© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 029/19 Wiederbelebung der Vermögensteuer durch geplante Grundsteuerreform? Zur Frage, ob eine mögliche Reform der Grundsteuer das einst für verfassungswidrig erklärte, aber noch immer existente Vermögensteuergesetz wieder zur Anwendung bringt Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Erhebung der Vermögenssteuer in der Vergangenheit 4 2.2. Vermögensteuerbeschluss des BVerfG und anschließende Praxis 5 2.3. Grundsteuerreform – Anlass und aktueller Gesetzesentwurf 6 3. Auswirkungen der geplanten Grundsteuerreform auf die Vermögensteuer 8 3.1. Wortlauthindernis für Erhebung der Vermögensteuer im GrStRG-E 8 3.2. Anwendungshindernis wegen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG 9 4. Zusammenfassung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt ist nach den Konsequenzen der geplanten Grundsteuerreform und der damit einhergehenden Neubewertung von Immobilien für die Vermögenssteuer, insbesondere danach, ob jetzt eine Wiedererhebung der Vermögensteuer möglich bzw. sogar obligatorisch wird. 2. Rechtliche Grundlagen – Ausgangssituation und geplante Grundsteuerreform Um die Frage zu beantworten, sind zunächst die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. historischen Hintergründe aufzuzeigen. Im Folgenden wird daher zunächst das System der bis Ende 1996 erhobenen Vermögensteuer aufgezeigt (2.1), bevor die Entscheidung 2 BvL 37/911 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22.06.1995 (im Folgenden Vermögensteuerbeschluss des BVerfG) dargestellt wird, welche die Erhebung der Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärte (2.2). Anschließend wird die aktuell geplante Grundsteuerreform mittels des Grundsteuerreformgesetzes in der Entwurfsfassung (GrStRG-E; Drs. 19/110852) des Bundesministerium der Finanzen (BMF) dargestellt (2.3). 2.1. Erhebung der Vermögenssteuer in der Vergangenheit Die Erhebung der Vermögensteuer richtete sich nach dem Vermögensteuergesetz (VStG) in seiner Fassung vom 14.11.1990, welches formell noch immer in Kraft ist, gemäß Vermögensteuerbeschluss des BVerfG aber seit 1997 nicht mehr angewendet wird. Das Vermögen von unbeschränkt Steuerpflichtigen unterlag danach der Vermögensteuer. Die Höhe der Vermögensteuer bestimmte sich nach § 10 VStG und lag für natürliche Personen im Regelfall zuletzt bei 1%. Das zu besteuernde Vermögen war gemäß § 9 VStG das Gesamtvermögen nach Abzug aller Freibeträge. Das Gesamtvermögen war zu ermitteln nach den §§ 114-120 Bewertungsgesetz (BewG) in seiner Fassung vom 1.2.19913. Es setzte sich danach aus Grundvermögen, Betriebsvermögen und sonstigem Vermögen zusammen. Für alle wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der verschiedenen Einkommensarten waren verschiedene Wertfeststellungsverfahren vorgesehen, die auch in der aktuell gültigen Fassung des heutigen BewG im Wesentlichen noch greifen.4 Nach Anwendung dieser Ermittlungsverfahren auf die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten, wurden diese Werte addiert und dann als Gesamtvermögen dem einheitlichen Vermögensteuersatz zugrunde gelegt. Die Anknüpfung zur Ermittlung der einzelnen Werte geht dabei auseinander. So wurde teilweise der 1 Abgedruckt in NJW 1995, 2615 ff. 2 Im Internet: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). 3 BGBl. I ,230, im Internet: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/text.xav?SID=&tf=xaver.component .Text_0&tocf=&qmf=&hlf=xaver.component.Hitlist _0&bk=bgbl&start=%2F%2F*%5B%40node_id%3D%27376597%27%5D&skin=pdf&tlevel=-2&nohist=1 (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). 4 Das VStG verweist zwar nicht auf eine bestimmte Fassung des BewG. Formell gesehen verweist es mithin immer auf die aktuelle Fassung des BewG. Die §§ 110-120 BewG sind allerdings mit Anwendung zum 1.1.1997, also zum Ende der Erhebung der Vermögensteuer, entfallen, siehe Fußnote zu §§ 110-120 BewG. Außerdem wurde die Vermögensteuer nur bis 1996 erhoben, so dass für eine Darstellung der ursprünglichen Erhebung auch auf die bis dahin geltende Fassung des BewG in den Blick zu nehmen ist. Für die Darstellung der Systematik der Erhebung der Vermögensteuer wird daher auf die alten Regelungen Bezug genommen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 5 Verkehrswert bewertet, so etwa bei Forderungen, die zu Ihrem Nennwert in das Gesamtvermögen einbezogen wurden. Bei Grundstücken hingegen kam ein differenziertes Verfahren zum Tragen. Es galt zu unterscheiden zwischen dem Ertragswertverfahren und dem Sachwertverfahren. Grundstücke, die laufend Erträge generieren, wie Mietgrundstücke wurden nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Dazu wurde die Jahresrohmiete mit einem Vervielfältiger multipliziert, § 78 BewG a.F. Die Jahresrohmiete wiederum ist der Mietertrag eines Jahres bezogen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt, also nach dem Stand vom 1.1.1964. Grundstücke, die nicht laufend Erträge generieren, wie bspw. Industriegrundstücke, die durch die Eigentümer selbst genutzt werden , wurden hingegen nach dem Sachwertverfahren bewertet. Danach wird aus Bodenwert, Gebäudewert und Wert der Außenanlagen ein Gesamtwert ermittelt, der über die Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert herangeführt werden soll. Grundlage für den Gebäudewert sind dabei die Baukosten nach dem Stand aus dem Jahre 1958. Dieser Wert war dann wiederum auf die Verhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunkts (1.1.1964) umzurechnen. 2.2. Vermögensteuerbeschluss des BVerfG und anschließende Praxis Mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Zustandes befasste sich das BVerfG in seinem Vermögensteuerbeschluss vom 22.06.1995. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Erhebung der Vermögensteuer nach dem beschriebenen System nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Es tenorierte wie folgt: ,,§ 10 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes […] ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepasst worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfasste Vermögen mit demselben Steuersatz belastet. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. 12. 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar.” Dieser in Gesetzeskraft erwachsene Tenor wurde durch das BVerfG wie folgt begründet: „Innerhalb der Gesamtregelung der Besteuerung des Vermögens ist § 10 Nr. 1 VStG insofern mit dem Grundgesetz unvereinbar, als er das zu Gegenwartswerten erfaßte Vermögen mit demselben Steuersatz wie den Grundbesitz belastet, obwohl dessen Bewertung entgegen dem gesetzlichen Konzept gegenwartsnaher Bewertung seit 1964/74 nicht mehr der Wertentwicklung angepaßt worden ist.“ Das bemängelte Problem lag also in den verschiedenen Bewertungssystemen der einzelnen wirtschaftlichen Einheiten, die das Gesamtvermögen ausmachten und somit trotz der unterschiedlichen Bewertung einheitlich besteuert wurden. Dies führt, je nach Strukturierung des Vermögens zu einer Ungleichbehandlung. Dazu das BVerfG: „Bestimmt der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz , so kann eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Bemessungsgrundlage muß deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden […]. Haben sich die steuererheblichen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 6 Werte für bestimmte Gruppen wirtschaftlicher Einheiten deutlich auseinanderentwickelt, so darf das der Gesetzgeber nicht auf sich beruhen lassen […]. § 10 VStG ist mit Artikel 3 Absatz I GG unvereinbar. Die Vermögensteuer belastet einheitswertgebundenes Vermögen und nicht einheitswertgebundenes Vermögen unterschiedlich. Diese Belastungsunterschiede lassen sich weder aus den in der Vermögensteuer angelegten oder möglichen Differenzierungen […] rechtfertigen noch verfassungsgemäß allein dadurch ausräumen, daß das einheitswertgebundene Vermögen nunmehr zu Verkehrswerten belastet würde. […] Wenn deshalb - unter Zugrundelegung dieser Konzeption des Gesetzes - der Wert eines Grundstücks grundsätzlich, wie es eine Sollertragsteuer nahelegt, im Ertragswertverfahren (§ 87,§ 78ff. BewG) ermittelt, Kapitalvermögen hingegen, soweit es als “sonstiges Vermögen” (§ 110ff. BewG) erfaßt wird, in der Regel zum Verkehrswert bewertet wird, wenn das für die Bewertung von Grundstücken als Regel geltende Ertragswertverfahren Ausnahmen erfährt und unbebaute, nicht landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (vgl. § 72f., 9 BewG) und besondere, im Sachwertverfahren bewertete bebaute Grundstücke (§ 76 § 76 Absatz II, § 83, § 90 § 90 Absatz I BewG) in Orientierung am gemeinen Wert bewertet werden, so müssen diese Bewertungsmethoden die wirtschaftlichen Einheiten in einem gemeinsamen Annäherungswert erfassen, der eine Anwendung desselben Steuersatzes erlaubt […]“ Das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass diese Ungleichbehandlung auch nicht zu rechtfertigen sei und ordnete mithin folgende Rechtsfolge an: „Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz führt zu einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung, weil die Gleichheitswidrigkeit nicht zu bestimmten Folgerungen zwingt, der Gesetzgeber vielmehr mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen […]. Die Erfordernisse verläßlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung rechtfertigen es, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden. […] Um eine stetige Veranlagung der Vermögensteuer zu gewährleisten, darf das bisher geltende Recht auch bis zum 31.12.1996 weiterhin angewendet werden. Entschließt sich der Gesetzgeber zur Neuregelung der Vermögensteuer, so kann er im Rahmen einer dann gegebenenfalls durchzuführenden Neubewertung der vermögensteuerlichen Bemessungsgrundlage für deren Dauer - längstens für fünf Jahre seit der Verkündung des Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer - Übergangsregelungen treffen, die die vermögensteuerliche Belastung an die dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäbe annähern; die Übergangsregelungen dürfen eine teilweise Fortgeltung der bisherigen Vorschriften anordnen.“ Zu einer solchen Reform ist es im Anschluss an die Entscheidung nicht gekommen. Allerdings ist das VStG im Anschluss nie abgeschafft worden und ist somit formell noch in Kraft. 2.3. Grundsteuerreform – Anlass und aktueller Gesetzesentwurf Das Bewertungsgesetz war und ist auch Bezugspunkt für die Grundsteuer, die bis heute erhoben wird. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 7 Am 10.04.2018 entschied das BVerfG mit seinem Urteil 1 BvL 11/145 (Grundsteuer-Urteil), dass (auch) die aktuelle Erhebung der Grundsteuer auf Grundlage von Grundsteuergesetz (GrStG) und Bewertungsgesetz verfassungswidrig ist. Die Erhebung auf der Grundlage völlig veralteter Einheitswerte aus dem BewG führe zu einer unangemessenen, nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung 6 der Steuerschuldner.7 Das Gericht gab dem Gesetzgeber daher auf, bis zum 31.12.2019 eine Neufassung zu verabschieden.8 Ab diesem Zeitpunkt können die alten Regeln dann noch für fünf weitere Jahre angewandt werden, um in der Zwischenzeit die Umsetzung der neuen Gesetzesfassung vorzubereiten.9 Anders als nach dem Vermögensteuerbeschluss, erachtet die Politik die Erhebung der Grundsteuer als wichtigen Grundstein der Finanzierung der Kommunen und will daher den Fortbestand dieser Einnahmen absichern. Dies findet sich auch im Gesetzesentwurf der Bundesregierung ausdrücklich wieder.10 In dem Entwurf sind eine vollständige Neufassung des GrStG sowie eine umfangreiche Anpassung des BewG vorgesehen. Es soll sichergestellt werden, dass sich am wertbezogenen Bewertungssystem dem Grunde nach nichts verändert, die maßgeblichen Bezugswerte künftig aber der Gegenwart entsprechen und simpler zu berechnen sind.11 Dazu sollen auf Dauer die alten Bewertungsvorschriften (Einheitsbewertung) wegfallen, wobei ein vollständig reformierter „Siebenter Abschnitt, Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1. Januar 2022“ eingeführt werden soll, der das bisherige System nach einer Übergangszeit paralleler Anwendung ersetzt.12 Der neue Abschnitt sieht in Teil A umfangreiche Bewertungsmechanismen für Grundstücke vor, die an das Ertragswert- und das Sachwertverfahren nach altem Schema angelehnt sind, aber durch 5 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14. 6 Damit weist die aktuelle Entscheidung Parallelen und Unterschiede zum Vermögensteuerbeschluss auf. In beiden Fällen führt der Bezug zu den Hauptfeststellungszeitpunkten zu einer Ungleichbehandlung. Im Zuge der Grundsteuer aber, weil die Wertverhältnisse sich seitdem unterschiedlich entwickelt haben und somit ein verzerrtes Bild entstand. Die Ungleichbehandlung bei der Vermögensteuer hingegen resultiert aus dem Verhältnis der unterschiedlichen Vermögensteile, die zwar einheitlich besteuert, aber eben uneinheitlich – teilweise gegenwartsorientiert , teilweise vergangenheitsorientiert – bewertet wurden. 7 Vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – dritter Leitsatz. 8 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – Entscheidungsformel 2. 9 Vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 – Entscheidungsformel 2. 10 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung, S. 77 ff.; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). 11 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung, S. 81 f.; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). 12 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung, S. 89; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 8 eine erhöhte Automatisierung in der Erfassung vereinfacht werden sollen; Teil B betrifft die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes.13 Nach den §§ 219 ff. des geplanten neuen BewG sollen die maßgeblichen Grundstückswerte künftig anhand aktualisierter Verfahren im Rahmen einer Hauptfeststellung ermittelt werden, die sich in einem siebenjährigen Turnus wiederholt.14 Die angedachte Reform beinhaltet damit eine erhebliche Anpassung des BewG, die zwar den Kern der Wertbestimmung bestehen lässt, aber das System im Einzelnen doch erheblich modifiziert und dabei sehr spezifisch und ausdrücklich nur auf die Grundsteuer abstellt. 3. Auswirkungen der geplanten Grundsteuerreform auf die Vermögensteuer Die früher erhobene Vermögensteuer und die jetzige geplante Reform der Grundsteuer haben einen gemeinsamen Bezugspunkt, nämlich das Bewertungsgesetz. Die Bewertung von Immobilien sorgte dafür, dass sowohl die Vermögensteuer als auch die Grundsteuer vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurden. Da der GrStRG-E dieses Problem nun für die Grundsteuer adressiert, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Vermögensteuer, da der Vermögensteuerbeschluss und das Grundsteuerurteil durchaus einen gemeinsamen Nenner haben und das Problem jetzt beseitigt werden soll. Jedoch kommt eine Anwendung des VStG schon davon unabhängig nicht in Betracht. So lässt zum einen der geplante Gesetzesentwurf eine Anwendung nicht zu (3.1), zum anderen bliebe die Gesetzeslage de lege ferenda jedenfalls aus Bestimmtheitsaspekten verfassungswidrig (3.2). 3.1. Wortlauthindernis für Erhebung der Vermögensteuer im GrStRG-E Tatsächliche Auswirkungen auf das VStG hätte die Reform, wenn Sie dazu führen würde, dass dieses wieder Anwendung finden könnte. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Neuregelungen des BewG jetzt den Reformstandards entsprechen würden, die das BVerfG im Vermögensteuerbeschluss angemahnt hatte und jetzt ein in seiner Gesamtheit anwendbares, in sich schlüssiges Gesetzespaket aus altem VStG und neuem BewG entstehen würde. Dies erscheint zunächst sogar möglich, auch wenn die Reform der Grundsteuer keinen expliziten Bezug auf eine Reform der Vermögensteuer nimmt. Zwar erwuchs der Tenor des Vermögensteuerbeschlusses in Rechtskraft, vgl. § 31 BVerfGG. Zu einer ausdrücklichen Reform der Vermögensteuer kam es jedenfalls nicht. Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung des BVerfG, dass die mit der Rechtskraft einhergehende Bindungswirkung aufgehoben werden kann, wenn neue Tatsachen oder Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine von der früheren Erkenntnis 13 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung, S. 89; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). 14 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung Art. 1, §§ 219 ff., S. 90 f.; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 9 des Bundesverfassungsgerichts abweichende Entscheidung zu ermöglichen.15 Ein neues BewG wäre sicherlich ein Umstand in diesem Sinne, so dass der Vermögensteuerbeschluss des BVerfG der Wiedererhebung technisch nicht mehr entgegenstünde. Indes ist diese Möglichkeit schon aus Formulierungsgründen ausgeschlossen, legt man den aktuellen GrStRG-E zugrunde. Aufgrund der neuen Gesetzeslage und mit der Vermögensteuer einhergehenden Unklarheiten, wären die Normen des VStG im Zusammenhang mit den neuen Vorschriften des BewG auszulegen, hinsichtlich der Frage, ob sich aus dem neuen status quo ein Anwendungsbefehl für die Erhebung der Vermögensteuer ergibt. Schon der Wortlaut und auch die Historie des GrStRG-E ersticken diese Möglichkeit im Keim. Denn das neu einzuführende Kapitel im BewG sieht bereits in der Überschrift vor, dass es um die Bewertung von Grundbesitz für die Grundsteuer geht. Begründung für die Einführung der Neuregelungen ist einzig und allein die Umsetzung des Grundsteuer-Urteils des BVerfG und die Absicherung der Erträge der Grundsteuer für die Kommunen in der Zukunft.16 Ist aber die Vermögensteuer nicht mit einem Wort im Entwurf erwähnt und besteht völlige Einigkeit darüber, dass die Vermögensteuer aktuell nicht erhoben wird und ihrer bisherigen Form unvereinbar mit der Verfassung ist und ist die Diskussion um Vermögensteuer als generell kontroverses und reformbedürftiges Thema anerkannt, so kann nur der zwingende Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber der GrStRG-E nichts an der aktuellen Lage zur Vermögensteuer ändern will. Will man also die Wirkung des neuen Bewertungsgesetzes für das VStG analysieren, so ergäbe eine Auslegung nach historischer Komponente, wie auch nach Wortlaut und Telos, dass die Neuregelungen allein für die Erhebung der Grundsteuer Relevanz entfalten können. Der vom BVerfG festgestellte Reformbedarf für die Vermögensteuer ist damit nicht umgesetzt. Selbst wenn die Neuerungen auch Aspekte betreffen, die einst vom BVerfG kritisiert wurden, so verbietet sich eine Anwendung der neuen Regeln auf die Vermögensteuer. Alles andere würde dem klaren Wortlaut des GrStRG-E widersprechen. 3.2. Anwendungshindernis wegen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer durch die Grundsteuerreform verbietet sich außerdem aus einem anderen Grund. Das System der Vermögensteuererhebung ist von Verweisen und Bezügen zum BewG geprägt, die mittlerweile nicht mehr aufgehen, so dass de lege ferenda eine Situation gegeben wäre, die nicht mehr mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zu vereinbaren wäre. 15 BeckOK BVerfGG/von Ungern-Sternberg BVerfGG § 31 Rn. 23; siehe dazu bspw. BVerfGE 78, 48 (08.03.1988 - 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86). 16 Drs. 19/11085 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts – Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), Begründung, S. 77; im Internet: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/110/1911085.pdf (zuletzt abgerufen am 19.07.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 10 Das Bestimmtheitsgebot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert, verlangt, dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaße für den Bürger voraussehbar und berechenbar ist, sowie dass eine Gerichtskontrolle ermöglicht wird.17 Dies kann insbesondere bei komplexeren Verweisungen in Frage gestellt werden. Solche sind im Grundsatz natürlich zulässig. Allerdings dürfen Verweisungen, vor allem bei der Ermächtigung zu schwerwiegenden Grundrechtseingriffen nicht so zahlreich, tiefgestaffelt und regelungstechnisch unübersichtlich sein, dass sie ein hohes Fehlerrisiko bei der Rechtsanwendung begründen.18 Dieser Maßstab erhält im Rahmen der Steuergesetzgebung besondere Bedeutung, da das Steuerrecht mit intensiven Belastungen für den Einzelnen einhergeht. Dies gilt für eine Vermögensteuer umso mehr, da sie – je nach Ausgestaltung – zu einer Steuerkumulation führt und eine Abgabe auf bereits versteuertes Vermögen darstellt.19 Daher ist ein hohes Maß an Normenklarheit und -nachvollziehbarkeit zu fordern; wenn auch die Komplexität der Regelungsmaterie selbst und die damit notwendigerweise verbundene komplexe Regelungstechnik zu beachten ist. Diese Maßstäbe würden aber mit der aktuellen Fassung des VStG und dem geplanten BewG nicht mehr gewahrt. Denn die Normen aus dem BewG, auf die §§ 9, 10 VStG als Kern der Steuerpflicht verweisen, sind teilweise schon jetzt, spätestens aber mit der geplanten Grundsteuerreform komplett aus dem BewG gestrichen.20 Die Verweise funktionieren somit jedenfalls technisch nicht mehr. Würden die damals in Bezug genommenen Normen lediglich erkennbar an andere Stelle versetzt, so ließe sich argumentieren, es sei klar, welche Normen mit dem Verweis gemeint sind. Dies ist indes nicht mehr möglich, da das BewG sich weiterentwickelte, während das VStG nicht mehr angepasst worden ist. Versucht man also die Verweise auszuführen, so entstehen diverse offene Fragen21, die für den Erhebungstatbestand eine Rolle spielen. Dies resultiert zum einen aus Streichungen im BewG, die eine Lücke hinterlassen, die nicht ohne weiteres einfach hingenommen werden kann. So ist es beispielsweise fraglich, wie das Gesamtvermögen zu bestimmen ist, auf das sich der Steuersatz bezieht, wenn etwa durch die Streichung des § 118 BewG a.F. vom 1.2.1991, nicht mehr klar ist, wie sich Schulden auf die Berechnung auswirken. Selbst Steuerjuristen würden kaum eine einheitliche Beurteilung zur Funktionsweise der Verweistechnik abgeben können. Insbesondere wäre es kaum möglich, die konkreten Änderungsnotwendigkeiten bei 17 BVerfGE 110, 33 (53 ff.) = NJW 2004, 2213 18 Maunz/Dürig/Grzeszick GG Art. 20 VII. Rn. 54. 19 Vgl. Musil, DStR 2017, 1903, 1907. 20 So bspw. §§ 114-120 BewG a.F., siehe Fn. Zu §§ 110-120 BewG. 21 Neben den ganz offensichtlichen Fragen (Umgang mit vorhandenen Lücken) stellen sich weiter Fragen im Kontext der zwingenden Rechtsfortentwicklung. So ist das Steuerrecht durch den Einzug des Europarechts in das deutsche Rechtssystem mehrfach umfassend reformiert worden (begonnen mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG)) und befindet sich in einem stetigen Entwicklungsprozess. Dabei wurden und werden Standards implementiert, denen das deutsche Steuerrecht gerecht werden muss. Ob dies bei einem veralteten Gesetz denkbar ist, scheint hoch fraglich. Auch dieser Umstand führt jedenfalls zu Unsicherheit. Ebenso sind Veränderungen im Kapitalmarktrecht und weitere maßgebliche Themenkomplexe unberücksichtigt geblieben. Es bestünden damit diverse Fragen zur Vereinbarkeit mit Grundgesetz und Europarecht, die ihrerseits auch wieder einer Absehbarkeit des Gesetzes für den Bürger entgegenstehen und auch für sich genommen ggf. zur Verfassungswidrigkeit des VStG führen können. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 029/19 Seite 11 den auftretenden Gesetzeslücken zu benennen und die sich hieraus ergebenden Veränderungsbedarfe im BewG mit ihren Auswirkungen auf die Vermögensteuer darzustellen. Ein solcher Zustand wäre hoch fehleranfällig. Genau dieses Risiko der fehlerhaften Rechtsanwendung ist aber nicht mit dem intensiven Grundrechtseingriff durch eine Vermögensteuererhebung vereinbar. Ohne Anpassung des Vermögensteuergesetzes wäre eine Grundsteuererhebung wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig. Auch aus diesem Grund verbietet sich eine Anwendung des veralteten VStG im Zusammenspiel mit der geplanten Neufassung des BewG. 4. Zusammenfassung Die Grundsteuerreform führt nicht zu einer unmittelbaren Wiederbelebung der Vermögensteuer. Jedoch weist das damals durch das BVerfG festgestellte Kernproblem der Vermögensteuer eine Sachnähe zur Ungleichbehandlung durch die Grundsteuererhebung auf, die jetzt reformiert werden soll. Allerdings betrifft die damals problematisierte Frage heute nur noch einen Teilaspekt der Diskussion . Durch die vergangene Zeit und die ausschließlich auf die Grundsteuer ausgerichteten Reformbemühungen kommt eine Wiederbelebung der Vermögensteuer durch die geplante Grundsteuerreform nicht in Betracht. ***