© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 030/18 Programm der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Vermögenswerten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/18 Seite 2 Programm der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Vermögenswerten Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 030/18 Abschluss der Arbeit: 14. Februar 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/18 Seite 3 1. Fragestellung Der Auftraggeber möchten erstens wissen, wie groß das Gesamtvolumen ist, das die Europäische Zentralbank (EZB) seit 2015 im Rahmen ihres Quantitative Easing-Programms eingesetzt hat. Zweitens bittet er um eine Risikoaufschlüsselung des Programms nach Mitgliedstaaten. 2. Gesamtvolumen des Ankaufprogramms Im Januar 2015 hat der EZB-Rat mit dem erweiterten „Programm zum Ankauf von Vermögenswerten “ (Asset Purchase Programme, APP) beschlossen, auch im Euroraum eine „quantitative Lockerung“ zu betreiben.1 Dazu kaufen die Zentralbanken in großem Umfang Anleihen an. Sie schaffen damit neues Zentralbankgeld, die Menge (Quantität) des Zentralbankgeldes nimmt also zu. Die EZB hat sich zu dieser Maßnahmen entschlossen, da eine geldpolitische Lockerung durch Senkung der Leitzinsen (die bereits fast ihre Untergrenze erreicht hatten) nicht mehr im erwünschten Umfang möglich war. Ziel dieses Programms ist es, Deflationstendenzen in der Eurozone zu begegnen und durch eine weitere Lockerung der monetären und finanziellen Bedingungen darauf hinzuwirken, dass sich langfristig die Teuerungsraten wieder dem Niveau von knapp 2% annähern. Dies ist der vom EZB-Rat festgelegte Wert, bei dem definitionsgemäß Preisstabilität gewährleistet ist. Das Programm beinhaltet neben den bereits Ende 2014 aufgelegten Ankaufprogrammen für Asset- Backed Securities (ABSPP) und für gedeckte Schuldverschreibungen (CBPP3) vor allem den umfassenden Erwerb von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme : PSPP). Das PSPP ermöglichte dem Eurosystem angesichts des hohen Volumens und der Liquidität der ausstehenden Staatstitel, seine Wertpapierankäufe zu vervielfachen. Am 10. März 2016 beschloss der EZB-Rat, das Anleihekaufprogramm um Ankäufe von Unternehmensanleihen (CSPP) zu erweitern. Von März 2015 bis Dezember 2017 tätigte das Eurosystem APP-Käufe von zunächst 60 Milliarden Euro monatlich. Zwischendurch wurde das monatliche Ankaufvolumen von April 2016 bis März 2017 auf 80 Milliarden Euro erhöht. Seit 2018 beträgt das monatliche Ankaufvolumen 30 Milliarden Euro. Einzelheiten zu den monatlichen Käufen und dem Volumen der angekauften Vermögenswerte durch das Eurosystem sind im Folgenden zu sehen:2 1 Europäische Zentralbank: Pressemitteilung. EZB kündigt erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an, 22. Januar 2015, abgerufen unter : https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads /Presse/EZB_Pressemitteilungen/2015/2015_01_22_ankaufprogramm.pdf?__blob=publicationFile 2 Europäische Zentralbank, Asset purchase programmes, abgerufen unter : https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement /omt/html/index.en.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/18 Seite 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/18 Seite 5 3. Risikoteilung zwischen den nationalen Zentralbanken des Eurosystems Die einzelnen Bestandteile des APP weisen unterschiedliche Ausgestaltungen im Hinblick auf die Risikoteilung auf.3 ABSPP, CBPP3 und (seit März 2016) das Programm zum Ankauf von Unternehmensanleihen (Corporate Sector Purchase Programme: CSPP) unterliegen einer vollständigen Risikoteilung. Im Rahmen des PSPP unterliegen 20% der Ankäufe von Vermögenswerten dem Prinzip der Risikoteilung :4 Dabei handelt es sich zum einen um Ankäufe von Wertpapieren europäischer Institutionen (u.a. der Europäischen Investitionsbank EIB und des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM) – diese Wertpapiere machen 10% der zusätzlichen Ankäufe von Vermögenswerten im PSPP aus und werden von nationalen Notenbanken erworben. Zum anderen hält die EZB 10% der im PSPP angekauften nationalen Vermögenswerte. Auf Grundlage dieser Beschlüsse des EZB-Rates ergibt sich folgende Risikoteilung hinsichtlich der angekauften Vermögenswerte mit Gemeinschaftshaftung zwischen den nationalen Zentralbanken des Eurosystems (Eigene Berechnungen; Stand Januar 2018): 3 Deutsche Bundesbank, Zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der quantitativen Lockerung im Euro- Raum, Monatsbericht Juni 2016, S. 32, abgerufen unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads /Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2016/2016_06_auswirkungen.pdf?__blob=publicationFile 4 Europäische Zentralbank: Pressemitteilung. EZB kündigt erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an, 22. Januar 2015, abgerufen unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads /Presse/EZB_Pressemitteilungen/2015/2015_01_22_ankaufprogramm.pdf?__blob=publicationFile Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/18 Seite 6 NZB Kapitalschlüssel in % ABSPP (25,303 Mrd) CBPP3 (244,050 Mrd) CSPP (137,232 Mrd) PSPP (381,9336 Mrd, 20 % des Gesamtvolumens ) Summe Belgien 3,5408 0,895928624 8,64132240 4,859110656 13,523504909 27,91986659 Deutschland 25,7184 6,507526752 62,76575520 35,293874688 98,227210982 202,79436762 Estland 0,2755 0,069709765 0,67235775 0,378074160 1,052227068 2,17236874 Irland 1,6587 0,419700861 4,04805735 2,276267184 6,335132623 13,07915802 Griechenland 2,9055 0,735178665 7,09087275 3,987275760 11,097080748 22,91040792 Spanien 12,6338 3,196730414 30,83278890 17,337616416 48,252727157 99,61986289 Frankreich 20,2623 5,126969769 49,45014315 27,806359536 77,388531833 159,77200429 Italien 17,5923 4,451379669 42,93400815 24,142265136 67,190904713 138,71855767 Zypern 0,2162 0,054705086 0,52763610 0,296695584 0,825740443 1,70477721 Lettland 0,4031 0,101996393 0,98376555 0,553182192 1,539574342 3,17851848 Luxemburg 0,2901 0,073404003 0,70798905 0,398110032 1,107989374 2,28749246 Malta 0,0926 0,023430578 0,22599030 0,127076832 0,353670514 0,73016822 Niederlande 5,7211 1,447609933 13,96234455 7,851179952 21,850803190 45,11193762 Österreich 2,8053 0,709825059 6,84633465 3,849769296 10,714383281 22,12031229 Portugal 2,4913 0,630373639 6,08001765 3,418860816 9,515111777 19,64436388 Slowenien 0,4937 0,124920911 1,20487485 0,677514384 1,885606183 3,89291633 Slowakei 1,1039 0,279319817 2,69406795 1,514904048 4,216165010 8,70445683 Finnland 1,7954 0,454290062 4,38167370 2,463863328 6,857235854 14,15706294 Die Bundesbank müsste also bei einem hypothetischen Verlust der angekauften Vermögenswerte mit Gemeinschaftshaftung einen Betrag von bis zu 202,79 Mrd. Euro tragen. Die übrigen 80% der Ankäufe von Vermögenswerten durch die nationalen Notenbanken im Rahmen des PSPP unterliegen nicht der Verlustteilung. Dabei handelt es sich um öffentliche Schuldtitel (Anleihen von Zentralstaaten, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sowie Emittenten mit Förderauftrag) des Heimatstaates der jeweiligen Notenbank. Rechtlich ungeklärt ist jedoch, ob die Risikoteilung, wie sie für das PSPP-Programm beschlossen wurde (lediglich 20% der Ankäufe von Vermögenswerten unterliegen dem Prinzip der Risikoteilung ) unumstößlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens unter anderem die Frage vorgelegt, ob im EZB-Rat gemäß Art. 32.4 ESZB-Satzung abweichend vom PSPP-Beschluss bei einem Ausfall von Anleihen einer Zentralregierung und ihnen gleichgestellter Emittenten eine unbegrenzte Risikoteilung innerhalb des Eurosystems beschlossen werden könnte oder ob dies durch das EU-Primärrecht ausgeschlossen sei.5 **** 5 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 2 BvR 859/15, Rn 133-134.