets der Fall, wenn der Steuerpflichtige die Aufwendungen selbst tätigt, und zwar unabhängig davon, wie die Finanzierung konkret erfolgt.4 Solange der Steuerpflichtige die Aufwendungen 1 Vgl. Wied, in: Blümich, Einkommensteuergesetz, 139. Auflage 2018, § 4 Rn. 551 ff.; Crezelius, in: Kirchhof, EStG Kompaktkommentar Einkommensteuergesetz, 8., neu bearbeitete Auflage, § 4 Rn. 135 ff./142. 2 BFH, Beschluss vom 21.11.1983 - GrS 2/82 - NJW 1984, 1054; Wied, a.a.O, § 4 Rn 556; Crezelius, a.a.O., § 4 Rn. 135. 3 Wied, a.a.O, § 4 Rn 551 ff.; Crezelius, a.a.O., § 4 Rn. 135 ff./142; Zu der Frage, ob eine Kapitalgesellschaft auch eine neben der gewerblichen Sphäre existierende Privatsphäre hat, welche sich auf die Qualifikation der BA auswirkt, vgl. Rengers, in: Blümlich Körperschaftsteuergesetz, 139. Auflage 2018, § 8 Rn. 60 ff. m.w.N. zur BFH- Rspr. und Beispielen. 4 Vgl. Bode, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Auflage 2017, § 4 Rn. 171; Crezelius, a.a.O., § 4 Rn. 145 mit weiteren Beispielen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 5 für seinen Betrieb erbringt, kann er diese grundsätzlich als BA absetzen, auch wenn sie an Wirtschaftsgütern (WG) des Privatvermögens, in einem anderen Betrieb oder an einem fremden WG anfallen.5 Dies gilt grundsätzlich auch für Aufwendungen auf im fremden Eigentum stehende WG, wenn der Steuerpflichtige die Aufwendungen im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen hat und er das WG auch für die betriebliche Zwecke nutzen darf.6 Problematisch wird es beim sog. Drittaufwand, denn die Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 EStG ist subjektbezogen. Nach dem Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit und nach den für die Gewinnermittlung geltenden allgemeinen Grundsätzen muss jede Aufwendung, die in der Gewinn- und Verlustrechnung angesetzt werden soll, das Einkommen des Steuerpflichtigen mindern, d.h. er darf bei der Gewinnermittlung nur die ihm persönlich zuzurechnenden Einnahmen und Aufwendungen berücksichtigen. Drittaufwand liegt in diesem Zusammenhang dann vor, wenn ein Dritter Kosten trägt, die durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen veranlasst sind.7 Der Steuerpflichtige, der insoweit keinen eigenen Aufwand hat, erzielt gerade infolge einer Aufwandsübernahme oder einer Nutzungsüberlassung von einem Dritten einen höheren Ertrag, sodass hier kein Grund für die eigene steuerliche Geltendmachung besteht.8 Der Große Senat des Bundesfinanzhofes hat in seinen vier Beschlüssen zu der Frage, inwieweit Drittaufwand der Geltendmachung von BA nach entgegensteht, weitere Grundsätze herausgearbeitet . Diese sind bei der steuerlichen Berücksichtigung von BA, die durch Drittaufwand entstanden sind, zu beachten und zusätzlich zu den oben genannten Grundsätzen zu berücksichtigen.9 2.3. Anwendungsbereich – Steuerpflicht in Deutschland Die oben angesprochenen Grundsätze gelten über einen Verweis in § 8 Abs. 1, 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) auch grundsätzlich für alle in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KStG unbeschränkt und alle in § 2 Nr. 1 bis Nr. 2 KStG beschränkt steuerpflichtigen juristischen Personen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Frage nach der Regelung für deutsche (Luft- und Raumfahrt -) Unternehmen relevant, da sich diese überwiegend der Rechtsformen für Kapitalgesellschaften bedienen (GmbH, AktG, SE etc.). 5 Vgl. Kirchhof, ebenda. 6 BFH, Beschluss vom 30.01.1995 - GrS 4/92 - DStR 1995, 446. 7 BFH, Beschluss vom 30. 01.1995 - GrS 4/92 –, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281. 8 Vgl. Kirchhof, a.a.O., § 4 Rn. 171 ff. m.w.N. 9 Vgl. Kirchhof, ebenda, mit Erklärungen und Fundstellen der vier BFH-Beschlüsse. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 6 2.4. Besonderheit: Die Lizenzschranke nach § 4j EStG Durch die in § 4j EStG geregelte und ab dem 1. Januar 2018 in Kraft getretene Lizenzschranke10 werden Aufwendungen für die Überlassung von Rechten steuerlich vollumfänglich bzw. teilweise nicht anerkannt, sofern die korrespondierenden Einnahmen bei einer nach § 1 Abs. 2 Außensteuergesetzes (AStG) nahestehenden Person, z. B. einem verbundenen Unternehmen, aufgrund einer schädlichen Präferenzregelung niedrig besteuert werden.11 Die Lizenzschranke ist eine Abwehrmaßnahme zur Bekämpfung von Steuervermeidung bzw. Steuerverminderung von überwiegend multinationalen Konzernen, die mithilfe von Lizenzzahlungen Gewinnverlagerungen hin zu Staaten mit sog. Lizenzboxen vorgenommen haben, um im Ergebnis die eigene Steuerlast zu mindern.12 Konkret bezogen auf Forschungsausgaben wird § 4j EStG relevant, wenn die Forschungsausgaben in Deutschland getätigt und steuerlich berücksichtigt werden, das „Forschungsergebnis “ dann aber von einem mit dem Lizenzgeber verbundenen Unternehmen in einem anderen Staat genutzt wird, der die daraus resultierenden Erträge nicht oder niedrig besteuert . Die Lizenzschranke nach §4j EStG greift grundsätzlich in allen Fällen, in denen - abweichend von der Regelbesteuerung - die Belastung des Lizenzempfängers mit Ertragsteuern aufgrund eines als schädlich einzustufenden Präferenzregimes eines anderen Staates weniger als 25 Prozent beträgt .13 Der in Deutschland nicht abziehbare Teil der Forschungsausgaben wird in diesen Fällen nach § 4j Abs. 3 EStG wie folgt ermittelt: 25%− ℎ %25% Die Lizenzschranke greift nach § 4j Abs. 1, S. 4 EStG unter anderem nicht, soweit die niedrige Besteuerung der Erträge des Lizenzempfängers dem sog. Nexus-Ansatz entspricht. Die OECD und G20 haben die bisherigen Lizenzboxregelungen als potenziell schädliche Präferenzregelungen eingestuft und sich darauf verständigt, diese bis spätestens 30. Juni 2021 abzuschaffen oder an den von OECD und G20 entwickelten sog. Nexus-Ansatz anzupassen.14 10 Vgl. BGBl. 2017, S: 2074 ff. 11 Dr. Heinz Kußmaul/Tobias Ditzler, Die Lizenzschranke nach § 4j EStG, Grundlegende Darstellung der Norm – StB 2018, S. 8; vgl. BT-Drs. 18/11233, S. 1 f., S. 9. 12 Vgl. Sebastian Illing, in: Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 41 2017, Stand: 01.12.2017, Rn 1 ff.; Dr. Heinz Kußmaul/Tobias Ditzler, a.a.O. 13 BT-Drs. 18/11233, S. 9. und S. 15 (mit Beispielen zur Berechnung der effektiven Steuerlast). 14 OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting Project – BEPS): Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015, unter: http://www.oecd-ilibrary.org/taxation/wirksamerebekampfung -schadlicher-steuerpraktiken-unter-berucksichtigung-von-transparenz-und-substanz-aktionspunkt- 5-abschlussbericht-2015_9789264258037-de, abgerufen am 19. Februar 2018. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 031/18 Seite 7 Wesentliches Ziel des Nexus-Ansatzes ist, dass nur noch eine Vorort-Forschung steuerlich begünstigt wird, nicht aber die Auftragsforschung in anderen Staaten oder eingekaufte Leistungen. Beim Nexus-Ansatz werden die Forschungsausgaben, die direkt mit der betreffenden Lizenz verbunden sind (sog. qualifizierte Ausgaben) ins Verhältnis zu den gesamten Forschungsaufwendungen gesetzt. Der sich ergebende Quotient wird auf die gesamten Einnahmen aus Lizenzen angewandt und somit die Einkünfte ermittelt, die steuerlich begünstigt werden dürfen.15 Wird die niedrige Besteuerung in einem anderen Staat dem Nexus-Ansatz gerecht, können die Forschungsausgaben in Deutschland vollständig abgezogen werden.16 * * * 15 Vgl. Haufe, Steuer Office Kanzlei Edition Online, Internationales Steuerrecht: Die Deutsche Lizenzschranke (§ 4j EStG), S. 1 ff. mit Prüfungsschema und detaillierten Erklärungen zu dem Hintergrund der Lizenzschranke; vgl. auch: BT-Drs. 18/11233, S. 1, 9. 16 Dr. Heinz Kußmaul/Tobias Ditzler, Die Lizenzschranke nach § 4j EStG, Grundlegende Darstellung der Norm – StB 2018, S. 12f.