© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 030/16 Gender Budgeting Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 2 Gender Budgeting Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 030/16 Abschluss der Arbeit: 11. März 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellungen 4 2. Vorbemerkungen 5 3. Anwendungsbeispiele des Gender Budgeting im Vergleich 6 3.1. Europäische Ebene 6 3.2. National zentralstaatliche Ebene 7 3.3. National gliedstaatliche Ebene sowie weitere (staatliche) Untergliederungen 9 4. Rechtlicher Rahmen des Gender Budgeting auf Bundesebene 10 5. Internationale Vorgaben zur Implementierung von Gender Budgeting? 12 6. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 4 1. Fragestellungen Der Sachstand beschäftigt sich mit dem Gender Budgeting und soll dabei nachfolgende Fragen behandeln: 1. Welche Beispiele für die Anwendung von Gender Budgeting lassen sich auf verschiedenen politischen Ebenen und im europäischen Vergleich finden? (Gliederungspunkt drei: Anwendungsbeispiele des Gender Budgeting im Vergleich) 2. Welche rechtlichen Regelungen stehen einer Anwendung von Konzepten des Gender Budgeting auf den Bundeshaushalt entgegen? (Gliederungspunkt vier: Rechtlicher Rahmen des Gender Budgeting auf Bundesebene ) 3. Gibt es internationale Verträge oder europäisches Recht, aus dem sich Verpflichtungen oder Gebote zur Anwendung von Instrumenten des Gender Budgeting im Bundeshaushalt ableiten lassen? (Gliederungspunkt fünf: Internationale Vorgaben zur Implementierung von Gender Budgeting?) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 5 2. Vorbemerkungen Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gender Budgeting in Europa wurde durch die 1995 in Peking stattfindende Weltfrauenkonferenz angestoßen, auf der Frauen aus Ländern der „3. Welt“1 die Idee der Untersuchung von Finanzströmen in öffentlichen Haushalten nach Geschlechterwirksamkeit vorstellten.2 Dabei ist „Gender Budgeting […] Teil der gleichstellungspolitischen Strategie Gender Mainstreaming. Gender Budgeting fokussiert die genderbezogene Analyse und die gleichstellungsorientierte Bewertung der Verteilung von Ressourcen. Diese sind insbesondere Geld, Zeit, bezahlte bzw. unbezahlte Arbeit. Das Ziel von Gender Budgeting ist die Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Ressourcenverteilung.“3 Bei der sich stetig entwickelnden wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurde sodann herausgearbeitet , dass sich „Gender Budgeting […] durch drei Kernmerkmale kennzeichnen [lässt]: Erstens basiert es auf der Grundannahme, dass empirische Ungleichheit zwischen Männern und Frauen nicht in erster Linie das Ergebnis souveräner Entscheidungen von Individuen oder gar tatsächlicher Geschlechterdifferenzen ist, sondern auf Benachteiligungen (vor allem) von Frauen durch gesellschaftliche Strukturen beruht. Zweitens werden Wirkungsziele formuliert und zum Beschlussobjekt im Haushalt gemacht, die in der Regel eine Annäherung an eine empirische Gleichverteilung bei bestimmten Merkmalsausprägungen beinhalten. Drittens geht es um die Durchsetzung dogmatisch definierter Gruppeninteressen. Gemäß dem zugrunde liegenden universellen Benachteiligungsparadigma soll im Wesentlichen eine selektive und parteiische Einflussnahme zugunsten von Frauen durchgesetzt werden.“4 Die Vorteile des Gender Budgeting werden darin erblickt, dass es die Transparenz öffentlicher Haushalte verbessere sowie einen effektiveren und effizienteren Einsatz von Haushaltsmitteln ermögliche, da man eine zielgruppengenaue Verwendung der Mittel vornehmen könne.5 Die Befürworter sehen insofern auch eine wirksame Strategie gegen Armut und Korruption im Rahmen internationaler Zusammenarbeit.6 Anerkannt wird insofern, dass im Haushaltsverfahren, aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen, zumeist nur ca. 10 Prozent des Finanz- und Haushaltsvolu- 1 Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 490. 2 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 125 sowie Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 490. 3 http://www.genderkompetenz.info/genderkompetenz-2003-2010/gendermainstreaming/Strategie/Genderbudgeting /definition/index.html/ 4 Bergmoser, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2012, S. 741, 747. 5 Färber, Gender Budgeting, S. 3; abrufbar unter: http://static.dashoefer.de/download/pdf/ED-GENBUD_Probe.pdf 6 Färber, Gender Budgeting, S. 3; abrufbar unter: http://static.dashoefer.de/download/pdf/ED-GENBUD_Probe.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 6 mens als unmittelbarer Bestandteil der Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen, sodass Gesetzesentscheidungen und Haushaltsverfahren beim Gender Budgeting zusammen zu denken seien.7 3. Anwendungsbeispiele des Gender Budgeting im Vergleich Beispiele für die Anwendung von Gender Budgeting finden sich national und international im europäischen Vergleich auf allen staatlichen Ebenen. Zumeist handelt es sich dabei um Pilotprojekte , die Gender Budgeting auf einzelnen Bereichen einführen und untersuchen. Allerdings wird es darüber hinaus auch bereits auf zentralstaatlicher Ebene, wie in Österreich, oder auf gliedstaatlicher Ebene, wie in Berlin und anderen Bundesländern, praktiziert und angewandt. Hauptsächlich wird Gender Budgeting jedoch vor allem auf kommunaler Ebene umgesetzt.8 3.1. Europäische Ebene Auf europäischer Ebene ist der Gedanke des Gender Budgeting früh aufgegriffen worden. So wurde 1996 im Anschluss an die Weltfrauenkonferenz eine „Richtlinie zu Gender Mainstreaming erlassen als Strategie zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in allen politischen Bereichen “9. 1999 verpflichteten sich die Mitgliedstaaten durch den Vertrag von Amsterdam zur Umsetzung von Gender Mainstreaming, was sich nicht zuletzt in der Folgenabschätzung aller Politikbereiche widerspiegelt.10 „Im Rahmen ihrer europäischen Ratspräsidentschaft richtete die belgische Regierung 2001 die High Level Conference ‚Strengthening Economic and Financial Governance Through Gender Responsive Budgeting’[11] aus. Im Schlussdokument der Konferenz, an der Repräsentanten und Repräsentantinnen der Kommission u. a. auch der ECOFIN (Wirtschaftsund Finanzrat der Europäische Kommission, ihm gehören u. a. die Finanzminister der Mitgliedstaaten an) teilnahmen, wurde das Ziel formuliert, Gender Budgeting in Europa bis zum Jahr 2015 umzusetzen.“12 Die nachlassende Vorreiterrolle der Europäischen Union wird dabei allerdings zunehmend kritisiert: 7 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 8. 8 Frey, Gender Budgeting als geschlechterpolitische Strategie, in: Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) 2/2010, S. 35, 37. 9 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 125. 10 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 125. 11 file://parlament/daten/DP_wd4-pc-02-ma01/Buero/2016-03-02%20Gender%20Budgeting/gender_report _conf_oct01%20(1).pdf 12 https://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/machbarkeitsstudie-gender-budgetingpdf ,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, S. 125. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 7 „Im Prinzip gelten Gender Budgets bereits jetzt in Verträgen und Erklärungen als anzuwendendes Instrument bei der Budgeterstellung. In der Praxis hat es bis jetzt noch keine Auswirkungen im Prozess der Budgetfindung gegeben. Die Europäische Union hat sich als Motor des Gender Budgeting verabschiedet.“13 Das Europäische Parlament forderte 2003 in einer Entschließung die Europäische Kommission sowie die Mitgliedstaaten auf, Gender Budgeting umzusetzen.14 Dabei praktiziert die Europäische Kommission Gender Budgeting bei der Verwirklichung der eigenen Politik ebenfalls. So wird bei Legislativvorschlägen, Strategiepapieren und Gemeinschaftsaktionen eine analytische Gleichstellungsprüfung vorgenommen.15 Auch wirkt die Europäische Union bei der Fördermittelvergabe auf eine geschlechterspezifische Ausweisung der Mittel hin. So wird Gender Budgeting beispielsweise in Rahmen des Europäischen-Sozialfonds des Bundes (ESF) angewendet.16 „In der EU wird der Haushaltsvorentwurf von der EU-Kommission auf der Basis ihres Strategieprogramms erstellt, das den Gender Mainstreaming-Ansatz berücksichtigt. Die Generaldirektionen der EU-Kommission sind bei den Vorschlägen für das jährliche Strategieprogramm daher dazu angehalten, Gender Mainstreaming-Aspekten Rechnung zu tragen. In den Förderprogrammen der EU (z. B. dem Europäischen Sozialfonds – ESF) ist Gender Mainstreaming strukturell verankert. Nach Artikel 6 der ESF-Verordnung Nr. 1081/2006 vom 5. Juli 2006 (Abl. L 210), die sich auf die ESF-Förderperiode 2007 bis 2013 bezieht, muss bei ESF-Förderungen sichergestellt sein, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern bei der Ausarbeitung , der Durchführung, der Begleitung und der Evaluierung der Operationellen Programme gefördert wird.“17 3.2. National zentralstaatliche Ebene In Deutschland wurde am 26.07.2000 die Förderung der Aufgabe des Gender Mainstreamings in § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) eingefügt. Dies geschah auf der Grundlage der in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG festgelegten Gleichstellung von Frauen und 13 Vgl. hierzu: Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 492 mit Verweis auf Diane Elson. 14 Entschließung des Europäischen Parlaments zu „Gender Budgeting “ – Aufstellung öffentlicher Haushalte unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten (2002/2198(INI)); P5_TA(2003)0323, abrufbar unter: http://www.europarl .europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P5-TA-2003-0323+0+DOC+PDF+V0//DE 15 Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 492. 16 BT-Drs. 17/11410, Frage 13; abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711410.pdf, S. 5. 17 Antwort der Landesregierung Baden-Württemberg auf eine Kleine Anfrage vom 08.09.2009, Frage 3, LT-Drs. 14/5073; abrufbar unter: http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen /5000/14_5073_D.pdf, S. 5f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 8 Männern.18 Darüber hinaus gab die Bundesregierung eine Machtbarkeitsstudie Gender Budgeting auf Bundesebene in Auftrag, die im März 2006 veröffentlich wurde.19 „Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde [unter anderem] am Beispiel der Bundeszentrale für politische Bildung mit einem Bereich gearbeitet, für den ein Produkthaushalt besteht. Der Produkthaushalt ist sehr gut für Analysen zur Gleichstellungswirkung geeignet, denn für die Produkte konnten in der Bundeszentrale Nutzungsgruppen geschlechterdifferenziert erhoben und gleichstellungsbezogene Wirkungsziele definiert werden. International ist die wirkungsorientierte Haushaltssteuerung Standard, innerhalb Deutschlands ist der Produkthaushalt Standard in den Kommunen, mehrere Bundesländer arbeiten ebenfalls mit Produkthaushalten . Der Bund hat für die Einführung von Produkthaushalten und Kosten-Leistungs-Rechnung Pilotverwaltungen ausgewählt. Die Forschungsgemeinschaft empfiehlt, dass Gender Budgeting bei der Einführung von Produkthaushalt und Kosten-Leistungs-Rechnung berücksichtigt wird.“20 „Der Bundeshaushalt selbst wird in einen kameralen produktorientierten Teil mit verbindlichem Charakter und in einen kameralen titelorientierten nicht verbindlichen Teil untergliedert (s. hierzu die Ausführungen des BMF zum „Feinkonzept zur Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens“ (Feinkonzept 2009)“21. Die Bundesregierung hat allerdings mehrfach darauf hingewiesen, dass Gender Budgeting nicht die geeignete Maßnahme sei, um eine Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen.22 Die Gleichstellung solle daher nicht durch den Haushaltsplan erfolgen, sondern falle in die Zuständigkeit der unterschiedlichen Ressorts, die bei der Umsetzung ihrer Aufgaben auf die Gleichstellung hinzuwirken hätten.23 Auf zentralstaatlicher Ebene haben zahlreiche Staaten im europäischen Raum erste Gender Budgeting-Ansätze aufgenommen und Studien durchgeführt. Vor allem das Bemühen Österreichs ist hervorzuheben. Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) hat an unterschiedlichen Stellen das Gender Budgeting rechtlich verankert.24 Seit 2005 wird in jedes Budgetkapitel des österreichischen Bundesvoranschlags ein Abschnitt Genderaspekte des Budgets aufgenommen .25 Auch in Frankreich, Großbritannien, Belgien, Schweden und anderen nordischen Ländern gibt es bereits erste Ansätze des Gender Budgeting. Diese reichen von einer Anlage zum Haushaltsentwurf in Frankreich (sogenannte „Jaune Budgétaire“), über ein nationales Pilotprojekt zu 18 Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 497. 19 Abrufbar unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html 20 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 141. 21 v.Lewinski/Burbat, Haushaltsgrundsätzegesetz, HGrG § 1a Rn. 29, beck-online. 22 http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/exchange_of_good_practices_at/140804_summary_report _at_2014_en.pdf, S. 12. 23 BT-Drs. 18/5100, S. 11; abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/051/1805100.pdf 24 Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 495. 25 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 128. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 9 Gender Budgeting in Belgien, bis hin zu einem Aktionsplan für Geschlechtergleichstellung des Nordischen Rates, bestehend aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden.26 Diese fünf Länder haben dabei eine Kommission gegründet, in der sie ihre Erfahrungen bei der Umsetzung von Gender Budgeting in unterschiedlichen Pilotverfahren gemeinsam auswerten und so die Implementierung von Gender Budgeting in die nationalen Haushalt vorantreiben wollen.27 Festzuhalten ist, dass Gender Budgeting in den meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein ähnliches Schattendasein führt, wie in Deutschland. Österreich hat im Gegensatz hierzu im Bundes-Verfassungsgesetz28 die Grundlage für Gender Budgeting geschaffen und dort verankert. In Deutschland handelt es sich dabei um eine bewusste Entscheidung, Gender Budgeting nicht auf Ebene des Bundeshaushalts einzuführen, sondern die Gleichstellungsaspekte in den Fachressorts zu verankern und dort umzusetzen. 3.3. National gliedstaatliche Ebene sowie weitere (staatliche) Untergliederungen In einigen deutschen Bundesländern sowie auf kommunaler Ebene29 finden sich zahlreiche Haushalte , die unter Berücksichtigung des Gender Budgeting geschlechtsspezifische Finanzströme nachverfolgen.30 Die Bundesregierung weist insofern auf die Entwicklungen in Hamburg, Rheinland -Pfalz, Sachsen-Anhalt sowie Berlin hin. In Berlin wird nicht nur auf Ebene der Bezirke, sondern auch im Rahmen des Landeshaushalts eine Untersuchung und Ausweisung vorgenommen.31 Auch wird in Berlin kontinuierlich daran gearbeitet, Gender Budgeting in die normale Haushaltspolitik zu integrieren.32 Bremen ist bemüht, Gender Budgeting zu implementieren. So wurde 2009 ein Leitfaden zum Gender Budgeting im Bereich des Zuwendungswesens herausgegeben.33 26 Siehe hierzu im Einzelnen die Darstellung in der Machbarkeitsstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren , Frauen und Jugend, abrufbar unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste ,did=101104.html, S. 129ff. sowie Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 493f. 27 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 130f. 28 Siehe Art. 51 Abs. 8 B-VG, abrufbar unter: https://www.jusline.at/51_B-VG.html 29 Eine ausführliche Übersicht über Gender Budgeting in den Bundesländern aus April/Mai 2014 findet sich unter: http://www.gender.de/cms-gender/wp-content/uploads/20140516_genderbuero_GB_D.pdf 30 Siehe hierzu auch die Darstellung der Bundesregierung, unter: http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/18/051/1805100.pdf, S. 11. 31 Vgl. hierzu: https://www.berlin.de/sen/frauen/gleichstellung/gender-budgeting/ sowie die Untersuchung https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/beauftragte/gleichstellung/mdb-teil_16_bezirkswettbewerb _f__r_gender_budgeting_verfahren_im_haushaltsjahr_2013_form.pdf 32 http://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/gender-budgeting/artikel.11915.php 33 https://www.bremen.de/fastmedia/36/Leitfaden_Zuwendungswesen.pdf; Siehe zu den Ergebnissen auch die Antworten des Senats auf eine Kleine Anfrage, Drs. 18/920, abrufbar unter: http://www.bremische-buergerschaft .de/drs_abo/Drs-18-920_21d.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 10 2013 legte der Bremer Senat der Bürgerschaft (Landtag) den „4. Fortschrittsbericht zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Bremischen Verwaltung“34 vor, in dem der Senat über die Umsetzung des Gender Budgeting in der Verwaltung berichtet. Im Bereich der Hochschulhaushalte wurden vereinzelt Untersuchungen der Anwendung des Gender Budgeting vorgenommen.35 Dabei wurde durch „das transnationale EU-Projekt ‚Gender Budgeting as an Instrument for Managing Scientific Organisations to Promote Equal Opportunities for Women and Men – With the Example for Universities‘“36 untersucht, wie Gender Budgeting als wichtiger Bestandteil des Budgetgeschehens in wissenschaftlichen Organisationen verankert werden kann. 4. Rechtlicher Rahmen des Gender Budgeting auf Bundesebene Nach Art. 109 Abs. 4 GG können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf , für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden. Diese gemeinsam geltenden Grundsätze wurden durch das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) aufgestellt. Sowohl die Bundeshaushaltsordnung als auch die Haushaltsordnungen der Länder müssen diese gemeinsamen Grundsätze beachten. „Der Gedanke des „Gender Budgeting“ als finanzwirtschaftlicher Ast des Gender Mainstreaming, der die Auswirkung von Haushaltsentscheidungen auf die Geschlechter untersucht […], hat bislang keinen Niederschlag im Haushaltsrecht gefunden.“37 Die Bundesregierung weist darauf hin, dass das kameralistische Haushaltssystem, das dem Grundgesetz zugrunde liegt, einer umfassenden Überarbeitung bedürfe, um eine Einführung von Gender Budgeting zu ermöglichen.38 Aufgrund der Tatsache, dass eine grundlegende Novellierung des Haushaltssystems auf große Hindernisse bei der Umsetzung stoße, handele es sich nach Ansicht der Bundesregierung um einen langwierigen Prozess. Dabei seien aber aufgrund des § 2 GGO durch die Bundesministerien bei der Ausgabenpolitik Gender Mainstream- Aspekte durchweg zu beachten.39 Zur Einführung von Gender Budgeting und den rechtlichen und tatsächlichen Hürden stellte die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung „Kombinierter siebter und achter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)“ insofern fest: 34 Abrufbar unter: https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2013-11-20_Drs-18-1155_6b2f1.pdf 35 Andrea Rothe, Gender Budgeting an Universitäten, in: Feministische Studien 2007, S. 289ff. 36 Andrea Rothe, Gender Budgeting an Universitäten, in: Feministische Studien 2007, S. 289. 37 v.Lewinski/Burbat, Haushaltsgrundsätzegesetz, HGrG § 6 Rn. 9, beck-online. 38 Unterrichtung der Bundesregierung, Kombinierter siebter und achter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CE- DAW), BT-Drs. 18/5100, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/051/1805100.pdf, S. 11. 39 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/051/1805100.pdf, S. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 11 „Deutschland hat ein kameralistisches Haushaltssystem, welches systematisch nicht ohne eine grundlegende Novellierung mit der Funktionsweise von Gender Budgeting in Einklang zu bringen ist. Eine Neuausrichtung des Haushaltssystems mit einem vorsichtigen Verlassen der Kameralistik ist auf Bundes- aber auch auf Länder- und kommunaler Ebene, bis auf wenige Ausnahmen, auf große Hindernisse gestoßen. Es erweist sich als ein ausgesprochen langwieriger Prozess, nicht zuletzt, weil die erprobten und bewährten Erfolge der kameralistischen Haushaltsführung und damit der wirtschaftlichen Stabilität der öffentlichen Haushalte nicht gefährdet werden sollen. Alle Bundesbehörden haben aber ungeachtet dessen die Verpflichtung zum Gender Mainstreaming nach § 2 GGO auch bei ihrer Ausgabenpolitik zu beachten . Aufgrund dieses querschnittlichen Ansatzes sind in vielen Haushaltstiteln der Bundesregierung auch Mittel für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung von Frauen enthalten. Da die Mittel in den verschiedenen Titeln unter anderen Themen enthalten sind, ist es nicht möglich, den Anteil am nationalen Haushalt, der ausschließlich für gleichstellungspolitische Zwecke verwendet wird, auszuweisen.“40 Die Machbarkeitsstudie „Gender Budgeting auf Bundesebene“ kommt insofern zu dem Ergebnis, dass es sich eher um ein Akzeptanzproblem handele, sodass eine ausdrückliche rechtliche Regelung geboten sei. Sie stellt insofern fest: „§ 2 [GGO] bestimmt die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern zum Leitprinzip bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen. § 45 Abs. 1 i. V. m. Anlage 8 Nr. 9 GGO schreibt die Beteiligung des BMFSFJ zu der Frage vor, ob durch das Gesetz bzw. die RVO Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung zu erwarten sind. Nach § 43 Nr. 5 GGO sind in der Begründung die Gesetzesfolgen (§ 44 Abs. 1 GGO) darzustellen . Diese beabsichtigten oder unbeabsichtigten Auswirkungen einer Regelung sind – auch hinsichtlich ihrer gleichstellungspolitischen Bedeutung – zu analysieren und in der Begründung darzustellen. § 42 Abs. 5 GGO verpflichtet, die Gleichstellung sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Den konkretesten Ansatzpunkt bietet die Gesetzesfolgenabschätzung in Ausführung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Dies erscheint als zu schwaches rechtliches und politisches Instrument, um eine Umsetzung von Gender Budgeting bei der Haushaltsaufstellung durchzusetzen, auch weil die Bundesregierung seit der Verankerung dieser Aspekte in der GGO gewechselt hat. Dies führt, das konnte im Rahmen der Machbarkeitsstudie festgestellt werden, zu erheblichen Akzeptanzproblemen für Gender Budgeting in der Verwaltung. Daher ist eine explizite rechtliche und politische Verankerung von Gender Budgeting geboten.“41 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass Gender Budgeting im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung bereits verankert ist. Für eine Implementierung des Instrumentes in den Bundeshaushalt , sofern angestrebt, empfiehlt sich eine explizite Regelung im Haushaltsgrundsätzegesetz bzw. 40 Unterrichtung der Bundesregierung, Kombinierter siebter und achter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CE- DAW), BT-Drs. 18/5100, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/051/1805100.pdf, S. 11. 41 http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=101104.html, S. 25f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 030/16 Seite 12 in der Bundeshaushaltsordnung. Darüber hinaus werden Gender Mainstreaming Gesichtspunkte bereits in den einzelnen Fachressorts berücksichtigt. 5. Internationale Vorgaben zur Implementierung von Gender Budgeting? Es gibt unionsrechtlich keine rechtliche Verpflichtung Gender Budgeting im Bundeshaushalt zu implementieren.42 Einige Vertreter sehen „die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung von Gender Budgeting [in dem…] Amsterdamer Vertrag, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat, geschaffen . In ihm wurden die Verpflichtungen zur Umsetzung einer effektiven Gleichstellungspolitik im Sinne des Gender Mainstreaming festgeschrieben. Durch Art. 2 und Art. 3 Abs. 2 dieses EU- Vertrages verpflichten sich die Mitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik im Sinne des Gender Mainstreaming. […] Des Weiteren hat das Europäische Parlament schon im Jahr 2002 eine Entschließung verabschiedet, in der gefordert wird, Haushalte unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten zu erlassen. Darüber hinaus wurde die Kommission ersucht, innerhalb von zwei Jahren eine Mitteilung auszuarbeiten, die Indikatoren und Vergleiche zur Berücksichtigung von Gender Budgeting aufstellt.“43 Eine rechtliche Verpflichtung zur Einführung in den Bundeshaushalt ergibt sich hieraus jedoch nicht. Gender Mainstream wird nicht zuletzt bereits durch die Aufgabenverwirklichung in den einzelnen Bereichen sowie bei der Gesetzesfolgenabschätzung berücksichtigt.44 6. Fazit Insgesamt ist damit festzuhalten, dass Gender Budgeting bisher keinen direkten Niederschlag im Bundeshaushaltsrecht gefunden hat. Einige Bundesländer, wie Berlin und Bremen, nehmen teilweise die Finanzströme im Rahmen einer Geschlechterwirksamkeit vor. Weit verbreitet ist dies hingegen in den kommunalen Haushalten. Rechtliche Verpflichtungen zur Implementierung in den Bundeshaushalt gibt es hingegen grundsätzlich nicht. - Ende der Bearbeitung - 42 Antwort der Landesregierung Baden-Württemberg auf eine Kleine Anfrage vom 08.09.2009, Frage 3, LT-Drs. 14/5073; abrufbar unter: http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen /5000/14_5073_D.pdf, S. 4. 43 Rudolf, Gender Budgeting – Chance oder Pleite?, in: Zeitschrift für Politikberatung (ZPB) 2008, S. 488, 490f. 44 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/051/1805100.pdf, S. 11.