Veränderung der Eingruppierung von Haushaltstiteln beim Technischen Hilfswerk (THW) - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 – 031/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Veränderung der Eingruppierung von Haushaltstiteln beim Technischen Hilfswerk (THW) Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 031/07 Abschluss der Arbeit: 20.02.5007 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Fragestellung Zu prüfen ist, ob die Veranschlagung von Ausgaben für die Ausbildung von ehrenamtlichen Helfern des THW, die derzeit in der Hauptgruppe 5 des Bundeshaushalts (sächliche Verwaltungsausgaben Kap 0629, Titel 52501) veranschlagt werden, in die Hauptgruppe 8 (sonstige Ausgaben für Investitionen) verlagert werden kann. Eine Verlagerung der oben genannten Ausbildungsausgaben kommt in Betracht, wenn diese unter den haushaltsrechtlichen Begriff der Investitionen fallen. 2. Bedeutung der Haushaltssystematik des Bundes und der Länder Der Haushaltssystematik des Bundes und der Länder liegen bestimmte Grundvorstellungen zu Grunde. Die Gliederung des Haushaltsplans soll: - den haushaltsmäßigen Erfordernissen bei Aufstellung, Ausführung und Abschluss des Haushalts Rechnung tragen (Gliederung nach Verantwortungsbereichen ), - erkennen lassen, wie viele Mittel den einzelnen Aufgabenträgern zur Verfügung stehen (Gliederung nach funktionalen Gesichtspunkten) und - Auskunft über den wirtschaftspolitischen Gehalt des Haushalts und über seine Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und auf den Konjunkturablauf geben. Die Haushaltssystematik des Bundes ist in den §§ 13 und 14 Bundeshaushaltsordnung (BHO) festgelegt. Sie stimmt weitgehend mit den entsprechenden Regelungen der Länder überein. Zur Aufrechterhaltung der Rechtseinheit ist unter Federführung des Bundesministers der Finanzen der Bund- Länder- Arbeitsausschuss „Haushaltsrecht und Haushaltssystematik“ eingerichtet. In § 13 Abs. 3 Nr. 2 BHO (inhaltsgleich mit § 10 Abs. 3 Nr. 2 Haushaltsgrundsätzegesetz) ist enumerativ festgelegt, welche Ausgaben den Investitionen zuzurechnen sind. Diese Festlegung ist von erheblicher finanzwirtschaftlicher Bedeutung, denn die Summe der Investitionsausgaben stellt gemäß Art. 115 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die maßgebliche Größenordnung für die Regelobergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt dar. 3. Haushaltsrechtlicher Investitionsbegriff Der Grundgedanke des Art. 115 Abs. 1 GG ist, dass bestimmte öffentliche Investitionen sich über den Kapazitätseffekt positiv auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung - 4 - auswirken und sich damit – über höhere Steuern und Sozialbeiträge – quasi selbst finanzieren können. Ein Teil der Finanzierungslasten des aktuellen Haushalts kann somit durch Kreditaufnahme in die Zukunft verlagert werden, weil auch die Erträge aus diesen Ausgaben in der Zukunft anfallen. Die Problematik dieses Ansatzes besteht allerdings im Investitionsbegriff, d.h. in der Abgrenzung der so genannten „produktiven" von den „konsumtiven" öffentlichen Investitionen (Schaft 1998). Die Verfassung selbst definiert den Begriff nicht und verwendet ihn auch nicht einheitlich . In der Gesetzesbegründung zur Änderung des Grundgesetzes 1969/1970 heißt es, dass unter dem Begriff „Ausgaben für Investitionen“ öffentliche Ausgaben für Maßnahmen zu verstehen sind, die bei makro-ökonomischer Betrachtung die Produktionsmittel der Volkswirtschaft erhalten, vermehren oder verbessern. Beispielhaft aufgeführt sind Baumaßnahmen und der Erwerb von unbeweglichen und wertmäßig erheblichen beweglichen Sachen.1 Dieser allgemein volkswirtschaftliche Investitionsbegriff bedeutet für sich genommen eine sehr weite Ausdehnung zulässiger Kreditaufnahmen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seine Entscheidung von 19892 den Gesetzgeber dazu aufgefordert, den Investitionsbegriff so zu präzisieren, dass er seiner Funktion möglichst gerecht werden kann, einer übermäßigen Staatsverschuldung vorzubeugen. „Der Investitionsbegriff des Art. 115 I 2 Halbsatz GG kann jedenfalls nicht weiter verstanden werden als in der bisherigen Staatspraxis, die ’Baumaßnahmen’ und ’Sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsmaßnahmen’ gemäß den Nummern 7 und 8 des Gruppierungsplans nach § 13 III Nr. 2 BHO als Investition ansieht.“ Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass Ausweitungen des Investitionsbegriffs etwa auf Ausgaben für Ausbildung (‚human capital’) oder investive Verteidigungsausgaben der normativen Intention des Art. 115 GG „geradewegs zuwiderlaufen “3. Der Gesetzgeber ist dem Konkretisierungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts zwischenzeitlich durch die Neufassung des § 13 Abs. 3 Nr. 2 BHO und des § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 HGrG4 nachgekommen, die inhaltlich der Abgrenzung der Hauptgruppen 7 und 8 des alten Gruppierungsplans, einer Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung, entspricht. Danach sind Ausgaben für Investitionen die Ausgaben für a) Baumaßnahmen, soweit sie nicht militärische Anlagen betreffen, 1 BT-Drs. V/3040, S. 47. 2 BVerfGE 79, 311, 354f. 3 BVerfGE 79, 311, 337f. 4 Erstes Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetz vom vom 18.7.1990 (BGBl. I S. 1446), 4. BHO-Novelle vom 18.7.1990 (BGBl. I S. 1447) - 5 - b) den Erwerb von beweglichen Sachen, soweit sie nicht als sächliche Verwendungsausgaben veranschlagt werden oder soweit es sich nicht um Ausgaben für militärische Beschaffungen handelt, c) den Erwerb von unbeweglichen Sachen, d) den Erwerb von Beteiligungen und sonstigen Kapitalvermögen, von Forderungen und Anteilsrechten an Unternehmen, von Wertpapieren sowie für die Heraussetzung des Kapitals von Unternehmen, e) Darlehen, f) die Inanspruchnahme aus Gewährleistungen, g) Zuweisungen und Zuschüsse zur Finanzierung von Ausgaben für die in den Buchstaben a bis f genannten Zwecke. Nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes 5 hat diese Begriffsbestimmung nach der Finanzstatistik den Beratungen des Art. 115 GG zugrunde gelegen und wird in 20-jähriger Staatspraxis von den Gebietskörperschaften verwendet. Sie wird sowohl durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen (1980) als auch durch den Bund/Länder-Arbeitsausschuss „Haushaltsrecht und Haushaltssystematik“ (1981/82) unterstützt. Insbesondere das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen hat sich ausführlich mit der Definition des Investitionsbegriffs auseinandergesetzt. Letztlich kommt es zu dem Schluss, dass das Investitionskriterium der Finanzstatistik, das Investitionen in Humankapital nicht berücksichtigt, zweckmäßig ist. Da bei diesen Staatsausgaben eine Bewertung des produktiven bzw. des konsumtiven Anteils „nur mit großer Unsicherheit, ja Willkür“ möglich ist, würde anderenfalls das Ziel des Verfassungsgebers, die Verschuldung in wirksamen Grenzen zu halten, nicht erreicht werden (Wissenschaftlicher Beirat 1980: 33). 4. Ergebnis Bei der im § 13 Abs. 3 Nr. 2 BHO vorgenommenen Bestimmung der Investitionsausgaben handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, d. h. eine Ausdehnung des Investitionsbegriffs auf andere Ausgabearten – wie vorliegend auf Ausbildungsausgaben für ehrenamtliche Helfer des THW – kommt nicht in Betracht. Eine Verlagerung der Veranschlagung dieser Ausbildungsausgaben in die Hauptgruppe der sonstigen Investitionen wäre i. S. der o.g. Vorschrift unzulässig und stünde auch nicht mit der einschlä- 5 BT-Drs. 11/6940, S.4. - 6 - gigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum haushaltsrechtlichen Investitionsbegriff im Einklang. - 7 - 5. Literatur AFONSO, António; EBERT, Werner; SCHUKNECHT, Ludger; THÖNE, Michael (2005). Quality of Public Finances and Growth (Working Paper Series No. 438. Frankfurt : ECB. Dreier, Horst (2000), GG-Kommentar. Band. 3. Mohr Siebeck. OECD (2003), The Sources of Economic Growth in the OECD Countries. Paris: OECD. Sachs, Michael (2003), Kreditaufnahme und Gewährleistungen des Bundes. 3. Aufl. München. Schaft, Wolfgang (1998/03), Die Problematik struktureller Budgetdefizite. Wirtschaftsdienst abgerufen am 15.12.2005 unter: http://www.hwwa.de/Publikationen/Wirtschaftsdienst/1998/wd_docs1998/wd98 03-schaft.htm THÖNE, Michael (2004), Wachstums- und nachhaltigkeitswirksame öffentliche Ausgaben ("WNA"): Möglichkeiten der konzeptionellen Abgrenzung und quantitativen Erfassung. Köln: Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (1980), Gutachten zum Begriff der öffentlichen Investitionen – Abgrenzungen und Folgerungen im Hinblick auf Artikel 115 Grundgesetz. Heft 29 vom 26. April 1980. Henseler, Paul (1983). Verfassungsrechtliche Aspekte zukunftsbelastender Parlamentsentscheidungen . AöR 108. S. 489ff. Sachs, Michael (2003), Kommentar zum Grundgesetz. 3. Auflage, München. Dreier, Horst(2000), Kommentar zum Grundgesetz. Band 3, Mohr Siebeck. v.Mangoldt/Klein/Starck (2001), Kommentar zum Grundgesetz. 4. Auflage. München.