© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 027/21 Besteuerung des Grundbesitzes nach deutschem Recht Grundsätze der Grundsteuer und Steuerbefreiungen zugunsten der öffentlichen Hand Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/21 Seite 2 Besteuerung des Grundbesitzes nach deutschem Recht Grundsätze der Grundsteuer und Steuerbefreiungen zugunsten der öffentlichen Hand Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 027/21 Abschluss der Arbeit: 16. März 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Frage 1: Besteuerung von öffentlichen Gebäuden und Unternehmen 4 2. Frage 2: Separate oder gemeinsame Besteuerung von Gebäuden und Grundstücken 4 3. Fragen 3 und 4: Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/21 Seite 4 1. Frage 1: Besteuerung von öffentlichen Gebäuden und Unternehmen Zunächst wird dargestellt, ob zugunsten von öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern, Schulen , Universitäten und öffentlichen Unternehmen eine Steuerbefreiung eingreift. Das deutsche Recht erfasst Gebäude als Teil der Grundsteuer, die gemäß § 2 Grundsteuergesetz (GrStG) prinzipiell für jeden Grundbesitz zu entrichten ist.1 Ausnahmeregelungen, die unter bestimmten Bedingungen Gebäude der genannten Art umfassen, finden sich aber in §§ 3, 4 GrStG. Die in § 3 Abs. 1 enthaltenen Befreiungstatbestände privilegieren die öffentliche Hand sowie gemeinnützig oder mildtätig tätige Grundbesitzbenutzer2 und bestimmte Religionsgemeinschaften.3 Nr. 1 und 2 befreien inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zurechenbaren und hoheitlich oder für den Allgemeingebrauch genutzten Grundbesitz sowie Verwaltungsflächen des Bundeseisenbahnvermögens von der Grundsteuer; nach § 3 Abs. 3 ist gewerblich-betriebliche Tätigkeit der öffentlichen Hand allerdings von dieser Befreiung ausgeschlossen. Nr. 3 privilegiert die Nutzung von Grundbesitz für gemeinnützige oder mildtätige Tätigkeiten. Nr. 4-6 beziehen sich auf die spezifisch-religiöse und Versorgungstätigkeit durch Religionsgemeinschaften mithilfe ihnen zurechenbaren Grundbesitzes. Die Befreiungstatbestände des § 4 stellen hingegen nicht primär auf den Eigentümer des jeweiligen Grundbesitzes, sondern dessen objektive Nutzung für begünstigte Zwecke ab.4 Im Falle von Nr. 1 und 2 sind dies Gottesdienst und Bestattung . Nr. 3 erfasst land-, flug- und wasserverkehrsrelevante Flächen, Nr. 4 Einrichtungen der öffentlichen Wasser- und Bodenverbände. Nr. 5 und 6 privilegieren für Wissenschaft, Unterricht oder Erziehung genutzten Grundbesitz sowie Krankenhäuser. Zu beachten ist, dass die in §§ 3, 4 geregelten Ausnahmen nur bei unmittelbarer Nutzung des Grundbesitzes für den begünstigten Zweck (§ 7) und nur für schwerpunktmäßig so genutzte Objekte oder deren räumlich abgrenzbare Teile gelten (§ 8). 2. Frage 2: Separate oder gemeinsame Besteuerung von Gebäuden und Grundstücken Des Weiteren wird die Frage erörtert, ob Gebäude und Grundstücke gemeinsam oder separat zu unterschiedlichen Sätzen besteuert werden. Das deutsche Recht unterscheidet prinzipiell nicht zwischen Gebäude- und einer Grundstückssteuern, beide Objekte unterfallen der Grundsteuer. Dieser unterliegt nach § 2 GrStG i.V.m. dem Bewertungsgesetz (BewG) der gesamte inländische Grundbesitz in Form von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft sowie Grundstücken; Steuergegenstand ist dabei jeweils die wirtschaftliche Einheit.5 Für jeden Steuergegenstand wird die 1 Siehe dazu näher Frage 2. 2 Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Sachstand sind geschlechtsneutral zu verstehen; die gewählte männliche Form bezieht sich auf weibliche, männliche und diverse Personen. 3 Vgl. Seer in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 9. 4 Halaczinsky in: Schreiber/Ruge (Hrsg.), Handbuch Immobilienrecht, 4. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 19. 5 Halaczinsky in: Schreiber/Ruge (Hrsg.), Handbuch Immobilienrecht, 4. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/21 Seite 5 Steuer einheitlich erhoben, der grundlegende Einheitswert für die jeweilige wirtschaftliche Einheit insgesamt berechnet.6 Diese umfasst nach § 2 Nr. 1 GrStG i.V.m. § 33 Abs. 2 BewG im Falle von Land- und Forstwirtschaftsbetrieben neben Grund und Boden auch die Wirtschaftsgebäude, bei Grundstücken gemäß § 2 Nr. 2 GrStG i.V.m. §§ 68 Abs. 1, 70 Abs. 1 BewG typischerweise auch die darauf stehenden Gebäude, § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG. Folglich werden Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits nach deutschem Grundsteuerrecht grundsätzlich als Einheit erfasst und besteuert, weil sie Teil derselben wirtschaftlichen Einheit und damit eines einheitlichen Steuergegenstands sind. §§ 68 Abs. 1, 70 Abs. 3 BewG regeln indes auch Fälle, in denen Gebäude oder Gebäudeteile wirtschaftlich nicht zu dem Boden gehören, auf dem sie sich befinden, so im Falle selbständigen Wohnungseigentums oder eines Gebäudes auf fremdem Boden. In diesem Fall bildet die Wohnung oder das Gebäude eine eigenständige wirtschaftliche Einheit, die selbst als Grundstück im Sinne des Grundsteuerrechts gilt. Dann werden Grund und Boden sowie Gebäude als verschiedene Steuergegenstände separat erfasst; auf sie findet jeweils das allgemeine Grundsteuerbemessungs - und -festsetzungsverfahren Anwendung. 3. Fragen 3 und 4: Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage Schließlich wird dargestellt, wie die Steuerbemessungsgrundlage ermittelt wird und welche Rolle der Marktwert dabei spielt. Die Festsetzung der Grundsteuer erfolgt nach geltendem deutschem Grundsteuerrecht in drei Schritten: An die Berechnung des Einheitswerts des Steuergegenstands schließt sich die Ermittlung des Steuermessbetrags an, auf welchen abschließend der Hebesatz angewendet wird. Die Berechnung des Einheitswerts des jeweiligen Steuergegenstands erfolgt nach dem BewG.7 Bei Land- und Forstwirtschaftsbetrieben ist dafür der Ertragswert des Betriebs maßgebend, der aufgrund des durch ordnungsgemäße Bewirtschaftung des jeweiligen Betriebs erzielbaren Ertrag abzüglich Arbeitsleistungen und gewöhnlicher Bewirtschaftungskosten (sog. Reinertrag) ermittelt wird, § 36 BewG.8 Der Ertragswert wird mit einer Vergleichszahl multipliziert, die sich aus den unterschiedlichen natürlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Betriebe einer Nutzungsart ergibt, §§ 37 f. BewG. Berücksichtigt werden hierbei unter anderem Art und Beschaffenheit des Bodens, die tatsächliche Verkehrslage und Größe des Betriebs sowie die regional regelmäßigen Preise, Löhne und Betriebsorganisationen.9 Die Berechnungsgrundlage und -methode bei Grundstücken ist abhängig von deren Bebauungszustand . Bei unbebauten Grundstücken ist der auf dem Markt unter gewöhnlichen Verhältnissen erzielbare Preis für das Grundstück (sog. Verkehrswert) maßgeblich, § 9 i.V.m. § 17 Abs. 3 BewG. 6 Vgl. Seer in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 8. Siehe dazu näher Frage 3. 7 Ab dem 1. Januar 2022 werden die neuen Wertermittlungsvorschriften nach §§ 218 ff. BewG Anwendung finden . Vgl. dazu Eichholz, Novellierung der Grundsteuer, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2020, S. 1158 ff. 8 Vgl. dazu Wiegand in Rössler/Troll (Hrsg.), Bewertungsgesetz, 32. EL September 2020, § 36 Rn. 7 ff. 9 Wiegand in Rössler/Troll (Hrsg.), Bewertungsgesetz, 32. EL September 2020, § 37 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/21 Seite 6 Grundlage der Bestimmung sind alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Grundstücks wie dessen Lage, Größe, Gestaltung und Erschließungszustand sowie Umwelteinflüsse und rechtliche Belastungen.10 In der Praxis werden danach erstellte Bodenrichtwertkarten herangezogen.11 Der Wert von Grundstücken, die mit Ein- oder Zweifamilienhäusern bebaut sind oder als Geschäftsgrundstücke , Mietwohngrundstücke oder gemischt genutzte Grundstücke verwendet werden , erfolgt nach dem sog. Ertragswertverfahren, § 76 i.V.m. § 78 BewG. Dabei liegt der tatsächliche oder anhand vergleichbarer Objekte geschätzte hypothetische Jahresrohmietzins, also der von einem Mieter für die Gebrauchsüberlassung jährlich zu entrichtende Gesamtbetrag, zugrunde.12 Dieser wird mit einem sich aus Grundstücksart, Bauart, Bauausführung, Baujahr und Einwohnerzahl der Gemeinde ergebenden Vervielfältiger multipliziert (Anlage 3 bis 8 zum BewG); das Ergebnis wird im Hinblick auf wertsteigernde oder -mindernde Faktoren korrigiert, die in Jahresrohmietzins und Vervielfältiger nicht zum Ausdruck kommen, z.B. starke Lärmemissionen, § 82 BewG. Der Einheitswert von allen anderen bebauten Grundstücken bemisst sich nach dem sog. Sachwertverfahren, § 76 BewG i.V.m. § 83 BewG. Dabei wird aus Bodenwert, Gebäudewert und Wert der Außenanlagen ein Ausgangswert errechnet und mittels einer festgelegten Wertzahl an den gemeinen Wert angeglichen. Der Bodenwert wird wie bei unbebauten Grundstücken festgelegt , während der Wert von Gebäuden und Außenanlagen nach Faktoren wie den Herstellungskosten , dem Alter, Mängeln und Schäden sowie der Lebensdauer ermittelt wird, §§ 85 ff. BewG. Für Grundstücke im Zustand der Bebauung, Erbbaurechte, Wohnungs- und Teileigentum sowie Gebäude auf fremdem Grund und Boden normieren die §§ 91 ff. BewG besondere Wertermittlungsregelungen . Der Einheitswert wird zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage (sog. Steuermessbetrag) mit einer Steuermesszahl multipliziert, § 13 GrStG. Für Land- und Forstwirtschaftsbetriebe beträgt sie 6 Promille, für Grundstücke grundsätzlich 3,5 Promille; Privilegierungen gelten zugunsten von Grundstücken mit Ein- und Zweifamilienhäusern, § 14 GrStG.13 Auf den so errechneten Steuermessbetrag wird der für Forst- und Landwirtschaftsbetriebe und Grundstücke jeweils einheitliche gemeindliche Hebesatz angewendet, § 25 GrStG, so dass sich die zu leistende Grundsteuer ergibt. Zu beachten ist, dass im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 201814 zum 1. Januar 2025 eine grundlegende Reform des deutschen Grundsteuerrechts hinsichtlich der Bemessungsgrundlage erfolgen soll. *** 10 Vgl. dazu Halaczinsky in: Rössler/Troll (Hrsg.), Bewertungsgesetz, 32. EL September 2020, § 9 Rn. 8, 10 f. 11 Halaczinsky in: Rössler/Troll (Hrsg.), Bewertungsgesetz, 32. EL September 2020, § 72 Rn. 34. 12 Halaczinsky, in: Rössler/Troll (Hrsg.), Bewertungsgesetz, 32. EL September 2020, § 79 Rn. 4. 13 Die Regelung zur Steuermesszahl ändert sich zum 1. Januar 2025; im Hinblick auf die veränderte Bewertungsgrundlage erfolgt eine Senkung und stärkere Differenzierung in Bezug auf verschiedene Arten von Grundstücken . Vgl. dazu Seer in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Kap. 16 Rn. 22 ff. 14 BVerfGE 148, 147.