© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 028/20 Besondere Gebührenverordnung BMI (BMIBGebV) Finanzierung der Bundespolizei durch Gebühren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Unter welchen Umständen kann die Bundespolizei Gebühren erheben, wenn sie nicht im eigenen Zuständigkeitsbereich, sondern bei einem über Amtshilfe angeforderten Einsatz im Auftrag eines Landes tätig wird? Kann sie die Gebühren dann ggf. gegenüber dem Land geltend machen; inwiefern setzt dies voraus, dass das Land eine vergleichbare Gebührenordnung hat? 6 5. Was sind weitere juristische Bedenken gegen einzelne Bestimmungen der Gebührenordnung, bzw. welche rechtlichen Anforderungen sind für eine rechtmäßige Umsetzung zu erfüllen? 7 5.1. Grundrechtseinschränkung 7 5.2. Inanspruchnahme von Nichtstörern 9 5.3. Kostenhöhe 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 4 1. Einleitung Am 1. Oktober 2019 trat die Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums des Innern , für Bau und Heimat für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich (Besondere Gebührenverordnung BMI - BMIBGebV) in Kraft, welche etwa 200 Gebühren- und Auslagentatbestände im Zuständigkeitsbereich des BMI in einer einzigen Gebührenverordnung konzentriert. Infolgedessen wurden im Zusammenhang mit der Gebührenerhebung für Einsätze der Bundespolizei vier Rückfragen gestellt, die im Folgenden beantwortet werden sollen. 2. Inwieweit ist die doppelte Finanzierung von Leistungen der Bundespolizei durch Steuern und Gebühren rechtmäßig? Dem Staat steht für dessen Finanzierung neben der Möglichkeit, sich selbst erwerbswirtschaftlich zu betätigen, die Möglichkeit zu, Steuern und sonstige öffentliche Abgaben zu erheben.1 Bei öffentlichen Abgaben handelt es sich um hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten, welche in Steuern, Vorzugslasten – insbesondere Gebühren -, Sonderabgaben und sonstige Abgaben unterteilt werden.2 Bei Steuern und Gebühren handelt es sich somit um zwei voneinander abgrenzbare Abgabearten. Beide Begriffe wurden gesetzlich definiert. 2.1. Öffentlich-rechtliche Gebühr Die Definition der öffentlich-rechtlichen Gebühr ergibt sich aus den Kommunalabgabengesetzen der Länder. In § 4 Abs. 2 KAG NW heißt es: “Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung – Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit – der Verwaltung (Verwaltungsgebühren ) oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen (Benutzungsgebühren ) erhoben werden“. Die Erhebung einer Gebühr setzt also voraus, dass zwischen der kostenverursachenden Amtshandlung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, ihm die Amtshandlung individuell zuzurechnen.3 Im Hinblick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104 a ff. GG) bedarf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden Rechtfertigungsgrundes.4 Dieser Rechtfertigungsgrund besteht in der individuellen Zurechenbarkeit der Amtshandlung, sodass die Finanzierung einer solchen Amtshandlung durch den Gebührenschuldner - und nicht durch die allgemeinen Steuermittel - gerechtfertigt ist. Sofern dieser Rechtfertigungsgrund erfüllt ist, verfügt der Gesetzgeber dann im Weiteren über einen weiten Gestaltungsspielraum insbesondere darüber, welche individuell zurechenbaren öffentlichen 1 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 1, Rn. 2. 2 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 3. 3 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 21. 4 stRspr, vgl. NVwZ 2017, 696 Rn. 62; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 4; Heun in Dreier, Grundgesetz 2. Auflage 2008, Art. 105, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 5 Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen sowie welche Gebührensätze er hierfür aufstellen will.5 2.2. Steuer Die Legaldefinition des Steuerbegriffs enthält § 3 Abs. 1 AO. In § 3 Abs. 1 AO heißt es: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ 2.3. Auswirkungen auf eine doppelte Finanzierung durch Steuern und Gebühren Steuern und Gebühren haben gemeinsam, dass es sich bei ihnen um Abgaben zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs handelt.6 Der entscheidende Unterschied zwischen Gebühren und Steuern besteht darin, dass die Gebühr mit einer individuell zurechenbaren Gegenleistung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens verknüpft ist.7 Sinn und Zweck der Gebühren ist es, ein Tätigwerden , welches vermeidbar und einem Einzelnen individuell zurechenbar ist, durch denjenigen , dem das Tätigwerden individuell zuzurechnen ist, finanzieren zu lassen und nicht durch die Allgemeinheit. Bei der Steuer handelt es sich dagegen nicht um eine Gegenleistung für eine besondere Leistung.8 Vielmehr handelt es sich um Gelder, welche der Finanzierung der staatlichen Aufgaben dienen, die jeder Einzelne zu erbringen hat.9 Die Gelder dienen dann im Weiteren , wenn auch mittelbar, dem Allgemeinwohl.10 Mit den Gebühren dürfen dagegen keine Gewinne erzielt werden, die dann losgelöst vom Gebührenzweck zur Finanzierung öffentlicher Leistungen, mithin zur Förderung des Allgemeinwohls, verwendet werden.11 Es handelt sich also um weitere, über allgemeine Abgaben durch Steuern hinausgehende Abgaben, die im Einzelfall anfallen können. Die Zulässigkeit einer doppelten Finanzierung durch Gebühren neben der Finanzierung durch Steuern ergibt sich daher aus den unterschiedlichen Zielrichtungen, die die Steuer- und Gebührenabgaben verfolgen. 5 stRspr, vgl. NVwZ 2003, 715; NVwZ 2011, 41 Rn. 17. 6 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 1, Rn. 3. 7 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Auflage 2015, § 2, Rn. 20. 8 Seer in Tipke/lang, Steuerrecht, 22. Auflage 2015, § 2, Rn. 15. 9 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 4. 10 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 8. 11 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 6 3. Unter welchen Voraussetzungen verfallen die Gebühren? Grundsätzlich entsteht der Gebührenanspruch mit der Beendigung der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung durch das öffentlich-rechtliche Gemeinwesen. Dies ergibt sich aus § 4 des Gesetzes über Gebühren und Auslagen des Bundes (Bundesgebührengesetz - BGebG). Allerdings besteht der Gebührenanspruch nicht uneingeschränkt. Vielmehr ist zu beachten, dass der Gebührenanspruch zum einen festgesetzt werden muss und zum anderen darf die Geltendmachung des Anspruchs nicht verjährt sein. Die Festsetzungs- und Zahlungsverjährung verfolgen unterschiedliche Ziele, die im Folgenden neben ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen erläutert werden sollen. 3.1. Gebührenfestsetzung Aus § 9 Abs. 1 bis 3 BGebG ergibt sich, dass Gebührensätze derart zu bemessen sind, dass die den Verwaltungsaufwand berücksichtigende Höhe der Gebühr und die Bedeutung der Amtshandlung nicht außer Verhältnis zueinander stehen. Es ist daher notwendig, den Verwaltungsaufwand , der durch die Amtshandlung entsteht, zu ermitteln, die Bedeutung der Amtshandlung abzuschätzen und infolgedessen eine angemessene Gebühr festzusetzen. Daher sieht § 13 Abs. 1 BGebG vor, dass Gebühren von Amts wegen schriftlich oder elektronisch festgesetzt werden müssen . Gemäß § 13 Abs. 3 BGebG ist dabei eine Festsetzungsfrist von vier Jahren zu beachten. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist, mithin wann die individuell zurechenbare Leistung beendet wurde. Sobald die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, ist eine Gebührenfestsetzung nicht mehr zulässig. Zu beachten ist jedoch , dass die Festsetzungsfrist nicht abläuft, solange über einen vor Ablauf der Frist gestellten Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Festsetzung oder einen eingelegten Rechtsbehelf entschieden worden ist und diese Entscheidung noch anfechtbar ist oder wenn der Gebührenanspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Festsetzungsfrist nicht verfolgt werden konnte. 3.2. Zahlungsverjährung Der Zweck der Verjährung besteht darin, Rechtsfrieden zu schaffen und der Sicherheit im Rechtsverkehr dadurch zu dienen, dass dem Gläubiger nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht, um seine Ansprüche gegenüber dem Schuldner geltend zu machen. Gemäß § 18 Abs. 1 BGebG verjährt der Gebührenanspruch daher nach fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Die Fälligkeit des Gebührenanspruchs ergibt sich aus § 14 BGebG. Sofern die Behörde keinen anderen Zeitpunkt festlegt, wird der Anspruch zehn Tage nach der Bekanntgabe der Gebührenfestsetzung an den Gebührenschuldner fällig. Allerdings ist eine möglicherweise eintretende Verjährungshemmung zu berücksichtigen . Gemäß § 18 Abs. 2 BGebG ist die Verjährung gehemmt, solange der Gebührenanspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden konnte. 4. Unter welchen Umständen kann die Bundespolizei Gebühren erheben, wenn sie nicht im eigenen Zuständigkeitsbereich, sondern bei einem über Amtshilfe angeforderten Einsatz im Auftrag eines Landes tätig wird? Kann sie die Gebühren dann ggf. gegenüber dem Land Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 7 geltend machen; inwiefern setzt dies voraus, dass das Land eine vergleichbare Gebührenordnung hat? Die Amtshilfe ist in Art. 35 GG sowie in den §§ 4 - 8 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) geregelt. Gemäß Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Das Verfahren der Amtshilfe ist in den §§ 4 ff. VwVfG geregelt . Eine entsprechende Regelung in Bezug auf die Kosten im Zusammenhang mit der Amtshilfe enthält § 8 VwVfG. Die Vorschrift bestimmt im Binnenverhältnis der beteiligte Behörden, ob und ggf. in welcher Höhe die ersuchende Behörde Kosten zu erstatten hat, die bei der ersuchten Behörde infolge der Erledigung des Amtshilfeersuchens angefallen sind. Nimmt die ersuchte Behörde zur Durchführung der Amtshilfe eine kostenpflichtige Amtshandlung vor, so stehen ihr nach § 8 Abs. 2 VwVfG die von einem Dritten hierfür geschuldeten Kosten selbst zu; sie braucht sie nicht an die ersuchende Behörde abzuführen.12 Absatz 2 stellt jedoch keine selbständige Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kosten dar, sondern setzt eine solche voraus.13 Ob und in welcher Höhe der Bürger die Kosten für einen Einsatz der Bundespolizei im Wege der Amtshilfe zu entrichten hat, ergibt sich somit aus dem BGebG. Schwierigkeiten könnten sich im Hinblick auf den Begriff der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ergeben. Der Gesetzgeber lässt nicht erkennen, ob es sich hierbei um eine Amtshandlung auf Bundesebene handeln muss oder ob auch ein Tätigwerden im Wege der Amtshilfe ausreichend ist, um einen Gebührenanspruch entstehen zu lassen.14 Mangels entsprechender Anhaltspunkte gegen eine weite Auslegung des Begriffs, ist davon auszugehen, dass unter den Voraussetzungen des BGebG und der BMIBGebV der Gebührenanspruch auch dann entsteht, wenn die Bundespolizei im Wege der Amtshilfe tätig wird. Ob darüber hinaus auch ein vergleichbarer Gebührenanspruch des Landes bestünde, ist irrelevant. 5. Was sind weitere juristische Bedenken gegen einzelne Bestimmungen der Gebührenordnung , bzw. welche rechtlichen Anforderungen sind für eine rechtmäßige Umsetzung zu erfüllen? Im Hinblick auf die Gebührenordnung gibt es einige Bedenken, die sogar einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen darstellen könnten.15 5.1. Grundrechtseinschränkung Insbesondere im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG ist zu prüfen, ob die BMIGebV zu einem Verstoß gegen das Grundgesetz verstößt. 12 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 9. Auflage 2018, § 8 Rn. 14. 13 Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 9. Auflage 2018, § 8 Rn. 14. 14 Funke-Kaiser in BeckOK VwVfG, 46. Ed. 1.7.2019, § 8 Rn. 2. 15 https://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-gebuehrenverordnung-wenn-die-bundespolizei-eine-rechnungschickt /25619088.html; https://taz.de/Gebuehren-fuer-Massnahmen-der-Polizei/!5658040/ [zuletzt abgerufen am 10.03.2020] Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 8 Dadurch, dass man durch die Teilnahme an einer Versammlung der Gefahr eines hohen Gebührenanspruchs ausgesetzt wird, könnte man sich nämlich eingeschränkt fühlen, überhaupt erst an einer Versammlung teilzunehmen. Soweit bestimmten öffentlichen Leistungen eine grundrechtliche Bedeutung zukommt, darf eine Gebührenerhebung nicht von der Leistungsinanspruchnahme abschrecken.16 Diesen Grundsatz könnte man analog darauf anwenden, dass eine Gebührenerhebung nicht vor der Wahrnehmung grundrechtlich gesicherter Positionen – wie der Versammlungsfreiheit - abschrecken darf. Fraglich ist allerdings, ob dieser Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 GG gerechtfertigt wäre. Für öffentliche, d.h. jedermann zugängliche Versammlungen unter freiem Himmel sieht Art. 8 Abs. 2 GG einen Gesetzesvorbehalt vor, der durch die BMIBGebV ausgefüllt sein kann. Die Beschränkung der Versammlungsfreiheit durch die BMIBGebV müsste verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Verordnung einen von der Verfassung gebilligten Zweck, nämlich Polizeieinsätze, die vermeidbar und einem Einzelnen individuell zurechenbar sind, durch denjenigen , dem sie zuzurechnen sind, und nicht durch die Allgemeinheit, finanzieren zu lassen.17 Bei der Verordnung handelt es sich um ein geeignetes und erforderliches Mittel, um diesen Zweck zu erreichen. Insbesondere sind keine anderen Möglichkeiten ersichtlich, die genauso effektiv wären , um den mit der Verordnung verfolgten Zweck zu erreichen. Fraglich ist allerdings, ob die Erhebung von Gebühren für individuell veranlasste und vermeidbare Polizeieinsätze auch angemessen ist. Hierbei sind die widerstreitenden Rechtsgüter in einer Zweck-Mittel-Relation gegeneinander abzuwägen. Das heißt, der Nutzen für den verfolgten Zweck darf nicht außer Verhältnis zum damit verursachten Eingriff stehen. Auf der einen Seite wird das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Versammlungsfreiheit beschnitten, indem man bei der Teilnahme an einer Versammlung mit einem hohen Kostenrisiko zu rechnen hat, welches sogar unabhängig davon besteht, ob man tatsächlich wegen eines Verstoßes gegen das Strafgesetzbuch verurteilt wird oder nicht. Auf der anderen Seite können durch die Umlage der Kosten für den Polizeieinsatz auf den Verursacher des Polizeieinsatzes, Steuergelder in Millionenhöhe zur Förderung des Allgemeinwohls eingesetzt werden. Zudem soll durch die Kostenumlage auch zu einer künftigen Verhaltensbeeinflussung beigetragen werden. Auch dieser Zweck wird im Interesse des Allgemeinwohls verfolgt, da hierdurch die Anzahl der Straftaten eingedämmt werden soll. Es ist nicht ersichtlich, warum individuell verursachte Einzelfälle während einer ansonsten friedlichen Versammlung durch jeden Bürger finanziell mitgetragen werden sollen. Die Steuergelder können an sinnvolleren Stellen ausgegeben werden, die in einem erheblicheren Maße zum Wohl der Allgemeinheit beitragen. Zudem ist es nicht das Ziel der Verordnung, faktisch die Anzahl an Versammlungen zu reduzieren , sondern Versammlungen sicherer zu gestalten. Daher ist davon auszugehen, dass der Eingriff in die Versammlungsfreiheit durch die BMIBGebV gerechtfertigt ist. 16 BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414f.); Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 25. 17 https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/wer-einen-polizeieinsatz-verursacht-muss-zahlen- 1138380202.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 028/20 Seite 9 5.2. Inanspruchnahme von Nichtstörern Insbesondere im Rahmen von Versammlungen ist es möglich, dass nicht nur Störer im Sinne des Polizeigesetzes, polizeilichen Maßnahmen unterworfen werden, gegen die sodann ein Gebührenanspruch entsteht. Hierdurch entstünde ein Wertungswiderspruch zwischen der polizeirechtlichen Störerhaftung und der gebührenrechtlichen Inanspruchnahme.18 Allerdings gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der es gebietet, Gebühren für polizeiliche Maßnahmen stets nur dem Störer oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an der Stelle des Störers in Anspruch genommen werden können.19 Die polizeirechtliche Störerhaftung kann vielmehr neben der gebührenrechtlichen Inanspruchnahme zur Anwendung kommen, vorausgesetzt es besteht ein „besonderes Näheverhältnis“ des Gebührenschuldners zur Störerhaftung, welches eine Zurechnung des Gebührenanspruchs rechtfertigt.20 Ein solches Näheverhältnis entsteht bereits als Ausfluss des Vorteilsprinzips mit der Teilnahme an Versammlungen , indem man das Angebot der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch nimmt.21 5.3. Kostenhöhe Die BMIBGebV sieht eine Reihe von Tatbeständen vor, die an polizeiliche Maßnahmen von gewisser Dauer anknüpfen, wie beispielsweise den Vollzug des Gewahrsams in der stationären Gewahrsamseinrichtung , wodurch eine Gebühr in Höhe von 6,51 € je angefangene Stunde entsteht. Hierbei könnte im Einzelfall eine übermäßige Gebühr entstehen, da sie nicht gedeckelt ist und Betroffene die Dauer der Maßnahme weder abschätzen noch bestimmen können. Dies könnte gegen das Prinzip der Kostendeckung verstoßen. Das Prinzip der Kostendeckung beinhaltet, dass das Gesamtgebührenaufkommen den Finanzbedarf der kostenrechnenden Einrichtung nicht übersteigen darf.22 *** 18 BVerwG, NJW 2019, 3317 (3321). 19 BVerwG, NJW 2019, 3317 (3321); VGH Mannheim, NJW 1983, 1882 [1884]; Götz, DVBl 1984, 14 [18]; Heise, NVwZ 2015, 262 [263]. 20 BVerwG, NJW 2019, 3317 (3321). 21 BVerwG, NJW 2019, 3317 (3321). 22 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 1. Auflage 2014, § 2, Rn. 28.